Angeblich üblicher "Comparative Test" im Rahmen des Problem Solution Approach

Kurt

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Angeblich üblicher "Comparative Test" im Rahmen des Problem Solution Approach

Hallo Forum,

in diversen Entscheidungen der Beschwerdekammer des EPA finde ich das Institut "Vergleichsprüfung" bzw. "Comparative Test", welches im Rahmen der Bestimmung des technischen Effekts der Unterschiedsmerkmale zum SdT "üblicherweise" angewendet werde.

Dieser angeblich übliche Schritt beim Problem Solution Approach scheint mir weder in der Ausbildung noch seither in der Praxis begegnet zu sein.

Weiß jemand näheres hierzu -- ist das möglicherweise eine Spezialität bei der Prüfung von Pharmapatenten?
 
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Pat_Kandidat

SILBER - Mitglied
AW: Angeblich üblicher "Comparative Test" im Rahmen des Problem Solution Approach

Ich vermute es geht um Vergleichsversuche zur Demonstration eines (überraschender, nicht erwarteten) Effektes im Vergleich mit dem nächstliegenden Stand der Technik. Dabei sind die Versuche so zu wählen, dass die angeblichen Vorteile oder günstigen Wirkungen überzeugend auf das Unterscheidungsmerkmal der Erfindung gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik beruhen.

Das ist "Standard" im Bereich "Chemie", sowohl im Prüfungs- als auch im Einspruchsverfahren.

Siehe u.a. : Rechtsprechung der Beschwerdekammern I.D.10.9. Vergleichsversuche
 

Kurt

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AW: Angeblich üblicher "Comparative Test" im Rahmen des Problem Solution Approach

Danke Dir.

Also sind das nur im Bereich Chemie/Pharmazie "übliche" Vergleichsversuche, und der Verfahrensschritt "Comparative Test" ist somit nicht allgemein für den Problem Solution Approach anwendbar bzw. anzuwenden.
 
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Hans35

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AW: Angeblich üblicher "Comparative Test" im Rahmen des Problem Solution Approach

Das mit den "Vergleichsversuchen" ist für den Nicht-Chemiker wohl ein ziemliches Buch mit sieben Siegeln:

Art. 54 lautet: Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört.
und
Art. 56 lautet: Eine Erfindung gilt als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in nahe liegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.

Der Patentanmelder bzw. -Inhaber braucht also gar nichts zu beweisen. Seine Erfindung erfüllt solange diese Voraussetzungen der Patentfähigkeit, wie kein patenthindernder Stand der Technik vorgelegt worden ist.

Nur der Prüfer bzw. der Einsprechende/Nichtigkeitskläger ist in der Pflicht, etwas zu beweisen, also z.B. dass der von ihm genannte Stand der Technik dieselben (und damit ggf. neuheitsschädlichen bzw. die Erfindung nahelegenden) Merkmale und Eigenschaften aufweist, wie der beanspruchte Gegenstand.

Etwas anderes wäre es, wenn der Anmelder/Inhaber die Ausführbarkeit seiner Erfindung beweisen soll. Die ist aber unabhängig vom Stand der Technik. Was also haben die "Vergleichsversuche" mit Neuheit bzw. erfinderischer Tätigkeit (und damit auch mit der Ausgangsfrage) zu tun, bei denen ja ein "Vergleich" zwischen Anmeldungsgegenstand und Stand der Technik durchgeführt werden soll?

Gibt es außerhalb der Chemie irgend etwas Ähnliches? Anscheinend gibt es einen übergeordneten Umstand, der die Beweislastumkehr zur Folge hat.
 

Pat-Ente

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AW: Angeblich üblicher "Comparative Test" im Rahmen des Problem Solution Approach

So wie ich das verstanden habe (bin allerdings kein Chemiker) geht es um den Nachweis eines technischen Effekts der Unterschiedsmerkmale. Das geht offenbar von dem Grundprinzip aus, dass ein Merkmal, das keinen technischen Effekt hat, nicht zur Begründung von erfinderischer Tätigkeit dienen kann, auch wenn es aus dem Stand der Technik nicht (oder nicht in dem Zusammenhang) bekannt ist.



