@Asdevi: Gut, dass sehe ich ein. Dann haben wir aneinander vorbeigeschrieben und in der Tat bin ich auf den Zug der von HSP ins Spiel gebrachten "giftigen" Anmeldungen aufgesprungen.
Dann zum ursprünglichen Thema:
Unten wurde der Busse wie folgt zitiert:
Keukenschrijver (Busse 7. Ausg. PatG § 21, Rn. 85)
schreibt sogar:
"Für das nach Teilung der Anmeldung (§ 39) erteilte Patent stellt Abs 1 Nr 4 2. Halbs. klar, dass das erteilte Patent nicht mit dem Offenbarungsgehalt einer (strenggenommen gar nicht erforderlichen)' Teilanmeldung', sondern mit dem der ursprünglichen Anmeldung zu vergleichen ist."
Der Schlussfolgerung, die Keukenshrijver hier vornimmt, stimme ich schlicht nicht zu. Denn § 21 (1) Nr. 4 2. Halbs. PatG stellt meines Erachtens etwas ganz anderes klar. Die Vorschrift liest sich grob vereinfacht wiedergegeben wie folgt:
Das Patent wird widerrufen, wenn es gegenüber sich selbst unzulässig erweitert ist (Alternative 1); das gleiche gilt
[sprich: das Patent wird auch dann widerrufen], wenn es aus einer Teilanmeldung hervorgegangen ist, die inhaltlich über die Fassung der Stammanmeldung hinausgeht (Alternative 2).
Die Worte "das gleiche gilt" beziehen sich aus meiner Sicht auf "widerrufen" und heißen für mich, dass dies für Teilanmeldungen
zusätzlich gilt, nicht aber an Stelle von Alternative 1. Damit ist meines Erachtens klargestellt, dass bei Teilanmeldungen zusätzlich zur ersten Alternative auch noch die zweite Alternative hinzukommt. Die Klarstellung, die Keukenshrijver zu sehen glaubt, sehe ich da jedenfalls nicht.
In der Tat steht dies in der zitierten BPatG Entscheidung allerdings anders drin, als es vom EPA gehandhabt wird. Und in der BPatG Entscheidung wird auch von gefestigter Rechtsprechung gesprochen, ohne diese allerdings zu zitieren (was per so schon mal ein Schwachpunkt ist). Diese unterschiedliche Praxis ist auf deutscher Seite aber meines Erachtens nicht zu Ende gedacht.
Zunächst muss man sich vor Augen führen, dass man in Deutschland erst einmal nur eine Teilungserklärung abgeben muss und dann drei Monate Zeit hat, die Anmeldeunterlagen für die Teilung nachzureichen. Man kann also eine Teilanmeldung durch einfache Erklärung "generieren", ohne hierfür überhaupt Anmeldeunterlagen vorlegen zu müssen. Es gibt dann eine schwebend wirksame Teilungserklärung, ohne dass der tatsächliche Inhalt der eigentlichen Anmeldung schon feststehen würde. Dann ist es natürlich erst einmal logisch, dass man für die der bloßen Teilungserklärung nachfolgenden tatsächliche Anmeldeunterlagen die Offenbarung der Stammanmeldung ausschöpfen können muss.
Die deutsche Rechtsprechung ignoriert bzw. beschäftigt sich allerdings nicht mit den Problemen, die die GBK des EPA in den Entscheidungen G1/05 und G1/06 umrissen hat (zumindest konnte ich da bisher nichts finden). Oftmals wird die "deutsche" Aussage, die Teilanmeldung kann die Offenbarung der Stammanmeldung ausschöpfen, vor dem Hintergrund getroffen, dass die ggf. Monate nach der Teilungserklärung eingereichten Anmeldungsunterlagen die Offenbarung der Stammanmeldung ausschöpfen können.
Die eigentlich entscheidende Frage, die man sich an dieser Stelle aber außerdem stellen muss, hat man sich aber nie wirklich gestellt: Was passiert mit Gegenständen bzw. Merkmalen, die zwar in der Stammanmeldung offenbart sind, die aber in den Anmeldeunterlagen der Teilanmeldung nicht mehr enthalten sind.
Dass man sich diese Frage nicht stellte, kann auch daran liegen, dass man früher dieses Problem nicht wirklich hatte, als man vom Anmelder noch verlangt hat, dass er mit der Teilung sozusagen eine Art Verzicht auf das Weiterverfolgen der Gegenstände in der Teilanmeldung erklärt, die in der Stammanmeldung verbleiben, nicht aber in die Teilanmeldung aufgenommen wurden. Die Prüfer achteten darauf, dass in Stamm- und Teilanmeldung durch Verzicht die in der jeweiligen anderen Anmeldung weiterverfolgten Gegenstände gestrichen bzw. nicht aufgenommen wurden. Daher sprach man von gegenständlicher "echter" (Heraus)Teilung oder im Falle eines Prüfereinwands von gegenständlicher "echter" Ausscheidung. Prüfungsbescheide, die dies verlangen, bekomme ich von älteren Prüfern teils heute noch.
Wenn man das so handhabt wie das BPatG es zu tun scheint, dann würde eine Teilanmeldung immer alle Gegenstände, die mal in der Stammanmeldung offenbart waren, in der Teilanmeldung selbst aber nicht erwähnt werden, sozusagen "verdeckt" mitführen. Rechtssicherheit für Dritte sieht anders aus.
Ein weiteres Problem entsteht bei der Kette von Teilanmeldungen. Wenn jede Teilanmeldung immer (zumindest implizit) den Offenbarungsgehalt der Stammanmeldung ausschöpfen können darf, was passiert dann mit irgendwo auf dem Weg von Generation zu Generation liegen gelassenen Merkmalen? Die GBK positioniert sich hier klar: Was man einmal liegen gelassen hat, egal bei welchem "Generationensprung", ist für diesen Generationenzweig ein für allemal weg. Das ist meines Erachtens der einzig sinnvolle Weg, wenn man bedenkt, dass die Öffentlichkeit ja auch irgendwann mal wissen muss, was nun eigentlich Sache ist. Würde man die deutsche Praxis weiterdenken, könnten längst liegen gelassene Merkmale bzw. Gegenstände irgendwann plötzlich wieder auftauchen. Das kann es nicht sein.
Daher bin ich mir sicher: Wenn man einen Fall hat, bei dem diese ganze Problematik entscheidungserheblich ist, dann wird spätestens der BGH auf die Linie des EPA umschwenken.