In der Tat gibt es jur. Masterprogramme, die die von Ihnen genannten Zweifel aufkommen lassen. Jedoch muß man in diesem Zusammenhang das Bologna-System vor Augen haben, um zu verstehen, warum R. 11 in der Tat breit akzeptiert ist. Hierzu bedarf es jedoch etwas weitergehender Ausführungen:
Zunächst einmal kann auf europäischer Ebene nicht auf noch verbliebene nationale Hochschulabschlüsse als Regelfall abgestellt werden, diese können allenfalls - wie ja auch hier geschehen -, um Ungerechtigkeiten zu vermeiden, miteinbezogen werden, so daß ein deutscher Patentanwalt, der auch die erste jur. Prüfung in Deutschland abgelegt hat oder ein französischer Conseil en propriété intellectuelle der auch die matrîse en droit aufweisen kann, ebenso wie ein Master of Laws berücksichtigt wird. Der Regelfall aber muß sich aber - schon aufgrund des Primats der Politik - an den gesamteuropäischen bildungspolitischen Zielen orientieren und diese sind nun einmal - man mag dies bedauern oder begrüßen - durch das Bologna System vorgegeben.
Hiernach gibt es ein dreistufiges Examenssystem mit Bachelor-, Master- und Promotions-Abschluß, wobei der Masterabschluß einen Abschluß auf mind. dem Bachelor Niveau voraussetzt.
Dabei würde ein jur. Bachelorabschluß wohl i.d.R. als nicht ausreichend zur Ausübung eines selbständigen, eigenverantwortlich beratenden juristischen Berufs angesehen werden. Im Falle der European Patent Attorneys ist es nun jedoch so, daß diese ja schon über ein - zudem sehr schwieriges - aber eben spezialisiertes jur. Examen, nämlich das EQE, verfügen, so daß hier die Kombination aus beidem, also jur. Bachelorabschluß mit EQE als ausreichend angesehen wird. Dies is m.E.n. auch durchaus angemessen, da die LL.B. Abschlüsse, die mir bekannt sind, durchgehend alle rechtlichen Basiskenntnisse in sechs Semestern Vollzeitstudium plus Examensarbeit und Abschlußprüfungen, als jur. Grundbildung, also insbesondere die jur. wissenschaftliche Methode als grundlegendes Handwerkszeug eines Juristen vermitteln; dies im übrigen eine Leistung, die bspw. das sog. Hagen I Programm in Deutschland bei weitem nicht erbringt, wie ein Curricularvergleich sofort zeigt: Schauen Sie sich etwa das doch recht magere Curriculum von Hagen I und das an der gleichen Fernuniversität angebotene dortige LL.B.-Programm einmal im Vergleich an! Auch sind die Anforderungen an ein LL.B. Programm durch das Akkreditierungssystem zur Qualitätssicherung von Studiengängen i.d.R. europaweit gesichert. Wer also European Patent Attorney und zudem LL.B., also Jurist im Sinne der ersten Stufe des Bologna Systems ist, dem kann man durchaus die Zulassung zum UPC erteilen, ist er patentrechtlich doch durch das EQE hervorragend und allgemeinrechttlich durch den LL.B. dem Grunde nach juristisch qualifiziert.
