'could-would'-Argument vor dem DPMA

B_2020

GOLD - Mitglied
Der nSdT zeigt eine Heckklappe mit Zahnradsegment-Antrieb, die gut funktioniert [sic].

Die Aufgabe, die sich der nSdT [sic] stellt (Zahnradspiel einstellbar machen), wird durch das nSdT-Dokument selbst [sic] bereits gelöst.
Wäre ja auch problematisch wenn ein Patentdokument (ich nehme an, dass der nSdT ein solches ist) die selbst gestellte Aufgabe nicht löst.

Mangels Aufgabe gibt es für den Fachmann also keine Motivation, nach einer anderen Lösung zu suchen oder andere Dokumente heranzuziehen.
Hier liegt des Pudels Kern. Das EPA sieht keine (andere) Aufgabe als relevant. Das liegt wohl darin begründet, dass es in dem Unterscheidungsmerkmal keinen technischen Effekt erkennt/en will.
Außerdem existiert die von der Einsprechenden angegebene objektive Aufgabe (Wartungsfreiheit) im nSdT selbst [sic] nicht.
Darauf kommt es nicht an oder ist gemeint : die objektive Aufgabe (Wartungsfreiheit) ergibt sich beim Vergleich des NSdT und der beanspruchten Erfindung nicht
Selbst wenn der Fachmann den nSdT verbessern wollte, gäbe es dafür viele andere Lösungen anstelle der Hydraulik des Streitpatents, wie z.B. eine Verschleißanzeige [???] an dem Zahnradsegment des nSdT anzubringen.
Hier liegt dann in der Tat das große Problem des could/would. Nämlich, warum sollte der Fachmann nun gerade Hydraulik verwenden... Wie in den Richtlinien ausgeführt:
Teil G; Kapitel VII 5.3
Mit anderen Worten geht es nicht darum, ob der Fachmann durch eine Änderung oder Anpassung des nächstliegenden Stands der Technik zu der Erfindung hätte gelangen können, sondern darum, ob er tatsächlich dahin gelangt wäre, weil der Stand der Technik ihn dazu veranlasste, da er sich davon eine Verbesserung oder einen Vorteil erwartete (siehe T 2/83). Selbst eine implizite Veranlassung oder ein implizit erkennbarer Anreiz ist ein ausreichender Beleg dafür, dass der Fachmann die Elemente aus dem Stand der Technik kombiniert hätte (siehe T 257/98 und T 35/04).

Daher ist das Streitpatent erfinderisch.
Sofern hier keine "would" plausibel ist, ist dieses Ergebniss dann nicht verwunderlich, zumindest nicht in der Einspruchsinstanz. Meiner Erfahrung nach, hat der Fachmann im ersten Prüfungsbescheid immer eine Veranlassung in Richtung der Erfindung zu gehen.
 

Kurt

*** KT-HERO ***
O.k., dann mal die Entscheidung der Einspruchsabteilung weitestgehend im Wortlaut:
(die technische Anwendung gegenüber oben etwas abgeändert/konkretisiert)

Einspruchsabteilung schrieb:
Die Einspruchsabteilung kann der Argumentation des Patentinhabers folgen, nach der Anspruch 1 [s. unten] gegenüber einer Kombination der Dokumente nSdT und D2 erfinderisch ist.

Es ist richtig, dass nSdT einen Bühnenscheinwerfer mit einem Spindelantrieb zeigt, bei dem das Problem der Reibung an der Spindel auftritt, was zu Verschleiß und zunehmendem Spiel führt. Allerdings zeigt das Dokument nSdT bereits selbst eine Lösung für das Problem, nämlich eine Verschleißnachstellung für die Spindelmutter. Der Fachmann hatte keine Veranlassung, nach einer anderen Lösung zu suchen. Selbst wenn der Fachmann zu dem Schluss käme, dass nSdT noch weiter verbessert werden muss, gäbe es viele andere Lösungen als den Ersatz des Spindelantriebs durch einen Hydraulikantrieb, wie z.B. eine Verschleißanzeige an der Spindelmutter, die ermöglicht zu sehen, wann die Spindelmutter nachgestellt werden muss.

In Dokument D2[*] ist offenbart, dass Hydraulikantriebe [generell] anstelle von Spindelantrieben verwendet werden können. Allerdings ist die dort genannte Anwendung "Signalzeiger" viel kleiner als das, was für einen Bühnenscheinwerfer benötigt wird.

