Unzulässige Erweiterung bei Teilanmeldung

Hans35

*** KT-HERO ***
Aus dem Verlauf dieses Threads meine ich nun jedoch zu entnehmen, dass nach der Kommentarmeinung (ggf. auch Meinung des BPatG), nach der Erteilung der Teilungsanmeldung (Teilpatent) bei der Betrachtung einer unzulässigen Erweiterung auf die Anmeldung (iSv Offenbarung) der Stammanmeldung abzustellen ist und nicht auf die Anmeldung (iSv Offenbarung) der Teilungsanmeldung. Ist dies korrekt?
In der Tat. Eine "Offenbarung in der Teilanmeldung" gibt es nicht, das ist nur ein Aktendeckel mit einem zusätzlichen Aktenzeichen. Offenbart ist das, was in der Stammanmeldung offenbart ist, und das kann in der Teilanmeldung beansprucht werden.

Wenn ich in den Unterlagen zur Teilanmeldung, die innerhalb von drei Monaten einzureichen sind, etwas aus diesem Offenbarungsumfang weglasse, dann hat das keine Bedeutung; das Weggelassene kann in späteren Änderungen der Unterlagen wieder aufgegriffen werden. Das ist nicht anders, als wenn ich in irgendeiner Eingabe (ohne Teilung) erst mal etwas weglasse und es später wieder aufgreife.

Bitte streiche in deinem Beitrag alle Sätze in denen von einer "Offenbarung in der Teilanmeldung" die Rede ist, die haben keinen Sinn.

Beispiel:
Offenbarung in der Stammanmeldung A1: Erfindungen A, B und C. Dabei spielt es für das Beispiel keine Rolle, ob diese Erfindungen untereinander einheitlich sind, oder ob sie nicht einmal gemeinsame Merkmale aufweisen.
(Einziger) Patentanspruch in der Stammanmeldung: A

Teilungserklärung:
In den Unterlagen, die innerhalb der Drei-Monatsfrist zur Teilungsanmeldung A2 eingereicht werden, wird B beansprucht. Von A und C ist nicht mehr die Rede, auch nicht in der Beschreibung. Zu B findet der Prüfer aber patenthindernden SdT. Der Anmelder greift nun in seiner Teilanmeldung A2 die Erfindung C aus dem Offenbarungsgehalt (in der Stammanmeldung A1) auf.
Das ist keine unzulässige Erweiterung. C kann in A2 erteilt werden.

Und um noch eins draufzusetzen:
Wegen eines Missverständnisses mit den Gebühren fällt die Stammanmeldung A1 vor der Erteilung der Erfindung A weg. Daraufhin teilt der Anmelder die noch anhängige Anmeldung A2 und hat so eine zweite Teilanmeldung A3. In dieser beansprucht er erneut die Erfindung A. Auch die kann erteilt werden!

Es kann also jederzeit (durch eine Teilungserklärung) ein zusätzlicher Aktendeckel (mit Aktenzeichen) beantragt werden. Was da drin zulässig beansprucht werden darf, richtet sich nur nach der Offenbarung am Anmeldetag der Stammanmeldung und das ist (in diesem Beispiel) immer nur die Anmeldung A1.
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Völlig getrennt davon ist bei einem bereits erteilten Patent (im Einspruchs-, Beschränkungs- und Nichtigkeitsverfahren) gem. § 22 zusätzlich zu beachten, dass der Schutzbereich des Patents nicht erweitert werden darf. Der Schutzbereich ergibt sich nicht aus der Offenbarung am Anmeldetag, sondern aus dem Text des erteilten Patents, also aus der Patentschrift. Ob das Patent auf eine Teilanmeldung erteilt wurde, spielt keine Rolle.
 
Zuletzt bearbeitet:

B_2020

GOLD - Mitglied
In der Tat. Eine "Offenbarung in der Teilanmeldung" gibt es nicht, das ist nur ein Aktendeckel mit einem zusätzlichen Aktenzeichen. Offenbart ist das, was in der Stammanmeldung offenbart ist, und das kann in der Teilanmeldung beansprucht werden.

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Vielen Dank @Hans35
Das liest sich mit der EPO-Brille zwar alles falsch, aber man muss dann einfach die deutsche Brille aufsetzen und dabei daran denken, dass die Teilung rein prozessual ist (also wie du sagtest, nur ein Aktendeckel (bzw. vlt sogar eine Einlage in die Stammakte (man macht ja da weiter, wo die Stammakte gerade war))).

