PCT (Teil-) Prioritäten bei PCT-Kettenanmeldung

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
Hallo Forum,

gerade ist mir folgende Anmeldungskonstellation untergekommen:

01.11.2016 Anmeldung DE:
Merkmal A

01.11.2017 Anmeldung PCT1 mit Prio DE:
Merkmale A, B, A+B

01.05.2018
Veröffentlichung PCT1
2021: Patenterteilung aller Regionalisierungen/Nationalisierungen der PCT1 auf Merkmal A

01.05.2018
Anmeldung PCT2 (mit IBR* der PCT1):
Merkmale A, B, C, A+B, A+B+C


Folgende drei Fragen zu dieser Konstellation:
  1. Können aus PCT2 noch Schutzrechte auf A+B hervorgehen?
    -> Ich meine nein, da PCT1 neuheitsschädlich für PCT2 hinsichtlich der Merkmale A, B, A+B.

  2. Können aus PCT2 noch Schutzrechte auf A+B+C hervorgehen?
    -> Ich meine ja, da PCT1 nur älteres Recht für PCT2 (hinsichtlich A+B).

  3. Können aus PCT1 noch Schutzrechte auf A+B hervorgehen?
    -> Ich meine nein, da aus PCT1 keine Teilanmeldungen mehr möglich sind.

So korrekt?
--
*) IBR = Incorporation by Reference
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Im Prinzip stimme ich zu, zumindest was EP betrifft. Allerdings könnte ein auf A erteiltes EP (aus der PCT1) im Rahmen eines Beschränkungsverfahrens auf A+B geändert werden.
Ferner sollte ein US-Patent auf A+B aus der PCT2 (bei Anmeldergleichheit) m.E. möglich sein, wenn aus der PCT1 nur ein USP auf A erteilt wurde (ggf. wird ein terminal disclaimer erforderlich).
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Zu Frage 1:
Für die Erfindung A+B ist PCT1 die Erstanmeldung. Falls in der PCT2 die Priorität aus PTC1 in Anspruch genommen wurde (für die Erfindung A+B ist das keine Kettenpriorität, denn für A+B wird ja nicht eine Erstoffenbarung in der DE geltend gemacht), dann kann dort A+B erteilt werden; falls nicht, dann Pech gehabt.

Zu Frage 2:
DE und PCT1 offenbaren die Erfindung A+B+C nicht. Also ist A+B+C in PCT2 insofern neu. Mit "älterem Recht" hat das nichts zu tun.

Zu Frage 3:
Wenn aus PCT1 im Jahre 2021 ein Patent (in dem jeweiligen Land) erteilt wurde, dann ist dort in der Regel das Verfahren beendet. Ein zweites Patent gibt es dann nicht, außer das Gesetz dieses Landes erlaubt ausnahmsweise etwas anderes. Evtl. ist da aber z.B. noch eine Teilanmeldungen anhängig.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Allerdings könnte ein auf A erteiltes EP (aus der PCT1) im Rahmen eines Beschränkungsverfahrens auf A+B geändert werden.
Ein auf A erteiltes Patent stellt zweifellos auch einen Gegenstand unter Schutz, der zusätzlich die Merkmale B aufweist. Daran wird sich auch nichts ändern, wenn im Beschränkungsverfahren alle Gegenstände aus diesem Schutz ausgeschlossen werden, die B nicht aufweisen.

Etwas anderes ist es, wenn Stand der Technik aufgetaucht ist, der den auf A gerichteten Schutz in Frage stellt, so dass erst die Merkmale B die Neuheit und erfinderische Tätigkeit begründen. In diesem Fall darf (jedenfalls in EP und DE) durch die Beschränkung kein "Aliud" unter Schutz gestellt werden; B darf also insbesondere nicht den "Oberbegriff" ändern.
 

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
Besten Dank für die Antworten.

Angesichts der Diskussion erkenne ich, dass der Merkmalsumfang der Patentansprüche nicht ganz richtig dargestellt war.

