Der Patentschutz von Software

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Einführung

Sieht man sich den Buch- und Vortragsmarkt zum Thema Patenschutz von Software an, so stellt man fest, dass dieser Bereich offenbar eine besondere Herausforderung im Patenwesen darstellt und hierbei besondere Dinge zu beachten seien. Beim Blick in die gängige Literatur zu diesem Thema zeigt sich allerdings, dass diese oftmals mehr Fragen offenlässt als beantwortet. Insofern stellt sich die Frage, was es mit dem Patenschutz von Software patenrechtlich nun tatsächlich auf sich hat.

Auf rechtlich unbekanntem Gebiet beherzigen Juristen in der Regel den lapidaren Grundsatz: „Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung“. Dies ist auch ein vernünftiger Ausgangspunkt, um sich auf dem Gebiet der computerimplementierten Erfindungen selbstständig den nötigen Überblick zu verschaffen und erforderliches Wissen anzueignen.

Grundsätzliche Überlegungen

Nach Art. 20 Abs. 3 GG ist die vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht gebunden. Zu den Gesetzen im materiellen Sinn gehören in der Regel die meisten Parlamentsgesetze, aber auch Rechtsverordnungen und Satzungen. Nicht zu den Gesetzen gehören einzelne Urteile der Gerichte. Ein Fallrecht, nach dem die vollziehende Gewalt an eine frühere Rechtsprechung zu vorangegangenen vergleichbaren Präzedenzfällen gebunden wäre, gibt es in Deutschland nicht. Daher können auch ergangene Urteile allenfalls eine Hilfestellung zur korrekten Auslegung des Rechts bilden. Allerdings unterliegt auch die Auslegung von Gesetzen durchaus einem zeitlichen Wandel.

Für das Patentwesen bedeutet dies, dass der alleinige Maßstab, nach dem das deutsche Patent- und Markenamt als vollziehende Gewalt Patente erteilen kann, durch das Patentgesetz gebildet wird. Hier ist genau festgelegt, unter welchen rechtlichen Voraussetzungen Patente erteilt werden. Entsprechendes gilt für das europäische Patentamt und das europäische Patentübereinkommen. Diese Regelungen bilden daher der Ausgangpunkt für jede patentrechtliche Beurteilung. Die Patentämter haben daher keine eigene Freiheit, unter welchen Grundvorausvoraussetzungen Patente erteilt oder Patentanmeldungen zurückgewiesen werden können.

Durchsucht man das Patentgesetz zum Thema computerimplementierte Erfindungen, so stößt man ausschließlich auf die § 1 Abs. 3 Nr. 3 und § 1 Abs. 4 PatG im deutschen Patentgesetz oder die Art. 52 Abs. 2 c) und Art. 52 Abs. 3 im europäischen Patentübereinkommen (EPÜ). Alle anderen Regelungen in diesen Gesetzen gelten allgemein und unterschiedslos für alle Erfindungen gleichermaßen, egal ob diese Computererfindungen betreffen oder nicht.

Insofern kann sich der einzige Unterschied beim Patentschutz von Computerprogrammen aus den genannten Regelungen ergeben. In diesen ist festgelegt, dass Computerprogramme (im Gesetz als „Programme für Datenverarbeitungsanlagen“ bezeichnet), dann nicht patentierbar sind, wenn es sich um diese Gegenstände „als solche“ handelt.

Die Auslegung der „Ausschlusstatbestände“

Der „Ausschlusstatbestand“ nach §1 Abs. 3 Nr. 3 und Abs. 4 PatG entspricht demjenigen des Art. 52 Abs. 2 c und Abs. 3 EPÜ und wurde vom Gesetzgeber im Jahre 1980 bewusst wortgleich aus dem zuvor geschlossenen europäischen Patentübereinkommen aus dem Jahr 1973 übernommen. Die Vorlage für die Formulierung des §1 Abs. 3 PatG bildete Art. 52 Abs. 2 EPÜ, um sicherzustellen, dass für die Erteilung von deutschen und europäischen Patenten die gleichen Voraussetzungen gelten.

Bei der vorangegangenen Ausarbeitung des Art. 52 Abs. 2 EPÜ auf der Münchener Diplomatischen Konferenz wurde jedoch festgestellt, dass die weitere Auslegung der getroffenen Formulierung der Rechtspraxis überlassen bleiben müsse, da bei den Verhandlungen zu diesem Artikel unter den Mitgliedsländern keine Einigung auf einen konkreteren Wortlaut erzielt werden konnte und vergeblich versucht worden sei, die Begrifflichkeiten auszufüllen.