Ausgehend von Dokument nSdT gibt es keinen Hinweis darauf, sich Dokument D2 zuzuwenden, da Dokument nSdT sein Problem bereits selbst löst.

Abgesehen davon, dass die vom Einsprechenden formulierte objektive Aufgabe [leistungsfähigere Alternative zum Spindelantrieb finden] im nSdT D1 nicht existiert, wäre der Hydraulikantrieb des Dokuments D2 nicht geeignet, an einem Bühnenscheinwerfer angebracht zu werden, da seine Abmessungen und Größe nicht passen würden. Außerdem müsste der Bühnenscheinwerfer modifiziert werden, damit ein Hydraulikantrieb anstelle eines Spindelantriebs angebracht werden kann.

*) D2 ist ein wissenschaftliches Paper, welches sich mit Hydraulikantrieben befasst. D2 erklärt:
D2 schrieb:
Da Spindelantriebe und manche Hydraulikantriebe nach dem Abschalten des Antriebs in jeder Stellung fixiert stehenbleiben, sind diese geeignet zum Bewegen und Arretieren beispielsweise von Hebebühnen, Rohrventilen und bei Einsätzen mit beengtem Bauraum wie z.B. bei Signalzeigern, besonders wenn es auf exakte Beibehaltung der jeweils angefahrenen Stellung ankommt. Hydraulikantriebe haben dabei gegenüber Spindelantrieben diverse Vorteile, vor allem bessere Skalierbarkeit und geringeren Bauraumbedarf, weshalb man bevorzugt Hydraulikantriebe einsetzt. Die Ursache für die Selbst-Arretierung von Hydraulikantrieben sind bisher weitgehend unerforscht. Diese werden nachfolgend anhand von Parametern wie u.a. Kompressibilität der verschiedenen bei Hydraulikantrieben eingesetzten Materialien und Flüssigkeiten hergeleitet.
Paper D2 leitet dann physikalisch/mathematisch allgemeingültige Regeln zur Dimensionierung von selbstarretierenden Hydraulikantrieben her, wobei die Regeln unabhängig von Größe, Ausführung und Einsatzzweck der Hydraulikantriebe sind.

Anspruch 1 lautet:
Streitpatent schrieb:
Hydraulikantrieb [geeignet] zum Antrieb eines Bühnenscheinwerfers,
dadurch gekennzeichnet,
dass der Hydraulikantrieb in jeder Stellung stehenbleibt.

EPA schrieb:
Die Aufgabe, die sich der nSdT [sic] stellt (Verschleißnachstellung), wird durch das nSdT-Dokument selbst [sic] bereits gelöst. Mangels Aufgabe gibt es für den Fachmann also keine Motivation, nach einer anderen Lösung zu suchen oder andere Dokumente heranzuziehen.
Hier liegt des Pudels Kern. Das EPA sieht keine (andere) Aufgabe als relevant. Das liegt wohl darin begründet, dass es in dem Unterscheidungsmerkmal keinen technischen Effekt erkennt/en will.

Ich glaube nicht. Wie man am obigen Entscheidungswortlaut sieht, spricht das EPA gar nicht von einem Unterscheidungsmerkmal, kommt also nicht zur Diskussion eines technischen Effekts und von dort zur Frage der objektiven Aufgabe.

Das EPA stellt einfach fest:
EPA schrieb:
Ausgehend von Dokument nSdT gibt es keinen Hinweis darauf, sich Dokument D2 zuzuwenden, da Dokument nSdT sein Problem bereits selbst löst.
...womit die Sache für das EPA erledigt ist, bevor der Problem-Solution-Approach überhaupt beginnt.

Ich halte diese "Argumentation" des EPA für ein Fiasko -- oder sieht das jemand anders?
 
Zuletzt bearbeitet:

patachon

GOLD - Mitglied
Wenn die D1 das Problem schon löst (Spindelverschleiß), dann war bei dem Angriff schlicht die Aufgabe falsch definiert. Das ist Sache der Einsprechenden.
Die Aufgabe definiert sich über den Unterschied zwischen der D2 und der D1, nicht zwischen der D2 und einem Teil der D1 (Spindelantrieb). Auch dass der Antrieb modifiziert werden muss, scheint mir eine valide Argumentation zu sein. So einfach lässt sich das eben nicht übertragen.
Dass die Aufgabe "nicht existiert", lese ich nicht so, dass die Aufgabe nicht genannt ist. Die Aufgabe existiert nicht, weil es keinen Grund gibt, warum man einen leistungsfähigeren Antrieb finden möchte (ausgehend von der D1). Oder gibt es einen?

