Definition für 'implizite Offenbarung'

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
Hi Forum,

ich suche gerade eine Definition für die "implizite Offenbarung eines Merkmals in den ursprünglichen Unterlagen", finde aber keine dementsprechende Entscheidung.

Der Begriff wird zwar öfters verwendet, aber m.W. bisher nirgends definiert.

Es ist soweit schon klar, dass zur Bejahung der impliziten Offenbarung der Fachmann das fragliche Merkmal den ursprünglichen Unterlagen unter Heranziehen seines Fachwissens unmittelbar und zweifelsfrei entnehmen muss. Fraglich ist beispielsweise aber schon, ob auch erkennbar sein muss, dass für dieses Merkmal Schutz begehrt wird etc.

Bereits dankbar für Tipps bzw. Fundstellen,
Grüße Marc.
 

grond

*** KT-HERO ***
Marc N. Zeichen schrieb:
Es ist soweit schon klar, dass zur Bejahung der impliziten Offenbarung der Fachmann das fragliche Merkmal den ursprünglichen Unterlagen unter Heranziehen seines Fachwissens unmittelbar und zweifelsfrei entnehmen muss. Fraglich ist beispielsweise aber schon, ob auch erkennbar sein muss, dass für dieses Merkmal Schutz begehrt wird etc.
Geht es um eine Abgrenzung in einem Erteilungsverfahren? Oder um ein Verletzungsverfahren? Oder wo kommt hier das Schutzbegehren ins Spiel? Normalerweise geht es bei der Fragestellung ja um den Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltung, nicht der Anmelde- oder Patentschrift...
 

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
Hi grond,

es geht hier darum, ob ein bestimmtes (angeblich implizit offenbartes) Merkmal im Einspruchsverfahren in den Patentanspruch aufgenommen werden darf oder nicht.

Mit diesem Hintergrund suche ich für eine Definition dafür, wann ein Merkmal implizit offenbart ist und somit in den Patentanspruch aufgenommen werden darf.

Grüße Marc.
 

grond

*** KT-HERO ***
Marc N. Zeichen schrieb:
Mit diesem Hintergrund suche ich für eine Definition dafür, wann ein Merkmal implizit offenbart ist und somit in den Patentanspruch aufgenommen werden darf.
Die Definition hast Du schon selbst genannt: wenn der Durchschnittsfachmann es mitlesen würde. Da man den Durchschnittsfachmann nicht als Sachverständigen hören kann, ist das letztlich ein gutes Stück willkürlich.

Um einer solchen Ansicht entgegenzutreten, wäre es m.E. ein brauchbares Argument, wenn sich aus dem Grundwissen des Fachmanns Alternativen zum angeblich implizierten Merkmal angeboten hätten ("der Durchschnittsfachmann hätte das auch ohne das angeblich implizierte Merkmal so oder so umsetzen können..."). Denn dann steht der Durchschnittsfachmann ja allein da und kommt überhaupt nicht mehr weiter... ;)

Um die Aufnahme zu unterstützen: da fragt man sich, was das bringen soll? Klarheit herzustellen, ist nicht mehr nötig. Als Abgrenzung sollte es auch eher nicht taugen, wenn es doch schon ein Merkmal ist, das lediglich impliziert wurde und daher eher drittrangiger Natur sein dürfte.
 

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
Richtig. Es ist ein drittrangiges Merkmal, das nun in den Patentanspruch aufgenommen werden soll, um diesen neu und erfinderisch zu machen.

Und genau hierzu suche ich nun eine Entscheidung, die einmal die patentrechtlichen Grenzen aufzeigt, wenn Merkmale aus der Beschreibung auf diese Weise an den Haaren herbeigezogen und in den Patentanspruch eingefügt werden.

