Einführung ins Designrecht | Teil 5

Teil 5: Europäisches und internationales Designrecht

A. Europäisches Designrecht

Beim EUIPO[1] in Alicante kann ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster angemeldet werden. Außerdem kann ein nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster durch Veröffentlichung erworben werden.

Alle Artikel zur Artikelserie „Einführung ins Designrecht“:
Teil 1: Gegenstand eines Designrechts
Teil 2: Schutzvoraussetzungen eines Designrechts
Teil 3: Rechte des Designinhabers
Teil 4: Deutsches Designrecht
Teil 5: Europäisches und internationales Designrecht
Teil 6: Anmelden eines Designrechts
Teil 7: Verletzung von Designrechten
Teil 8: Durchsetzen eines Designrechts
Teil 9: Nichtigkeitsverfahren

1. Gemeinschaftsgeschmacksmuster

Das Recht am Gemeinschaftsgeschmacksmuster steht dem Entwerfer oder dessen Rechtsnachfolger zu.[2] Dies gilt nicht für einen Arbeitnehmer. Entwirft ein Arbeitnehmer in Ausübung seiner Arbeitstätigkeit für den Arbeitgeber oder auf dessen Weisungen ein Geschmacksmuster, so stellt das Geschmacksmuster Eigentum des Arbeitgebers dar.[3]

Die Anmeldung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters kann beim EUIPO oder bei einer Zentralbehörde für den gewerblichen Rechtschutz eines Mitgliedsstaats, also insbesondere beim DPMA, erfolgen. Das DPMA leitet die Anmeldung an das EUIPO weiter.[4] Eine Einreichung der Anmeldung direkt beim EUIPO ist empfehlenswert. Die Anforderungen an die Anmeldeunterlagen entsprechen denen des deutschen Designgesetzes.[5]

Eine Aufschiebung der Bekanntmachung der Wiedergabe des Geschmacksmusters um bis zu 30 Monate kann zusammen mit der Anmeldung beantragt werden. Bei der 30-Monats-Frist wird eine in Anspruch genommene Priorität berücksichtigt.[6]

Durch die Anmeldung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters wird eine Eintragungs- und eine Bekanntmachungsgebühr fällig. Wird eine Aufschiebung der Bekanntmachung der Wiedergabe beantragt, wird die Bekanntmachungsgebühr durch eine Aufschiebungsgebühr ersetzt.[7]

Die Schutzvoraussetzungen eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters sind mit denen des deutschen Designgesetzes identisch.[8] Die maximale Schutzdauer des Gemeinschaftsgeschmacksmusters beträgt ebenfalls 25 Jahre.[9]

2. Nennung des Entwerfers

Der Entwerfer hat ein Recht auf Nennung.[10] Wurde das Gemeinschaftsgeschmacksmuster durch eine Entwerfergemeinschaft geschaffen, so genügt die Nennung der Bezeichnung des Entwerferteams.[11]

3. Sammelanmeldung

Eine Sammelanmeldung ist möglich.[12] Allerdings müssen die Erzeugnisse, für die die Geschmacksmuster verwendet werden, derselben Klasse nach der Locarno-Klassifikation angehören. Andernfalls muss die Sammelanmeldung geteilt werden.[13]

4. Neuheitsschonfrist

Wie im deutschen Designgesetz kennt die Verordnung über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (GGV) eine allgemeine Neuheitsschonfrist. Veröffentlichungen des Entwerfers, seines Rechtsnachfolgers oder eines Dritten als Folge von Handlungen oder Informationen des Entwerfers oder seines Rechtsnachfolgers bleiben bei der Bewertung der Rechtsbeständigkeit unbeachtlich. Voraussetzung ist, dass die Veröffentlichungen nicht länger als 12 Monate vor dem Anmeldetag der Designanmeldung erfolgten. Die Inanspruchnahme einer Priorität wird berücksichtigt.[14]

5. Einheitlichkeit

Ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster hat in jedem Mitgliedsstaat der Europäischen Union dieselbe Wirkung. Es kann nur für die gesamte EU beantragt, übertragen, darauf verzichtet, für nichtig erklärt oder seine Benutzung untersagt werden.[15]  

6. Nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster

Es kann ein nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster erworben werden.[16] Hierzu ist es erforderlich, dass es der Öffentlichkeit innerhalb der Europäischen Union zugänglich gemacht wird.[17] Die relevante Öffentlichkeit sind hierbei die in der Europäischen Union tätigen Fachkreise des betreffenden Wirtschaftszweigs.[18] Die Schutzdauer des nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters beträgt drei Jahre ab der ersten Veröffentlichung.[19]

Der Schutzumfang des nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters ist deutlich geringer im Vergleich zu dem des eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters. Ein Schutz besteht nur, wenn es um eine Kopie des Geschmacksmusters handelt und falls die Kopie in Kenntnis des Geschmacksmusters entstand.[20]

Das nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster kann ein letzter Rettungsanker sein. Hat man vergessen, eine Designanmeldung einzureichen, sollte man sich an das nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster erinnern. Ist noch kein Jahr seit der ersten öffentlichen Benutzung oder Veröffentlichung vorbei, sollte außerdem an die 12-monatige-Neuheitsschonfrist gedacht werden und eventuell ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster angemeldet werden.   

B. Internationales Designrecht

Auf Grundlage des Haager Abkommens über die internationale Hinterlegung gewerblicher Muster und Modelle (kurz: Haager Musterabkommen) kann bei der WIPO in Genf ein internationales Designrecht beansprucht werden.

Durch die internationale Hinterlegung eines Designs wird eine Grundgebühr und eine Veröffentlichungsgebühr der WIPO fällig. Außerdem ist eine Benennungsgebühr für jedes Land zu entrichten, für das das Designrecht gelten soll.[21] Die WIPO stellt unter dem Link https://www.wipo.int/hague/en/fees/calculator.jsp einen Gebührenrechner zur Verfügung.


[1] European Union Intellectual Property Office (Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum). Das EUIPO hieß bis 23. März 2016 Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle), kurz: HABM.
[2] Artikel 14 Absatz 1 Verordnung über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (GGV).
[3] Artikel 14 Absatz 3 GGV.
[4] Artikel 35 Absätze 1 und 2 GGV.
[5] Artikel 36 Absätze 1 und 2 GGV.
[6] Artikel 50 Absatz 1 GGV.
[7] EUIPO, https://www.euipo.europa.eu/de/designs/before-applying/fees-payable-direct-to-the-euipo, abgerufen am 1.9.2023.
[8] Artikel 4 GGV.
[9] Artikel 12 Satz 2 GGV.
[10] Artikel 18 Satz 1 GGV.
[11] Artikel 18 Satz 2 GGV.
[12] Artikel 2 Absatz 1 Durchführungsverordnung zur Verordnung über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster. (GGDV).
[13] Artikel 2 Absatz 2 GGDV.
[14] Artikel 7 Absatz 2 GGV.
[15] Artikel 1 Absatz 3 GGV.
[16] Artikel 1 Absatz 2 lit. a GGV
[17] Artikel 11 Absatz 1 GGV.
[18] Artikel 11 Absatz 2 Satz 1 GGV.
[19] Artikel 11 Absatz 1 GGV.
[20] EUIPO, https://euipo.europa.eu/ohimportal/de/designs-in-the-european-union, abgerufen am 1.9.2023.
[21] WIPO, https://www.wipo.int/hague/en/, abgerufen am 1.9.2023.

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Herr Dr. Thomas Heinz Meitinger ist Deutscher Patentanwalt sowie European Patent, Trademark and Design Attorney mit Elektrotechnik als technischem Hintergrund.