Definition für 'implizite Offenbarung'

grond

*** KT-HERO ***
Denn angenommen, man grenzt sich so ab: Was ist dann der Unterschied und das technische Problem? Bereitstellen eines Bootes, das nicht lackiert werden muss. Die Lösung ist wasserunlösliches Plastik. Wäre der Fachmann darauf gekommen? Nun, wie der Anmelder schon selbst ausführt, war es doch für jeden Depp sonnenklar, dass das Plastik wasserunlöslich sein muss, wenn man den Lack weglässt.....usw.

Keine Ahnung, wie sinnvoll es ist, tiefer in die Diskussion eines konstruierten Beispiels einzusteigen, aber naja: der Stand der Technik könnte ein nachveröffentlichtes Dokument sein, so dass Neuheit ausreichen würde. Ansonsten kann zwar die Lösung eines Problems offensichtlich sein, aber die Problemstellung muss es nicht gewesen sein. Dann wäre sogar erfinderische Tätigkeit gegeben. Das müsste man alles im konkreten Einzelfall betrachten.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Keine Ahnung, wie sinnvoll es ist, tiefer in die Diskussion eines konstruierten Beispiels einzusteigen, aber naja: der Stand der Technik könnte ein nachveröffentlichtes Dokument sein, so dass Neuheit ausreichen würde. Ansonsten kann zwar die Lösung eines Problems offensichtlich sein, aber die Problemstellung muss es nicht gewesen sein. Dann wäre sogar erfinderische Tätigkeit gegeben. Das müsste man alles im konkreten Einzelfall betrachten.
So konstruiert kommt mir der Fall gar nicht vor.

Jedenfalls hätte ich generell Bauchgrimmen, in einer Eingabe darzulegen, warum ein Merkmal, das ich zur Abgrenzung vom Stand der Technik benutze (!), für jeden Deppen offensichtlich ist. Das Risiko, dass das nicht gut endet, ist mir zu groß.

P.S.: Wenn die Entgegenhaltung ein 54(3)-Dokument ist, dann nimmt man einen nicht offenbarten Disclaimer und gut ist. Über implizite Merkmale braucht man sich dann nicht den Kopf zu zerbrechen.
 

grond

*** KT-HERO ***
Jedenfalls hätte ich generell Bauchgrimmen, in einer Eingabe darzulegen, warum ein Merkmal, das ich zur Abgrenzung vom Stand der Technik benutze (!), für jeden Deppen offensichtlich ist. Das Risiko, dass das nicht gut endet, ist mir zu groß.

Dann hast Du ja nichts verloren. Ansonsten kann es ja jeder machen, wie er es für richtig hält. Man sollte nur halt diese Option nicht übersehen oder von vorn herein ausschließen (auch wenn sie in 99% der realen Fälle ein Holzweg sein mag).
 

Gerd

*** KT-HERO ***
Hi,

das eigentliche erfindungsrelevante Merkmal ist die UV-Beständigkeit, die eben nicht offensichtlich ist.
Nur ist eben der wasserlösliche Kunststoff aus dem Stand der Technik zufällig auch UV-beständig und nimmt damit die Neuheit, ohne auf die UV-Beständigkeit und die damit einhergehenden Vorteile einzugehen. Deshalb wäre das implizite Merkmal "nicht wasserlöslich" eben wünschenswert.

In der Beschreibung ist u.a. offenbart, dass der Kunststoff so beständig gegen UV-Strahlung ist, dass mit daraus hergestellten Booten auch in Gebieten mit hoher UV-Strahlung, z.B. im Bereich eines Ozon-Lochs, Personen und Güter vom Festland zu weiter entlegenen Inseln transportiert werden können.

Dass der Kuststoff dazu natürlich nicht wasserlöslich sein darf, war leider als sebstverständlich angesehen und deshalb nirgendwo explizit beschrieben worden. Deshalb ist von Einwirkungen von Wasser auf den Kunststoff oder das daraus hergestellte Boot (auch von "zu Wasser lassen") nirgends die Rede. Nur dass die Personen und Güter auf dem Transport vor Nässeschäden geschützt werden.

