Das neue chinesische Patentgesetz – Die wichtigsten Änderungen

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Das neue Patentgesetz der Volksrepublik China wurde am 17. Oktober 2020 durch den Ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongresses verabschiedet. Die neuen Regelungen sind am 1. Juni 2021 in Kraft getreten. Nachfolgend werden die wichtigsten Änderungen im neuen chinesischen Patentgesetz in aller Kürze zusammengefasst.

1. Patentinhaber wird durch den Verletzungsprozess besser geschützt

Mehr Schadensersatz im Verletzungsprozess. Im Falle, dass Schaden des Rechteinhabers, Gewinn des Verletzers und Lizenzgebühren der verletzten Patente schwierig zu bestimmen oder zu kalkulieren sind, kann das Gericht einen Schadensersatz zwischen RMB 30.000,- (ca. 4.000,- EUR) und RMB 5 Millionen (ca. 640.000,- EUR) festlegen. Früher waren das lediglich zwischen ca. 1.500,- EUR und 140.000,- EUR.

Anerkennung von Strafschadensersatz. Eine Klausel über den Strafschadensersatz für absichtliche Patentrechtsverletzung wird im neuen chinesischen Patentgesetz eingeführt. Der Strafschadensersatz liegt zwischen dem 1- und 5-fachen des vom Verletzer wegen Patentverletzung erworbenen Gewinns.

Zwingende Offenlegung der Buchhaltung und anderer verletzungsrelevanter Beweismaterialien. Unter der Voraussetzung, dass die Beweise hauptsächlich im Besitz des Verletzers liegen und der Rechteinhaber mit eigener Kraft erfolglos versucht hat, die Beweismittel zu bekommen, kann das Gericht den Verletzer zwingen, seine Buchhaltung und anderes relevantes Beweismaterial offenzulegen, um die Höhe des Schadensersatzes festzulegen. Dadurch wird die Beweislast des Rechteinhabers massiv erleichtert.

Verlängerung der Verjährungsfristen – mehr Zeit für die Verteidigung des Patentrechts. Die Verjährungsfrist wird im Fall von Patentverletzungen oder Patentstreitigkeiten wegen Zahlung von Lizenzgebühren von 2 auf 3 Jahre verlängert. Das bedeutet, dass bei der Berechnung des Schadensersatzes auch mehr Zeit rückwirkend geltend gemacht werden kann. Das ist eine Vereinheitlichung mit der neuen Verjährungs-Regelung aus dem im Jahr 2017 geänderten chinesischen Zivilgesetz.

2. Verwaltungsrechtliche Macht wird bei Patentstreitigkeiten intensiver eingesetzt

Strafe für Patentimitierung wird erhöht. Typische Beispiele für Patentimitierungen sind die Verwendung einer Patentnummer ohne Erlaubnis des Patentinhabers oder die Fälschung der Patenturkunde oder Patentschrift. Die verwaltungsrechtlichen Strafen wegen Patentimitierung werden von dem 4-fachen auf das 5-fache des illegal erwirtschafteten Gewinns erhöht und für den Fall ohne Gewinn oder mit einem Gewinn von weniger als RMB 50.000,- wird die Strafsumme von RMB 200.000,- auf 250.000,- (also von etwa 28.000,- auf 35.000,- EUR) erhöht.

Duales System zur Bearbeitung von Patentverletzungen wird vervollständigt. Außer einem Gerichtsprozess besteht in China auch die Möglichkeit, durch Patentbehörden eine Patentstreitigkeit zu lösen. Dabei spricht man vom sogenannten „Dualen System“. In der Vergangenheit konnten Patentbehörden nur in Patentimitierungsfällen und nicht in Patentverletzungsfällen eine Ermittlung durchführen. Mit dem neuen Gesetz sind die Patentbehörden dazu bevollmächtigt, auch in normalen Patentverletzungsfällen zu ermitteln.

Die Arbeitsteilung der Patentbehörden auf verschiedenen Ebenen wird reguliert. Nationale Patentbehörden (staatliche Ebene) sind bevollmächtigt – nach Antrag des Rechteinhabers oder anderer relevanter Parteien – landesweit schwerwiegende Patentverletzungsstreitigkeiten zu bearbeiten. Regionale Patentbehörden sind bevollmächtigt, Verletzungsfälle gegen dasselbe Patent kombiniert zu bearbeiten. Für überregionale Verletzungen gegen dasselbe Patent kann beansprucht werden, dass sie von den Patentbehörden der höheren Ebene bearbeitet werden.

3. Grundprinzipien für die Ausübung des Patentrechts werden hinzugefügt

Missbrauch des Patentrechts wird unter die Lupe genommen. Der Grundsatz von Treu und Glauben wird für die Anmeldung von Patenten und die Ausübung von Patentrechten festgelegt. Patentrechte dürfen nach der aktuellen Änderung nicht missbraucht werden, um das öffentliche Interesse oder die legitimen Rechte und Interessen anderer zu schädigen oder um Wettbewerb einzuschränken oder zu verhindern. Diese Grundprinzipien wurden hinzugefügt, um die Probleme mit z.B. standardessentiellen Patenten, Patent-Monopolen und Patent-Trollen zu regulieren.

Der Mechanismus der Lizenzbereitschaftserklärung wird eingeführt. Die Gesetzgeber haben das deutsche Patentgesetz als Vorbild für die Regelungen zur Lizenzbereitschaftserklärung genommen. Von der Eintragung beim Patentamt über die Unzulässigkeit der Einräumung einer ausschließlichen Lizenz bis zur Ermäßigung der Patentgebühren für den Lizenzgeber findet man im chinesischen Patentgesetzestext deutliche Spuren aus dem deutschen Patentgesetz. Dieser Mechanismus ist eine der wichtigsten Maßnahmen der chinesischen Regierung, um die Kommerzialisierung der angemeldeten Patente zu fördern.