Dieses Grundprinzip gilt in allen Bereichen; in der Regel wird der technische Effekt allerdings argumentativ aus dem Anspruchswortlaut begründet (z.B. "der Bolzen X ermöglicht eine Verbindung der Bauteile Y und Z"). Wenn das nicht geht, d.h. wenn der FM bei Analyse des Anspruchswortlauts keinen technischen Effekt feststellen kann, kann man anscheinend den technischen Effekt experimentell nachweisen.
 

Asdevi

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AW: Angeblich üblicher "Comparative Test" im Rahmen des Problem Solution Approach

Ja, es geht um den technischen Effekt. Der problem-solution approach des EPA verlangt nach der Feststellung der Unterschiede zwischen S. d. T. und Anspruch die Feststellung, welches technische Problem gelöst wird.

Beispiel: Anmeldung beansprucht Verbindung X. Bekannt ist Verbindung Y, der im Vergleich zu X lediglich eine Methylgruppe an einem Phenylring fehlt. Der technische Unterschied ist klar (die Methylgruppe). Welches Problem wird nun dadurch gelöst?

In Abwesenheit weiterer Daten ist das zu lösende technische Problem nur die Bereitstellung einer Alternative zu Y. X ist da nun sowas von nicht erfinderisch, dass man es gar nicht diskutieren muss, denn der Prüfer kann ca. 2 Millionen Publikationen zitieren, aus denen hervorgeht, dass man an einem Phenylring eine Methylgruppe anbringen kann.

Das Patent kriegt der Anmelder nur, wenn er die Lösung eines ambitionierteren technischen Problems nachweist, zum Beispiel „Bereitstellung einer wirksameren Verbindung als Y“. Die Beweislast dafür, dass das technische Problem gelöst wird, liegt aber beim Anmelder. Er muss also die bessere Wirksamkeit beweisen. Dazu dienen die Vergleichstests.
 

Hans35

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AW: Angeblich üblicher "Comparative Test" im Rahmen des Problem Solution Approach

Der "technische Effekt" scheint mir ein Konstrukt zu sein, das die Rechtsprechung geschaffen hat, in Art 52 bis 57 lese ich davon nichts. Ganz im Gegenteil schein mir gewollt, dass der Anmelder sein Patent "automatisch" bekommt, wenn nichts dagegen spricht.

Der "technische Effekt" scheint mir vielmehr ein Aspekt von Art. 83, der Ausführbarkeit der Erfindung zu sein. Die müsste der Anmelder in der Tat im Zweifel nachweisen, im Beispiel also, dass der Phenylring sich tatsächlich an der beanspruchten Stelle anbringen lässt, oder (etwas realistischer) dass sich C-Atome zu einer "fußballartigen Kugel" verbinden lassen.

Wo aber steht, dass man mit einem solchen Stoff irgendetwas "viel besser" machen können muss als im Stand der Technik und so ein "ambitionierteres technisches Problem" gelöst wurde? Ich denke, außerhalb der Chemie dürfte es regelmäßig genügen, dass man irgendetwas lediglich "anders" macht als der Stand der Technik, und dass das dann (unter nicht näher genannten Voraussetzungen) manchmal besser oder billiger ist.

Als Nicht-Chemiker habe ich kein Gefühl dafür, woraus diese zusätzliche Patentfähigkeitsforderung abgeleitet ist. Die Notwendigkeit sehe ich allerdings schon ein, denn wenn es für einen Chemiker an sich immer naheliegend ist, alle denkbaren Liganden an allen möglichen Stellen anzubringen, dann könnten ja in der Chemie sonst überhaupt keine Patente erteilt werden. Mit der Forderung nach dem "technischen Effekt" wird offenbar all der Stand der Technik als nicht-patenthindernd aussortiert, der offenbarte Vorteile der Erfindung nicht selbst bereits aufweist.
 