Ich kenne die Dokumente ja nicht, kann also nichts über eine bessere Aufgabenstellung sagen. Wenn der Anspruch wirklich so breit ist, wie er da steht, dann müsste es ja genug Angriffsmöglichkeiten geben. Aber so wundert mich das Ergebnis nicht.
 

Kurt

*** KT-HERO ***
das Problem (Spindelverschleiß)
...mag das Problem der D1 sein, ist aber irrelevant zur Bestimmung der objektiven Aufgabe (= bessere Alternative zum Spindelantrieb finden).
dass der Antrieb modifiziert werden muss, scheint mir eine valide Argumentation zu sein
Nicht der Antrieb muss (angeblich) modifiziert werden, sondern der Bühnenscheinwerfer (der jedoch nicht Anspruchsmerkmal ist).
Die Aufgabe existiert nicht, weil es keinen Grund gibt, warum man einen leistungsfähigeren Antrieb finden möchte (ausgehend von der D1). Oder gibt es einen?
Die Frage, ob es einen Grund gibt, etwas am nSdT zu ändern, ist nicht Teil des Problem-Solution-Approach.
Ebensowenig wie die Aussage
Ausgehend von Dokument nSdT gibt es keinen Hinweis darauf, sich Dokument D2 zuzuwenden, da Dokument nSdT sein Problem [Spindelverschleiß] bereits selbst löst.
= sinngemäß "der NSdT ist gut genug, der Fachmann macht Feierabend".

Wenn der Anspruch wirklich so breit ist, wie er da steht, dann müsste es ja genug Angriffsmöglichkeiten geben.
Ist er, gibt es, und wurden ausgeführt. Alle Angriffe wurden vom EPA mit derselben Argumentation abgelehnt:
Einspruchsabteilung schrieb:
Es gibt für den Fachmann keinen Anlass, vom nSdT abzuweichen. Daher ist das Streitpatent erfinderisch.
 
Zuletzt bearbeitet:

patachon

GOLD - Mitglied
Nicht der Antrieb muss (angeblich) modifiziert werden, sondern der Bühnenscheinwerfer (der jedoch nicht Anspruchsmerkmal ist).
Der Antrieb ist aber nicht unabhängig vom Bühnenscheinwerfer, da der Anspruch ja ausdrücklich auf die Eignung für einen Bühnenscheinwerfern einschränkt. Diese Angabe schränkt den Antrieb auf solche Antriebe ein, die für Bühnenscheinwerfer geeignet sind.

Die Frage, ob es einen Grund gibt, etwas am nSdT zu ändern, ist nicht Teil des Problem-Solution-Approach.

Diese Aussage verstehe ich nicht. Der "Grund, etwas am StdT zu ändern", ist doch gerade das "Problem" im Problem-Solution-Approach - also die gestellte Aufgabe. Und durch den "could-would"-Ansatz braucht der Fachmann nicht nur eine Aufgabe, sondern sogar noch einen Anreiz aus dem Stand der Technik, die mögliche Änderung vorzunehmen. Auch das ist explizit ein verlangter "Grund", etwas zu ändern.

Du sagst, die objektive Aufgabe ist, eine verbesserte Alternative zum Spindelantrieb zu finden. In welche Hinsicht ist die beanspruchte Alternative "besser"? Bisher hatte ich es so verstanden, dass als Argument für die "Verbesserung" durch den Hydraulikantrieb die Selbstarretierbarkeit ohne Verschleiß genannt wurde. Diese Aufgabe wäre aber falsch definiert, weil der Antrieb aus dem Stand der Technik diese Eigenschaften schon beide hat - der neue Antrieb wäre also bezogen auf diese Eigenschaften gar nicht "besser". Auch der Spindelantrieb ist schon selbstarretierbar und das Verschleißproblem wurde offenbar durch die Verschleißnachstellung gelöst. So verstehe ich das Argument des EPA, dass der StdT diese Aufgabe schon lösen würde.

Und selbst wenn der Fachmann einen Hydraulikantrieb verwenden könnte, warum sollte er? Was ist die Anregung, in welcher Hinsicht stellt sich das Problem eines "besseren" Antriebs? was ist das "would"? Genau da wird eine breit formulierte Aufgabe ("Suche nach einer Alternative") zum Problem.
"In other words, the point is not whether the skilled person could have arrived at the invention by adapting or modifying the closest prior art but whether the skilled person would have done so because the prior art provided motivation to do so in the expectation of some improvement or advantage". Welcher Vorteil wäre also zu erwarten und wie findet der Fachmann vom StdT aus dorthin?

