Hat schon mal jemand die GBK des EPA angerufen?

Kurt

*** KT-HERO ***
Ich habe einmal eine solche Rüge [nach R. 106] erhoben, das war in einer Präsenzverhandlung. Ich habe sie handschriftlich auf ein Blatt Papier geschrieben, datiert und unterschrieben, und der Kammer übergeben. Diese hat dann eine Kopie davon für den Gegner angefertigt.
Ich nehme an, eine Rüge nach R. 106 muss nicht als solche bezeichnet werden, sondern deren Existenz ergibt sich aus ihrem Inhalt und Kontext?

Eine Rüge nach R. 106 sollte man immer schriftlich einreichen, auch in der mündlichen Verhandlung.
Ist das ein Erfahrungswert, oder folgt das aus den Vorschriften des EPÜ? Vorliegend habe die Beschwerdekammer in ihrer Entscheidungsbegründung ausdrücklich festgestellt, dass "Eingaben per Email während der mündlichen Verhandlung nicht berücksichtigt werden können".

Übrigens sei die Sache an die Einspruchsinstanz zurückverwiesen worden, allerdings nur zur Erledigung von ein, zwei Formalien. Eröffnet das eine Möglichkeit, den Rechtsfehler von Einspruchs- und Beschwerdeinstanz nochmals zu thematisieren?
 
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Asdevi

*** KT-HERO ***
Es schadet sicher nicht, R. 106 zu erwähnen, aber es muss nicht sein. Die Rüge sollte aber klarstellen, dass man einen fundamentalen Verfahrensfehler sieht, und darlegen, worin dieser besteht.

Dass die Rüge schriftlich eingereicht werden muss, ist so auch nicht festgelegt. Die GBK legt aber sehr großen Wert auf die Rüge. Man muss ihre Erhebung und auch was man gerügt hat nachweisen können. Das geht am sichersten, wenn man es selbst schriftlich formuliert. Man kann auch darum bitten, dass die Rüge in den Minutes festgehalten wird, aber was dann da steht, liegt in der Hand der Beschwerdekammer.

Dass "Eingaben per Email" nicht berücksichtigt werden können, verstehe ich nicht. Emails sind das einzige Kommunikationsmittel für Schriftstücke in einer Vico. Wenn man einen neuen Antrag einreicht, tut man das ja auch per Email. Wie soll man es sonst machen? Um Missverständnisse zu vermeiden: Man schreibt die Rüge natürlich nicht in den Text der Email. Man verfasst ein schriftliches Dokument mit der Rüge, datiert und unterschreibt es, und sendet es als Attachment per Email an die Beschwerdekammer. Eben so, wie man einen neuen Hilfsantrag einreichen würde.

Die Rückverweisung an die erste Instanz hilft dir nicht, weil die erste Instanz an die Entscheidung der Beschwerdekammer gebunden ist. Die können diese Entscheidung nicht umdrehen oder aus der Welt schaffen, das kann nur die GBK. Es gibt im Review-Verfahren auch keine Entsprechung zu Art. 106(2) EPÜ. Man kann also nicht nur Endentscheidungen, sondern auch Zwischenentscheidungen der Beschwerdekammer angreifen. Wenn die Beschwerdekammer an die erste Instanz zurückverweist, ist ein Review dieser Entscheidung trotzdem möglich.
 

Kurt

*** KT-HERO ***
Dass "Eingaben per Email" nicht berücksichtigt werden können, verstehe ich nicht. Emails sind das einzige Kommunikationsmittel für Schriftstücke in einer Vico. Wenn man einen neuen Antrag einreicht, tut man das ja auch per Email. Wie soll man es sonst machen?
Dann wäre dies:
Vorliegend habe die Beschwerdekammer in ihrer Entscheidungsbegründung ausdrücklich festgestellt, dass "Eingaben per Email während der mündlichen Verhandlung nicht berücksichtigt werden können".
...ja ein weiteres Indiz für eine zumindest zulässige Revision vor der GBK?
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Kurt, du hattest weiter oben erwähnt, dass die Rüge per Chat (und auch noch in einer Verhandlungspause) erhoben wurde, und dies in der Entscheidung als unwirksam bezeichnet wurde - das ist natürlich in der Tat etwas anderes als eine Eingabe per Email. Allerdings meine ich schon, dass eine mündlich in der Verhandlung erhobene Rüge (wie ebenfalls erwähnt) wirksam sein sollte.
 