Das "wenige Alternativen" war nicht ironisch gemeint. Es gibt eben "wasserlöslich" und "nicht wasserlöslich". Ein wasserlöslicher Kunststoff würde schlicht und einfach nicht funktionieren. Dem Fachmann bieten sich also einfach keine anderen Alternativen.


So ein Fall ist natürlich schon etwas spezieller, aber vielleicht kennt ja trotzdem jemand eine Entscheidung, in der es darum ging, ein implizit offenbartes Merkmal nicht nur aus dem Stand der Technik herauszulesen um die Patentierbarkeit zu verneinen, sondern aus der Offenbarung herauszulesen und in die Ansprüche aufnehmen zu können.



Wenn es eine klare Regel gibt, dass Merkmale, die nur implizit offenbart sind, nicht in die Ansprüche aufgenommen werden dürften, dann ist das eben leider so. Aber dann müsste es auch irgendwo geschrieben stehen oder es muss irgendwann einmal so ausgelegt worden sein, oder nicht?

Gruß
Gerd
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Ich frage mich, ob Dir das Merkmal "nicht wasserlöslich" überhaupt hilft. Sofern der SdT nicht gerade ein 54(3) Dokument ist, wäre es ja davon ausgehend möglicherweise naheliegend, ein Boot aus nicht wasserlöslichem Material zu bauen.
 

Gerd

*** KT-HERO ***
Hi,

1. Nicht_wasserlöslich wäre naheliegend.

2. Wasserlöslich und uv-beständig wäre nicht neu, die UV-Beständigkeit wäre aber zufällig und nicht als vorteilhaft erkannt.

3. Also wäre uv-beständig zwar erfinderisch aber nicht neu, weil es für die Neuheit egal ist, ob irgendjemand erkannt hat, dass die UV-Beständigkeit vorteilhaft ist oder nicht.

4. Nicht_wasserlöslich UND uv-beständig wäre demnach neu und erfinderisch.

Einwände?


Wenn bei 2 der Vorteil der UV-Beständigkeit erkann worden wäre, wäre 4 eher nicht erfinderisch, außer das wäre ein 54(3) Dokument.

Gruß
Gerd
 

Karl

*** KT-HERO ***
Mal ganz unabhängig davon, ob das durchgeht (ich habe immer noch Zweifel, dass ein EPA-Prüfer sich von diesem eloquenten Argument beeindrucken lässt), kommt das wie ein Bumerang bei erfinderischem Schritt zurück.

Denn angenommen, man grenzt sich so ab: Was ist dann der Unterschied und das technische Problem? Bereitstellen eines Bootes, das nicht lackiert werden muss. Die Lösung ist wasserunlösliches Plastik. Wäre der Fachmann darauf gekommen? Nun, wie der Anmelder schon selbst ausführt, war es doch für jeden Depp sonnenklar, dass das Plastik wasserunlöslich sein muss, wenn man den Lack weglässt.....usw.

Der Prüfer braucht nur aus deinem Schriftsatz kopieren und einfügen.


Genau diese Argumentation wurde von einer EPA Beschewerdekammer in einer verwandten Situation verwendet. In der T60/89 (die Lektüre dieser Entscheidung lege ich wirklich jedem ans Herz, sie ist eine hervorragende Waffe im Einspruchsverfahren) wurde entschieden, dass dann, wenn gleichzeitig bestritten wird, dass der Gegenstand des Anspruchs so ausreichend und vollständig offenbart wurde das ein Fachmann die entsprechende technische Lehre ausführen kann, und dass der Anspruch erfinderisch ist, für beide Fragen das gleiche Wissen des Fachmanns anzunehmen ist.

Die selbe Argumentation geht im Falle von Zweifel an der impliziten Offenbarung bei gleichzeitigen zweifeln and der erfinderischen Tätigkeit natürlich auch.
 

Karl

*** KT-HERO ***
Ich habe mir nicht durchgelesen, was ich dazu vor sieben Jahren geschrieben habe, aber was schert mich mein Geschwätz von gestern?

