Patentverletzung

PatFragen

*** KT-HERO ***
Hallo zusammen,
ich hätte mal wieder eine Frage, bei der ich gerne Input hätte :).

Angenommen ich habe ein Patent (oder noch Anmeldung), das abhängig von einem Patent eines anderen Inhabers ist.
Ich selbst will jedoch keine Produkte herstellen, sondern nur Lizenzen für mein abhängiges Patent vergeben.

Ab wann beginnen die Verletzunghandlungen durch mich, bzw. was alles ist eine Verletzung im Sinne von §9 PatG?
Ist es schon eine Verletzung, wenn ich meine Erfindung/Patent in Fachzeitschriften/Internet vorstelle, bzw. diese vorgestellt wird? Wie sieht das aus, wenn das auf Messen geschieht? Ist dort das "Auslegen" der Anmeldung/Patentschrift bereits eine Verletzung? Oder das Zeigen eines Prototyps? D.h. ist die öffentliche Suche nach möglichen Lizenznehmern für mein abhängiges Patent schon eine Patentverletztung? Es wird zwar eigentlich kein "Erzeugnis" angeboten, aber gewisse Ähnlichkeiten hat es für mich irgendwie schon. Oder ist der Abschluss des Lizenzvertrages dann eine Verletzung? Dann gäbe es aber wohl oft Patentverletzungen durch Lizenzgeber :). Irgendwie glaube ich nicht, dass ein solcher Patentvertrag eine Patentverletzung darstellt. Wenn aber der Abschluss des Lizenzvertrages keine Verletzung darstellt, dann habe ich logische Probleme die "Suche" nach einem Lizenznehmer als Patentverletzung einzustufen. Hat es eine Auswirkung auf die Frage, wenn es "sicher ist", dass ich nie ein eigenes Produkt auf den Markt bringen will, sondern "nur" Lizenznehmer suche? "Zieht" das Argument durch, dass der möglicherweise für das abhängige Patent gefundene Lizenzenehmer, ja auch noch eine Lizenz für das andere Patent bräuchte, d.h. auch dessen Inhaber sein Entgelt für seine Erfindung bekommen würde (abgesehen davon, was für Auswirkungen, das für das Finden eines eigenen Lizenznehmers hat, wenn der auch noch eine weitere Lizenz bräuchte :) )?

Mit der Hoffnung auf erhellende Kommentare :).
 

silvio_h

GOLD - Mitglied
Ich finde da §9 PatG schon ziemlich klar, sodass dies auch ohne Kommentar-Literatur für einen Laien gut zu beantworten sein sollte, daher: Ist das ernst gemeint?

Außerdem mal rein wirtschaftlich denkend betrachtet: Ich stelle es mir nicht gerade leicht vor, einen Lizenznehmer zu finden, dem man sagen muss, dass er bei einem Dritten auch noch extra eine Lizenz einholen müsste (vor allem, ohne zu wissen, ob der überhaupt eine Lizenz erteilen möchte).
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Also, soo eindeutig ergibt sich das nicht aus §9, finde ich.

Es wird ja offensichtlich kein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, angeboten oder benutzt etc.. §9(1) ist also m.E. aus dem Spiel. Eventuell könnte man über §10 nachdenken, aber ob ein abhängiges Patent ein "wesentliches Mittel" darstellen kann, halte ich auch für fraglich.
Damit würde ich für einen Vorrichtungsanspruch eine Verletzung verneinen.

Anders ist das möglicherweise bei einem Verfahren, §9(2). Das Anbieten einer Lizenz an einem abhängigen Patent könnte man als "Anbieten eines Verfahrens zur Anwendung" betrachten. Aber auch hier kann man sicher anderer Meinung sein ...

Das Ansicht, dass die Lizenzierung schwierig werden könnte, teile ich aber durchaus. Potentielle Lizenznehmer sind vielleicht der Patentinhaber des übergeordneten Patents oder dessen Lizenznehmer, soweit vorhanden.
 