Heutzutage ist es gefestigte Meinung in der Literatur und Rechtsprechung, dass das Patentierungsverbot für „Computerprogramme als solche“ derart auszulegen ist, dass hiermit lediglich Computerprogramme als rein abstrakte Werke ohne jeden technischen Charakter gemeint sind. Demgegenüber sind Computerprogramme immer dann als patentfähige Erfindungen anzusehen, wenn diese einen technischen Charakter aufweisen.

Ein Computerprogramm, das faktisch zur Lösung einer technischen Aufgabe dient, weist diesen technischen Charakter auf und kann daher nicht als Schutzbegehren für das Programm als solches im Sinne der genannten Ausschlusstatbestände angesehen werden, selbst wenn die der Erfindung zugrunde liegende Idee im Computerprogramm selbst besteht. Hierzu muss dieses Computerprogramm über die „normale“ physikalische Wechselwirkung zwischen dem Programm (Software) und dem Computer (Hardware), auf dem es läuft, hinausgehen. Die normalen physikalischen Wirkungen der Ausführung eines Programms, wie beispielsweise elektrische Ströme zur Steuerung des Prozessors zu erzeugen, reichen für sich genommen nicht aus, um dem Computerprogramm technischen Charakter zu verleihen.

Sofern das Computerprogramm jedoch für einen tatsächlichen technischen Effekt verantwortlich ist, der über diese Wechselwirkung zwischen Programm und Computer hinausgeht, ist dieses dem Patentschutz zugänglich. Dies wurde erst kürzlich in der Entscheidung G 01/19 der großen Beschwerdekammer des europäischen Patentamtes vom 10.3.2021 nochmals bestätigt.

Insofern besteht der erste und wichtigste Schritt bei der Ausarbeitung von Patentanmeldungen für Computerprogramme darin, diesen technischen Effekt zu finden und aus diesem eine technische Aufgabe abzuleiten und zu formulieren, die dann auch objektiv von dem zu patentierenden Computerprogramm gelöst wird. Je ausgeprägter der technische Charakter dieser Aufgabe ist, desto leichter lassen sich die genannten Ausschlusstatbestände überwinden.

Geeignete technische Aufgaben zielen beispielsweise auf die Verbesserung technischer Parameter ab, wie beispielsweise darauf, eine Berechnungsgeschwindigkeit zu erhöhen, einen Speicherverbrauch oder einen Energieverbrauch zu verringern. Im Allgemeinen existiert ein fließender Übergang von eindeutig technisch gelagerten Aufgaben bis hin zu nicht-technischen Aufgaben.

In diesem Zusammenhang ist in der Vergangenheit jedoch eine Vielzahl von Einzelfallentscheidungen ergangen, wann ein Computerprogramm als technisch anzusehen ist und wann nicht. Allerdings sind diese Entscheidungen zueinander oft nicht konsistent und geben in der Regel keinen brauchbaren Hinweis über den jeweiligen konkreten Einzelfall hinaus. Wie bei einer konkreten Patentierung eine Aufgabe möglichst technisch zu formulieren ist, muss daher direkt anhand des tatsächlich zu patentierenden Computerprogramms und des von diesem bewirkten technischen Effekts ermittelt werden.

Sofern computerimplementierte Erfindungen das Ausschlusskriterium nach den §1 Abs. 3 Nr. 3 und Abs. 4 PatG oder Art. 52 Abs. 2 c) und Abs. 3 EPÜ überwinden, bestehen patenrechtrechtlich keinerlei Unterschiede zwischen computerimplementierten und anderen Erfindungen mehr. Da – wie oben dargelegt – das Gesetz stets den Ausgangspunkt für die rechtliche Beurteilung der Patenterteilung bildet, können auch keine unterschiedlichen Erteilungsvoraussetzungen herbeikonstruiert werden.

Ist daher eine geeignete technische Aufgabe für das zu patentierende Computerprogramm einmal gefunden, unterscheiden sich die übrigen Schritte grundsätzlich nicht mehr von denjenigen bei der Patentierung anderer Erfindungen. Allerdings ist hierzu anzumerken, dass auch herkömmliche Erfindungen nur dann patentierbar sind, wenn durch den entsprechenden Gegenstand eine technische Aufgabe gelöst wird. Insofern bilden die „Ausschlusstatbestände“ keine rechtlichen Besonderheiten und sind rechtsdogmatisch obsolet. An dieser Stelle enden somit die patentrechtlichen Besonderheiten für den Schutz von Computerprogrammen. In der Praxis kommt eine Zurückweisung aufgrund der Ausschlusstatbestände erfahrungsgemäß selten vor, so dass die Mehrzahl der Anmeldungen diese Hürde überwindet.