Ein Masterabschluß, also ein LL.M. setzt i.d.R. einen jur. Abschluß auf der ersten Stufe, also etwa einen LL.B. oder die erste jur. Prüfung oder dergl. voraus. In dem besonderen Fall der Patentanwälte oder Patentassessoren wird hier auch deren jeweiliges (auch jeweilig nationales) Examen als eine solche jur. Qualifikation zumindest auf der ersten Stufe des Bologna Systems für Zwecke der akademischen Weiterbildung angesehen, so daß hier zumeist eine unmittelbare Zugangsmöglichkeit für jur. Masterstudiengänge für Patentanwälte besteht. Daher werden auch diese jur. Abschlüsse auf der zweiten Stufe des Bologna Systems anerkannt. Die allermeisten dieser Programme - insbesondere wenn sie (nicht notwendigerweise patent- oder prozeßrechtlich) spezialisiert sind - setzen für ihren erfolgreichen Abschluß die wesentlichen Kenntnisse eines Bachelor Programms notwendigerweise voraus. Wer also als Patentanwalt aufgrund der vorgenannten Ausnahme an einem solchen Programm teilnimmt, dem sollte klar sein, daß er sich hierauf einstellen und fehlende Kenntnisse entsprechend nachholen muß. Aber in raschem Lernen auch neben dem Beruf ist man in dieser Branche ja geübt, was man anerkennen muß! Eine solche Anpassungsleistung fällt natürlich leichter, wenn man sein jur. Masterstudium fachnah an der eigenen Spezialisierung, also im geistigen Eigentum oder auch im Bereich der Prozeßführung wählt. Schwerer, aber natürlich auch möglich, ist es hingegen etwa ein Master Programm im Europarecht als Patentanwalt zu absolvieren, wenn einem hierzu wichtige öffentlich-rechtliche Grundlagen, etwa aus dem Verfassungsrecht fehlen; das muß dann halt im Selbststudium nachgeholt werden. Inwieweit völlig in eine andere Richtung laufende Programme, also etwa ein Master of Laws Programm im Familienrecht für die Zwecke der jur. Zusatzausbildung der Patentanwälte sinnvoll sind, mag jeder selbst entscheiden; juristisch methodisch helfen sie aber allemal, wie etwa das auch für Patentanwälte als zukünftige Prozeßanwälte wichtige internationale Privatrecht zeigt, das man üblicherweise anhand des Familienrechts lernt.
Etwas benklich sind aber, und darauf weisen Sie ganz zu recht hin, jüngere Tendenzen auch eher wirtschaftswissenschaftlich geprägte Programm unter der falschen Flagge des jur. Masterstudiums - etwa als sogenannte wirtschaftsrechtliche Programme - laufen zu lassen, die auch Wirtschaftswissenschaftlern einen jur. Abschluß auf Masterniveau versprechen, indem sie als Eingangsvoraussetzung einen MBA oder dergl. oder gar einen wirtschaftswissenschaftlichen Bachelorabschluß akzeptieren, gleichwohl aber einen LL.M. verleihen. Bei diesen - gottseidank bisher nur vereinzelt aufgetretenen - Fällen liegt zumeist schlicht eine Fehlleistung der Akkreditierungagentur vor. Grundsätzlich darf diese solche interdisziplinär orientierten Masterstudiengänge zwar akkreditieren, sie muß dabei aber darauf achten, daß der am Ende verliehene Abschluß auch jeweils mit der Eingangsqualifikation korrespondiert oder aber die etwaig fehlenden Kenntnisse vermittelt werden (was nur sehr schwer zu leisten ist). Wer also als Betriebswirt hieran teilnimmt darf i.d.R. zwar einen MBA oder dergl., womöglich mit einer Spezialisierungsangabe ,Wirtschaftsrecht' , aber keinen originären jur. Abschluß wie Master of Laws erhalten. Den vorgenannten Fehlentwicklungen, die es im übrigen auch im Ingenieursbereich gibt, wird derzeit versucht, im Akkreditierungsrat, der ja wiederum die Akkreditierungsagenturen zertifiziert (also zuläßt) und staatlicher Aufsicht unterliegt straff entgegenzuwirken, was dieses Problem hoffentlich alsbald löst.