Dies korrigiere ich nachstehend, indem ich noch Merkmalskombination A+1 hinzufüge:

01.11.2016 Anmeldung DE:
Merkmale A, A+1

01.11.2017
Anmeldung PCT1 mit Prio DE:
Merkmale A, A+1; B, A+B

01.05.2018
Veröffentlichung PCT1
2021: Patenterteilung aller Regionalisierungen/Nationalisierungen der PCT1 auf Merkmal A+1

01.05.2018
Anmeldung PCT2 (mit IBR* der PCT1) [ohne die Prio der PCT1 in Anspruch zu nehmen]:
Merkmale A, A+1; B, C; A+B, A+B+C

Folgende drei Fragen zu dieser Konstellation:
  1. Können aus PCT2 noch Schutzrechte auf A+B hervorgehen?
    -> Ich meine nein, da PCT1 neuheitsschädlich für PCT2 hinsichtlich der Merkmale A, A+1, B, A+B.

  2. Können aus PCT2 noch Schutzrechte auf A+B+C hervorgehen?
    -> Ich meine ja, da PCT1 nur älteres Recht für PCT2 (hinsichtlich A+B).

  3. Können aus PCT1 noch Schutzrechte auf A+B hervorgehen?
    -> Ich meine nein, da aus PCT1 keine Teilanmeldungen mehr möglich sind.

So korrekt?
--
*) IBR = Incorporation by Reference
 

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
Und dann nochmal hierzu:
2. Können aus PCT2 noch Schutzrechte auf A+B+C hervorgehen?
-> Ich meine ja, da PCT1 nur älteres Recht für PCT2 (hinsichtlich A+B).

So ganz richtig ist das ja nicht, da es im PCT ja keine (länderübergreifende) Regelung für ältere Rechte gibt, sondern nur einen Absatz unter "Vorbehalte":
(4)a) Jeder Staat, dessen nationales Recht Patenten zu einem früheren Zeitpunkt als dem Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung Bedeutung für den Stand der Technik beimißt, jedoch für Zwecke der Bestimmung des Standes der Technik das Prioritätsdatum nach der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums nicht dem tatsächlichen Anmeldedatum in diesem Staat gleichstellt, kann erklären, daß die Einreichung einer internationalen Anmeldung außerhalb dieses Staats, in der der Staat als Bestimmungsstaat benannt wird, für Zwecke der Bestimmung des Standes der Technik nicht einer tatsächlichen Anmeldung in diesem Staat gleichgestellt wird.

Gibt es irgendwo eine Übersicht, in welchen Ländern eine PCT-Anmeldung (k)ein älteres Recht bilden kann?
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Das "ältere Recht" spielt (nach der Intension des Gesetzgebers) nur dann eine Rolle, wenn verschiedene Anmelder unabhängig voneinander dieselbe Erfindung gemacht haben, wobei der "Zweite" anmeldet, bevor die Anmeldung des "Ersten" offengelegt und damit Stand der Technik geworden ist (was sicher ein eher seltene Fall ist); denn sonst müsste es für dieselbe Erfindung Patente für beide Anmelder geben. Eine Regelung dieser Frage dürfte es wohl in allen Ländern geben. Es hat sich aber Fallstrick entpuppt, wenn derselbe Anmelder seine Erfindung mehrfach anmeldet, aber die Inanspruchnahme der Priorität aus der Erstanmeldung dieser Erfindung vergisst, wenn er dabei Fehler macht oder wenn er Fristen versäumt. Denn dann werden die Erfindungen in den verschiedenen Anmeldungen behandelt, als wären sie unabhängig voneinander gemacht worden.

Bei der vorliegende Frage (wo es nur einen Anmelder gibt) ist letzteres der Fall: Der "Fehler" ist, dass in der PCT2 nicht die Priorität aus der PCT1 beansprucht wurde, die für die Erfindung A+B Erstanmeldung ist. Der Anmelder muss dann die Konsequenzen tragen und kann seine Erfindung A+B nicht in der PCT2 beanspruchen. Für die Erfindung A+B+C ist das nicht der Fall, da ist PCT2 die Erstanmeldung.