Pat-Ente

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AW: Angeblich üblicher "Comparative Test" im Rahmen des Problem Solution Approach

@Hans35: Die Forderung nach einem technischen Effekt wird aus Art. 52 abgeleitet, wonach Patente auf Erfindungen "in allen Gebieten der Technik" erteilt werden. Eine Erfindung, die keinen technischen Effekt bereitstellt, ist nicht auf einem Gebiet der Technik und damit dem Patentschutz nicht zugänglich. Das gilt natürlich nicht nur für die Chemie, sondern für alle Gebiete; nur das Thema der Vergleichstests scheint Chemie-spezifisch zu sein. Mit Ausführbarkeit hat das alles nichts zu tun.
 

Hans35

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AW: Angeblich üblicher "Comparative Test" im Rahmen des Problem Solution Approach

@PatEnte: Ich weiß nicht recht. Wenn ich chemische Substanzen zusammenkoche, so dass etwas Neues dabei entsteht, so kann doch kaum jemand bezweifeln, dass das ein technischer Vorgang ist, oder mir ist irgendetwas am Technik-Begriff nicht recht klar.

Geht es evtl. darum, dass ein neuer Stoff bereits deshalb als "nichttechnisch" gelten soll, weil ich ihn z.B. nur synthetisiert habe, um eine Theorie (z.B. wie man einen bestimmten Typ von Reaktionen beschleunigen kann) zu bestätigen oder zu widerlegen, ohne dass ich das Reaktionsprodukt für irgendetwas gebrauchen (und verkaufen) kann? Für das entsprechende Verfahren wäre mir das ja plausibel, aber für den Stoff?

Letztlich ginge das dann aber eher um die gewerbliche Anwendbarkeit (Art. 57), bei der es aber keineswegs üblich ist zu vergleichen, ob man die Gegenstände des Stands der Technik "besser verkaufen" kann als den Anmeldungsgegenstand.
 

Asdevi

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AW: Angeblich üblicher "Comparative Test" im Rahmen des Problem Solution Approach

Wo aber steht, dass man mit einem solchen Stoff irgendetwas "viel besser" machen können muss als im Stand der Technik und so ein "ambitionierteres technisches Problem" gelöst wurde? Ich denke, außerhalb der Chemie dürfte es regelmäßig genügen, dass man irgendetwas lediglich "anders" macht als der Stand der Technik, und dass das dann (unter nicht näher genannten Voraussetzungen) manchmal besser oder billiger ist.

Als Nicht-Chemiker habe ich kein Gefühl dafür, woraus diese zusätzliche Patentfähigkeitsforderung abgeleitet ist.

Es gibt hier kein zusätzliches Patentierungserfordernis. Dass ein „technischer Effekt“ erforderlich ist, ergibt sich aus dem Aufgabe-Lösungs-Ansatz, den das EPA meines Wissens auch auf nicht-chemischen Technologiegebieten verwendet.

Denn der Aufgabe-Lösungs-Ansatz verlangt nun mal, eine Aufgabe zu formulieren, die von der Erfindung gelöst wird. Die Aufgabe muss eine technische Aufgabe sein, und die Lösung dieser Aufgabe kann man auch als „technischen Effekt“ bezeichnen (muss man aber nicht). Jedenfalls ist es aber so, dass nur eine Aufgabe in den Aufgabe-Lösungs-Ansatz einfließen kann, die die Erfindung nachweislich zu lösen im Stande ist.

Um ein nichtchemisches Beispiel zu nehmen:
Die Erfindung richtet sich auf einen Apparat, in dem ein wichtiges Bauteil durch eine Siebenkantschraube befestigt ist. Der S. d. T. offenbart den haargenau gleichen Apparat, jedoch ist das Bauteil mit einer Sechskantschraube befestigt. Der Unterschied ist klar: Die Siebenkantschraube. Frage: Welche Aufgabe wird durch die Verwendung einer Siebenkantschraube gelöst?

Die Schraube befestigt offensichtlich das Bauteil, das tut die Sechskantschraube aber auch. Also ist prima facie die Siebenkantschraube lediglich eine alternative Befestigungsmöglichkeit zur Sechskantschraube. Wenn Siebenkantschrauben bereits im S. d. T. bekannt waren, ist es eine völlig offensichtliche Alternative. Klappe zu, Affe tot.

