DPMA-Notanmeldung vs. US-Provisional

Kurt

*** KT-HERO ***
Hallo Forum,

gibt es wesentliche Unterschiede zwischen einer "Notanmeldung" mit provisorischen Minimalunterlagen (die gerade noch §35 PatG erfüllen) beim DPMA und einer 'provisional application' beim USPTO -- insbesondere was Prioritätsrechte bzw. Möglichkeit des Nachschiebens einer vollständigen Nachanmeldung angeht?

Sprich, gibt es Argumente für die USPTO- bzw. für die DPMA-Notanmeldung, wenn beide Möglichkeiten zur Verfügung stehen, und wenn tendenziell weltweiter Schutz angestrebt wird?
 

Gerd

*** KT-HERO ***
DPMA kostet nix und braucht keine Übersetzung (angenommen deutsche Erfindung).

Ich weiß ad hoc nicht, ob die US provisional bei der maximalen Anzahl an US Anmeldungen für Micro Entities mitgezählt wird, also lieber mal nachschauen, falls Dein Mandant für Micro Entity Status qualifizieren würde.

Als erste Anmeldung gilt beides, die PCT muss also auch bei beiden Varianten innerhalb eines Jahres folgen, falls gewünscht.

Die US provisional hat halt den Vorteil, dass Du die bis in 5 1/2 Stunden noch mit dem Datum von gestern eingereicht bekommst. Wenn Dir ein US Kollege das Teil ausdruckt und in Honolulu als Priority Mail abschickt, hast du auch noch eine Stunde länger (keine Ahnung, ob irgendwo auf Hawaii ein USPS Office auch noch länger als bis 8 pm auf hat).
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Was verstehst du unter einer "Notanmeldung beim DPMA" ?

Ein solcher Anmeldungstyp (mit anderen Rechtsfolgen als eine "gewöhnliche" Anmeldung) ist im PatG nicht vorgesehen, und "provisorische Minimalunterlagen" sind auch wenig sinnvoll. Letztlich kommt es immer nur darauf an, dass die am Ende zu patentierende Erfindung mit allen ihren Merkmalen in der prioritätsbegründenden Erstanmeldung offenbart ist; was darüber hinaus fehlen mag, sind behebbare Mängel.

Am ehesten ist eine solche "Notanmeldung" wohl eine Anmeldung, bei der der Anmelder von vorn herein vorhat, unter Inanspruchnahme der inneren Priorität nach § 40 eine "verbesserte" Anmeldung nachzuschieben. Die hat den "Vorteil", dass die Offenbarung nicht an Hand der Erstanmeldung sondern an Hand der Nachanmeldung geprüft wird. Genau wie im US-Verfahren brauchen fehlende Patentansprüche nicht eingereicht werden, jedenfalls dann nicht, wenn die Anmeldung (tunlichst vor Zahlung der Anmeldegebühr) zurückgenommen wird, denn das Prioritätsrecht bleibt dabei ja erhalten.

Das vereinfacht zwar das Prüfungsverfahren, aber wenn es an Offenbarung in der Erstanmeldung fehlt und ein Stand der Technik aus dem Prioritätsintervall erst im Einspruchsverfahren auftaucht, dann wäre es für den Anmelder sicher besser gewesen, wenn der Prüfer ihm das gleich gesagt hätte; dafür ist der ja da.

Beim Vergleich mit dem US-Verfahren ist noch zu berücksichtigen, dass dort der Anmeldetag nicht dieselbe Bedeutung hat wie andernorts. Z.B. kann die Provisional Application in einem Interference-Verfahren ein Beweismittel für den Tag der Erfindung darstellen, falls es sonst nichts gibt.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Beim Vergleich mit dem US-Verfahren ist noch zu berücksichtigen, dass dort der Anmeldetag nicht dieselbe Bedeutung hat wie andernorts. Z.B. kann die Provisional Application in einem Interference-Verfahren ein Beweismittel für den Tag der Erfindung darstellen, falls es sonst nichts gibt.