Immer wenn sich der Gegenstand des Anspruchs (hier z.B. in der PCT2) ändert (A oder A+1 oder A+B oder A+B+C) muss neu geschaut werden, in welcher Anmeldung dieser Gegenstand erstmals offenbart wurde, und ob aus dieser Anmeldung die Priorität wirksam beansprucht wurde. Das gilt auch für Anspruchsänderungen im Einspruchsverfahren.
 

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
Danke @Hans für die weiteren Klarstellungen zur Definition bzw. Bedeutung des "älteren Rechts".

Nochmal kurz hierzu:
[...] da es im PCT ja keine (länderübergreifende) Regelung für ältere Rechte gibt, sondern nur einen Absatz unter "Vorbehalte":

PCT Artikel 64
Vorbehalte

[...]
(4)(a) Jeder Staat, dessen nationales Recht Patenten zu einem früheren Zeitpunkt als dem Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung Bedeutung für den Stand der Technik beimißt, jedoch für Zwecke der Bestimmung des Standes der Technik das Prioritätsdatum nach der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums nicht dem tatsächlichen Anmeldedatum in diesem Staat gleichstellt, kann erklären, daß die Einreichung einer internationalen Anmeldung außerhalb dieses Staats, in der der Staat als Bestimmungsstaat benannt wird, für Zwecke der Bestimmung des Standes der Technik nicht einer tatsächlichen Anmeldung in diesem Staat gleichgestellt wird.

Gibt es irgendwo eine Übersicht, in welchen Ländern eine PCT-Anmeldung (k)ein älteres Recht bilden kann?

Hier ist eine solche Übersicht:
PCT-Vorbehalte, Erklärungen, Mitteilungen und Unvereinbarkeiten

Dort ist hinsichtlich Art. 64 (4)(a) zu entnehmen, dass es nur ein einziges Land gibt, welches hierzu einen Vorbehalt angemeldet hat, und zwar die USA.

Der Text des Vorbehalts findet sich hier, und der hinsichtlich der Frage der älteren Rechte interessierende Teil lautet wie folgt:
[...] this country declares under Article 64(4)(a) of the Patent Cooperation Treaty, that the filing outside of the United States of America of an international application designating the United States of America, is not equated to an actual filing in the United States of America for prior art purposes.

If an international application designating the United States of America has been internationally published under Article 21 of the Patent Cooperation Treaty, the prior art effect of the international application shall attach as of that date [das internationale Veröffentlichungsdatum] [...]

Ich schließe daraus, dass eine nachveröffentlichte PCT-Anmeldung (wie hier die PCT1) international in allen PCT-Mitgliedsstaaten die Wirkung eines älteren (nationalen) Rechts hat -- außer in USA, wo die PCT-Anmeldung gemäß dem Vorstehenden erst nach ihrer Veröffentlichung zum Stand der Technik gerechnet wird.
 

B_2020

GOLD - Mitglied
In den USA kommt es seit Nov. 29, 2000 im Wesentlichen darauf an, ob
  • bei der PCT die USA benannt,
  • Sie tatsächlich veröffentlicht (WO Schrift) wurde und zuletzt
  • die Veröffentlichung in englischer Sprache erfolgte.
Hinzu kommt bei PCT's noch, dass ausländische Prioritäten bei der Betrachtung der PCT als nachveröffentlichter Stand der Technik nicht relevant sind; das relevante Datum der PCT (die bspw. die Prio einer EP oder DE beansprucht) in einem solchen Fall das internationale Anmeldedatum ist.

Eine Übersicht für PCT findet man hier:

Mehr auch hier:
Additionally, a U.S. patent application publication of a National Stage application and a WIPO publication of an international application under PCT Article 21(2) are considered to be prior art under pre-AIA 35 U.S.C. 102(e) as of the international filing date, or an earlier effective U.S. filing date, only if the international application was filed on or after November 29, 2000, designated the United States, and was published under PCT Article 21(2) in English.