Grüße Marc.
 

grond

*** KT-HERO ***
Marc N. Zeichen schrieb:
Richtig. Es ist ein drittrangiges Merkmal, das nun in den Patentanspruch aufgenommen werden soll, um diesen neu und erfinderisch zu machen.
Das ist ja mal heiß! Der Fachmann soll auf dieses Merkmal von alleine beim Lesen kommen, aber es soll gleichzeitig erfinderisch sein? Das widerspricht sich doch nun wirklich recht augenfällig, um es vornehm auszudrücken. Eine Entscheidung kann ich leider nicht beisteuern...

Ein impliziertes Merkmal kann auch kaum als erfindungswesentlich herausgestellt sein, möchte man meinen. Ein weiterer Grund, weshalb es nicht die erfinderische Tätigkeit stützen dürfte.
 

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
Au Mann -- wenn die Sache auch noch "heiß" ist, dann müsste es zu so etwas doch erst recht eine Entscheidung geben....

Sprich, Du bist der Meinung, dass ein lediglich implizites Merkmal Erfindungshöhe nicht begründen kann, da es ganz offensichtlich nicht wesentlich ist.

Wo gibt's denn dann vielleicht eine Entscheidung dazu, dass nur erfindungswesentliche Merkmale, also Merkmale, die zur Lösung der Aufgabe beitragen, in den Patentanspruch aufgenommen werden dürfen?

Grüße Marc.
 

grond

*** KT-HERO ***
Marc N. Zeichen schrieb:
Sprich, Du bist der Meinung, dass ein lediglich implizites Merkmal Erfindungshöhe nicht begründen kann, da es ganz offensichtlich nicht wesentlich ist.
Etwas anders: "Impliziert" heißt ja, dass der Fachmann weiß, was gemeint ist, ohne dass es überhaupt hingeschrieben sein müsste. Wenn es aber so offensichtlich ist, dass sogar der Durchschnittsfachmann es ohne jeden Hinweis mitliest, dann kann derselbe Durchschnittsfachmann selbstverständlich auch ohne erfinderische Tätigkeit auf dieses Merkmal kommen, wenn er die restlichen Merkmale schon aus dem Stand der Technik beisammen hat.

Wenn man als Einsprechender diese restlichen Merkmale schon aus zwei Dokumenten zusammenbasteln musste (Angriff gegen erfinderische Tätigkeit), steht man natürlich besser da, wenn man z.B. einen Nachweis des implizierten und nun ausformulierten Merkmals im Grundwissen des Fachmanns hat (Grundlagenbuch oder so). "Impliziert" kann schließlich erst einmal jeder behaupten und wird m.W. auch gerne gemacht, wenn man erst einmal nichts wirklich Greifbares hat und wenigstens die Hürde der ausreichenden Substantiierung für die Zulässigkeit des Einspruchs nehmen will.


Wo gibt's denn dann vielleicht eine Entscheidung dazu, dass nur erfindungswesentliche Merkmale, also Merkmale, die zur Lösung der Aufgabe beitragen, in den Patentanspruch aufgenommen werden dürfen?
Die Frage gebe ich weiter... :)
 

Fip

*** KT-HERO ***
Hi,

ich hatte mal zu einer Akte eine ähnliche Problematik zur Frage der Offenbarung. Dabei hatte ich mir einige Zitate aus der Rechtsprechung kopiert, blöder Weise habe ich aber die Fundstellen nicht mehr, nur noch die Zitate (ist nicht sonderlich nachvollziehbar, schon klar, kann aber nichts mehr dran ändern). Die nachfolgenden Absätze dürften ganz überwiegend Zitate aus BGH-Entscheidungen sein und sich über eine Volltextsuche irgendwie finden lassen. Manche passen gut, manche weniger:


Nach der Rechtsprechung des Senats ist allerdings über das Beschriebene hinaus durch eine zum Stand der Technik gehörende Schrift i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 2 PatG und des Art. 54 Abs. 2 EPÜ alles als offenbart und damit als vorweggenommen anzusehen, was für den Fachmann als selbstverständlich oder nahezu unerläßlich zu ergänzen ist oder was er bei aufmerksamer Lektüre der Schrift ohne weiteres erkennt und in Gedanken gleich mitliest.