PatFragen

*** KT-HERO ***
Hallo Silvio,
Nach meiner Erfahrung kommt es durchaus recht häufig vor, dass ein "Laie" Probleme, die der "Fachmann" sieht, gar nicht sieht ;-).
Was jetzt nicht heissen soll, dass ich nicht gerade auf der Leitung stehe :).

Und in welcher Richtung ist §9 PatG klar?
Ist das Ganze kein Problem?
Also gibt es keine "Gefahr" einer Erstbegehung, wenn man im Internet weltweit nach Lizenznehmern für ein abhängiges Patent sucht? In Kommentaren findest du den Hinweis, dass es auf die objektive Lieferbereitschaft, oder ob es subjektiv eine solche gibt, nicht ankommt. Also könnte man absolut nicht vertreten, dass zumindest eine Erstbegehungsgefahr, d.h. eine Unterlassungsklage, möglich wäre?

Oder ist das Ganze ein Problem ?
D.h. ist das Argument, dass eine Suche im Internet nach einem Lizenznehmer, noch kein Anbieten eines Produktes wäre, weil dies kein Angebot über das Erzeugnis im rechtlichen Sinne ist, bei dem der Lizenznehmer mit einem "JA" gleich das Verpflichtungsgeschäft zustandekommen lassen könnte, sondern nur meine Erlaubnis erlangen würde, es selbst herzustellen, völlig absurd?

Oder ist die "Grenze" klar, was noch keine und was dann schon eine mögliche Verletzung wäre?
Kannst du mir, dann eine Tipp geben, ob das "Informieren/Berichten" im Internet diesseits oder Jenseits der Grenze ist und was dann schon zu viel wäre :) ?

Bitte kläre mich als Laie auf ;-).

Hinsichtlich deines zweiten Absatzes, gab es ja schon meine Bemerkung in Klammer am Ende ;-).
Es ist für mich aber immer noch ein Unterschied, ob man potentiell keinen Lizenznehmer findet, oder ob man vor Gericht unterliegen würde ;-). Nur als Randbemerkung vielleicht würden sich ja durchaus Lizenznehmer für die "disjunkten" Länder der beiden Patente finden, aber bei einem weltweiten Internetauftritt muss man womöglich mehr aufpassen, wie man da "disjunkt" hinbekommen würde.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
"Auslegen der Patentschrift": Meiner Meinung nach absurd. Die Patentschrift ist veröffentlicht und für jedermann zugänglich. Wie sollte das eine Patentverletzung sein? Es ist gerade der Sinn einer Patentschrift, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu werden. Deshalb heißt sie "Patent".

"Lieferbereitschaft": Die Suche nach einem Lizenznehmer ist gerade keine Lieferbereitschaft. Diese setzt voraus, dass ich entweder das geschützte Produkt anbiete (also bereit bin es zu liefern), oder das geschützte Verfahren (also bereit bin, es gegen Entlohnung für einen Dritten durchzuführen). Wie kann ich lieferbereit sein, wenn ich nicht vorhabe, die Erfindung jemals selbst zu benutzen?
 

PatFragen

*** KT-HERO ***
Hallo Pat-Ente und Asdevi,

danke für den Input.
@Pat-Ente, wenn ich deine Ausführungen zum Produkt richtig verstehe (und nur um ein Produkt/Erzeugnis geht es mir gerade) siehst du da eigentlich keine Probleme. Also siehst du das Hervorheben der Güte der Erfindung und "anpreisen" der Lehre des eigenen Patents, die auf der Suche nach einen Lizenznehmer natürlich gemacht wird, noch nicht als ein Anpreisen des Erzeugnisses selber in einer Werbung? Weil die wäre, so wie ich den Schulte zum §9 "Anbieten" lese, schon durchaus als ein Anbieten, d.h. eine Verletzung zu sehen. Genau darum ging es mir ja. Reicht der "Unterschied" zwischen, "Anpreisen" der Lehre, wie tolle (dann patentverletzende) Erzeugnisse aufgebaut sein können und Suchen nach Lizenznehmern, und das Anpreisen der tollen Erzeugnisse selber aus. Mit deiner Antwort kann ich leben :). Aber ich war mir da nicht so sicher. Auch in Hinblick auf eine Erstbegehungsgefahr.