Auf einen m.E.n. sehr positiven Seiteneffekt möchte ich aber noch hinweisen: Nach meiner Erfahrung fördern die durch das vorerwähnte Bologna System möglich gewordenen jur. Masterstudiengänge, in denen sich oftmals sowohl klassisch ausgebildete Juristen, wie auch Patentanwälte (als Fachjuristen) wiederfinden, das gegenseitige Verständnis ganz enorm und tragen so zu einer erheblichen Veminderung, wenn nicht sogar zu einem völligen Verschwinden der gegenseitigen Ressentiments von Patentanwälten einerseits und Rechtsanwältn andererseits bei. Sitzt man nämlich ,in einem Boot' zusammen, so schafft dies genau den Teamgeist den man benötigt und lernt dabei von der (vermeintlich) anderen Seite, was einem selbst fehlt! Auch entwickelt man - wenn man selbst auf dem ursprünglich fremden Gebiet etwas etwas Eigenständiges leisten muß - den Respekt vor diesem ursprünglich anderen Fach und neigt hernach nicht mehr dazu, es ungerechtfertigt herabzusetzen, wie dies gelegentlicht immer wieder - auch in diesem Forum hier - gerne geschieht!
Alles in allem stellt also die Voraussetzung nach R. 11 eine Qualifikation dar, die mehr auf einen juristisch methodischen Zugang ausgerichtet ist und - ähnlich wie ja auch Art. 48 (1) UPC-A bei den allgemeinen lawerys - darauf vertraut, daß der solchermaßen tiefgreifender jur. akad. ausgebildete Kandidat hernach entweder über das notwendige Rüstzeug als Prozeßanwalt verfügt oder aber jedenfalls aber zur eigenverantwortlichen Verschaffung der noch notwendigen Kenntnisse in der Lage ist. Eine Annahme, die - wie ich finde - angesichts des Aufwandes, der hinter einem solchen jur. Abchluß steckt, jedenfalls nicht unberechtigt erscheint.
Wer diesen Aufwand nicht treiben will, dem bietet sich alsdann auf der Ebene darunter das ,litigation certificate' als ein spezialisierterer, aber natürlich wissenschaftlich nicht ganz so profunder Ausweg (der Aufwand liegt etwa bei einem Viertel bis einem Drittel) an, der mehr praktisch ausgerichtet ist, gleichwohl aber - etwa beim CEIPI - gewissermaßen als zusätzliches und durchaus berechtigtes ,Schmankerl' auch durch einen entsprechend spezialisierten französischen akademischen Grad ,gekrönt' ist, der so auch als ,Kriegsbemalung' eines Anwalts im Wettbewerb womöglich nützlich sein kann.
Zu Ihrer Frage zum englischen System ist zu sagen, daß die Richter in England natürlich juristisch ausgebildet sind (es handelt sich durchweg um vormalige Barrister im Stande eines Q.C.). Man muß rechtshistorisch allerings wissen, daß die jur. Ausbildung in England und Wales immer ,auf zwei Beinen stand'. Die akademische, also universitäre Ausbildung war immer dem römischen geschriebenen Recht vehaftet, während das angwandte Recht das ,gemeine Recht', also das ,common law' war. Für die praktizierenden Juristen, also Anwälte oder Richter war es daher unumgänglich das an den Universitäten vernachlässigte ,common law' anhand des ,case laws' zu erlernen, was sodann und bis heute für die Solicitors von der Law Society und für die Barrister vom Bar Council und dessen Inns außerhalb der Universitäten organisiert wird, was aber der Qualität dieser öffentlich-rechtlich organisierten Ausbildung gegenüber einem akademischen rechtswissenschaftlichen Studium an einer Universität keinen Abbruch tut, zumal heutzutage die allermeisten Anwälte auch in Engand und Wales zusätzlich Jura an einer Universität studiert haben, wenngleich dies immer noch nicht zwingend notwendig ist. Auch die britischen Patent Attorneys organisieren die Ausbildung Ihres beruflichen Nachwuchses entsprechend. Über all dies wacht das LSB (Legal Services Board) professionsübergreifend. Dies bedeutet aber auch, daß in (Kontinental-)Europa auf diese nationalen Besonderheiten auf der Insel Rücksicht zu nehmen ist und die entsprechenden außerhalb von Universitäten erworbenen, gleichwohl aber dennoch hochqualitativen berufsqualifizierenden jur. Abschlüsse auch im (gesamt-)europäischen Kontext diskriminierungsfrei anerkannt werden müssen!