Meine aktuelle Meinung zu dem sehr nett konstruierten Beispielfall ist, dass es gehen müsste. Bei der Prüfung der Offenbarung wird auf das Verständnis des Durchschnittsfachmanns abgestellt. Wenn in der Beschreibung ausdrücklich als Vorteil ausgeführt wird, dass das Boot direkt ohne weitere Beschichtung zu Wasser gelassen werden kann, dann versteht der Fachmann auch, dass der Kunststoff wasserdicht und wasserunlöslich ist. Diese notwendigen Eigenschaften eines Materials für den Schiffbau sollte man dem Grundwissen des Fachmanns in dem maßgeblichen technischen Gebiet zutrauen. Wenn der Fachmann diese Eigenschaften des Kunststoffes aber ohne weiteres der Offenbarung unmittelbar entnimmt ("mitliest"), dann stehen sie auch zur Abgrenzung des Anspruchsgegenstandes zur Verfügung. Die Thematik "implizierte Merkmale" existiert ja nicht nur, um den Stand der Technik, der leider die Stromversorgung für das elektrische Gerät oder den Motor für das Auto unerwähnt lässt, als Entgegenhaltung wirksamer zu machen; bei Fragen der Offenbarung ist immer derselbe Durchschnittsfachmann als Maßstab anzulegen, unabhängig davon ob es um Stand der Technik, Ausführbarkeit oder ursprüngliche Offenbarung geht.

Meiner Meinung nach sind zwei Situationen hinsichtlich der Dokumente, gegen die die Abgrenzung stattfindet, zu unterscheiden:

a) A54(3), nachveröffentlichter SdT

In diesem Fall ist das Merkmal ein nicht offenbarter disclaimer "der Kunststoff ist nicht Wasserlöslich", der alle Bedingungen der G03/0001 erfüllt --> die Frage der impliziten Offenbarung ist hier egal.

b) A54(2), SdT hinsichtlich erfinderischer Tätigkeit

in diesem Fall wäre das Merkmal meiner Auffassung nach eine Zwischenverallgemeinerung und somit ein Verstoß gegen A123(2). Das Merkmal "nicht wasserlöslicher Kunststoff" ist zwar tatsächlich implizit offenbart, allerdings ausschließlich in Kombination mit dem Merkmal "keine zusätzliche Deckschicht". Für alle anderen Ausführungsformen kann das Merkmal nicht als offenbart gelten, da erst das Merkmal der fehlenden Schicht das Merkmal der wasserunlöslichkeit bedingt.
 

Gerd

*** KT-HERO ***
Hi,

Das gibt es nicht.

Doch.

Etwas kann sehr wohl erfinderisch sein, ohne neu zu sein.
Ansonsten könnte man sich die Prüfung auf Neuheit inkl. der entsprechenden Paragraphen ja komplett sparen (zumindest in Jurisdiktionen, die nachveröffentlichen Stand auch bei der erfinderischen Tätigkeit berücksichtigen).



Zur Zwischenverallgemeinerung:

Angenommen, es gibt gar kein Merkmal der "fehlenden Schicht", bzw. dies wäre, wenn überhaupt, auch nur implizit aus der Beschreibung zu entnehmen.

Hier ist die komplette Anmeldung:

"Es wurde überraschend festgestellt, dass ein Boot aus uv-beständigem Kunststoff längere Strecken zurücklegen kann, bevor es untergeht. Ein Boot aus PS, das um 12 Uhr mittags an einem sonnigen Tag gestartet wurde, sank nach einer Stunde. Ein gleichzeitig gestartetes Boot aus PTFE sank erst nach 4 Stunden. Nachts sanken beide Boote nach 4 Stunden. Wurden die Boote nachts mit UV-Licht bestrahlt, sank das Boot aus PS nach einer Stunde, das aus PTFE nach 4 Stunden.

Vorzugsweise ist der Kunststoff so beständig gegen UV-Strahlung, dass mit daraus hergestellten Booten auch in Gebieten mit hoher UV-Strahlung, z.B. im Bereich eines Ozon-Lochs, Personen und Güter vom Festland zu weiter entlegenen Inseln transportiert werden können. Die Personen und Güter werden so vor Nässeschäden geschützt.