Meines Erachtens kann die PCT1 also einen nachveröffentlichten Stand der Technik (nicht jedoch einen vorveröffentlichten) darstellen, da das internationale Anmeldedatum (nicht die Prio, da DE) vor dem relevanten Datum der PCT2 (dem int. Anmeldedatum; keine Prio) angemeldet wurde und sicherlich die USA benannt wurde. Unbekannt ist jedoch, ob diese PCT1 auf englisch eingereicht und somit auf englisch veröffentlicht wurde;

Wenn PCT 1 auf englisch veröffentlicht wurde, ergibt sich m.E. für die USA:
Frage 1: NEIN, da PCT1 prior art.
Frage 2: Kommt darauf an, da A+B aus PCT1 bekannt ist und zu klären wäre, ob "+C" obvious ist
 

B_2020

GOLD - Mitglied
Bedeutet das, dass es in US eine Regelung entsprechend Art. 56 S.2 EPÜ nicht gibt?
In der Ausgangsfrage ging es nach meinem Verständnis nur um Neuheit.
ja, A56S2 EPÜ gibt es meiner Erinnerung nach nicht.

ich hatte die Frage "2. Können aus PCT2 noch Schutzrechte auf A+B+C hervorgehen?" jetzt im Sinne von A.52EPÜ, also auch A.56EPÜ und deren Pendant in anderen Ländern/Regionen gesehen.

Ich muss mich aber korrigieren, ich hatte noch die pre-AIA Regeln angeführt. Die Bedingung einer US-Priorität oder der englischen Sprache konnte ich nicht mehr finden:
Similarly, a U.S. patent application publication of a National Stage application and a WIPO publication of an international application under PCT Article 21(2) are considered to be prior art under 35 U.S.C. 102(a)(2) as of the international filing date, or an earlier effective U.S. filing date.
Denn 35 USC 102(d) nimmt ausländische Prioritäten nicht mehr aus.
Es sieht vielmehr so aus, als würde es diese Bedingungen nicht mehr geben:

dort auf Seiten 18 bis 21
 
Zuletzt bearbeitet:

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
Der Sachverhalt einmal noch etwas abgewandelt (nur mit nationalen Patentanmeldungen):

01.04.2021 deutsche Patentanmeldung A-DE
Merkmal
A

01.04.2022 deutsche Patentanmeldung A-DE1 mit Prio A-DE (⇨ Rücknahmefiktion für A-DE)
Merkmale
A (Priotag 01.04.2022 A-DE1)
B (Erstoffenbarung)

01.10.2022 Veröffentlichung A-DE1

01.10.2022
Anmeldung B-DE mit Prio A-DE1 (⇨ Rücknahmefiktion für A-DE1)
Merkmale
A (kein Schutz, da A-DE neuheitsschädlich)
B (schutzfähig mit Priotag 01.04.2022 A-DE1)
C (schutzfähig per Erstoffenbarung)
A+C (schutzfähig, da A-DE nur älteres Recht)

Wenn die Rücknahmefiktion für die A-DE1 verhindert werden soll, muss gemäß Busse/Keukenschrijver 2016:
die frühere Anmeldung [A-DE1] zunächst geteilt und dann die Priorität entweder der Stamm- oder der Teilanmeldung beansprucht werden

So richtig, oder gibt es noch Alternativen?
 
Zuletzt bearbeitet:

Hans35

*** KT-HERO ***
Alles richtig, außer die der Verwendung des Begriffs "älteres Recht". Wenn zwei Erfinder dieselbe Erfindung angemeldet haben, dann hat einer Von beiden das "ältere Recht". Hier gibt es aber nur nur einen Anmelder.

Stattdessen Begründung für den letzten Punkt:
A+C (in einem Anspruch zusammengefasst) ist genauso neu wie C allein.
 

Fragender

GOLD - Mitglied
Alles richtig, außer die der Verwendung des Begriffs "älteres Recht". Wenn zwei Erfinder dieselbe Erfindung angemeldet haben, dann hat einer Von beiden das "ältere Recht". Hier gibt es aber nur nur einen Anmelder.