Weitere Besonderheiten

Der Comvik-Ansatz

Eine kleinere Besonderheit stellt der Comvik-Ansatz dar. Dieser behandelt den Fall, dass ein Anspruch sowohl technische als auch nicht-technische Merkmale umfasst. Nach der zugrundeliegenden Comvik-Entscheidung (T 0641/00 vom 26.9.2002 – „Zwei Kennungen/COMVIK“) sind nur diejenigen Unterschiede gegenüber dem Stand der Technik im Hinblick auf die erfinderische Tätigkeit zu berücksichtigen, die zum technischen Charakter der Erfindung beitragen.

Ein Merkmal ist jedoch immer dann als technisch anzusehen, wenn es mit anderen technischen Merkmalen bei der Lösung des technischen Problems zusammenwirkt und damit zur Lösung der selbst gewählten technischen Aufgabe unerlässlich ist. Auch dies wurde in der oben genannten Entscheidung G001/19 bestätigt. Diese bezeichnet derartige Merkmale etwas unzutreffend und umständlich als nicht-technische Merkmale, die jedoch zur technischen Lösung des Problems beitragen („non-technical features which contribute“ – siehe dort Nr. 33).

Daher gilt es, die technischen Merkmale im Anspruch derart zu formulieren, dass diese sprachlich, logisch und technisch im Sinne einer Wirkungskette für die zu lösende technische Aufgabe aufeinander aufbauen. In diesem Fall ist es nicht möglich, einzelne, verbundene Merkmale aus dem Wirkzusammenhang herauszunehmen, ohne dadurch die durch die Wirkungskette erzeugte Gesamtwirkung zur Lösung der Aufgabe zu zerstören. Das Weglassen und die Nichtberücksichtigung bereits eines einzigen Merkmals in der Wirkungskette würde die beabsichtigte Lösung der technischen Aufgabe unmöglich machen.

Löst ein Computerprogramm als Ganzes beispielsweise die Aufgabe, eine Überhitzung und Zerstörung eines Mikroprozessors zu verhindern, so ist diese Aufgabe zweifelsfrei als eine technische Aufgabe zu klassifizieren, durch die die patentrechtlichen Ausschlusstatbestände überwunden werden. Ein Anspruch mit einer technisch-logischen Wirkungskette zur Lösung dieser technischen Aufgabe könnte lauten:

Verfahren zum Betreiben eines Mikroprozessors mit den Schritten:

–    Bestimmen einer Temperatur des Mikroprozessors,

–    Zuordnen einer Taktfrequenz zu der Temperatur des Mikroprozessors, und

–    Betreiben des Mikroprozessors mit der zugeordneten Taktfrequenz.

Obwohl der Schritt des Zuordnens einer Taktfrequenz zu der Temperatur des Mikroprozessors für sich genommen als rein datenverarbeitungsmäßiges Zuordnen eines ersten Wertes zu einem zweiten Wert betrachtet werden kann, kommt genau diesem Merkmal die zentrale technische Wirkung zu. Erst durch dieses Merkmal wird erreicht, dass der Prozessor mit einer in Abhängigkeit der Temperatur ausgewählten Taktfrequenz betrieben und eine Überhitzung und Zerstörung verhindert werden kann. Insofern trägt dieses Merkmal zweifelsfrei zum technischen Charakter der Erfindung bei.

Allerdings setzt dieser Schritt zuvor das Bestimmen der Temperatur des Mikroprozessors voraus. Der letzte Schritt baut ebenfalls wiederum logisch auf dem Schritt des Zuordnens auf, indem in diesem die zuvor ermittelte Taktfrequenz verwendet wird. Daher ist es nicht möglich, den Schritt des Zuordnens oder einen der anderen Schritte bei der Beurteilung des Beruhens auf erfinderischer Tätigkeit unberücksichtigt zu lassen. Würde man dies zulassen, so würde ein einzelnes Merkmal willkürlich aus dem Gesamtzusammenhang gerissen und die gesamte technische Wirkung des beanspruchten Gegenstandes in sich zusammenbrechen.

Im Regelfall ist es für alle Erfindungen möglich, die Lösung einer technischen Aufgabe durch die Angabe mehrerer wirkungsmäßig in Verbindung stehender Merkmale anzugeben, von denen jedes einen Zwischenschritt mit einem technischen Beitrag liefert. Insofern sind alle Merkmale innerhalb der Wirkungskette als unerlässlich anzusehen und müssen auch bei der Beurteilung des Beruhens auf einer erfinderischen Tätigkeit berücksichtigt werden.