Vorzugsweise ist der uv-beständige Kunststoff ausgewählt aus der Gruppe: PTFE, PMMA und PE.

Anspruch 1: Ein Boot, gekennzeichnet dadurch, dass es aus einem uv-beständigen Kunststoff hergestellt ist."


Im Stand der Technik taucht ein Dokument auf, in dem ein Boot aus PVA hergestellt wird. PVA sei uv-beständig aber wasserlöslich. Beide Eigenschaften sind dort nicht beschrieben. Bevorzugt wird das Boot dort rot lackiert, weil rot gut zu sehen ist und andere Boote dann den Weg frei machen. Dass wegen der Wasserlöslichkeit von PVA auf jeden Fall lackiert werden muss, ergibt sich aus dem Dokument nicht.
Da der Fachmann aber weiß, dass PVA wasserlöslich ist, ein Boot aber eben grundsätzlich auf dem Wasser unterwegs ist, liest er die Lackierung als notwendig mit.

Nun soll an den Anspruch 1 am Ende ein ", der nicht wasserlöslich ist" eingefügt werden, um Neuheit herzustellen.

Gruß
Gerd
 

Karl

*** KT-HERO ***
Hi,
Doch.

Etwas kann sehr wohl erfinderisch sein, ohne neu zu sein.
Ansonsten könnte man sich die Prüfung auf Neuheit inkl. der entsprechenden Paragraphen ja komplett sparen (zumindest in Jurisdiktionen, die nachveröffentlichen Stand auch bei der erfinderischen Tätigkeit berücksichtigen).

Gerd

Ohne mich zu der Fragestellung, ob einem Gegenstand die Neuheit wegen eines 54(2) Dokuments fehlen, zugleich jedoch eine erfinderische Tätigkeit vorhanden sein äußern zu wollen: Du begründest deine Auffassung diesbezüglich mit anderen Jurisdiktionen. In aneren Jurisdiktionen ist aber gegebenenfalls auch die genaue definition der erfinderischen Tätigkeit nicht die selbe, sodass zumindest dieses Argument nicht zieht.

Zur Zwischenverallgemeinerung:

Angenommen, es gibt gar kein Merkmal der "fehlenden Schicht", bzw. dies wäre, wenn überhaupt, auch nur implizit aus der Beschreibung zu entnehmen.

Gerd

Es ist doch völlig gleichgültig, ob die fehlende Schicht impliziert oder explizit genannt ist. So oder so ist die Wasserunlöslichkeit nur für denn fall impliziert, dass man die fehlende Schicht annimmt. Entsprechend gehört entweder beides oder keins von beiden in den Anspruch

Hier ist die komplette Anmeldung:

"Es wurde überraschend festgestellt, dass ein Boot aus uv-beständigem Kunststoff längere Strecken zurücklegen kann, bevor es untergeht. Ein Boot aus PS, das um 12 Uhr mittags an einem sonnigen Tag gestartet wurde, sank nach einer Stunde. Ein gleichzeitig gestartetes Boot aus PTFE sank erst nach 4 Stunden. Nachts sanken beide Boote nach 4 Stunden. Wurden die Boote nachts mit UV-Licht bestrahlt, sank das Boot aus PS nach einer Stunde, das aus PTFE nach 4 Stunden.

Vorzugsweise ist der Kunststoff so beständig gegen UV-Strahlung, dass mit daraus hergestellten Booten auch in Gebieten mit hoher UV-Strahlung, z.B. im Bereich eines Ozon-Lochs, Personen und Güter vom Festland zu weiter entlegenen Inseln transportiert werden können. Die Personen und Güter werden so vor Nässeschäden geschützt.

Vorzugsweise ist der uv-beständige Kunststoff ausgewählt aus der Gruppe: PTFE, PMMA und PE.

Anspruch 1: Ein Boot, gekennzeichnet dadurch, dass es aus einem uv-beständigen Kunststoff hergestellt ist."