Und schließlich noch: wenn Du überzeugt bist, dass der Ansatz der Einspruchsabteilung falsch ist (was ich bisher nicht bin), dann geh in Beschwerde. Es werden ja genug Entscheidungen im Beschwerdeverfahren umgekehrt, die Einspruchsabteilung hat also schlicht nicht immer recht.
 

Kurt

*** KT-HERO ***
Diese Angabe schränkt den Antrieb auf solche Antriebe ein, die für Bühnenscheinwerfer geeignet sind.
Richtig. Ein Hydraulikantrieb gemäß D2 sei jedoch ohne weiteres geeignet für Bühnenscheinwerfer.

Es geht um das Argument, der Scheinwerfer müsse geändert werden. "Der" Scheinwerfer ist jedoch nicht Anspruchsgegenstand, sondern allenfalls "ein" Scheinwerfer:
Hydraulikantrieb [geeignet] zum Antrieb [irgend]eines Bühnenscheinwerfers,
dadurch gekennzeichnet,
dass der Hydraulikantrieb in jeder Stellung stehenbleibt.
...daher ist dieses Argument m.E. hinfällig.

Der "Grund, etwas am StdT zu ändern", ist doch gerade das "Problem" im Problem-Solution-Approach
Ich glaube nicht. Das Problem im Problem-Solution-Approach ist die objektive Aufgabe. Diese wird bestimmt auf Grundlage der Differenzmerkmale zwischen Anspruchsgegenstand und nSdT. Die objektive Aufgabe ist hier unstreitig die Findung einer alternativen Lösung. Dass der Hydraulikantrieb eine solche ist, geht aus D2 hervor.

Mit alledem befasst sich das EPA jedoch nicht, sondern wiederholt lediglich:
Ausgehend von Dokument nSdT gibt es keinen Hinweis darauf, sich Dokument D2 zuzuwenden, da Dokument nSdT sein [sic] Problem [Spindelverschleiß] bereits selbst löst.
= sinngemäß "der NSdT ist gut genug, der Problem-Solution-Approach wird nicht benötigt, der Fachmann macht Feierabend"
 
Zuletzt bearbeitet:

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Richtig. Ein Hydraulikantrieb gemäß D2 sei jedoch ohne weiteres geeignet für Bühnenscheinwerfer.

Wenn das so ist, dann wäre doch D2 bereits neuheitsschädlich, zumindest wenn die Fachperson die Eignung erkennen kann (was man hier m.E. durchaus argumentieren kann).

Was den PSA angeht: Die D2 gibt doch Hinweise zu den Vorteilen des Hydraulikantriebs. Aus diesen ließe sich eine objektive Aufgabe ableiten (und zwar nicht Spindelverschleiß), zu deren Lösung die Fachperson die D2 heranziehen könnte und würde ...
 

Kurt

*** KT-HERO ***
Wenn das so ist, dann wäre doch D2 bereits neuheitsschädlich, zumindest wenn die Fachperson die Eignung erkennen kann (was man hier m.E. durchaus argumentieren kann).
Diese Neuheitsangriffe laufen ebenfalls. Hier bestreitet das EPA die Eignung, da "Hydraulikantriebe an Signalzeigern [sic] für Bühnenscheinwerfer zu klein" seien:
"Da Spindelantriebe und manche Hydraulikantriebe nach dem Abschalten des Antriebs in jeder Stellung fixiert stehenbleiben, sind diese geeignet zum Bewegen und Arretieren beispielsweise von Hebebühnen, Rohrventilen und bei Einsätzen mit beengtem Bauraum wie z.B. bei Signalzeigern, besonders wenn es auf exakte Beibehaltung der jeweils angefahrenen Stellung ankommt."

Was den PSA angeht: Die D2 gibt doch Hinweise zu den Vorteilen des Hydraulikantriebs. Aus diesen ließe sich eine objektive Aufgabe ableiten (und zwar nicht Spindelverschleiß), zu deren Lösung die Fachperson die D2 heranziehen könnte und würde ...
Das ist genau die Einspruchsargumentation, die ja selbst dann gilt, wenn die objektive Aufgabe nur die Bereitstellung einer Alternative ist.

Wie gesagt antwortet das EPA hierauf lediglich:
Ausgehend von Dokument nSdT gibt es keinen Hinweis darauf, sich irgendeinem anderen Dokument zuzuwenden, da Dokument nSdT sein [sic] Problem (Spindelverschleiß) bereits selbst löst.
Ich halte diese "Argumentation" des EPA für ein Fiasko -- oder sieht das jemand anders?
 
