Teil 7: Berechnen des Vergütungsanspruchs: Sonderfälle des Erfindungswerts
Es können drei Methoden zur Berechnung des Erfindungswerts unterschieden werden. Die Anwendung der Lizenzanalogie zur Berechnung des Erfindungswerts wird in der Praxis und bei den befassten Gerichten in der überwältigenden Zahl der Fälle angewandt.[1] Eine alternative Berechnung stellt die Erfassung des betrieblichen Nutzens dar, die bei einem ausschließlich innerbetrieblichen Nutzen eingesetzt wird. Ist eine rechnerische Erfassung des Erfindungswerts nicht möglich, bleibt als dritte Variante das Schätzen des Erfindungswerts.
Alle Artikel zur Artikelserie „Grundlagen des Arbeitnehmererfindungsrechts“:
Teil 1: Geltungsbereich und Arten von Erfindungen
Teil 2: Diensterfindung
Teil 3: Entstehen des Vergütungsanspruchs, Vereinbarung und Festsetzung
Teil 4: Anpassung der Regelung, Unbilligkeit und Unabdingbarkeit
Teil 5: Benutzung der Erfindung und Auskunftserteilung
Teil 6: Berechnen des Vergütungsanspruchs: Erfindungswert nach Lizenzanalogie
Teil 7: Berechnen des Vergütungsanspruchs: Sonderfälle des Erfindungswerts
1. Berechnung des erfassbaren betrieblichen Nutzens
Erfolgt eine Nutzung einer Diensterfindung ausschließlich innerhalb des Betriebs und wird kein Umsatz erzeugt, kann mit der Methode des erfassbaren betrieblichen Nutzens der Erfindungswert berechnet werden. Eine ausschließlich innerbetriebliche Nutzung kann sich beispielsweise bei einer Erfindung ergeben, die das Verkürzen eines Herstellprozesses, das Einsparen von Materialien oder die Vermeidung manueller Tätigkeiten zum Inhalt hat. Die Berechnung des erfassbaren betrieblichen Nutzens erfolgt durch einen Vergleich der Kosten und der Erträge in einer fiktiven Situation ohne und mit der Nutzung der Erfindung.
Es ist in der Praxis oft schwer, die Kosten und Erträge ohne und mit Nutzung der Erfindung zu bestimmen. Es werden hierzu regelmäßig Annahmen und Schätzungen erforderlich sein, sodass die Berechnung des erfassbaren betrieblichen Nutzens zumeist sehr ungenau ist.
Nachdem durch einen Kosten- und Ertragsvergleich der betriebliche Nutzen bestimmt wurde, wird als Daumenregel der Erfindungswert als ein 20%-Anteil davon bestimmt. Eine vollständige Zurechnung des betrieblichen Nutzens als Erfindungswert ist auszuschließen, da der Aufwand des Arbeitgebers bei der Realisierung der Erfindung zu berücksichtigen ist.
2. Schätzen des Erfindungswerts
Typische Erfindungen deren Erfindungswert nur geschätzt werden können beschäftigen sich mit der Gefahrenvorsorge, dem Arbeitsschutz oder der Qualitätssicherung.
Der komplette ermittelte Nutzen kann nicht als Erfindungswert angesehen werden, da der Aufwand und die Mühe des Arbeitgebers bei der Realisierung des Nutzens auch hier abzuziehen ist. Eine 20%-Regelung erscheint vor diesem Hintergrund sachgerecht, sodass vom geschätzten Nutzen in aller Regel nur 20% als Erfindungswert angerechnet wird.
3. Spezialfälle der Bestimmung des Erfindungswerts
Es können betriebliche oder sonstige Umstände ausgemacht werden, die zu besonders zu behandelnden Spezialfällen bei der Ermittlung des Erfindungswerts führen.