Denn der Patentinhaber ist nicht gehalten, sämtliche Merkmale eines Ausführungsbeispiels in den Patentanspruch aufzunehmen, um eine zulässige Beschränkung herbeizuführen. Mit der Gestaltungsfreiheit des Anmelders im Patenterteilungsverfahren wäre es unvereinbar, nur eine Einschränkung als zulässig anzusehen, bei der alle der Erfindung förderlichen Merkmale eines Ausführungsbeispiels in den Patentanspruch aufgenommen werden.

Zur Beantwortung der Frage, ob der Gegenstand der Patentansprüche in der erteilten Fassung des Patents über den Inhalt der Anmeldung hinausgeht und deshalb der Nichtigkeitsgrund des Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. c EPÜ vorliegt, ist die durch die Patentansprüche definierte Lehre mit dem gesamten Offenbarungsgehalt der Patentanmeldung zu vergleichen. Entscheidend ist, ob die ursprüngliche Offenbarung in ihrer Gesamtheit das in den erteilten Patentansprüchen niedergelegte Schutzbegehren umfaßt. Den mit der Anmeldung ursprünglich formulierten Patentansprüchen kommt im Rahmen des Erteilungsverfahrens keine eine weitergehende Offenbarung in der Beschreibung einschränkende Bedeutung zu.

Deshalb hat es der Schutzrechtsinhaber in der Hand, sein Schutzrecht durch die Aufnahme einzelner oder mehrerer Merkmale, die in der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels genannt werden, zu beschränken, wenn und soweit diese Merkmale jedes für sich oder auch zusammen den durch die Erfindung erreichten Erfolg befördern Der Patentanspruch darf mithin nicht auf einen Gegenstand gerichtet werden, von dem der Durchschnittsfachmann aufgrund der ursprünglichen Offenbarung nicht erkennen kann, daß er von vornherein von dem Schutzbegehren umfasst sein soll.

Die Kombination muß vielmehr in ihrer Gesamtheit eine technische Lehre darstellen, die der Fachmann den ursprünglichen Unterlagen als mögliche Ausgestaltung der Erfindung entnehmen kann; andernfalls wird etwas beansprucht, von dem der Durchschnittsfachmann aufgrund der ursprünglichen Offenbarung nicht erkennen kann, daß es von vornherein von dem Schutzbegehren umfaßt sein soll, und das daher gegenüber der angemeldeten Erfindung ein aliud darstellt.

Maßgebend ist, was der Fachmann als zur angemeldeten Erfindung gehörig erkennen kann.
 

Alex:jura

*** KT-HERO ***
Leider habe ich das Rechtssprechungsbuch des EPAs nicht zur Hand, ich glaube mich aber zu erinnern, dass implizite Merkmale im Einspruchsverfahren aus dem Anspruch entfernbar sind (dazu gibt es auch ein Urteil). Dies heißt im Umkehrschluss, dass das implizite Merkmal nicht hinzugefügt werden darf.

LG
Alex
 

grond

*** KT-HERO ***
Alex:jura schrieb:
ich glaube mich aber zu erinnern, dass implizite Merkmale im Einspruchsverfahren aus dem Anspruch entfernbar sind (dazu gibt es auch ein Urteil). Dies heißt im Umkehrschluss, dass das implizite Merkmal nicht hinzugefügt werden darf.
Ein kühner Umkehrschluss! Ich halte es sehr viel eher für logisch, dass wenn man schon ein impliziertes Merkmal entfernen darf, ohne den Schutzbereich zu erweitern (falls das wirklich so ist, ich würde jedenfalls grundsätzlich davon abraten), es ja wohl erst recht hinzufügen darf. Immerhin darf der Patentinhaber sein Recht formen und niemand sonst.
 