Indem im Anspruch mit Wirkungsketten technischer Merkmale gearbeitet wird, kann sichergestellt werden, dass alle Merkmale als technisch anzusehen sind. In diesem Fall ist es nicht möglich, einzelnen Merkmalen den technischen Beitrag zur Lösung der technischen Aufgabe abzusprechen. Beruht der Anspruch auf einer derartigen Wirkungskette, bleibt für die Anwendung des Comvik-Ansatzes kein Raum, so dass alle Merkmale aus dem Anspruch bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit zu berücksichtigen sind. Ein Unterschied zu herkömmlichen Erfindungen existiert nicht. Auch im Falle herkömmlicher Erfindungen bietet die Beanspruchung über Wirkungsketten entsprechende Vorteile.

Die Schutzbereichsangabe

Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass Ansprüche für computerimplementierte Erfindungen auf eine „besondere“ Art und Weise zu formulieren seien. Eine gesetzliche Grundlage hierfür existiert nicht. Art. 84 EPÜ gibt beispielsweise an, dass die Ansprüche den Gegenstand angeben müssen, für den Schutz begehrt wird. Sie müssen deutlich und knapp gefasst sein und von der Beschreibung gestützt werden. Dies gilt nicht nur für Ansprüche auf dem Gebiet der computerimplementierten Erfindungen, sondern ist ebenfalls eine Grundvoraussetzung zum Patentieren aller anderen Erfindungen.

Auch Ansprüche für computerimplementierte Erfindungen müssen angeben, was als patentfähig unter Schutz gestellt werden soll. Deshalb sollte die inhaltliche Bedeutung eines Anspruchs für den Fachmann möglichst schon aus dem Wortlaut des Anspruchs allein klar hervorgehen. Dabei ist der Wortlaut des Patentanspruchs so zu verstehen, dass sich für die einzelnen Wörter die Bedeutung und die Reichweite ergeben, die sie auf dem Gebiet der Computertechnik normalerweise haben.

Insofern sind im Patentanspruch solche technischen Begriffe zu verwenden, die die Angabe des Schutzbereiches ermöglichen. Im Allgemeinen sind die Begrifflichkeiten auf dem Gebiet der computerimplementierten Erfindungen aber nicht weniger zu diesem Zweck geeignet als diejenigen auf anderen technischen Gebieten. Es kann im Besonderen ebenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass Begriffe aus dem Bereich der Computertechnologie grundsätzlich unschärfer oder unklarer wären als andere technische Begriffe. Werden hinreichend trennscharfe technische Begriffe im Anspruch verwendet, so besteht auch keine Notwendigkeit, weitere Definitionen in die Beschreibung aufzunehmen. Bei der Verwendung von Definitionen kann zudem leicht das Problem entstehen, dass diese inkonsistent sind oder ungewollt zu eng oder zu weit auszulegen sind.

Oftmals lassen sich Anmelder jedoch verunsichern, wenn diese mit neuen Schlagworten, wie beispielsweise „Industrie 4.0“, „Digitalisierung“ oder „künstliche Intelligenz“ konfrontiert werden. Auch hier gelten uneingeschränkt die oben erläuterten Grundsätze. Das Patentrecht sieht auf diesen Gebieten weiterhin exakt die gleichen Regelungen vor, so dass sich rechtlich keine Änderungen ergeben. Auch bei Technologien, die unter diesen modernen Begriffen erfasst werden, ist es abgesehen von dem Finden einer technischen Aufgabe und der zugehörigen Wirkungskette erforderlich, den Anspruch so zu formulieren, dass sich sein Schutzbereich ermitteln lässt.

Wird beispielsweise das technische Merkmal eines „neuronalen Netzes“ im Anspruch verwendet, so kann zweifelsfrei bestimmt werden, wann ein Gegenstand innerhalb und wann außerhalb des Schutzbereiches liegt. Nur ein Gegenstand, der ein neuronales Netz verwendet, verletzt in diesem Fall das Merkmal. Der Fachbegriff des „neuronalen Netzes“ ist derart gefestigt, dass jeder auf dem Gebiet tätige Fachmann sofort weiß, welcher Gegenstand hierunter inhaltlich zu verstehen ist und welcher nicht. Eine explizite Definition des Begriffes in der Beschreibung ist hierzu nicht erforderlich. Sofern trotzdem Definitionen in der Beschreibung verwendet werden, sind diese in die Ansprüche aufzunehmen. Verwendet der Anspruch als weiteres Beispiel demgegenüber den technischen Begriff des „intelligenten Netzes“, so kann nicht unmittelbar ermittelt werden, welcher technische Gegenstand hierunter zu verstehen ist. In diesem Fall leistet der Anspruch die notwendige Schutzbereichsangabe nicht. Dies sind aber letztlich allgemeine Fragestellungen hinsichtlich der korrekten Verwendung von technisch abgrenzbaren und eindeutigen Fachbegriffen, die es bei der Beanspruchung von Erfindungen grundsätzlich immer zu beachten gilt.