Zuletzt bearbeitet:

Hans35

*** KT-HERO ***
Hallo Kurt,
ob du nun die Argumentation des EPA für ein "Fiasko" hältst, für "schlicht falsch" oder ob du sie nur "missverstanden" hast, bleibt sich letztlich gleich. Einzig wichtig ist doch, dass jeder weiß (d.h. gelernt hat), wie es richtig sein müsste.
Ein aktuelles Beispiel für eine saubere Argumentation im Rahmen des "Could-Would-Arguments" incl. der dafür erforderlichen "Anregung" kann man z.B. in der Entscheidung X ZR 19/21 in den Absätzen 68 bis 70 finden, auch wenn der BGH dort diesen Begriff vermeidet.
 

Kurt

*** KT-HERO ***
...bleibt sich letztlich gleich.
Eigentlich nicht?

Ein aktuelles Beispiel für eine saubere Argumentation im Rahmen des "Could-Would-Arguments" incl. der dafür erforderlichen "Anregung" kann man z.B. in der Entscheidung X ZR 19/21 in den Absätzen 68 bis 70 finden
Eigentlich nicht. Die Anwendung des Problem-Solution-Approach mit Bestimmung der objektiven Aufgabe fehlt dort gänzlich, und von könnte/würde ist auch nicht die Rede. Es geht um nur eine Druckschrift D25, die dem Fachmann "keine Veranlassung" lieferte, ihrem Gegenstand das Unterschiedsmerkmal (Einstückigkeit) des Streitpatentanspruchs hinzuzufügen.

Ich sehe dort keine Übertragbarkeit auf den vorliegenden Fall, bei dem es zwei Dokumente gibt:
Ausgehend von Dokument nSdT gebe es keinen Hinweis darauf, sich Dokument D2 zuzuwenden, da Dokument nSdT sein [sic] Problem [Spindelverschleiß] bereits selbst löst.

Selbst wenn von dem Sachverhalt etwas übertragbar wäre, ist der dortige Fall ganz ungeeignet als Musterbeispiel für die Anwendung des Problem-Solution-Approach (und des darin enthaltenen Could-Would-Approach).
 

B_2020

GOLD - Mitglied
Das Problem wird in der X ZR 19/21 doch in Rnd. 9 genannt. Da es ein deutsches Gericht ist, ist dieser Ansatz ja auch üblich, die Aufgabe vor dem Hintergrund des Patents und nicht des Unterscheidungsmerkmals zu definieren.
Auch der Could/would apporach findet sich, denn das would ist ja nichts anderes als "Suche eine Anregung", sodass sich der Fachmann auch bewegen würde.

Ich finde die Entscheidung doch schon recht nett übertragbar, hatte dabei auch an den hier diskutierten Fall gedacht, als ich Sie gelesen hatte.

Von der BK und den deutschen Gerichten wird ebenso hinterfragt, ob eine Adaption hin zu einstückigkeit so ohne weiteres möglich ist (an den von @Hans35 genannten Stellen).

Gleiches gilt wohl auch dem hier diskutieren Fall:

Ob der hier zitierte Wortlaut der Entscheidung so gelungen ist, darf sicherlich hinterfragt werden:

Einspruchsabteilung said:
Ausgehend von Dokument nSdT gibt es keinen Hinweis darauf, sich irgendeinem anderen Dokument zuzuwenden, da Dokument nSdT sein [sic] Problem (Spindelverschleiß) bereits selbst löst.
Aber aus meiner Sicht ist hier das Schlüsselwort "Hinweis". Und dies wird ja auch bei BGH 'Staubsauger' als das Relevante herausgestellt.
 

Kurt

*** KT-HERO ***
Das Problem wird in der X ZR 19/21 doch in Rnd. 9 genannt.
X ZR 19/21 schrieb:
RN8: Nach der Beschreibung des Streitpatents kann insbesondere bei ultrakompakten Staubsaugern, etwa Bodenstaubsaugern, die Saugleistung zu niedrig sein. Ursache könne eine verwinkelte Führung des Saugluftstroms durch die äußerst kompakte Anordnung der einzelnen Bauteile im Innern des Gehäuses sein. Ferner könnten aufgrund des geringen Platzangebots oftmals nur leistungsschwächere Gebläse- bzw. Saugaggregate eingesetzt werden.