4. Durch den Staat verursachte Nachteile bei der Patentanmeldung werden kompensiert

Öffentliches Interesse schließt den Anspruch des Patentschutzes nicht aus. Laut einer neu hinzugefügten Klausel verliert eine Erfindung nicht die Neuheit, wenn die erste Offenlegung im Ausnahmezustand oder unter außergewöhnlichen Umständen des Staates und für Zwecke des öffentlichen Interesses stattfindet. Die erste Offenlegung soll bei der Anmeldung nicht länger als 6 Monate zurückliegen. Dies ermöglicht, in einer Krisensituation, wie bspw. der Corona-Pandemie, ein neues medizinisches Produkt bereits vor der Patentanmeldung auf den Markt zum Einsatz zu bringen.

Unangemessene Verzögerungen während der Patentprüfung werden ausgeglichen. Wenn seit dem Anmeldetag eines Erfindungspatents 4 Jahre oder mehr vergangen sind und das Erfindungspatent erst 3 Jahre oder länger nach dem Antrag auf materielle Prüfung erteilt wurde, kann die Schutzfrist des Patents auf Antrag des Patentinhabers verlängert werden, um die unangemessene Verzögerung des Erteilungsverfahrens auszugleichen, solange der Patentinhaber nicht selbst die Verzögerung verursacht hat.

5. Design wird in China besser geschützt.

Teildesign wird ebenfalls geschützt. Als „Design“ war in der Vergangenheit im chinesischen Patentgesetz nur die gesamte Form eines Produktes anerkannt. Durch die Gesetzesänderung werden sowohl das gesamte Produkt als auch Teile vom Produkt Gegenstand einer Designanmeldung. Dies ermöglicht die Anerkennung von Designverletzungen, selbst wenn der Verletzer nur die Kernmerkmale eines Produktes kopiert.

Innere Priorität gilt auch für Designanmeldungen. Hatte ein Anmelder dasselbe Patent oder Gebrauchsmuster bereits zuvor in China angemeldet, so konnte er für die zweite Anmeldung die Priorität der Voranmeldung beanspruchen. Diese Regel gilt nun auch für Designanmeldungen. Die Prioritätsfrist beträgt 6 Monate. Die Priorität muss mit der Anmeldung beantragt werden. Eine Kopie der ersten Anmeldung, also der prioritätsbegründenden Anmeldung, muss binnen 3 Monaten eingereicht werden.

Schutzdauer des Designs wird verlängert. Statt 10 Jahren wird das Design zukünftig für 15 Jahre geschützt.

6. Zwei wichtige Änderungen bei Pharma-Patenten

Grundsätze für eine frühzeitige Lösung von Rechtsstreitigkeiten über Pharma-Patente wurden festgelegt. Falls eine Patentstreitigkeit während eines Medikamenten-Zulassungsprozesses entsteht, kann der Antragsteller der Medikamenten-Zulassung, der Patentinhaber oder ein anderer Interessent, einen Gerichtsprozess starten, um festzustellen, ob eine Patentverletzung vorliegt. Die Streitigkeit kann auch auf Antrag von der zuständigen Patentbehörde bearbeitet werden. Diese Reglung wird als ein wichtiger Fortschritt für die Vervollständigung des pharmazeutischen „Patent-Linkage-Systems“ betrachtet.

Verlängerung der Schutzfrist der Pharma-Patente. Um die lange Zulassungszeit von innovativen Medikamenten auszugleichen, kann die Patentbehörde des Staatsrates die Patentlaufzeit für innovative Medikamente um bis zu 5 Jahre verlängern. Nach der Zulassung darf die verbleibende Patentlaufzeit jedoch nicht mehr als 14 Jahre betragen.

7. Beschleunigung der Anwendung von patentierten Technologien

Die Anwendung patentierter Technologien zu beschleunigen, ist ein wesentlicher Bestandteil der Gesetzesänderung. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden einige neue Grundregeln definiert. Die zuständigen Behörden sind beispielsweise aufgefordert, die Umsetzung von patentierten Technologien zu fördern. Die Arbeitgeber sind grundsätzlich ermächtigt, Erfindungen von ihren Arbeitnehmern industriell und kommerziell umzusetzen. Die Arbeitgeber werden ermutigt, die Arbeiternehmer für ihre Erfindungen durch verschieden Maßnahmen wie Aktien, Optionen oder Gewinnbeteiligung zu belohnen.

Von der zuvor geltenden Politik, möglichst viele Patentanmeldungen umzusetzen, abweichend liegt der jetzige Schwerpunkt der chinesischen Regierung darauf, die Rentabilität zu erhöhen und größtmöglichen Umsatz aus den Patenten zu erwirtschaften. Der chinesische Gesetzgeber versucht, mit dem neuen Patentgesetz den Weg zu einer kommerzielleren und industrielleren Anwendung von Patenten umzusetzen.

Es wird deutlich, dass die Veröffentlichung des neuen chinesischen Patentgesetzes nur der Anfang war. Da viele Artikel des Gesetzes nur Prinzipien erfassen, ist zu erwarten, dass die konkreten Maßnahmen zur Anwendung des neuen Patentgesetzes erst nach und nach vervollständigt werden.

About Xiaopeng Zhao 1 Article
Herr Dr. Xiaopeng Zhao ist zugelassener chinesischer Rechtsanwalt (Lü Shi) und Mitglied der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer Hamburg.