@Asdevi
Das reine Auslegen der eigenen Patentschrift wohl nicht. Da sind wir uns wohl einig :). Aber wie es bei einem sehr konkreten Reden über und Bewerben meine(r) Lehre des eigenen Patents und des Aussehens/Aufbau toller (dann patentverletzender) Erzeugnisse auf einer Messe/Internet aussieht? Irgendwo könnte es für mich eine Grenze geben, wo das Suchen nach einen Lizenznehmer (wohl eher nicht patentverletzend) zu einem Suchen nach einem Abnehmer wird, bzw. etwas verschwimmt. Aber wie gesagt es kann durchaus sein, dass ich da gerade auf der Leitung stehe :). Und nach meinem Schulte hat die Frage, ob ich subjektiv liefern kann oder will, bei der Frage, ob es ein "Anbieten" ist, grundsätzlich erstmal keine Relevanz. Das subjektive Element wäre sonst auch eine sehr gute Möglichkeit aus der Patentverletzung rauszukommen. Einfach sagen: "Ich wollte ja gar nicht liefern. Das Angebot war ja nur ein Scherz" :).
 

maroubra

*** KT-HERO ***
Wo wir gerade dabei sind und da ich durchaus Anknüpfungspunkte zum Thema sehe, möchte ich auch nochmal mein patentrechtswissenschaftliches Steckenpferd in die Runde werfen ;-) :


§ 9 Satz 1 PatG: Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen.




Ich sehe in diesem Satz doch so etwas wie ein "positives Benutzungsrecht", d.h. die oft gemachte Aussage, dass ein Patent lediglich ein reines Verbietungsrecht sei, halte ich nicht für vollständig richtig. Ich bestreite nicht, dass es abhängige Patente gibt und dem Patentinhaber die Ausübung der Lehre des Patents durch ein Drittpatent unmöglich sein kann, aber eventuell gibt uns der oben-zitierte Satz einen Hinweis, dass es eben doch einige zumindest benutzungsrechtsähnliche Rechte (Suche nach einem Lizenznehmer, Anpreisung des eigenen Patents?) aus einem Patent geben könnte, die unabhängig von Drittschutzrechten sind.


Rein vorsorglich möchte ich darauf hinweisen, dass § 9 Satz 2 PatG das Patent als Verbietungsrecht normiert und daraus geschlossen werden kann, dass § 9 Satz 1 PatG einen anderen, in der Literatur scheinbar nicht oft diskutierten Sachverhalt regelt. Ansonsten wäre nämlich § 9 Satz 1 PatG überflüssig, was ich aber schon aufgrund der räumlichen Nähe (selber Paragraph) und des gegensätzlichen Sinns (Satz 1: positives Benutzungsrecht, Satz 2: "negatives" Verbietungsrecht) für unwahrscheinlich halte.
 

Blood für PMZ

*** KT-HERO ***
Die von @Fip genannte Entscheidung "Trägerplatte" ist auch zitierfähig abgedruckt in den Mitteilungen der deutschen Patentanwälte 2009, Seiten 459 ff und weiteren einschlägigen Fachzeitschriften.

Im Schulte wird in der neuesten Auflage 10 (2017) in den Randnummern 5 folgende die Thematik ausführlich erörtert, wobei jetzt die "Trägerplatte" die wesentliche Grundlage ist. Einige Fragen sind auch noch offengeblieben. Dein Steckenpferd, @maroubra, ist zwar ins Straucheln gekommen, humpelt aber noch.

