Grundlagen des Arbeitnehmererfindungsrechts (Teil 1)

Teil 1: Geltungsbereich und Arten von Erfindungen

Nach dem Patentgesetz ist der Erfinder der alleinige Eigentümer einer Erfindung.[1] Wurde die Erfindung jedoch während eines Arbeitsverhältnisses geschaffen, steht das Arbeitsergebnis „Erfindung“ gemäß dem Arbeitsrecht dem Arbeitgeber des Erfinders zu. Diese Gesetzeskollision wird durch das Arbeitnehmererfindungsgesetz aufgelöst. 

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Teil 1: Geltungsbereich und Arten von Erfindungen
Teil 2: Diensterfindung

Das Arbeitnehmererfindungsgesetz ermöglicht es dem Arbeitgeber, die Erfindung seines Arbeitnehmers in Anspruch zu nehmen.[2] Der Arbeitnehmer hat keine rechtliche Handhabe gegen eine berechtigte Inanspruchnahme durch seinen Arbeitgeber. Im Gegenzug erwirbt der Arbeitnehmer einen Vergütungsanspruch gegenüber seinem Arbeitgeber.[3]

Das Arbeitnehmererfindungsgesetz kennt vier unterschiedliche Varianten von technischen Verbesserungen. Patentfähige Verbesserungen sind die Diensterfindung, die frei gewordene Erfindung und die freie Erfindung. Bei nichtpatentfähigen Verbesserungen handelt es sich um technische Verbesserungsvorschläge.

1. Geltungsbereich des Arbeitnehmererfindungsgesetzes

Das Arbeitnehmererfindungsgesetz ist für alle Arbeitnehmer im privaten und öffentlichen Dienst einschlägig. Außerdem betrifft es die Erfindungen von Beamten und Soldaten.[4] Das Arbeitnehmererfindungsgesetz gilt nur für technische Erfindungen.

Das Arbeitnehmererfindungsgesetz bestimmt die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers und seines erfinderischen Arbeitnehmers. Wird die betreffende Erfindung übertragen, ändert sich an dem bestehenden Rechtsverhältnis nichts. Der Erwerber der Erfindung wird nicht zum neuen „Arbeitgeber“ nach dem Arbeitnehmererfindungsgesetz des Erfinders.

Das Arbeitnehmererfindungsgesetz ist nicht einschlägig für die Organe einer juristischen Person, beispielsweise einer AG oder einer GmbH. Geschäftsführer, Vorstände und Aufsichtsräte sind keine Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitnehmererfindungsgesetzes. Für freie Mitarbeiter, Ruheständler und Handelsvertreter ist das Gesetz ebenfalls nicht anwendbar.  

2. Diensterfindung

Eine Diensterfindung ist eine Erfindung eines Arbeitnehmers, die sich während eines Arbeitsverhältnisses aus der beruflichen Tätigkeit ergibt oder maßgeblich auf dem Know-How des Betriebs aufbaut.[5] Eine Diensterfindung muss dem Arbeitgeber unverzüglich nach der Schaffung gemeldet werden.[6] Hierbei ist Textform ausreichend, das bedeutet, dass eine Erfindung mit einer Email gemeldet werden kann. Die Meldung muss separat erfolgen und so gestaltet sein, dass der Arbeitgeber klar erkennen kann, dass ihm eine Erfindung gemeldet wird. Eine Diensterfindung kann vom Arbeitgeber durch Erklärung gegenüber dem Arbeitnehmer in Anspruch genommen werden.[7] Eine Inanspruchnahme wird fingiert, falls nicht bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Erfindungsmeldung die Freigabe der Erfindung erklärt wird.[8] Durch die Inanspruchnahme ergibt sich eine Vergütungspflicht des Arbeitgebers gegenüber seinem Arbeitnehmer.[9] Eine Diensterfindung wird alternativ als gebundene Erfindung bezeichnet.[10]

3. Frei gewordene Erfindung

Eine Diensterfindung kann durch Erklärung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer freigegeben werden.[11] Eine Freigabe kann in Textform erfolgen.

