Gesetzliche Fiktion:
Art. 54 EPÜ:
Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört.
Art. 56 EPÜ:
Eine Erfindung gilt als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.
Auffindbarkeit:
Ein (noch) nicht aufgefundener Stand der Technik kann die Wirksamkeit dieser Bestimmungen nicht verhindern. Wenn der Autor des StdT seine Veröffentlichung hinreichend gut versteckt hat (und es sonst keinen erheblichen Stand der Technk gibt) hat er allein den Bestand des Patent in der Hand.
Praktisch ist das bei Erfindungen interessant, die man dem Produkt nicht ansehen kann und die der Erfinder daher geheim halten will. Konkretes Beispiel, das mir dazu mal begegnet ist: Die Ausführung eines Getriebes, die besonders leise ist. (Das haben die Chinesen durch Abkupfern nicht hinbekommen.) Wenn dann ein Dritter dieselbe Erfindung macht, kann der Ersterfinder mit "verstecktem" Stand der Technik verhindern, dass der andere ein Patent bekommt, oder er kann auf Basis der "Fiktion" am Patent beteiligt werden. Oder noch besser: Man einigt sich rechtzeitig, dass die Anmeldung des "Zweierfinders" vor Offenlegung zurückgenommen wird. (Denn der Zweiterfinder weiß natürlich, dass der Ersterfinder konkurrenzlos leise Getriebe herstellt und kann rechtzeitig Kontakt aufnehmen.) Jedenfalls hält man dann die einem Patent entgegenstehende Veröffentlichung gemeinsam weiter versteckt. (No risk, no fun!)
Auffindbarkeit "unwesentlich":
Für die Wirksamkeit des Stands der Technik im Verfahren ist es unerheblich, ob das entsprechende Dokument Teil des "Standard-Prüfstoffs" von EPA oder DPMA ist, oder ob man es nur zufällig finden kann, wenn man nicht vorher schon weiß, wo man suchen muss.