Originell ist ja, dass in der "Trägerplatte" der Inhaber des jüngeren, möglicherweise abhängigen Patents (war vom BGH nicht zu entscheiden) den Inhaber des älteren Patents verklagt hatte und dieser sich mit dem positiven Benutzungsrecht verteidigt hat. Das ist gerade nicht der Standardfall, den man im Auge hat, wenn man über dieses Thema nachdenkt. Die Aussagen des BGH sind aber recht allgemein gehalten und passen (mit Ausnahmen) auch auf den umgekehrten Fall.

Frohes Schaffen
Blood für PMZ
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Dein Steckenpferd, @maroubra, ist zwar ins Straucheln gekommen, humpelt aber noch.

Also für mich humpelt es auch nicht mehr. Es ist doch alles sehr schön im Kraßer/Ann, Patentrecht, 7. Auflage, § 33 I c erläutert.

Siehe z.B. folgenden Auszug:
Eine Vorschrift, wonach allein der Schutzrechtsinhaber befugt ist, die Erfindung zu benutzen (§ 9 Satz 1 PatG, § 11 Abs. 1 Satz 1 GebrMG) oder in Bezug auf ihren „Gegenstand“ bestimmte Handlungen vorzunehmen (§ 6 Satz 1 PatG 1968/1978), erhält daher erst durch das Wort „allein“ ihren spezifischen Sinn. Das Benutzungsrecht wird nur insofern durch das Patent oder Gebrauchsmuster gewährt, als es ausschließlich ist. So gesehen sagen § 9 Satz 1 PatG und § 11 Abs. 1 Satz 1 GebrMG nichts anderes als Satz 2 dieser Bestimmungen. Letzterer bedeutet allerdings, dass dem Verbietungsrecht nur bestimmte Arten von Benutzungshandlungen unterliegen
 

Blood für PMZ

*** KT-HERO ***
Hallo Lysios,

so ganz glücklich bin ich da mit Kraßer/Ann allerdings nicht.

Patentinhaber A habe ein rechtsbeständiges Patent mit einem Hauptanspruch mit den Merkmalen I und II und einem Zeitrang aus 2010.

Patentinhaber B habe ein rechtsbeständiges Patent mit einem Hauptanspruch mit den Merkmalen I, II und III und einem Zeitrang aus 2014.

Offensichtlich ist das Patent aus 2014 abhängig von dem Patent aus 2010. Marktfähig sei 2018 allein ein Erzeugnis mit allen drei Merkmalen I, II und III. Das war 2010 noch nicht abzusehen. Auch ein Erzeugnis nur mit den Merkmalen I und II war 2010 neu, erfinderisch und gewerblich anwendbar.

A und B sind Wettbewerber und bieten nun in 2018 beide ein Erzeugnis mit den Merkmalen I, II und III an. A verklagt B wegen Verletzung des Patentes 2010. B verklagt A wegen Verletzung des Patentes 2014.

Das Ergebnis müsste aus meiner Sicht spätestens seit "Trägerplatte", im Grunde aber schon vorher sein: Beide Klagen sind erfolgreich, beide angebotenen Erzeugnisse müssen vom Markt. Es gibt in dieser Situation im Ergebnis überhaupt kein Benutzungsrecht für irgendjemand am Gegenstand von einem der beiden Patente 2010 und 2014, weder ausschließlich noch in anderer Form. Ich finde nicht, dass die Formulierungen im Kraßer/Ann da wesentlich erhellender sind als der Gesetzestext selbst.

In der Praxis werden A und B sich natürlich irgendwann einigen, sonst freut sich der dritte Wettbewerber C. Darauf kommt es aber rein rechtlich nicht an. Nach der Einigung haben sie dann vermutlich beide ein Benutzungsrecht an beiden Patenten.

Laut Trägerplatte sind noch ein paar Fragen ausdrücklich offengelassen worden. In der Entscheidung ist da von der Auslegung und der Beschreibung die Rede. Wird für mich wohl erst dann relevant, wenn mir eine solche Fallkonstellation auf den Schreibtisch kommt und dann werde ich eine geeignete Auffassung vertreten. Bis dahin darf maroubra gerne sein humpelndes Steckenpferd weiter pflegen.