RN9: Das Streitpatent betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, die Saugleistung bei kompakter Bauweise zu verbessern und zugleich die Verletzungsgefahr durch rotierende Gebläseblätter zu vermeiden.
Das ist ja die (subjektive) Aufgabe des Streitpatents. Diese ist unerheblich für die objektive Ermittlung der Erfindungshöhe gegenüber dem SdT.

Da es ein deutsches Gericht ist, ist dieser Ansatz ja auch üblich, die Aufgabe vor dem Hintergrund des Patents und nicht des Unterscheidungsmerkmals zu definieren.
Trifft meines Erachtens nicht zu.

Siehe beispielsweise BGH X ZR 98/09 Calcipotriol-Monohydrat, wo die Differenzbildung gegenüber dem Stand der Technik zur Bestimmung der "tatsächlichen" (= objektiven) Aufgabe als st. Rspr. des BGH bezeichnet wird:
X ZR 19/21 schrieb:
Ansatzpunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist das Auffinden des technischen Problems, das aus dem zu entwickeln ist, was die Erfindung gegenüber dem Stand der Technik [!] tatsächlich leistet. Die Ermittlung des technischen Problems ist Teil der Auslegung des Patentanspruchs. Dabei können in der Beschreibung enthaltene Angaben zur Aufgabe der Erfindung einen Hinweis auf das richtige Verständnis des Patentanspruchs enthalten; sie sind ein Hilfsmittel bei der Ermittlung des objektiven technischen Problems (st. Rspr. vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2003 - X ZR 200/99, GRUR 2003, 693 - Hochdruckreiniger; Urteil vom 4. Februar 2010 - Xa ZR 36/08, GRUR 2010, 602 - Gelenkanordnung, Rn. 27; Urteil vom 15. April 2010 - Xa ZR 28/08, GRUR 2010, 607 - Fettsäurezusammensetzung; Urteil vom 1. März 2011 - X ZR 72/08, GRUR 2011, 607 - kosmetisches Sonnenschutzmittel III).


Ausgehend von Dokument nSdT gebe es keinen Hinweis darauf, sich Dokument D2 zuzuwenden, da Dokument nSdT sein [sic] Problem [Spindelverschleiß] bereits selbst löst.
Aber aus meiner Sicht ist hier das Schlüsselwort "Hinweis". Und dies wird ja auch bei BGH 'Staubsauger' als das Relevante herausgestellt.

Die ersten beiden Teilsätze der Einspruchsabteilung mögen ja noch gelungen sein, aber ab dem zweiten Komma nimmt das Fiasko seinen Lauf.

So funktioniert der Problem-Solution-Approach nicht. Es fehlen die drei Schritte
  1. "Differenzbildung Streitpatent minus nSdT"
  2. "Technischer Effekt der Differenzmerkmale"
  3. "Objektive Aufgabe".
Erst ausgehend von der objektiven Aufgabe kann beurteilt werden, ob der Fachmann irgendwo im Stand der Technik einen Hinweis zur Lösung dieser Aufgabe findet, und ob er diesem Hinweis nachgeht (Could-Would).

Die Lösung der Aufgabe eines nSdT-Dokuments durch das Dokument selber ist vollkommen irrelevant zur Beurteilung der Erfindungshöhe eines Streitpatents.
 

B_2020

GOLD - Mitglied
In BGH X ZR 98/09 wird aber in den dem zitierten Absatz nachfolgenden Absätzen genau der Ansatz des BGH beschrieben. Dort kommt es bei der Frage des naheliegens eben weniger auf die Aufgabe an, die sich uns dem Differenzmerkmal ergibt.
Gleichwohl muss natürlich bei der Auffindung des technischen Problems auch auf das Differenzmerkmal abgestellt werden, und was dieses gegenüber dem Stand der Technik tatsächlich leistet.

Das ist aber deutsche Rechtsprechung (auch wenn es bei den beiden Entscheidungen um EP-Patent geht) und entgegen des Titels des Threads geht es jetzt ja um die Praxis beim EPA.

Und in der Tat ist dort der Formalisums ein anderer und ich stimme zu, dass die zitierte Formulierung nicht diesem Formalismus entspricht.
Aber wie es schon geschrieben wurde, kommt es auf das Ergebnis an. Und im Ergebnis kann ich die Feststellung (erfinderische Tätigkeit zu bejahen - da keine Motivation zur Abänderung gegeben -) nachvollziehen.
Im Beschwerdeverfahren könnte es daher zum gleichen Ergbniss mit besserere Begründung kommen.
 
Oben