Kurt

*** KT-HERO ***
Richtig, die Rüge mit Antrag zur Behebung des Rechtsfehlers erfolgte per E-Mail und wurde in der MV mündlich wiederholt.

Daraufhin brach zunächst Ratlosigkeit bei der Kammer aus. Die E-Mail sei kein zulässiger Antrag, über den man in der MV entscheiden könne. Wir wurden dann darauf heruntergehandelt, dass die E-Mail "lediglich eine Zusammenfassung früher vorgebrachter Argumente" zu dem fraglichen Rechtsfehler sei.

Auch könne man sich mit der Rüge erst in der schriftlichen Begründung befassen. Dies könne allerdings auch unterbleiben, denn, so sinngemäß: "was wollt ihr dann dagegen machen"?

In den schriftlichen "Gründen für die Entscheidung" wird mit keinem Wort auf die Rüge eingegangen.

Der gerügte Rechtsfehler aus Einspruchsentscheidung und vorläufiger BK-Stellungnahme erfolgt dann nahezu wörtlich übereinstimmend erneut in den Entscheidungsgründen.
 
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Asdevi

*** KT-HERO ***
Wenn das so ist, scheint die Rüge zumindest erhoben worden zu sein, und mit der Email auch nachweisbar zu sein.

Das hilft aber nur bei der Zulässigkeit des Review-Antrags. Ich gehe davon aus, dass die GBK feststellen würde, dass ordnungsgemäß gerügt und nicht abgeholfen wurde und der Antrag deshalb zulässig ist. Über die Begründetheit (ob tatsächlich ein fundamentaler Verfahrensfehler vorhanden war) sagt das nichts aus.
 

Kurt

*** KT-HERO ***
Die Rüge betrifft keinen fundamentalen Verfahrensfehler, sondern eine fehlerhafte Anwendung des EPÜ.
Der fundamentale Verfahrensfehler dürfte also darin liegen, dass der Rüge nicht abgeholfen wurde.
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Ohne Kenntnis des (vermeintlichen?) Rechtsfehlers kann man natürlich keine genaue Aussage treffen, aber möglicherweise hat es sich de facto nicht um eine Rüge nach R 106 mit dem Ziel einer Petition nach Art. 112a (2) (a-d) gehandelt. Wenn es um einen (substanziellen?) Rechtsfehler ging, der schon in der Einspruchsentscheidung vorhanden war, dann ist das eben kein Verfahrensfehler im Beschwerdeverfahren. Da, wie du schreibst, der Rechtsfehler auch in der Beschwerdeentscheidung enthalten war (d.h. die BK sich in dieser Hinsicht der Einspruchsabteilung angeschlossen hat), wurde im Ergebnis auch über den Antrag auf "Behebung des Rechtsfehlers" entschieden (wenn auch abschlägig), so dass kein Fall von Regel 104(b) vorliegt. Damit wäre auch Art. 112a keine geeignete Rechtsgrundlage für einen möglichen Rechtsbehelf.
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Die Rüge betrifft keinen fundamentalen Verfahrensfehler, sondern eine fehlerhafte Anwendung des EPÜ.
Der fundamentale Verfahrensfehler dürfte also darin liegen, dass der Rüge nicht abgeholfen wurde.
Das ist ja genau was ich meine: Die BK hat halt rechtlich eine andere Auffassung als du, da gibt es kein Rechtsmittel. Ober sticht Unter ;-)
 