Klingt wie falsch angelesen und nicht wie eigenes Know How.

Bekanntlich wurde doch durch den America Invents Acts auch in den USA schon vor Jahren auf ein first to file system umgestellt. Siehe nur den Wikipedia-Eintrag zu "Interference proceeding":
"As such, interference proceedings will be eliminated from U.S. patent law. More specifically, any patent application with an effective filing date of March 16, 2013, or thereafter will not be able to initiate an interference."
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Erwischt! Mit US-Verfahren habe ich der der Tat keinen unmittelbaren Kontakt.
Danke, dass du so aufmerksam liest.
 

Expatriot

GOLD - Mitglied
Hallo Miteinander,

also ich habe mit provisorischen Anmeldungen beim DPMA bisher zumindest keine negativen Erfahrungen gemacht.

Im Ernstfall einfach die Unterlagen, die der Anmelder hat, nehmen, Antragszettel drauf und einreichen. Keine Gebührenzahlung, keine Übersetzung. Hauptsache einen Anmeldetag erhalten.

Meist geht es darum, dass die eigene Offenbarung der nachgeschobenen Anmeldung nicht im Wege steht, und dafür sollte das ausreichend sein. Ob das in einem streitigen Verfahren überlebt, kann ich aus Erfahrung leider nicht sagen, aber für die Patenterteilung reicht es jedenfalls.

Je nachdem wann die Anmeldevorlage kommt, ist ja eine normale Anmeldung am selben Tag möglich.

Viele Grüße,

Expatriot
 

Hans35

*** KT-HERO ***
@Expatriot

Es dürfte, wie immer, um eine Abwägung von Vor-und Nachteilen gehen.

Vorteile mit § 40 PatG zu arbeiten sehe ich eigentlich nur, wenn es um ein "aktuelles" technisches Gebiet geht und die ernsthafte Gefahr besteht, dass ein Dritter um ein paar Tage schneller ist.

Im Hinblick auf eigene Veröffentlichungen des Anmelders dürfte es wohl eher von Vorteil sein, wenn der Anmelder "vergattert" wird, mit Veröffentlichungen mindestens bis zum Anmeldetag abzuwarten bzw. wenn ihm die genauen Bedingungen von § 3 Abs. 5 PatG erläutert werden. Denn wenn das entscheidende Merkmal später zwar nicht in den Prioritätsunterlagen klar offenbart ist, wohl aber in einer der eigenen Veröffentlichungen aus dem Prioritätsintervall, dann ist ganz schnell der Patentanwalt schuld, wenn etwas schief geht. Wenn die "Notanmeldung" zu solchen Veröffentlichungen verführt, dann ist sie, denke ich, vom Übel.
 

Expatriot

GOLD - Mitglied
Hallo Hans35,

ich kann Dir aufgrund meiner Erfahrung leider nicht ganz zustimmen.

Die Vorteile des § 40 PatG gelten auch wenn es sich nicht um ein aktuelles technisches Gebiet handelt. Die Anführungszeichen deuten aus meiner Sicht wohl darauf hin, dass "aktuell" eher nichts mit neu oder bahnbrechend, sondern eher mit "ist gerade in Mode" zu tun hat, und das ist auch ein valider Grund, um das so zu machen.

Zum Vergattern kann ich nur sagen: Sounds good - doesn't work. Die klassischen Fälle sind hier nämlich eher sowas wie: "Oh, unser Erfinder ist heute auf einer Fachkonferenz/Produktpräsentation beim Kunden/[hier beliebiges anderes "unerwartetes" öffentliches Event einsetzen] und erzählt was?" oder E-Mail um 19:55 Uhr mit "Übrigens, unser Erfinderteam hat letzte Woche publikationsfähige Unterlagen für ein Paper bei einer Fachzeitschrift eingereicht ... das Paper ging heute online! Kann man da noch was machen?"