Frohes Schaffen
Blood für PMZ
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Das Ergebnis müsste aus meiner Sicht spätestens seit "Trägerplatte", im Grunde aber schon vorher sein: Beide Klagen sind erfolgreich, beide angebotenen Erzeugnisse müssen vom Markt.

Welche Argumente könnten denn dagegen sprechen? Ich verstehe ehrlich gesagt gar nicht, warum man an diesem Ergebnis zweifeln könnte. Kraßer/Ann decken diese Fälle auch jeweils separat ab (Rn. 40, Abhängigkeit, relevant für die Patentverletzung durch B; Rn. 41 relevant für die Patentverletzung durch A).

Klar gibt es in Trägerplatte offen gelassene Punkte. Aber ich sehe da keinen Bezug zu "benutzungsrechtsähnlichen Rechten (Suche nach einem Lizenznehmer, Anpreisung des eigenen Patents?)" oder ähnlichem, die wohl wichtiges Thema des Steckenpferdes waren.
 

Blood für PMZ

*** KT-HERO ***
Welche Argumente könnten denn dagegen sprechen?
Keine?
Ich verstehe ehrlich gesagt gar nicht, warum man an diesem Ergebnis zweifeln könnte.
Offenbar reden oder genauer schreiben wir aneinander vorbei.

Klar gibt es in Trägerplatte offen gelassene Punkte..
Eben, die meine ich.
Aber ich sehe da keinen Bezug zu "benutzungsrechtsähnlichen Rechten (Suche nach einem Lizenznehmer, Anpreisung des eigenen Patents?)" oder ähnlichem, die wohl wichtiges Thema des Steckenpferdes waren.
Naja, anpreisen werden A und B das jeweils eigene Patent bei den Verhandlungen zum Finden einer Vereinbarung miteinander schon müssen. Die Schwerpunkte haben sich eben komplett verlagert, um es euphemistisch auszudrücken. Und völlig deprimieren müssen wir maroubra nun auch nicht. Für den Mandanten mit 5 zutreffenden X-Schriften finden wir ja auch eine Lösung.
 

maroubra

*** KT-HERO ***
Also in der Praxis berate ich meine Mandanten natürlich nur gemäß der "klassischen Lehre", d.h. Patent als Verbietungsrecht.


Ich finde § 9 Satz 1 PatG aber "wissenschaftlich" sehr interessant und denke, dass es sich die Kommentarautoren vielleicht etwas zu einfach machen bzw. sie vom gewünschten Ergebnis ausgehend den Satz so interpretieren, dass er zum gewünschten Ergebnis passt. Mal ganz naiv gefragt: warum würde sich jemand die Mühe machen, diesen Satz in das Gesetz zu schreiben, wenn er überhaupt keine Bedeutung hätte. Gerade, wo er doch so eine zentrale Fragestellung des Patentrechts betrifft, nämlich die Wirkung des Patentschutzes.

Btw, im Patentgesetz von 1877 findet sich noch kein "positives Benutzungsrecht" im Sinne des § 9 Satz 1 PatG, dort heisst es nur


§ 4:


Das Patent hat die Wirkung, daß niemand befugt ist, ohne Erlaubniß des Patentinhabers den Gegenstand der Erfindung gewerbsmäßig herzustellen, in Verkehr zu bringen oder feilzuhalten.Bildet ein Verfahren, eine Maschine oder eine sonstige Betriebsvorrichtung, ein Werkzeug oder ein sonstiges Arbeitsgeräth den Gegenstand der Erfindung, so hat das Patent außerdem die Wirkung, daß niemand befugt ist, ohne [502] Erlaubniß des Patentinhabers das Verfahren anzuwenden oder den Gegenstand der Erfindung zu gebrauchen.

§ 9 Satz 1 PatG in der heutigen Form scheint es erst seit der Neufassung des PatG von 1980 zu geben.
 