Stattdessen Begründung für den letzten Punkt:
A+C (in einem Anspruch zusammengefasst) ist genauso neu wie C allein.

Der Sachverhalt einmal noch etwas abgewandelt (nur mit nationalen Patentanmeldungen):

01.04.2021 deutsche Patentanmeldung A-DE
Merkmal
A

01.04.2022 deutsche Patentanmeldung A-DE1 mit Prio A-DE (⇨ Rücknahmefiktion für A-DE)
Merkmale
A (Priotag 01.04.2022 A-DE1)
B (Erstoffenbarung)

01.10.2022 Veröffentlichung A-DE1

01.10.2022
Anmeldung B-DE mit Prio A-DE1 (⇨ Rücknahmefiktion für A-DE1)
Merkmale
A (kein Schutz, da A-DE neuheitsschädlich)
B (schutzfähig mit Priotag 01.04.2022 A-DE1)
C (schutzfähig per Erstoffenbarung)
A+C (schutzfähig, da A-DE nur älteres Recht)

Wenn die Rücknahmefiktion für die A-DE1 verhindert werden soll, muss gemäß Busse/Keukenschrijver 2016:


So richtig, oder gibt es noch Alternativen?
Kann die B-DE überhaupt die innere Prio in Anspruch nehmen?
PatG 41 (1): "...es sei denn, daß für die frühere Anmeldung schon eine inländische oder ausländische Priorität in Anspruch genommen worden ist."
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Genau genommen ist es nicht die A-DE, die neuheitsschädlich für den Gegenstand A in der B-DE ist (da A-DE wegen der Rücknahmefiktion nicht veröffentlicht wird), sondern die A-DE1 (die für den Gegenstand A die Prio der A-DE in Anspruch nimmt). ;-)
 

B_2020

GOLD - Mitglied
Genau genommen ist es nicht die A-DE, die neuheitsschädlich für den Gegenstand A in der B-DE ist (da A-DE wegen der Rücknahmefiktion nicht veröffentlicht wird), sondern die A-DE1 (die für den Gegenstand A die Prio der A-DE in Anspruch nimmt). ;-)
Zudem wohl nur neuheitsschädlich nach §3(2) PatG und nicht nach §3(1) PatG
 

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
01.10.2022 Anmeldung B-DE mit Prio A-DE1 (⇨ Rücknahmefiktion für A-DE1)
Merkmale
A (kein Schutz, da A-DE neuheitsschädlich)
B (schutzfähig mit Priotag 01.04.2022 A-DE1)
C (schutzfähig per Erstoffenbarung)
A+C (schutzfähig, da A-DE nur älteres Recht)
Alles richtig, außer die der Verwendung des Begriffs "älteres Recht". Wenn zwei Erfinder dieselbe Erfindung angemeldet haben, dann hat einer von beiden das "ältere Recht". Hier gibt es aber nur nur einen Anmelder.
"Älteres Recht" wird ja eigentlich als Synonym für nachveröffentlichte Anmeldungen verwendet, welche nur Stand der Technik bezüglich Neuheit, nicht aber bezüglich Erfindungshöhe sind, unabhängig von einer Anmelderidentität.

A+C (schutzfähig, da A-DE nur älteres Recht)
A+C (in einem Anspruch zusammengefasst) ist genauso neu wie C allein.
Ich hatte es so ausgedrückt, da A+C nicht auf Erfindungshöhe gegenüber der A-DE (bzw. mit Pat-Ente konkretisiert: gegenüber der A-DE1) geprüft wird, da diese nachveröffentlicht ist.

Kann die B-DE überhaupt die innere Prio in Anspruch nehmen?
PatG 41 (1): "...es sei denn, daß für die frühere Anmeldung schon eine inländische oder ausländische Priorität in Anspruch genommen worden ist."
M.E. ja, denn die B-DE nimmt die Priorität der A-DE1 wirksam nur für das Merkmal B in Anspruch, für welches noch keine Priorität in Anspruch genommen wurde, da es in der A-DE1 erstmals offenbart wurde.