Gerd

In wieweit soll diese Textstelle bitte allgemein implizieren, dass wasserlösliche Kunststoffe verwendet werden? Die Textstelle sagt meiner Ansicht nach platt gesagt nur aus, dass Bote aus bestimmten Materialien absaufen. Vieleicht wird für diese Materialien noch eine Wasseröslichkeit impliziert. Eine über diese Aussage hinausgehende allgemeine Offenbarung scheint mir nicht entnehmbar zu sein.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Hi,



Doch.

Etwas kann sehr wohl erfinderisch sein, ohne neu zu sein.
Ansonsten könnte man sich die Prüfung auf Neuheit inkl. der entsprechenden Paragraphen ja komplett sparen (zumindest in Jurisdiktionen, die nachveröffentlichen Stand auch bei der erfinderischen Tätigkeit berücksichtigen).

Sorry, aber das ist einfach totaler Quatsch, dem ich energisch widersprechen muss, damit nicht irgendjemand das auch noch glaubt.

Neuheit ist eine Voraussetzung für das Bejahen einer erfinderischen Tätigkeit, und zwar in jeder mir bekannten Jurisdiktion. In DE und EP auf jeden Fall.

Es gibt Dinge, die neu sind, aber die Hürde der erfinderischen Tätigkeit nicht nehmen (die "fehlende Erfindungshöhe"). Aber es gibt absolut nichts, was erfinderisch wäre, ohne zugleich neu zu sein.
 

ip_kandidat

GOLD - Mitglied
Sorry, aber das ist einfach totaler Quatsch, dem ich energisch widersprechen muss, damit nicht irgendjemand das auch noch glaubt.

Neuheit ist eine Voraussetzung für das Bejahen einer erfinderischen Tätigkeit, und zwar in jeder mir bekannten Jurisdiktion. In DE und EP auf jeden Fall.

Es gibt Dinge, die neu sind, aber die Hürde der erfinderischen Tätigkeit nicht nehmen (die "fehlende Erfindungshöhe"). Aber es gibt absolut nichts, was erfinderisch wäre, ohne zugleich neu zu sein.

Und wie beurteilst Du dann einen Anspruch, dessen Gegenstand aufgrund von nachveröffentlichtem Stand der Technik neuheitsschädlich vorweggenommen ist, der sich jedoch aus dem vorveröffentlichten Stand der Technik nicht in naheliegender Weise ergibt?
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Und wie beurteilst Du dann einen Anspruch, dessen Gegenstand aufgrund von nachveröffentlichtem Stand der Technik neuheitsschädlich vorweggenommen ist, der sich jedoch aus dem vorveröffentlichten Stand der Technik nicht in naheliegender Weise ergibt?
Danke.

Ich habe vergessen hinzuzufügen, dass ich von derselben Offenbarung ausgehe. Korrekt sollte es also heißen:

"Es gibt absolut nichts, was gegenüber einer Offenbarung X erfinderisch wäre, ohne zugleich gegenüber derselben Offenbarung X neu zu sein."

EDIT: Wer das nicht mir glauben will, kann es (zumindest fpr Europa) auch in der T 131/01 nachlesen (Leitsatz und Entscheidungsgründe 3.1)
 
Zuletzt bearbeitet:

grond

*** KT-HERO ***
Wenn ich es auch nicht so formuliert hätte, schließe ich mich Asdevi an. Mir wurde in der Ausbildung sogar beigebracht, in einem Einspruch im Zweifel lieber überhaupt keine Ausführungen zur Neuheit zu machen, sondern stattdessen nur zur erfinderischen Tätigkeit vorzutragen. Wenn das einzelne Dokument entgegen den Ausführungen zur Neuheit doch nicht alle Merkmale vorwegnimmt, so die Logik, ist der Angriff aus dem Dokument geschwächt und das Dokument gewissermaßen "verbrannt". Wenn ein unter dem Aspekt "erfinderische Tätigkeit" vorgebrachtes einzelnes Dokument sich jedoch als sogar neuheitsschädlich herausstellt, ist das kein Schaden, weil es niemals erfinderisch ist, etwas bereits Bekanntes noch einmal herzustellen/verwenden/auszuführen.
 