Kurt

*** KT-HERO ***
Also nochmal zusammengefasst. Wir rügen eine fehlerhafte Rechtsanwendung des EPA:
  1. schriftlich und mündlich im Einspruchsverfahren,
  2. in der Beschwerdebegründung,
  3. in der Antwort auf die vorläufige Stellungnahme der BK,
  4. schriftlich und mündlich in der Beschwerdeverhandlung.
Die Rüge wird nie thematisiert. Der Rechtsfehler wird jedesmal wiederholt, zuletzt in der schriftlichen Entscheidung der BK.
 
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Hans35

*** KT-HERO ***
Habe ich das richtig verstanden: Die Prüfungsabteilung begeht einen Rechtsfehler, indem sie das EPÜ falsch anwendet (falsch aus der Sicht des Anmelders), und im Beschwerde-Schriftsatz (und zusätzlich im Verlauf des Beschwerdeverfahrens) wird diese fehlerhafte Anwendung gerügt. Aber die BK geht nicht auf diese Rüge ein, sondern "begeht diesen Rechtsfehler" selbst ebenfalls, d.h. sie wendet das EPÜ in gleicher Weise an, wie die Prüfungsabteilung. Und sie weigert sich zudem auch noch zu erläutern, warum ihre Auslegung des EPÜ "richtig" ist.

Mit Verlaub, da bin ich wirklich neugierig geworden um die Anwendung welcher Bestimmung es da gehen könnte.

Für mich hört sich das erst mal so an wie ein krasses Missverständnis. Also wie wenn der Skipper befiehlt, das Schiff mit dem Tau festzumachen, und der Hilfsmatrose (aus den Alpen) ist sich ganz sicher, mit einer Flüssigkeit ginge das nicht.
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Wenn ich den Bezug auf den Ursprungsfall richtig verstanden habe, geht es letztlich um die Bestimmung der eT; nach Auffassung der Einsprechenden haben sowohl die Einspruchsabteilung als auch die BK den could-would Ansatz falsch angewendet.

Damit kann man natürlich hadern, und vielleicht war es sogar tatsächlich objektiv ein Fehler. Aber darauf kommt es gar nicht an, denn wenn die BK einen PSA incl. could-would gemacht hat und zum Ergebnis kam, dass der beanspruchte Gegenstand erfinderisch ist, dann hat sie hierbei keinen Verfahrensfehler begangen, und es gibt keinen Grund für eine Petition for Review; in Bezug auf die inhaltliche rechtliche Analyse ist die BK die letzte Instanz (sofern keine Vorlagefrage an die GBK gerichtet wird). Die BK muss sich in der Entscheidung auch nicht mit jedem Argument des Einsprechenden im Detail auseinandersetzen, solange sie ihre Entscheidung begründet.
 

Kurt

*** KT-HERO ***
wenn die BK einen PSA incl. could-would gemacht hat

Hat sie nicht:
BK schrieb:
Dokument nSdT löst seine Aufgabe bereits selbst. Der Fachmann hat keinen Grund, nach Alternativen zu suchen oder Dokument D2 heranzuziehen. Daher ist das Streitpatent erfinderisch.

Objektive Aufgabe geht so, (sinngemäß):
RiLi schrieb:
Formulierung der zu lösenden objektiven technischen Aufgabe
In der zweiten Phase wird die zu lösende technische Aufgabe objektiv bestimmt:
  1. Hierzu werden die strukturellen oder funktionalen Unterschiedsmerkmale zwischen der beanspruchten Erfindung und dem nächstliegenden Stand der Technik ermittelt.
  2. Anschließend wird die aus den Unterschiedsmerkmalen resultierende technische Wirkung bestimmt.
  3. Schließlich wird aus der technischen Wirkung die objektive technische Aufgabe formuliert.