Völlig getrennt davon ist bei einem bereits erteilten Patent (im Einspruchs-, Beschränkungs- und Nichtigkeitsverfahren) gem. § 22 zusätzlich zu beachten, dass der Schutzbereich des Patents nicht erweitert werden darf. Der Schutzbereich ergibt sich nicht aus der Offenbarung am Anmeldetag, sondern aus dem Text des erteilten Patents, also aus der Patentschrift. Ob das Patent auf eine Teilanmeldung erteilt wurde, spielt keine Rolle.
Damit hast du dann auch meine Folgefrage vorweggenommen.
Nach der Zäsur der Erteilung kommt es bzgl. der Schutzbereichserweiterung (§22 S1 2.Alt) auf den Text der Patentschrift an und nicht auf eine Anmeldeunterlagen. Sollte man also in der Patentschrift des Teilpatents Merkmale (bspw. B) herausgenommen haben, könnte eine Aufnahme des Merkmals B zwar ursprungsoffenbart sein (da es bspw in der Stammanmeldung offenbart war), gleichwohl kann sich hieraus eine Schutzbereichserweiterung ergeben (Stichwort Vertrauensschutz Dritter nach Erteilung).
 

Hans35

*** KT-HERO ***
So ist es. Das Verbot der Schutzbereichserweiterung (§ 22) wirkt in zweierlei Hinsicht:

1. Es darf zum Zweck der Beschränkung des Patents kein Merkmal in die Ansprüche aufgenommen werden, das sich nicht in der Patentschrift findet; dasselbe gilt, wenn das fragliche Merkmal dort zwar erwähnt wird, wenn aber nicht ersichtlich ist, dass und wie es mit dem beanspruchten Gegenstand zusammenwirkt und dadurch zu der Lösung des patentgemäßen Problems beiträgt.

2. Der patentierte Gegenstand darf nicht verändert werden, so dass ein "Aliud" entsteht. Damit ist idR eine Veränderung des "Oberbegriffs" gemeint, so dass nun etwas "anderes" beansprucht wird, auch wenn dieses "Andere" ursprünglich [im Fall eines Patents auf eine Teilanmeldung: in den Unterlagen vom Anmeldetag der Stammanmeldung] offenbart ist und es auch in der Patentschrift enthalten und beschrieben ist.

Hintergrund:

Wird beispielsweise erteilt "Chip, gekennzeichnet durch XY." und die beantragte Änderung lautet "Computer mit einem Chip, gekennzeichnet durch XY.", dann ist das ein solches unzulässiges "Aliud". Dabei ist durchaus klar, dass ein Chip, der XY aufweist, jedenfalls eine Verletzung des Patents (in der erteilten Fassung) darstellt, egal, ob er in eine Computer eingebaut ist oder nicht. Darüber hinaus ist auch klar, dass es sich bei einer solchen Anspruchsänderung um eine Beschränkung des Patents handelt, denn nach der beantragten Änderung würden ja nur noch solche Chips unter das Patent fallen, die in einen Computer eingebaut sind, und andere nicht.

Diese Änderung ist aber letztlich deshalb unzulässig, weil das fragliche erfinderische Merkmal (XY) in der Regel nicht nur mit dem Chip, sondern auch mit dem Computer zusammenwirkt, und genau das soll nunmehr das Erfinderische sein. [Denn wenn die Änderung wirklich notwendig ist, um das Patent zu retten, dann ist das Zusammenwirken von XY mit dem Chip ja bereits durch den SdT zumindest nahegelegt und erst bei dem Zusammenwirken von XY mit dem Computer ist das nicht der Fall.] Das ist dann aber eine andere Erfindung, die nicht mit dem Erteilungsbeschluss patentiert wurde: Denn auch ein "Computer, gekennzeichnet durch XY." wäre dann neu und erfinderisch und der Chip wäre nur "Beiwerk", das man in einen Unteranspruch verbannen könnte.

Der Einfachheit halber (?) wird ein "Aliud" bei jeglicher Manipulation am Oberbegriff unterstellt, die notwendig ist, um zu einem Gegenstand zu gelangen, der neu und nicht nahegelegt ist.
 
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