Karl

*** KT-HERO ***
1) Zum Thema erfinderisch trotz nicht neu:

Ist es nicht völlig egal, ob das geht? Sobald man festgestellt hat, dass etwas nicht neu ist oder nicht erfinderisch, ist der entsprechende Gegenstand nicht gewährbar bzw. zu widerrufen. Daher hab ich mir über die Fragestellung eigendlich noch nie gedanken gemacht... Abgesehen davon geraten wir glaube ich ein wenig vom thema "implizite Offenbarung" ab.

2) zur implizieten Offenbarung: Mir fehlt immer noch ein Beispiel, wo ein Anmelder tatsächlich mal implizite Offenbarung für sich nutzbar machen kann. Meiner Meinung nach kann dies nur im Rahmen von Klarstellungen sinnvoll sein (siehe 4).

3) Zur obigen Fallgestaltung

Gegenstand X (Anspruch für Boot ohne Angabe ob Lackiert oder nicht) ist nicht neu
Gegenstand X + Y (wobei Y beispielsweise das Merkmal "nicht wasserlöslich") ist zu untersuchen. Y ist nicht explizit offenbart.

Nehmen wir weiter an, dass der SdT nach 54(2) und keine zufällig vorwegnahme ist, d.h. nicht offenbarter Disclaimer geht nicht (damit wir bei der Fragestellung implizite Offenbarung bleiben, bei 54(3) disclaimer ist die Offenbarung ziemlich egal)

Mir fallen nur folgende Möglichkeiten ein, wie die Situation rechtlich aussehen kann

a) der Gegenstand X (nicht nur die X enthaltende Anmeldung insgesamt) impliziert Y

--> X+Y nicht erfinderisch, denn gleiches gilt dann beim SdT auch

b) ein weiters Merkmal Z (z.B. das Merkmal "keine Lackschicht) impliziert im Zusammenhang mit X das Merkmal Y

-->Y wird nicht im Zusammenhang mit X ohne Z impliziert sondern nur mit X+Z. Der Gegenstand X+Y stellt dann eine Zwischenverallgemeinerung zwischen dem allgemeineren Gegenstand X und dem spezielleren Gegenstand X+Y+Z dar---> X+Y ist ein Verstoß gegen A123(2) und X+Y+Z wäre auch nicht besser gegen den SdT abgegrenzt als X+Z (da Y ja in einem Hypophetischen SdT X+Z genauso impliziert wäre)

c) Z ist nicht impliziert

--> auch Verstoß gegen A123(2)

Fazit: Eine Impliziete Offenbarung scheint mir in einem Fall, in dem es nur um Neuheit und/oder erfinderische Tätigkeit geht nie einen Vorteil zu bringen (falls ihr das anders seht, für Gegenbeispiele bin ich offen).

4) Beispiel, wo impliziertes Merkmal dem Anmelder helfen kann

Anmeldung für Objekt X nicht neu. Die Beschreibung nennt ein Merkmal Z, dass definiert, wie das Objekt X mit einem weiteren, anmeldungsfremden Gegenstand wechselwirken kann. Aufgrund des Bezugs auf den anmeldungsfremden Gegenstand ist Z nicht klar, sodass X+Z nicht gewährbar ist. X+Z ist jedoch neu und erfinderisch.

Impliziert nun Z das strukturelle Merkmal Y, wäre unter Umständen eine Einschränkung auf X+Y möglich. Wenn man es ganz streng sieht ist jedoch meiner Auffassung nach eine gegenseitige Implikation von Z und Y nötig:

a) Wird Y nicht durch Z Impliziert, ist klar, dass Y nicht implizit offenbart ist.

b) Wird Z nicht von Y impliziert (jedoch Y von Z), ist Y weiter gefasst als Z und stellt somit eine Zwischenverallgemeinerung dar (denn Schutzbereich X > X + Z > X + Y, wobei nur X sowie X+Y offenbart sind).
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Ist es nicht völlig egal, ob das geht? Sobald man festgestellt hat, dass etwas nicht neu ist oder nicht erfinderisch, ist der entsprechende Gegenstand nicht gewährbar bzw. zu widerrufen. Daher hab ich mir über die Fragestellung eigendlich noch nie gedanken gemacht...