Fip

*** KT-HERO ***
Alex:jura schrieb:
... implizite Merkmale ... aus dem Anspruch entfernbar sind
Ich denke wir sind uns grundsätzlich einig, dass implizit offenbarte Merkmale solche Merkmale sind, die nicht wörtlich beschrieben, aber dennoch, wie den obigen BGH Zitaten zu entnehmen ist, mitgelesen werden (simples Beispiel: "Fahrrad" dürfte wohl auch "zwei Räder" oder "Tretandtrieb" implizit offenbaren).

Allerdings habe ich ein Problem zu verstehen, wie man nicht beschriebene Merkmale aus einem Anspruch "entfernen" soll. Wie soll das praktisch von Statten gehen? Meint Ihr da einen Disclaimer?
 

grond

*** KT-HERO ***
Fip schrieb:
Allerdings habe ich ein Problem zu verstehen, wie man nicht beschriebene Merkmale aus einem Anspruch "entfernen" soll. Wie soll das praktisch von Statten gehen?
Das, was Du schon impliziert (haha) hast: ein Merkmal, das man bereits als durch den Oberbegriff impliziert ansehen kann, aus dem Anspruch herauszunehmen, ist keine unzulässige Erweiterung, da das Merkmal dann immer noch implizit vorhanden ist. Beispiel: "Auto mit einem Motor und einem Bremskraftverstärker, gekennzeichnet dadurch, dass der Bremskraftverstärker..." Wenn Du den Motor streichst, wäre das dann mutmaßlich keine unzulässige Erweiterung.
 

ander

*** KT-HERO ***
Hi,

eine Entscheidung zu dem was der fachmann alles mitliest auch wenn es nicht dort steht:

Elektrische Steckverbindung - BGH (GRUR 1195, 330)
 

Gerd

*** KT-HERO ***
Hi,

ich weiß, der Thread ist schon alt, aber ich bin gerade darüber gestolpert und wollte mal fragen, ob denn schon jemandem eine entsprechende Entscheidung über den Weg gelaufen ist.

Zur Erklärung, was für ein implizites Merkmal z.B. gemeint sein könnte:

Angenommen eine Patentanmeldung offenbart und beansprucht ein Boot, das aus einem Kunststoff besteht, der eine bestimmte Härte aufweist, thermisch verschweißbar ist und gegenüber UV-Licht beständig.
In der Beschreibung wird umfassend darauf eingegngen, dass die UV-Beständigkeit ein wichtiges Merkmal ist, weil dadurch auf eine ansonsten erforderliche Lackierung/Beschichtung des Bootes verzichtet werden kann.

Nun findet der Prüfer ein Dokument im Stand der Technik, bei dem ein besonderer Kunststoff für den Bau eines Bootes benutzt wird, der die beanspruchten Eigenschaften aufweist. Allerdings wurde dort der Kunststoff lackiert/beschichtet, weil er wasserlöslich ist.

Der Anmelder kann nun natürlich das beschriebene Merkmal in den Hauptanspruch aufnehmen, dass das Boot nicht lackiert ist, um die Neuheit herzustellen. Dies schränkt den Schutzumfang jedoch recht deutlich ein, weil jeder den Kunststoff benutzen kann, so lange er ein bisschen Lack drüber schmiert.
Deutlich besser wäre es, zu beanspruchen, dass der Kunststoff nicht wasserlöslich ist.
Daran, das zu beschreiben, hat der Anmelder natürlich nicht gedacht, weil ihm klar war, dass ein Boot aus Kunststoff, das nicht lackiert/beschichtet werden muss (aber natürlich kann), aus einem nicht wasserlöslichen Kunststoff bestehen muss. Ich gehe mal davon aus, dass es sich auch jedem Bootsbauer oder sonstigem infrage kommenden Fachmann eindeutig aus der Beschreibung aufgedrängt hat, dass der Kunststoff nicht wasserlöslich sein darf, womit das Merkmal implizit offenbart wäre.

Jetzt ginge es darum: Darf das implizit offenbarte Merkmal "wobei der Kunststoff nicht wasserlöslich ist" in den Hauptanspruch aufgenommen werden?