Der von Dir geschilderte Fall, sollte bei der von mir genannten Methode der "Notanmeldung" gar nicht eintreten, weil ja gerade die Veröffentlichung miteingereicht wird.

Ich kann zustimmen, dass diese "Notanmeldungen" meist auch der Beginn einer "wunderbaren" Freundschaft mit dieser Anmeldung sind, aber was tut man nicht alles für seinen Sponsor. ;)

Viele Grüße,

Expatriot
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Zum Vergattern kann ich nur sagen: Sounds good - doesn't work. Die klassischen Fälle sind hier nämlich eher sowas wie: "Oh, unser Erfinder ist heute auf einer Fachkonferenz/Produktpräsentation beim Kunden/[hier beliebiges anderes "unerwartetes" öffentliches Event einsetzen] und erzählt was?" oder E-Mail um 19:55 Uhr mit "Übrigens, unser Erfinderteam hat letzte Woche publikationsfähige Unterlagen für ein Paper bei einer Fachzeitschrift eingereicht ... das Paper ging heute online! Kann man da noch was machen?"
Immer gern genommen sind auch Professoren, denn die haben erstens Publikationsfreiheit (können von der Uni also nicht zum Klappehalten vergattert werden), und zweitens blicken sie auf die schnöde Kommerzialisierung nicht selten etwas geringschätzig herab. Die wollen publizieren und tun es auch - ob sie der Uni damit Patente zerschießen ist vielen weitgehend egal.
 

Kurt

*** KT-HERO ***
Am ehesten ist eine solche "Notanmeldung" wohl eine Anmeldung, bei der der Anmelder von vorn herein vorhat, unter Inanspruchnahme der inneren Priorität nach § 40 eine "verbesserte" Anmeldung nachzuschieben. Die hat den "Vorteil", dass die Offenbarung nicht an Hand der Erstanmeldung sondern an Hand der Nachanmeldung geprüft wird.
Versteh ich nicht. Wer ist "Die", und unter welchen Umständen wird eine Offenbarung anhand einer Nachanmeldung, und nicht anhand der Prio/Erstanmeldung geprüft?

Im Ernstfall einfach die Unterlagen, die der Anmelder hat, nehmen, Antragszettel drauf und einreichen. Keine Gebührenzahlung, keine Übersetzung. Hauptsache einen Anmeldetag erhalten.

Meist geht es darum, dass die eigene Offenbarung der nachgeschobenen Anmeldung nicht im Wege steht, und dafür sollte das ausreichend sein. Ob das in einem streitigen Verfahren überlebt, kann ich aus Erfahrung leider nicht sagen, aber für die Patenterteilung reicht es jedenfalls.

[...]

Ich kann zustimmen, dass diese "Notanmeldungen" meist auch der Beginn einer "wunderbaren" Freundschaft mit dieser Anmeldung sind, aber was tut man nicht alles für seinen Sponsor.

Was wären denn noch Aspekte, die einem bei dieser Vorgehensweise um die Ohren fliegen könnten, z.B. auch bei diversen internationalen Nachanmeldungen, in deren Akte ja dann eine Kopie der provisorischen Anmeldung auftaucht?
 
Zuletzt bearbeitet:

Hans35

*** KT-HERO ***
Wer ist "Die", ...
Das ist die "Notanmeldung". Das ist grammatikalisch leider unsauber.

... und unter welchen Umständen wird eine Offenbarung anhand einer Nachanmeldung, und nicht anhand der Prio/Erstanmeldung geprüft?
Die Offenbarung der erteilten (bzw. zu erteilenden) Ansprüche, und die ist hier gemeint, wird immer an Hand der jeweiligen Anmeldung geprüft, also an Hand der Unterlagen vom Anmeldetag, und nie an Hand der Prioanmeldung.