In allen Instanzen hat das EPA die Schritte ii) und iii) des PSA:
RiLi schrieb:
Der "Aufgabe-Lösungs-Ansatz" gliedert sich in drei Phasen:
i) Ermittlung des "nächstliegenden Stands der Technik",
ii) Bestimmung der zu lösenden "objektiven technischen Aufgabe" und
iii) Prüfung der Frage, ob die beanspruchte Erfindung angesichts des nächstliegenden Stands der Technik und der objektiven technischen Aufgabe für den Fachmann naheliegend gewesen wäre.
...weggelassen und das Streitpatent "einfach so" für erfinderisch erklärt.
 
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Hans35

*** KT-HERO ***
In der Tat ist die Argumentation der BK etwas unverständlich. Die "Aufgabe" ist ja immer etwas, was die Erfindung leistet, und nicht der nSdT. Und wenn beide dasselbe leisten, dann ist die Erfindung wohl eher nicht neu.

Der PSA dient aber erst mal nur zur Argumentation, dass keine eT vorliegt, er muss "sauber" durchgeführt werden, wenn die eT verneint wird. Das wollte die BK aber gar nicht, dafür hat der SdT (nach ihrer Auffassung) nicht ausgereicht. Dann muss das Patent halt erteilt werden (bzw. aufrecht erhalten werden), und fertig. Die RiLi geben in Bezug auf Aufrechterhaltung nicht viel her, denn die Prüfungsabteilung braucht dazu gar nicht zu argumentieren. Sie erteilt einfach.

Zur Argumentation, dass eT (gegenüber jeglichem SdT) vorliegt, ist der PSA mit einem bestimmten SdT eher untauglich. Die Argumentation des Einsprechenden (in Bezug auf einen bestimmten SdT) kann hingegen (aus Sicht der BK) an jeder der drei Stufen des PSA scheitern, also auch bereits an der ersten. Also vielleicht sollte die Argumentation der BK einfach nur bedeuten, dass es im nSdT um etwas ganz anderes ging, als beim Anspruchsgegenstand, so dass man von einer Aufgabe, die die Erfindung löst, wenn von diesem nSdT ausgegangen wird, gar nicht sprechen kann?

Beispiel: Wenn besonders geschliffene Brillengläser erfunden wurden, und im SdT geht es um eine Wasserflasche, was soll dann die "Aufgabe" sein? Die Wasserflasche löst ihre eigene Aufgabe bereits selbst, und fertig.
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Ohne genaue Kenntnis des Falls kann man jetzt nur spekulieren, woran es genau gelegen haben könnte.

Ich denke nach wie vor, dass die Erfolgsaussichten einer Petition gering sein dürften. Falls du das vorhast, müsstest du genau überlegen, worauf sie gestützt werden soll (z.B. Art. 112a (2) (c) oder (d), in jedem Fall unter Berücksichtigung von R. 106 und im Falle von (d) auch unter Berücksichtigung von R. 104). Dabei immer darauf konzentrieren, was nun genau der Verfahrensfehler der BK war (ggf. die VOBK zu Rate ziehen).

Für die Zukunft wichtiger halte ich es, sich kritisch anzuschauen, was man selbst vielleicht hätte besser machen (argumentieren, dokumentieren, beantragen etc.) können, um die EA / BK zu überzeugen. Dann ist man zumindest für das nächste Mal besser gerüstet.
 
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Kurt

*** KT-HERO ***
Danke Pat-Ente für deine Hinweise, die ich genau prüfen werde.

Ich denke, dass man dem EPA so etwas nicht durchgehen lassen sollte, und dass das vielleicht auch die GBK erkennt, Zulässigkeitsvoraussetzung hin oder her.
BK schrieb:
Dokument nSdT löst seine Aufgabe bereits selbst. Der Fachmann hat keinen Grund, nach Alternativen zu suchen oder Dokument D2 heranzuziehen. Daher ist das Streitpatent erfinderisch.
 
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