Für das Merkmal A kann die B-DE die Priorität der A-DE1 in der Tat nicht wirksam in Anspruch nehmen, da dies eine Kettenpriorität wäre.

01.10.2022 Anmeldung B-DE mit Prio A-DE1 (⇨ Rücknahmefiktion für A-DE1)
Wenn die Rücknahmefiktion für die A-DE1 verhindert werden soll, muss gemäß Busse/Keukenschrijver 2016 "die frühere Anmeldung [A-DE1] zunächst geteilt und dann die Priorität entweder der Stamm- oder der Teilanmeldung beansprucht werden"

So richtig, oder gibt es noch Alternativen?
Könnte aus der A-DE1 zunächst ein Gebrauchsmuster abgezweigt werden, dessen Priorität dann die B-DE in Anspruch nimmt – auf diese Weise sollte die Rücknahmefiktion für die A-DE1 umgangen werden können?
 

Hans35

*** KT-HERO ***
"Älteres Recht" wird ja eigentlich als Synonym für nachveröffentlichte Anmeldungen verwendet, welche nur Stand der Technik bezüglich Neuheit, nicht aber bezüglich Erfindungshöhe sind, unabhängig von einer Anmelderidentität.
In der Tat. Aber bei Anmelderidentität, wenn also die eigene Anmeldung neuheitsschädlich entgegensteht, ist irgendetwas so gelaufen, wie man es nicht machen sollte. Es ist halt von Übel, einen Gegenstand zu offenbaren und zu beanspruchen, ohne die Priorität der eigenen Erstoffenbarung dieses Gegenstands wirksam in Anspruch zu nehmen.


Kann die B-DE überhaupt die innere Prio in Anspruch nehmen?
PatG 41 (1): "...es sei denn, daß für die frühere Anmeldung schon eine inländische oder ausländische Priorität in Anspruch genommen worden ist."

41 (1) lautet vollständig:
Dem Anmelder steht innerhalb einer Frist von zwölf Monaten nach dem Anmeldetag einer beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichten früheren Patent- oder Gebrauchsmusteranmeldung für die Anmeldung derselben Erfindung zum Patent ein Prioritätsrecht zu, es sei denn, daß für die frühere Anmeldung schon eine inländische oder ausländische Priorität in Anspruch genommen worden ist.

Der Begriff "frühere Anmeldung" bezeichnet an der hervorgehobenen Stelle keine Akte mit Aktenzeichen, sondern das Anmelden einer Erfindung, also den Vorgang des Offenbarens einer bestimmten Erfindung gegenüber dem Patentamt. Dabei geht es im vorliegenden Zusammenhang (nur) um diejenige Erfindung, die (in der Nachanmeldung) beansprucht wird. Diese Anmeldung (sprachlich besser wäre: dieses Anmelden) ist bei der ersten "Einreichung" nur erfolgt (und daher für die Inanspruchnahme der Priorität schädlich), wenn der zu betrachtende Anspruchsgegenstand dort offenbart wurde. Jede Anmeldung (i.S.v. Akte oder Patentanmeldung) kann die Anmeldung (i.S.v. das Anmelden oder die Offenbarung) von mehreren Erfindungen (Anspruchsgegenständen) enthalten.

M.E. gibt es an mehreren Stellen im Patentgesetz diese Doppeldeutigkeit des Begriffs "Anmeldung". Zur Klärung kann man sich fragen, ob für "Anmeldung" besser "Akte" oder "das Anmelden" besser passt.

Im Ergebnis erzeugt jede Erstoffenbarung eines Gegenstands bei einem Patentamt für diesen Gegenstand ein Prioritätsrecht, unabhängig vom späteren Schicksal der Anmeldung (im Sinne von Akte), wozu auch die Inanspruchnahme einer Priorität für eine andere Erfindung in dieser Akte gehört.
 