Gruß
Gerd
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Nach EPA-Praxis würde ich sagen: Keine Chance.

Der Kunststoff im Stand der Technik muss sich aber von dem "besonderen" Kunststoff im Patent unterscheiden, da der eine wasserlöslich ist und der andere nicht. Das bedeutet, dass man zumindest das Boot aus dem "besonderen" Kunststoff bekommt, und dann wohl auch das Merkmal "nicht lackiert" nicht braucht. Man bekommt natürlich auch alle anderen beispielhaften, nicht wasserlöslichen Kunststoffe, die man als sorgfältiger Patentanwalt im allgemeinen Teil der Beschreibung aufgezählt hat.

Außerdem könnte sich ein Problem mit den funktionellen Merkmalen ergeben, denn Härte, thermische Verschweißbarkeit, UV-Beständigkeit und auch noch Wasserunlöslichkeit sind alles funktionelle Merkmale, und es darf bezweifelt werden, dass der Fachmann ohne "undue burden" in der Lage ist, sämtliche Kunststoffe mit diesem Sortiment besonderer Eigenschaften aufzufinden. Es wäre also generell hilfreich, wenn in der Anmeldung Klartext stünde, welche Kunststoffe denn nun geeignet sind.
 

Gerd

*** KT-HERO ***
Hi,

es ist natürlich eine ganze Anzahl von Kunststoffen aufgezählt. Trotzdem kann man bei so einer Aufzählung ja nie alles abdecken. Einen hat man vergessen, der andere wird neu entwickelt etc.

Deshalb sind die funktionellen Merkmale ja so attraktiv.

Wenn es in der Beschreibung zwar nicht explizit drin steht, aber jeder "Depp" wissen muss, dass sich nur nicht wasserlösliche Kunststoffe eignen, muss ich das doch irgendwie beanspruchen können. Es gibt ja auch nicht gerade besonders viele Alternativen.

Nach EPA-Praxis würde ich sagen: Keine Chance.

Hast Du evtl. eine Entscheidung zu einem möglichst sehr ähnlichen Fall?

Gruß
Gerd
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Wenn es in der Beschreibung zwar nicht explizit drin steht, aber jeder "Depp" wissen muss, dass sich nur nicht wasserlösliche Kunststoffe eignen, muss ich das doch irgendwie beanspruchen können.
Das ist aber eher ein Problem: Natürlich weiß jeder Depp, dass sich ein Boot im Wasser nicht auflösen sollte, hart sein sollte, und irgendwie zusammengebaut werden muss. Also ist "Such dir mal Plastik, das du schweißen kannst und das dann auch noch hält" eher die Beschreibung des Problems als der Lösung. Wenn das offensichtlich ist, dann trägt Anspruch 1 keine Lehre zur Lösung des technischen Problems bei, sondern sagt nur: "Lös mal das Problem, dann hast du es gelöst".

Es gibt ja auch nicht gerade besonders viele Alternativen.
Das ist noch schlechter. Wenn die speziellen Plastiksorten auch noch rar sind, wird es noch schwieriger zu begründen, warum der Fachmann rein aufgrund funktioneller Merkmale alle Alternativen auffinden kann. Dann geht Anspruch1 eher in die Richtung "Such die Stecknadel im Heuhafen". Mag das EPA gar nicht. Als Einsprechender hätte ich jedenfalls meinen Spaß mit diesem Anspruch.

Noch eine andere Überlegung: Wenn der einzige Vorteil der "besonderen" Plastiksorten ist, dass das Boot nicht lackiert werden braucht, dann sehe ich nicht, warum lackierte Boote aus solch einem Plastik erfinderisch sein sollten. Die haben ja keinen Vorteil gegenüber dem SdT. Warum sollte man sie also patentieren können? Der Konkurrent kann dann tatsächlich das Patent umgehen, indem er das Boot lackiert, hat dann aber auch keinen Vorteil mehr davon und hätte gleich den SdT nehmen können. Also ist ein Anspruch auf nicht lackierte Boote schon gerecht.

