Teil 7: Verletzung von Designrechten
Ein eingetragenes Designrecht ist ein ungeprüftes Schutzrecht. Bevor ein angeblicher Verletzer abgemahnt wird, sollte daher unbedingt eine eigene Prüfung auf Rechtsbeständigkeit des Designrechts vorgenommen werden.
Alle Artikel zur Artikelserie „Einführung ins Designrecht“:
Teil 1: Gegenstand eines Designrechts
Teil 2: Schutzvoraussetzungen eines Designrechts
Teil 3: Rechte des Designinhabers
Teil 4: Deutsches Designrecht
Teil 5: Europäisches und internationales Designrecht
Teil 6: Anmelden eines Designrechts
Teil 7: Verletzung von Designrechten
Teil 8: Durchsetzen eines Designrechts
Teil 9: Nichtigkeitsverfahren
Eine Prüfung auf Designverletzung erfolgt in mehreren Schritten. Zunächst ist der vorbekannte Formenschatz zu ermitteln. Danach erfolgt eine Merkmalsgliederung des angeblich verletzten Designrechts zur Bestimmung des Gesamteindrucks. Die Merkmalsgliederung dient dem Vergleich mit dem angeblich designverletzenden Produkt.
Die Prüfung erfolgt aus der Perspektive des informierten Beobachters. Es ist die Art des Erzeugnisses, für das das Design verwendet wird, zu berücksichtigen. Bei einigen Produkten, beispielsweise Autos, werden die Details sehr genau wahrgenommen. Außerdem können ähnliche Details im Vergleich zu sehr unähnlichen Details eher wahrgenommen werden.
1. Vorbekannter Formenschatz
Zur Beurteilung einer angeblichen Rechtsverletzung ist die Ermittlung des Formenschatzes erforderlich. Mit dem vorbekannten Formenschatz kann festgestellt werden, ob das betreffende Design überhaupt rechtsbeständig ist und welcher Schutzumfang ihm zugestanden werden kann.
Bei dem vorbekannten Formenschatz handelt es sich um sämtliche Designs, die vor dem Anmelde- oder Prioritätstag eines Designrechts bekannt waren und die zur Bewertung des Schutzumfangs eines Designrechts von Bedeutung sind.
Liegt kein relevanter vorbekannter Formenschatz vor, wird ein Verletzungsgericht einem Designrecht einen großen Schutzumfang zubilligen. Es ist daher im Interesse des angeblichen Verletzers den vorbekannten Formenschatz zu ermitteln.
Kann insbesondere nachgewiesen werden, dass der vorbekannte Formenschatz sehr ähnliche Designs umfasst, kann dem angeblich verletzten Designrecht nur noch ein sehr kleiner Schutzumfang zugebilligt werden. In diesem Fall muss das angeblich designverletzende Produkt ein Design aufweisen, das in allen wesentlichen Merkmalen mit dem geschützten Design übereinstimmt. Ansonsten kann nicht von einer Verletzung ausgegangen werden.
Weist das geschützte Design mehr Ähnlichkeit mit einem Design des vorbekannten Formenschatzes statt mit dem angeblich verletzenden Design auf, ist ebenfalls eine Designverletzung zu verneinen.
2. Gesamteindruck
In der Merkmalsgliederung sind die den Gesamteindruck bestimmenden Merkmale herauszuarbeiten. Der Gesamteindruck ergibt sich dem informierten Benutzer bei der bestimmungsgemäßen Benutzung des designbehafteten Erzeugnisses. Zur Bestimmung des Gesamteindrucks ist die Präsentation des Designs in der Werbung und beim Verkauf miteinzubeziehen.[1] Aus der Merkmalsgliederung werden die rein technischen Merkmale entfernt. Die übrigbleibenden Merkmale sind in ihrer Bedeutung für den Gesamteindruck zu gewichten.
3. Informierter Benutzer
Zur Beurteilung des Gesamteindrucks ist auf den informierten Benutzer abzustellen. Der informierte Benutzer ist kein Designexperte. Andererseits handelt es sich bei ihm auch nicht um einen gewöhnlichen Verbraucher. Der informierte Benutzer hat ein grundlegendes Wissen über Designs, sodass er Unterschiede erkennt, die einem gewöhnlichen Verbraucher verborgen bleiben. Dem informierten Benutzer wird eine hohe Aufmerksamkeit zugestanden.[2]
6. Beispiel einer Merkmalsgliederung
Der BGH hatte über eine angebliche Designverletzung einer Wartebank, beispielsweise für einen Flughafen, zu entscheiden und erstellte hierzu eine Merkmalsgliederung. Das Design wurde durch das Gemeinschaftsgeschmacksmuster GGM 001235204-0005 geschützt. In der Abb. 1 sind die sieben Ansichten des Gemeinschaftsgeschmacksmusters dargestellt.[3]
Der BGH hat seiner Entscheidung folgende Merkmalsgliederung zugrunde gelegt:[4]
Wartebank
- mit insgesamt 8 jeweils durchgehenden, ergonomisch geformten, eckigen Sitzschalen in dunkler Farbe,
- wobei immer 4 Sitzschalen mit einem gewissen Abstand zueinander jeweils mittels zweier auskragender Stege, die vorne an der Sitzschale angreifen, an einem horizontalen Träger befestigt sind,
- die einzelnen Sitzschalen werden eingerahmt von trapezförmigen Armlehnen, deren kürzere Grundseite am Träger befestigt ist,
- die beiden Träger verlaufen parallel zueinander, so dass die beiden Sitzreihen „back-to-back“ angeordnet sind,
- und werden lediglich an ihren beiden Enden von einem trapezförmigen Gestell mit zwei Füßen getragen,
- deren angewinkelte Enden runde Gleiter in der Farbe der Sitzschalen aufweisen.
[1] BGH, 28.1.2016, I ZR 40/14 – Armbanduhr, https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=74940&pos=0&anz=1, abgerufen am 5.9.2023.
[2] EuGH, 20.10.2011, C-281/10 P, GRUR 2012, 506 – PepsiCo.
[3] DPMA, https://register.dpma.de/DPMAregister/gsm/registerhabm?DNR=001235204-0005, abgerufen am 5.9.2023.
[4] BGH, 24.1.2019, I ZR 164/17 – Meda Gate, https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=93144&pos=27&anz=583, abgerufen am 5.9.2023.