Expatriot

GOLD - Mitglied
Hallo Miteinander,

ich muss zugeben, dass ich das Interesse von maroubra an § 9 PatG durchaus teile und - ähnlich wie Blood for PMZ - mit der Argumentation von Kraßer/Ann nicht ganz glücklich bin, auch wenn das Ergebnis aus meiner Sicht zutreffend ist.

Hilfreich scheint hierfür auch die Fassung des § 4 Satz 1 PatG 1891 (Quelle: https://de.wikisource.org/wiki/Patentgesetz._Vom_7._April_1891):

"Das Patent hat die Wirkung, daß der Patentinhaber ausschließlich befugt ist, gewerbsmäßig den Gegenstand der Erfindung herzustellen, in Verkehr zu bringen, feilzuhalten oder zu gebrauchen."

Hier tauch das erste Mal eine Art positive Benutzungsbefugnis auf. Allerdings erscheint mir der Wortlaut etwas unglücklich, weil man ihn so verstehen kann, dass selbst der Patentinhaber lediglich befugt ist den Gegenstand herzustellen, in Verkehr zu bringen, feilzuhalten oder zu gebrauchen. Andere Benutzungsarten wären demnach ausgeschlossen.

Das widerspricht aber wohl dem Sinn und Zweck der Norm und wäre wohl auch nicht so verstanden worden.

Insofern ist die derzeit geltende Fassung etwas klarer, weil sich bereits aus dem Wortlaut - und nicht erst nach Sinn und Zweck der Norm - die Benutzungsbefugnis des Patentinhabers ergibt. Diese ist aber eingeschränkt durch den Rahmen des geltenden Rechts, also insbesondere durch Verbietungsrechte Dritter.

Daraus ergibt sich meines Erachtens, dass der Patentinhaber des älteren Patents seine patentierte Erfindung sicher benutzen darf, solange lediglich die Merkmale der Patentansprüche der eigenen patentierten Erfindung verwirklicht werden. (Willkommen im Märchenwald ;)) EDIT ... und sich der Patentinhaber auch sonst an geltendes Recht hält, wie bereits im Absatz zuvor erwähnt. /EDIT

Diese Befugnis findet aber da eine Grenze, wo Merkmale verwirklicht werden, die nicht Teil der patentierten Erfindung sind.

Das dürfte gerade dann der Fall sein, wenn alle Merkmale des Hauptanspruchs eines jüngeren Patents verwirklicht sind; denn dieser Gegenstand muss ja gegenüber dem älteren Patent patentfähig sein. Folglich gibt es wenigstens ein Unterschiedsmerkmal, das aus dem älteren Patent nicht bekannt ist.

Das wäre jetzt meine Argumentation, die ich, so hoffe ich, nicht am Ergebnis ausgerichtet habe.

Viele Grüße und Frohes Schaffen
 
Zuletzt bearbeitet:

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Die Diskussion über Existenz und Umfang eines eventuellen positiven Benutzungsrechts eines Patentinhabers ist sicherlich interessant, aber wir sind ein wenig vom Thema der Ursprungsfrage abgekommen, das m.E. noch nicht eindeutig geklärt ist:

Stellt das Anbieten einer Lizenz an einem abhängigen Patent eine Verletzung des älteren übergeordneten Schutzrechts dar?

Klar ist, dass der potentielle Lizenznehmer das angebotene Patent ohne Lizenz am übergeordneten Patent nicht wird nutzen können. Aber ist das Anbieten der Lizenz bereits selbst eine Benutzungshandlung i.S.d. §9 oder 10 PatG?
 

maroubra

*** KT-HERO ***
Ich werfe dann mal § 15 PatG als "lex specialis" in die Runde:


(1) Das Recht auf das Patent, der Anspruch auf Erteilung des Patents und das Recht aus dem Patent gehen auf die Erben über. Sie können beschränkt oder unbeschränkt auf andere übertragen werden.
(2) Die Rechte nach Absatz 1 können ganz oder teilweise Gegenstand von ausschließlichen oder nicht ausschließlichen Lizenzen für den Geltungsbereich dieses Gesetzes oder einen Teil desselben sein. Soweit ein Lizenznehmer gegen eine Beschränkung seiner Lizenz nach Satz 1 verstößt, kann das Recht aus dem Patent gegen ihn geltend gemacht werden.
(3) Ein Rechtsübergang oder die Erteilung einer Lizenz berührt nicht Lizenzen, die Dritten vorher erteilt worden sind.