Sonstiges

Im Übrigen gilt es bei der Ausarbeitung von Patentanmeldungen für computerimplementierte Erfindungen stets, eine technische Brille aufzusetzen. So unterscheidet sich das Merkmal eines digitalen Übermittelns einer Kreditkartennummer technisch nicht zu einem ebensolchen Übermitteln einer Versicherungs- oder einer Telefonnummer. Die technische Implementierung ist stets die gleiche. Der einzige Unterschied liegt in diesem Fall darin, welche Bedeutung der Mensch diesen Daten zuordnet.

Daneben gilt es technische Wirkungen von nichttechnischen Wirkungen präzise zu unterscheiden. Beispielsweise kann die Erfindung ein Computersystem zum Steuern einer Straßenbenutzung durch Anzeigen von variablen Preisinformationen betreffen. Mit einem derartigen System lässt sich die Benutzung von Straßen zeitlich und räumlich mit unterschiedlichen Gebühren versehen, so dass in Hauptverkehrszeiten höhere Preise gelten als zu Nebenzeiten. Dadurch lässt sich das Verkehrsaufkommen beeinflussen. Aus der technischen Perspektive übermittelt das Computersystem allerdings lediglich Informationen an die Benutzer des Straßensystems, die diese als Preise verstehen. Die gewählte Aufgabe wird hier nicht durch das Computersystem gelöst, sondern durch das nichttechnische, preisbewusste Verhalten der Autofahrer. Insofern löst das Computersystem lediglich die technische Aufgabe einer Übermittlung dieser Information an die Benutzer.

Zusammenfassung

Abgesehen von dem Finden und Formulieren einer geeigneten technischen Aufgabe zu einem technischen Effekt des Computerprogramms ist keine spezifische Herangehensweise erforderlich, da für die Patentierung von Computerprogrammen exakt die gleichen patentrechtlichen Voraussetzungen wie für alle anderen Erfindungen gelten. Daneben sind lediglich wenige Dinge zu beachten, die jedoch in der Regel als allgemeine Selbstverständlichkeiten angesehen werden können. Insofern kann der patentrechtliche Schutz von Computerprogrammen anhand der oben genannten Kriterien bewerkstelligt werden und ist nicht als Geheimwissenschaft anzusehen.

Eine Analyse der Rechtsprechung kann nur dann brauchbare allgemeine Hinweise liefern, wenn diese direkt die Auslegung der §1 Abs. 3 Nr. 3 und Abs. 4 PatG oder Art. 52 Abs. 2 c) und Abs. 3 EPÜ betrifft. Darüber hinaus kann eine Analyse von Entscheidungen keinerlei Erkenntnisgewinn bringen, da ansonsten keine Unterschiede in der Gesetzeslage existieren. Mit der gleichen Zielsetzung könnte man beispielsweise die Rechtsprechung auf dem Gebiet der Kältegeräte, Getriebe oder Windkraftanlagen analysieren, um Hinweise zu erhalten, wann diese Gegenstände dem Patenschutz zugänglich sind und wann nicht. Das wäre jedoch reine juristische Kaffeesatzleserei.

Zudem handelt es sich bei der Rechtsprechung für computerimplementierte Erfindungen meistens um ausgeprägte Einzelfallentscheidungen, die nur selten eins zu eins auf einen anderen Fall übertragen werden können und auch keine zwingende Bindungswirkung entfalten. Daher können jüngere Fälle auf diesem schnelllebigen Gebiet im Laufe der Zeit auch anders beurteilt werden.

Auch Erfindungen auf dem Gebiet der Computerprogramme müssen anhand derjenigen Maßstäbe beurteilt werden, die das Gesetz vorgibt. Berücksichtigt man dies, ist festzustellen, dass sich computerimplementierte Erfindungen in genau der gleichen Art und Weise schützen lassen, wie alle anderen Erfindungen, sofern sich ein technischer Effekt für das zu schützende Computerprogramm insgesamt identifizieren lässt.

Über Oliver Baldus 2 Artikel
Herr Dr. Oliver Baldus ist promovierter Physiker sowie Deutscher Patentanwalt und European Patent, Trademark and Design Attorney.