Ich finde, man kommt gar nicht umhin, sich darüber Gedanken zu machen, wenn man sich mit dem "problem-solution-approach" des EPA vertraut machen will, also spätestens dann, wenn man ernsthaft über das Ablegen der europäischen Eignungsprüfung nachdenkt.

Denn dieser geht ja bekanntermaßen so:
1. nächstliegenden SdT suchen
2. Unterschiede feststellen
3. Wirkung der Unterschiede feststellen
4. Problem formulieren
5. Naheliegen der beanspruchten Lösung beurteilen

Wenn der Gegenstand nicht neu ist, dann findet man bei Schritt 2. keinen Unterschied. Und damit kann man auch nicht zu Ende prüfen. Bereits das Standard-Prüfschema des EPA setzt also Neuheit für eT voraus. Die Feststellung, dass etwas erfinderisch ist, kann man nur treffen, wenn man bereits festgestellt hat, dass es neu ist.
 
Zuletzt bearbeitet:

Karl

*** KT-HERO ***
Naja der Gedanke ist NICHT nötig für die EPA-Prüfung. Wer diskutiert denn in der EPA-Prüfung erfinderische Tätigkeit, wenn ein Anspruch nicht neu ist (Wenn man mangelnde Neuheit auf D2 hat, schreibt man nicht noch nen Text mangelnde erfinderische Tätigkeit wegen D2 + D3...)? Grade da fasst man sich kurz, wenn man einen Anspruch eh schon neuheitsschädlich tot hat. Wer für so einen weiteren Angriff Zeit verschwendet, kriegt im C-Teil eher Probleme.

Was ich mit meiner Aussage oben Ausdrücken wollte ist, dass für die Gewährbarkeit eines Anspruchs Neuheit UND erfinderische Tätigkeit erforderlich sind. Kann ich nachweisen, dass eins von beiden fehlt, ist die Aufgabe gelöst.

Im echten Leben baut man in Einsprüche sicherlich noch erfinderische Tätigkeits Angriffe ein, die dienen jedoch eher zum abstützen von "wackeligen" Merkmalen, d.h. Merkmale, wo man sich nicht absolut 100%ig sicher ist, dass sie neuheitsschädlich gezeigt sind.

Der Angriff auf die erfinderische Tätigkeit ähnelt also einem Hilfsgutachten, das auf der hypothetischen Annahme beruht, dass die Einspruchsabteilung ein Merkmal A als nicht gezeigt ansieht. Wie soll ich auch vernünftig einen Aufgabe Lösungsansatz durchgehen, wenn alle Merkmale gezeigt sind? Nach 2. wirds da wohl ein wenig merkwürdig.
 

grond

*** KT-HERO ***
Ist es nicht völlig egal, ob das geht? Sobald man festgestellt hat, dass etwas nicht neu ist oder nicht erfinderisch, ist der entsprechende Gegenstand nicht gewährbar bzw. zu widerrufen.

Das wäre u.U. beim EP-Einspruch wesentlich, da Neuheit und erfinderische Tätigkeit als getrennte Einspruchsgründe behandelt werden und zusätzliche Einspruchsgründe nicht mehr nachträglich erhoben werden können.

Ansonsten: Deinen schnellen Griff zum Disclaimer würde man außerhalb der Chemie nicht ohne Bauchschmerzen machen. Ein implizites Merkmal wäre mir da sehr viel lieber.

Bezüglich Deiner Frage nach möglichen Beispielen: ich könnte mir wenigstens zugegebenermaßen sehr akademische Beispiele vorstellen, bei denen ein Anspruchsgegenstand aufgrund von Doppeldeutigkeiten in zwei komplett verschiedene Technikgebiete interpretiert werden kann. Ich meine beispielsweise Homonyme (Blatt - Baum oder Papier?), die durch ein einziges impliziertes Merkmal im Anspruch sofort einem der möglichen weit entfernt liegenden Technikgebiete eindeutig zugeordnet werden können und dort auch neu und erfinderisch sind.
 