Absatz 1 Satz 2 sowie Absatz (2) schliessen meiner Meinung nach ein "Anbieten" mit ein. Wenn der Gesetzgeber positiv normiert, dass es Lizenzen und (teilweise) Rechtsübertragungen gibt, ist er auch der Auffassung, dass diese "gehandelt" werden können. Das muss auch ein Anbieten bzw. Anpreisen umfassen, sonst könnte es nicht funktionieren.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Daraus ergibt sich meines Erachtens, dass der Patentinhaber des älteren Patents seine patentierte Erfindung sicher benutzen darf, solange lediglich die Merkmale der Patentansprüche der eigenen patentierten Erfindung verwirklicht werden. (Willkommen im Märchenwald ;))

Auch das stimmt so nicht. Ein Patentinhaber eines Patents für ein Medikament darf sein Patent z. B. nicht benutzen, wenn das Medikament nicht zugelassen wurde. Ein Patentinhaber eines Sturmgewehr-Patents darf sein Patent in Deutschland überhaupt nicht benutzen.

Im Ergebnis kommt heraus, dass der Patentinhaber das Patent genau dann benutzen darf, wenn er die entsprechenden Handlungen auch ohne Patent vornehmen dürfte. Das Patent "erlaubt" ihm also exakt gar nichts.
 

Expatriot

GOLD - Mitglied
§ 9 Satz 1 PatG mit § 15 Abs. 2 PatG kann man meines Erachtens so verstehen, dass es sich bei der Lizenzvergabe bzw. des Anbietens einer Lizenz um eine durch § 9 Satz 1 PatG erlaubte Benutzung der Erfindung handelt.

Verboten sind lediglich die abschließend aufgeführten Handlungen aus § 9 Satz 2 PatG. Das Verbot für Dritte bezieht sich aber ausschließlich auf "ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist", "ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist" und das "unmittelbar hergestellte Erzeugnis".

Die Lizenz ist aber weder Erzeugnis noch Verfahren und auch kein Gegenstand des Patents. Als "Mittel" im Sinne des § 10 PatG scheint mir, die Lizenz auch auszuscheiden, weil sie für die Verwirklichung der patentierten Lehre ja nicht erforderlich ist.

Somit bleibt festzuhalten, dass nach meiner Ansicht, das bloße anbieten bzw. bewerben einer Lizenzmöglichkeit nicht dem § 9 Satz 2 PatG unterfallen dürfte.

Worüber man aber nachdenken könnte ist, was passiert, wenn nicht nur die Lizenz angeboten würde, sondern Know-How mit einflösse oder gegebenenfalls eine Anleitung des Lizenznehmers durch den Lizenzgeber bei der Verwirklichung der lizenzierten Erfindung erfolgte.

Hier scheint es mir so, dass, je mehr der Patentinhaber den Lizenznehmer bei der Verwirklichung seines - unterstellt patentverletzenden - Verhaltens unterstützte, die Gefahr für den Lizenzgeber wächst, zumindest als Störer behandelt zu werden.

Allerdings will ich nicht ganz ausschließen, dass es je nach Enge der Verbindung zwischen Lizenzgeber und Lizenznehmer auch dazu kommen kann, dass der Lizenzgeber als Mittäter der Patentverletzung des Lizenznehmers angesehen wird; das wäre sicher der übelste Fall.

Kurz, wie es so schön heißt, es kommt drauf an. ;-)

Fazit: Ein bloßes Anbieten einer Lizenz und die zugehörigen Werbemaßnahmen sehe ich grundsätzlich unkritisch. Alles weitere ist, wie immer, Frage des einzelnen Falles.

Viele Grüße und Frohes Schaffen
 
Oben