Die Offenbarung derselben Erfindung auch in der Prioanmeldung bestimmt nur, ob Dokumente aus dem Priointervall zum Stand der Technik gehören. Die vorgeschobene, als "Notanmeldung" bezeichnete Prioanmeldung hat den zweifelhaften Vorteil (im Vergleich zu einer Anmeldung, die sofort "richtig" ausformuliert wird), dass die Erteilung der "richtigen" (berichtigten, vervollständigten) Nachanmeldung nicht daran scheitert, dass in der Notanmeldung Merkmale nicht offenbart sind, die für die "fertig" formulierten Ansprüche doch noch benötigt werden. Eine solche Erteilung kann vielmehr "nur noch" daran scheitern, dass sich Stand der Technik aus dem Priointervall findet, wenn sich nämlich herausstellt, dass doch auf Merkmale zurückgegriffen werden muss, die in der "Notanmeldung" noch nicht enthalten waren, so dass also die ganze "Notanmeldung" überflüssig war.

Wenn von vorn herein mit Stand der Technik aus dem Priointervall gerechnet werden soll, dann ist es jedenfalls besser, gleich alles richtig zu machen, auch wenn dadurch ein paar Tage verloren gehen, denn nachher ist es egal, warum kein Patent erteilt wird.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Was wären denn noch Aspekte, die einem bei dieser Vorgehensweise um die Ohren fliegen könnten, z.B. auch bei diversen internationalen Nachanmeldungen, in deren Akte ja dann eine Kopie der provisorischen Anmeldung auftaucht?
Sollen internationale Anmeldungen zu einer Anmeldung vorgenommen werden, zu der vorab eine "Notanmeldung" eingereicht wurde, so beginnt das Priojahr mit dem Anmeldetag der "Notanmeldung".

Da zum Zeitpunkt der jeweiligen Anmeldung noch ungewiss ist, welche Ansprüche (in dem jeweiligen Land) letztlich erteilt werden, ist es wichtig, von vorn herein die Priorität von beiden Anmeldungen (Notanmeldung und nachgereichter, vervollständigter Anmeldung) in Anspruch zu nehmen. Dann braucht erst später (insbes., wenn nach der Recherche die Ansprüche überarbeitet werden) festgelegt werden (oder genauer: ermittelt werden), ob – und wenn ja welche – der beiden Anmeldungen den Gegenstand der zu erteilenden Ansprüche erstmals offenbart.

Liegt Stand der Technik aus dem Prioritätsintervall vor, so muss nach jeder Anspruchsänderung erneut überprüft werden, ob die "Notanmeldung" die "Nachanmeldung" oder keine von beiden die nunmehr beanspruchte Erfindung erstmals prioritätsbegründend offenbart.

(Das muss theoretisch für alle Ansprüche, also für Neben- und Unteransprüche gesondert geprüft werden und kann für jeden Anspruch ein anderes Ergebnis haben. Aber ich bezweifele etwas, dass das überall so gehandhabt wird.)
 

Kurt

*** KT-HERO ***
Die Offenbarung der erteilten (bzw. zu erteilenden) Ansprüche, und die ist hier gemeint, wird immer an Hand der jeweiligen Anmeldung geprüft, also an Hand der Unterlagen vom Anmeldetag, und nie an Hand der Prioanmeldung.

O.k. danke für diese wichtige Klarstellung. Da man bei Priorität und Offenbarung stets geneigt ist, vor allem an die Offenbarung der Prioritätsanmeldung zu denken, ist es wichtig, im Hinterkopf zu behalten, dass nur beansprucht werden kann, was in der Nachanmeldung offenbart ist.

Könnte man hieraus schließen, dass man in die Nachanmeldung eine Kopie zumindest der Zeichnungen der Prioritätsanmeldung aufnehmen sollte, sofern es sich um eine provisorische Anmeldung z.B. mit diversen Handskizzen etc. handelt -- für den Fall, dass die Reinzeichnungen der Nachanmeldung nicht jedes Detail offenbaren, was in den Handskizzen der Notanmeldung ersichtlich ist?