Fragender

GOLD - Mitglied
I41 (1) lautet vollständig:
Dem Anmelder steht innerhalb einer Frist von zwölf Monaten nach dem Anmeldetag einer beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichten früheren Patent- oder Gebrauchsmusteranmeldung für die Anmeldung derselben Erfindung zum Patent ein Prioritätsrecht zu, es sei denn, daß für die frühere Anmeldung schon eine inländische oder ausländische Priorität in Anspruch genommen worden ist.

Der Begriff "frühere Anmeldung" bezeichnet an der hervorgehobenen Stelle keine Akte mit Aktenzeichen, sondern das Anmelden einer Erfindung, also den Vorgang des Offenbarens einer bestimmten Erfindung gegenüber dem Patentamt. Dabei geht es im vorliegenden Zusammenhang (nur) um diejenige Erfindung, die (in der Nachanmeldung) beansprucht wird. Diese Anmeldung (sprachlich besser wäre: dieses Anmelden) ist bei der ersten "Einreichung" nur erfolgt (und daher für die Inanspruchnahme der Priorität schädlich), wenn der zu betrachtende Anspruchsgegenstand dort offenbart wurde. Jede Anmeldung (i.S.v. Akte oder Patentanmeldung) kann die Anmeldung (i.S.v. das Anmelden oder die Offenbarung) von mehreren Erfindungen (Anspruchsgegenständen) enthalten.

M.E. gibt es an mehreren Stellen im Patentgesetz diese Doppeldeutigkeit des Begriffs "Anmeldung". Zur Klärung kann man sich fragen, ob für "Anmeldung" besser "Akte" oder "das Anmelden" besser passt.

Im Ergebnis erzeugt jede Erstoffenbarung eines Gegenstands bei einem Patentamt für diesen Gegenstand ein Prioritätsrecht, unabhängig vom späteren Schicksal der Anmeldung (im Sinne von Akte), wozu auch die Inanspruchnahme einer Priorität für eine andere Erfindung in dieser Akte gehört.
Die Frage ist nur, wie das hier laufen könnte: Soweit ich weiß, prüft das DPMA die Prio erstmal rein formal (--> für die frühere Anmeldung wurde schon eine Prio in Anspruch genommen --> keine innere Prio mehr möglich).
Die Anmelderin müsste dann argumentieren, dass es inhaltlich ja gar nicht mehr dieselbe Erfindung ist, dann steht ihr aber kein Prioritätsrecht zu... Leider habe ich keine Rechtsprechung zu solch einem Fall griffbereit.
Bei der "normalen" Priorität ist das alles etwas "lockerer", was aber manchmal zu Prioritätsdickichten führt (Prio auf continuation in part und ähnliches).
 

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
Soweit ich weiß, prüft das DPMA die Prio erstmal rein formal (--> für die frühere Anmeldung wurde schon eine Prio in Anspruch genommen --> keine innere Prio mehr möglich).
Das Patentamt prüft eine beanspruchte Priorität zunächst gar nicht. In eine Prüfung der Gültigkeit der Priorität wird seitens des Amts erst dann eingestiegen, wenn Stand der Technik im Prioritätsintervall bekannt wird, beispielsweise im Prüfungsverfahren.


Habt ihr noch Meinungen zu der Frage der Gebrauchsmusterabzweigung:
01.10.2022 Anmeldung B-DE mit Prio A-DE1 (⇨ Rücknahmefiktion für A-DE1)
Wenn die Rücknahmefiktion für die A-DE1 verhindert werden soll, muss gemäß Busse/Keukenschrijver 2016 "die frühere Anmeldung [A-DE1] zunächst geteilt und dann die Priorität entweder der Stamm- oder der Teilanmeldung beansprucht werden"

So richtig, oder gibt es noch Alternativen?
Könnte aus der A-DE1 zunächst ein Gebrauchsmuster abgezweigt werden, dessen Priorität dann die B-DE in Anspruch nimmt – auf diese Weise sollte die Rücknahmefiktion für die A-DE1 umgangen werden können?
 
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