Grundlagen des Arbeitnehmererfindungsrechts (Teil 4)

Teil 4: Anpassung der Regelung, Unbilligkeit und Unabdingbarkeit

Das Arbeitnehmererfindungsgesetz sieht als Regelfall eine Vereinbarung des Arbeitgebers mit seinem erfinderischen Arbeitnehmer über die Vergütung der Erfindung vor.[1] Allerdings kann sich diese Regelung später als unangemessen herausstellen, da sich die Umstände wesentlich geändert haben. In diesem Fall kann eine Anpassung der Regelung angestrebt werden. Es kann sich außerdem ergeben, dass eine Vereinbarung bereits zu Beginn unbillig war.

Alle Artikel zur Artikelserie „Grundlagen des Arbeitnehmererfindungsrechts“:
Teil 1: Geltungsbereich und Arten von Erfindungen
Teil 2: Diensterfindung
Teil 3: Entstehen des Vergütungsanspruchs, Vereinbarung und Festsetzung
Teil 4: Anpassung der Regelung, Unbilligkeit und Unabdingbarkeit
Teil 5: Benutzung der Erfindung und Auskunftserteilung

1. Anpassung der Vergütungsregelung

Der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer können verlangen, dass die Vergütung zum Gegenstand einer neuen Vereinbarung wird, falls sich die Berechnungsgrundlage wesentlich geändert hat.[2] Die relevanten Umstände dürfen sich erst während der Laufzeit der Vereinbarung geändert haben. Entsprach bereits zum Zeitpunkt der Vereinbarung die Berechnungsgrundlage nicht den realen Verhältnissen, können sich die Parteien auf Unbilligkeit berufen.[3] Das Recht zur Anpassung kann in einer Vergütungsvereinbarung ausgeschlossen werden. Der Verzicht auf die Geltendmachung muss der Vereinbarung klar und eindeutig entnehmbar sein. Außerdem muss der Verzicht insbesondere finanziell kompensiert werden.

Eine Anpassung der Regelung ist nur möglich, falls es der Vertragspartei, die die Anpassung fordert, unzumutbar ist, an der bisherigen Regelung festzuhalten. Nur bei Unzumutbarkeit kann von einer Wesentlichkeit der Änderungen ausgegangen werden, die eine neue Vereinbarung rechtfertigt. Änderungen, die sich aufgrund eines üblichen Geschäftsverlaufs ergeben, rechtfertigen keinesfalls eine Anpassung der Regelung. Vielmehr müssen unvorhersehbare und außergewöhnliche Änderungen vorliegen. Diese können sich beispielsweise ergeben, falls der Arbeitgeber durch Wegfall von Wettbewerbern allein einen Markt bedienen kann. Andererseits kann ein ökonomischer Einbruch einer Volkswirtschaft ebenfalls einen Grund für eine Anpassung der Regelung darstellen.

Das Recht, eine Anpassung der Regelung zu verlangen, verjährt nach BGB innerhalb von drei Jahren. Eine Verjährung beginnt am Ende des Jahres in dem der Berechtigte Kenntnis von der Änderung der Umstände, die eine Anpassung begründen, erlangt hat oder es grob fahrlässig versäumt hat zu erlangen.

2. Unbilligkeit

Eine Vereinbarung ist unwirksam, wenn sie in erheblichem Maße unbillig ist.[4] Dies gilt auch für eine Vergütungsfestsetzung.[5] Unbilligkeit kann angenommen werden, wenn eine Vergütungsvereinbarung bzw. –festsetzung um mehr als 50% von der gesetzlichen Regelung abweicht. Eine Abweichung von 25% kann bei sechsstelligen Vergütungen bereits als ausreichend angesehen werden. Generell kann von Unbilligkeit ausgegangen werden, wenn die Differenz zur gesetzlichen Regelung einen mittleren fünfstelligen Betrag erreicht. Unbilligkeit gemäß dem § 23 des Arbeitnehmererfindungsgesetzes wird vor der Schiedsstelle bei Verfahren zu Vergütungsvereinbarungen bzw. –festsetzungen regelmäßig vorgetragen.

Unbilligkeit muss spätestens innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht werden. Schriftform ist nicht erforderlich, es genügt Textform. Das bedeutet, dass die Unbilligkeit lesbar auf einem Papier, auf einer Email, einer SMS oder mittels eines sonstigen Datenträgers erklärt werden muss. Der Erklärende muss benannt werden. Eine Unterschrift des Erklärenden ist nicht erforderlich.[6] Ist eine Vereinbarung unbillig, gilt sie als von Anfang an (ex tunc) als nichtig.[7]

3. Unabdingbarkeit

Das Arbeitnehmererfindungsgesetz gibt im § 22 einen grundsätzlichen Rahmen vor, innerhalb dessen Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zulässig sind. Diese Regelungen können aber trotz Zulässigkeit nach § 22 dennoch unbillig nach § 23 und damit unwirksam sein.[8]

Ein Arbeitnehmer kann nicht vor der Meldung einer Erfindung auf Rechte aus der Erfindung verzichten.[9] Ein entsprechender Passus, beispielsweise in einem Arbeitsvertrag, ist nichtig.[10] Allerdings können auch für den Arbeitnehmer nachteilige Vereinbarungen nach der Meldung einer Diensterfindung bzw. der Mitteilung einer freien Erfindung, sobald diese den Beteiligten bekannt ist, geschlossen werden.[11] Regelungen, die zum Vorteil des Arbeitnehmers sind, sind stets zulässig.


[1] § 12 Absatz 1 Arbeitnehmererfindungsgesetz.
[2] § 12 Absatz 6 Satz 1 Arbeitnehmererfindungsgesetz.
[3] § 23 Absatz 2 Arbeitnehmererfindungsgesetz.
[4] § 23 Absatz 1 Satz 1 Arbeitnehmererfindungsgesetz.
[5] § 23 Absatz 1 Satz 2 Arbeitnehmererfindungsgesetz.
[6] § 23 Absatz 2 Arbeitnehmererfindungsgesetz.
[7] § 139 BGB.
[8] § 23 Absatz 1 Satz 1 Arbeitnehmererfindungsgesetz.
[9] § 22 Satz 1 Arbeitnehmererfindungsgesetz.
[10] § 134 BGB.
[11] § 22 Satz 2 Arbeitnehmererfindungsgesetz.

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Herr Dr. Thomas Heinz Meitinger ist Deutscher Patentanwalt sowie European Patent, Trademark and Design Attorney mit Elektrotechnik als technischem Hintergrund.