Sodann noch mal kurz zu Deinem schon diskutierten Satz von weiter oben:

Am ehesten ist eine solche "Notanmeldung" wohl eine Anmeldung, bei der der Anmelder von vorn herein vorhat, unter Inanspruchnahme der inneren Priorität nach § 40 eine "verbesserte" Anmeldung nachzuschieben. Die [Notanmeldung] hat den "Vorteil", dass die Offenbarung nicht an Hand der Erstanmeldung sondern an Hand der Nachanmeldung geprüft wird.

Inhaltlich ist mir die Aussage zwar nun klar, aber ich versteh immer noch nicht, inwiefern die Sache mit der Offenbarung ein Vorteil der Notanmeldung sein soll?
 

Kurt

*** KT-HERO ***
Und dann noch kurz zum "Written Description Requirement" gemäß 35 U.S.C. 112(a).

Ist jemand bekannt, ob man sich mit einer provisorischen Prioanmeldung, die beispielsweise viele Skizzen und (beschriftete) Zeichnungen, aber wenig Fließtext enthält, US-spezifische Probleme einhandeln kann - womöglich sogar in späteren Litigations etc.?

Kann irgendwas anderes passieren, als schlimmstenfalls das Priorecht zu verlieren, falls ein Richter zu dem Schluss kommen sollte, dass man mit der Prioanmeldung nicht "in Possession of the Invention" gewesen sei?
 

Hans35

*** KT-HERO ***
@Kurt #14
... dass man in die Nachanmeldung eine Kopie zumindest der Zeichnungen der Prioritätsanmeldung aufnehmen sollte, ...
Selbstverständlich muss man darauf achten, dass alles was in der Prio-Anmeldung steht, sich auch in der Nachanmeldung offenbart wird, sonst kann es ja nicht mehr ggf. beansprucht werden.

Es kann z.B. folgendes passieren: Befestigungspunkte eines Bauteils sollen nicht exakt symmetrisch auf den Eckpunkten eines Rechtecks liegen, um zu verhindern, dass das Bauteil nicht seitenverkehrt eingebaut werden kann, und die Handzeichnungen in der Prio-Anmeldung zeigen das auch deutlich. Aber das Zeichenbüro macht für die Nachanmeldung alles schön gerade, rechtwinklig und symmetrisch. Dann gibt hoffentlich die Beschreibung den Sachverhalt noch hinlänglich deutlich her...

Ein anderer kritischer Punkt ist die Qualität der Übersetzung, wenn "Notanmeldung" und Nachanmeldung in verschiedenen Sprachen dasselbe offenbaren sollen, wobei die Nachanmeldung aus einer Übersetzung der "Notanmeldung" hervorgeht, in die die die erforderlichen "Ergänzungen" eingefügt werden. Auch da kann es passieren, dass ein wichtiger Sachverhalt, der in der Notanmeldung offenbart ist, aus der Nachanmeldung gar nicht mehr herausgelesen werden kann, zumal wenn der Übersetzer den technischen Sachverhalt nicht versteht und daher nicht weiß, worauf es ankommt.


... inwiefern die Sache mit der Offenbarung ein "Vorteil" der Notanmeldung sein soll? ...
Der Vorteil (von Not- und Nachanmeldung) ist, dass nachträglich als wichtig erkannte Merkmale beansprucht werden können, ohne dass die Anmeldung wegen unzulässiger Erweiterung fällt, wenn man sie wenigstens in der Nachanmeldung offenbart hat. Die Anführungsstriche stehen dafür, dass ein Anspruch, der auf solche Merkmale zurückgreift, mit Stand der Technik aus dem Prioritätsintervall angegriffen werden kann, und dass er dann aus diesem Grund evtl. nicht erteilt wird oder - für den Anmelder schlimmer weil teurer - später widerrufen wird.
 

Kurt

*** KT-HERO ***
Sollen internationale Anmeldungen zu einer Anmeldung vorgenommen werden, zu der vorab eine "Notanmeldung" eingereicht wurde, so beginnt das Priojahr mit dem Anmeldetag der "Notanmeldung".