Karl

*** KT-HERO ***
Das wäre u.U. beim EP-Einspruch wesentlich, da Neuheit und erfinderische Tätigkeit als getrennte Einspruchsgründe behandelt werden und zusätzliche Einspruchsgründe nicht mehr nachträglich erhoben werden können.

Ansonsten: Deinen schnellen Griff zum Disclaimer würde man außerhalb der Chemie nicht ohne Bauchschmerzen machen. Ein implizites Merkmal wäre mir da sehr viel lieber.

Bezüglich Deiner Frage nach möglichen Beispielen: ich könnte mir wenigstens zugegebenermaßen sehr akademische Beispiele vorstellen, bei denen ein Anspruchsgegenstand aufgrund von Doppeldeutigkeiten in zwei komplett verschiedene Technikgebiete interpretiert werden kann. Ich meine beispielsweise Homonyme (Blatt - Baum oder Papier?), die durch ein einziges impliziertes Merkmal im Anspruch sofort einem der möglichen weit entfernt liegenden Technikgebiete eindeutig zugeordnet werden können und dort auch neu und erfinderisch sind.

a) Wegen verschiedene Einspruchsgründe: Ich habe nicht gesagt, dass ich im Einspruch jemals auf einen erfinderischen Tätigkeit Angriff verzichten würde. Ich stimme völlig damit überein, dass das eine ausgesprochen schlechte Idee wäre. Trotzdem kommt die Fragestellung, die ich als nicht wichtig betrachte (kann etwas erfinderisch sein, auch wenn es nicht neu ist) nicht in der Argumentation vor. Die Argumentation ist doch vom Grundaufbau immer ähnlich, wenn man was neuheitsschädliches hat:

1) Wir meinen D1 neuheitsschädlich
2) Falls D1 wider erwarten als nicht neuheitsschädlich angesehen wird, ist der Gegenstand zumindest jedoch nicht erfinderisch gegenüber D1 (+ Fachwissen oder D2)

Der Angriff auf die erfinderische Tätigkeit ist also im Stile eines Hilfsgutachtens, falls der erste Angriff nicht zieht, also falls der Gegenstand neu ist. Die Fragestellung, ob der Gegenstand erfinderisch sein kann, wenn er nicht neu ist, d.h. die Frage ob der Angriff 2) immer automatisch überzeugt, wenn das Patent aufgrund von Angriff 1) eh schon beerdigt ist, wird indes wohl eher nicht diskutiert.

b) zum Disclaimer. Ich habe die obigen Einschränkungen nur zur erleichtung der Argumentation eingebaut, da ich Disclaimer grade nicht diskutieren wollte. Auch wenn prinzipiell ein Disclaimer möglich ist, kann man natürlich prüfen, ob das Merkmal impliziet offenbart ist. Dabei finden jedoch genau die gleichen Erwägungen statt, die ich oben für den Fall dargestellt habe, dass kein disclaimer möglich ist (D.h. Falls 1) X Y Impliziert, ist X + Y auch nicht neu bzw. erfinderisch, falls 2) X+Z Y impliziert, ist X+Y Zwischenveralgemeinerung, und falls 3) Garnix Y impliziert ist X+Y eh A123(2)).

c) Auch bei Homonymen etc ist doch die Problemstellung die gleiche. Entweder die Merkmale X des Anspruchs implizieren das Merkmal Y. Weist ein SdT alle Merkmale X auf, muss er dann zwingend auch das implizierte Merkmal Y aufweisen, denn sonst wäre es ja nicht impliziert. Wird das Merkmal Y jedoch nicht durch den Anspruch X impliziert, sondern erst durch X+Z, so ist X+Y stets eine Zwischenverallgemeinerung, da Y nur im Zusammenhang mit Z impliziert wird. So rein Mengenleeremäßig fällt mir leider echt kein Ausweg ein.
 
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