Erfindungswert bei Lizenzeinnahmen
Werden mit der Diensterfindung Lizenzeinnahmen erwirtschaftet, so können diese zur Berechnung des Erfindungswerts herangezogen werden. In diesem Fall werden von den erhaltenen Lizenzeinnahmen zunächst sämtliche Kosten abgezogen, die erforderlich sind, damit die Lizenz vergeben werden kann. Hierzu zählen insbesondere Kosten zum Erhalt des Schutzrechts und Kosten zur Abwicklung der Lizenzvereinbarung. 20% des sich so ergebenden Betrags können als anzurechnender Erfindungswert angenommen werden.
Erfindungswert bei einem Verkauf der Erfindung
Bei einem Verkauf der Erfindung, insbesondere im Zuge des Übergangs eines entsprechenden Schutzrechts, kann der Verkaufserlös abzüglich der Kosten des Schutzrechts als Rechnungsgrundlage zur Bestimmung des Erfindungswerts dienen. Der sich ergebende Betrag ist um den bezifferbaren Aufwand des Arbeitgebers zu kürzen. In der Praxis werden 20% bis 40% des Verkaufserlöses nach Abzug der Kosten als sachgerechter Erfindungswert angesehen.
Erfindungswert bei nicht verwerteter Erfindung
Es liegt im Ermessen eines Arbeitgebers, eine in Anspruch genommene Diensterfindung nicht zu verwerten. Das Arbeitnehmererfindungsgesetz schränkt den Arbeitgeber in seinen unternehmerischen Entscheidungen nicht ein. Allerdings darf dies nicht zu Lasten des erfinderischen Arbeitnehmers gehen. Nicht verwertete Erfindungen sind trotz fehlender Umsätze oder Lizenzeinnahmen zu vergüten. Allerdings kommt in diesem Fall eine Vergütung erst nach Patenterteilung in Frage.
Erfindungswert bei Sperrpatenten
Ein Sperrpatent ist nicht ein nicht verwertetes Patent, denn mit einem Sperrpatent wird der Umsatz eines Produkts des Arbeitgebers rechtlich abgesichert. Mit einem Sperrpatent soll vermieden werden, dass den Wettbewerbern eine alternative Lösung gemeinfrei zur Verfügung steht. Allerdings muss als Voraussetzung einer Vergütung sichergestellt sein, dass die Diensterfindung produktionsreif ist und tatsächlich zu einer monopolartigen Position des Arbeitgebers führt. Zur Berechnung des Erfindungswerts kann in diesem Fall derjenige Umsatz herangezogen werden, der aufgrund der Absicherung des Monopols zusätzlich erwirtschaftet wird.
Erfindungswert bei einem Gebrauchsmuster
Die Ermittlung des Erfindungswerts einer durch ein Gebrauchsmuster abgesicherten Diensterfindung erfolgt analog zu einer patentgeschützten Erfindung. Allerdings wird aufgrund der ungeprüften Natur des Gebrauchsmusters ein Abschlag von 30% bis 50% für sachgerecht angesehen.
Erfindungswert bei Auslandsnutzungen
Eine zusätzliche Auslandsnutzung ist zur Inlandsnutzung hinzuzurechnen. Erfolgt eine Nutzung ausschließlich im Ausland ist diese wie eine Inlandsnutzung bei der Berechnung des Erfindungswerts zu behandeln. Dies gilt auch dann, wenn im entsprechenden Ausland keine analoge Regelung zum deutschen Gesetz über Arbeitnehmererfindungen existiert.
Erfindungswert bei betriebsgeheimen Erfindungen
Die unternehmerische Entscheidung, kein Patent anzumelden, sondern eine Diensterfindung ausschließlich als geheim zu haltendes betriebliches Know-How zu nutzen, steht dem Arbeitgeber zu. Allerdings ist die betriebsgeheime Erfindung bei der Berechnung des Erfindungswerts einer Erfindung, die zum Patent angemeldet wurde, gleichzustellen.
[1] BGH, 21.12.2005 – X ZR 165/04 „Zylinderrohr“, GRUR 2006, 401.