Da zum Zeitpunkt der jeweiligen Anmeldung noch ungewiss ist, welche Ansprüche (in dem jeweiligen Land) letztlich erteilt werden, ist es wichtig, von vorn herein die Priorität von beiden Anmeldungen (Notanmeldung und nachgereichter, vervollständigter Anmeldung) in Anspruch zu nehmen. Dann braucht erst später (insbes., wenn nach der Recherche die Ansprüche überarbeitet werden) festgelegt werden (oder genauer: ermittelt werden), ob – und wenn ja welche – der beiden Anmeldungen den Gegenstand der zu erteilenden Ansprüche erstmals offenbart.

Ich bin mir eigentlich nahezu sicher, dennoch sicherheits- und vollständigkeitshalber: die Beanspruchung zweier Prioritäten, beispielsweise für eine Auslandsanmeldung, sowohl aus einer Notanmeldung als auch aus einer zugehörigen Nachanmeldung (wobei letztere die innere Priorität der ersteren beansprucht) führt weder zu einer unzulässigen Kettenpriorität noch widerspricht dies dem Prinzip der "ersten Anmeldung" gemäß PVÜ -- da für die Merkmale der Notanmeldung diese die erste Anmeldung ist, und für hinzugekommene Merkmale in der Nachanmeldung eben die Nachanmeldung die Erstanmeldung ist.

Daher können ohne weiteres die Prioritäten beider Anmeldungen in Anspruch genommen werden.

Richtig?
 

Hans35

*** KT-HERO ***
@Kurt
... da für die Merkmale der Notanmeldung diese die erste Anmeldung ist, und für hinzugekommene Merkmale ...
Diese etwas ungenaue Formulierung kann zu Missverständnissen führen.

Bei der Priorität geht es nicht um einzelne Merkmale, sondern um den Gegenstand eines Anspruchs, d.h. um die technische Lehre, die dieser Anspruch vermittelt. Erstanmeldung ist diejenige Anmeldung, die diese Lehre, also die "Kombination" aller Merkmale des Anspruchs lehrt. Fehlt eines der Merkmale in der gerade betrachteten Prioritätsanmeldung, so ist diese Lehre der betreffenden Prioritätsanmeldung nicht (vollständig) entnehmbar, und dann ist diese Prioroitätsanmeldung keinesfalls die "Erstanmeldung" für diese Lehre.

Das Prioritätsrecht bezieht sich also immer auf den Anspruch als Ganzes mit allen seinen Merkmalen. Werden mehrere Prioritäten in einer Anmeldung in Anspruch genommen, so ist diejenige Anmeldung die Erstanmeldung, die als älteste alle Merkmale zeigt.

Ist in jeder der in Anspruch genommenen Prioritätsanmeldungen ein anderes Merkmal nicht enthalten, so ist auch keine der Prioritäten für diesen Anspruch wirksam. Vielmehr offenbart dann die Anmeldung den Gegenstand (d.h. die Lehre) dieses Anspruchs erstmals und schafft für diesen Gegenstand ein neues Prioritätsrecht. Das gilt auch dann, wenn alle Anspruchsmerkmale irgendeiner der Prioritätsanmeldung bereits entnehmbar sind.
 

Gerd

*** KT-HERO ***
Danke, Hans, fürs Zeigen, dass die "Beitrag zu kurz" Regel vielleicht doch einen Sinn hat.

Um noch eins draufzusetzen:
Falls der Anspruch in der Nachanmeldung weniger Merkmale hat, als die Prioanmeldung (oder eine bzw. mehrere von mehreren, deren Prioritäten beansprucht werden), kann das gleiche passieren. Nämlich beispielsweise dann, wenn das Merkmal aus der Prioanmeldung als erfindungswesentlich entnehmbar war.

Und noch eins drauf:
Falls sich nach der Prioanmeldung irgendwas bezüglich der Eigentumsverhältnisse ändert, sollten Rechtsübergänge sorgfältig überlegt und dann auch sorgfältig dokumentiert werden.

Gruß
Gerd
 
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