Eine frei gewordene Erfindung ist daher eine Diensterfindung, die nie in Anspruch genommen wurde oder zunächst vom Arbeitgeber in Anspruch genommen wurde und später freigegeben wurde. Eine frei gewordene Erfindung fällt zurück in das Eigentum des Erfinders, der über diese ohne Beschränkung verfügen kann.[12]

4. Freie Erfindung

Eine freie Erfindung war zu keinem Zeitpunkt eine Diensterfindung. Eine freie Erfindung stellt daher kein Arbeitsergebnis während einer beruflichen Tätigkeit dar und fußt außerdem nicht auf dem betrieblichen Know-How des Arbeitgebers.[13]

Eine freie Erfindung muss dem Arbeitgeber mitgeteilt werden, damit sich dieser davon überzeugen kann, dass keine Diensterfindung vorliegt.[14] Eine Mitteilung ist nicht erforderlich, falls die Erfindung ganz offensichtlich nicht vom Arbeitgeber genutzt werden kann.[15] Um auf der sicheren Seite zu sein, sollte der Arbeitnehmer grundsätzlich seine Erfindungen dem Arbeitgeber mitteilen, um rechtliche Probleme zu vermeiden.

Nach der Mitteilung besteht eine dreimonatige Frist zur Prüfung der Mitteilung des Arbeitnehmers. Bestreitet der Arbeitgeber nicht innerhalb dieser Frist die Behauptung seines Arbeitnehmers, dass eine freie Erfindung vorliegen würde, kann eine spätere Inanspruchnahme der Erfindung durch den Arbeitgeber nicht mehr erfolgen.[16]

5. Technischer Verbesserungsvorschlag

Technische Verbesserungsvorschläge sind nicht patentfähig, da sie beispielsweise nicht neu oder erfinderisch sind. Allerdings muss der technische Verbesserungsvorschlag für den Betrieb des Arbeitnehmers neu sein und dem Arbeitgeber einen nutzbaren technischen Effekt ermöglichen. Ein technischer Verbesserungsvorschlag, der vergütungsfähig ist, muss dem Arbeitgeber eine Vorzugsstellung ermöglichen, die sich in ähnlicher Form aus einem Schutzrecht ergeben würde.[17]  


[1] § 6 Satz 1 Patentgesetz.
[2] § 6 Absatz 1 Arbeitnehmererfindungsgesetz.
[3] § 9 Absatz 1 Arbeitnehmererfindungsgesetz.
[4] § 1 Arbeitnehmererfindungsgesetz.
[5] § 4 Absatz 2 Arbeitnehmererfindungsgesetz.
[6] § 5 Absatz 1 Satz 1 Arbeitnehmererfindungsgesetz.
[7] § 6 Absatz 1 Arbeitnehmererfindungsgesetz.
[8] § 6 Absatz 2 Arbeitnehmererfindungsgesetz.
[9] § 9 Absatz 1 Arbeitnehmererfindungsgesetz.
[10] § 4 Absatz 1 Arbeitnehmererfindungsgesetz.
[11] § 8 Satz 1 Arbeitnehmererfindungsgesetz.
[12] § 8 Satz 2 Arbeitnehmererfindungsgesetz.
[13] § 4 Absatz 3 Satz 1 Arbeitnehmererfindungsgesetz.
[14] § 18 Absatz 1 Satz 1 Arbeitnehmererfindungsgesetz.
[15] § 18 Absatz 3 Arbeitnehmererfindungsgesetz.
[16] § 18 Absatz 2 Arbeitnehmererfindungsgesetz.
[17] § 20 Absatz 1 Satz 1 Arbeitnehmererfindungsgesetz.

Über Thomas Heinz Meitinger 29 Artikel
Herr Dr. Thomas Heinz Meitinger ist Deutscher Patentanwalt sowie European Patent, Trademark and Design Attorney mit Elektrotechnik als technischem Hintergrund.