Wenn das Plastik aber auch noch andere Vorteile hat (leichter, billiger, was weiß ich), dann sollte man den erfinderischen Schritt darauf stützen, und dann ist es auch egal, ob die Boote lackiert sind oder nicht.

Hast Du evtl. eine Entscheidung zu einem möglichst sehr ähnlichen Fall?
In zwei Jahren, wenn der Mandant das allen Ernstes durchzieht. :rolleyes:
 

grond

*** KT-HERO ***
Ich habe mir nicht durchgelesen, was ich dazu vor sieben Jahren geschrieben habe, aber was schert mich mein Geschwätz von gestern?

Meine aktuelle Meinung zu dem sehr nett konstruierten Beispielfall ist, dass es gehen müsste. Bei der Prüfung der Offenbarung wird auf das Verständnis des Durchschnittsfachmanns abgestellt. Wenn in der Beschreibung ausdrücklich als Vorteil ausgeführt wird, dass das Boot direkt ohne weitere Beschichtung zu Wasser gelassen werden kann, dann versteht der Fachmann auch, dass der Kunststoff wasserdicht und wasserunlöslich ist. Diese notwendigen Eigenschaften eines Materials für den Schiffbau sollte man dem Grundwissen des Fachmanns in dem maßgeblichen technischen Gebiet zutrauen. Wenn der Fachmann diese Eigenschaften des Kunststoffes aber ohne weiteres der Offenbarung unmittelbar entnimmt ("mitliest"), dann stehen sie auch zur Abgrenzung des Anspruchsgegenstandes zur Verfügung. Die Thematik "implizierte Merkmale" existiert ja nicht nur, um den Stand der Technik, der leider die Stromversorgung für das elektrische Gerät oder den Motor für das Auto unerwähnt lässt, als Entgegenhaltung wirksamer zu machen; bei Fragen der Offenbarung ist immer derselbe Durchschnittsfachmann als Maßstab anzulegen, unabhängig davon ob es um Stand der Technik, Ausführbarkeit oder ursprüngliche Offenbarung geht.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Meine aktuelle Meinung zu dem sehr nett konstruierten Beispielfall ist, dass es gehen müsste. Bei der Prüfung der Offenbarung wird auf das Verständnis des Durchschnittsfachmanns abgestellt. Wenn in der Beschreibung ausdrücklich als Vorteil ausgeführt wird, dass das Boot direkt ohne weitere Beschichtung zu Wasser gelassen werden kann, dann versteht der Fachmann auch, dass der Kunststoff wasserdicht und wasserunlöslich ist. Diese notwendigen Eigenschaften eines Materials für den Schiffbau sollte man dem Grundwissen des Fachmanns in dem maßgeblichen technischen Gebiet zutrauen. Wenn der Fachmann diese Eigenschaften des Kunststoffes aber ohne weiteres der Offenbarung unmittelbar entnimmt ("mitliest"), dann stehen sie auch zur Abgrenzung des Anspruchsgegenstandes zur Verfügung.
Mal ganz unabhängig davon, ob das durchgeht (ich habe immer noch Zweifel, dass ein EPA-Prüfer sich von diesem eloquenten Argument beeindrucken lässt), kommt das wie ein Bumerang bei erfinderischem Schritt zurück.

Denn angenommen, man grenzt sich so ab: Was ist dann der Unterschied und das technische Problem? Bereitstellen eines Bootes, das nicht lackiert werden muss. Die Lösung ist wasserunlösliches Plastik. Wäre der Fachmann darauf gekommen? Nun, wie der Anmelder schon selbst ausführt, war es doch für jeden Depp sonnenklar, dass das Plastik wasserunlöslich sein muss, wenn man den Lack weglässt.....usw.

Der Prüfer braucht nur aus deinem Schriftsatz kopieren und einfügen.
 
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