Um zu einem erfinderischen Schritt zu gelangen, müsste es der Fall sein, dass in diesem speziellen Apparat die Verwendung der Siebenkantschraube irgendeinen technischen Vorteil gegenüber der Sechskantschraube bringt, der aus dem S. d. T. nicht offensichtlich ist. Dann kann nämlich die Aufgabe anders formuliert werden: Nicht mehr das Bereitstellen einer alternativen Befestigungsmöglichkeit, sondern einer besseren Befestigungsmöglichkeit. Wenn schon aus dem S. d. T. hervorgeht, dass die Siebenkantschraube in diesem Fall (warum auch immer) besser sein dürfte, hat der Fachmann einen Anreiz, sie zu verwenden, und die Erfindung ist auch nicht erfinderisch. Da der Vorteil also aus dem S. d. T. nicht offensichtlich sein darf, ist der Anmelder für sein Vorliegen beweispflichtig, wenn er sich darauf beruft. Er muss das in der Anmeldung, oder zumindest in nachgereichten Daten, zeigen. Praktischerweise, indem er die Verwendung von Siebenkantschraube und Sechskantschraube vergleicht und einen Effekt zeigt.
 
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Hans35

*** KT-HERO ***
AW: Angeblich üblicher "Comparative Test" im Rahmen des Problem Solution Approach

Ich weiß nicht, ob das Beispiel "Siebenkantschraube" die Praxis der Vergleichsversuche wirklich verdeutlicht, oder im Gegenteil nur meine Irritation.

Ich denke, der Prüfer in der Mechanik, der bei seiner Recherche nur das Bauteil mit der Sechskantschraube (E1) findet, wird sich bemühen, irgendeinen Stand der Technik zu finden, wo eine Siebenkantschraube zum Einsatz kommt (E2). Die E2 kann dann evtl. nahelegen, auch beim Gegenstand E1 es mit einer Siebenkantschraube zu versuchen, um die aus E2 ableitbaren Vorteile zu erzielen. Findet er aber gar keine solche E2, so wird er nicht verlangen, dass der Anmelder aufzeigt, welches Problem er mit der Verwendung der Siebekantschraube gelöst hat, indem er die E1 mit dem Anmeldungsgegenstand unter dem Aspekt "Sechs- oder Siebenkantschraube" vergleichen soll. Nein, wenn kein SdT mit einer Siebenkantschraube zu finden ist, der sie auch für E1 nahelegen könnte, dann wird erteilt, und fertig.

Anders wäre es vielleicht, wenn Siebenkantschrauben an sich zum lehrbuchmäßigen Fachwissen gehören (also Fachwissen in der Rolle der E2), mit bekannten Vorteilen. Die Erfindung ist dann dadurch nahegelegt. Da hilft es dem Anmelder aber nichts, wenn er noch ganz tolle zusätzliche Vorteile des Anmeldungsgegenstands nachbringt, auf die der Fachmann nicht gekommen wäre. Der beanspruchte Gegenstand ist und bleibt bereits durch die "Lehrbuch-Vorteile" der Siebenkantschraube nahegelegt. Auch hier verlangt der Prüfer keinen Vergleich von E1 und Anspruchsgegenstand, sondern er unterschreibt die Zurückweisung.

Ich vermute, die Sonderrolle der Chemie, die zu den "Vergleichsversuchen" führt, beruht irgendwie darauf, dass man zwar theoretisch genau weiß, welchen Liganden man wo anhängen kann und wo nicht, oder wie man sonst stabile Verbindungen bekommen kann, dass es aber trotzdem immer wieder überraschend ist, welche Eigenschaften die Stoffe haben, die dabei herauskommen.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
AW: Angeblich üblicher "Comparative Test" im Rahmen des Problem Solution Approach

... geht es um den Nachweis eines technischen Effekts der Unterschiedsmerkmale. Das geht offenbar von dem Grundprinzip aus, dass ein Merkmal, das keinen technischen Effekt hat, nicht zur Begründung von erfinderischer Tätigkeit dienen kann, auch wenn es aus dem Stand der Technik nicht (oder nicht in dem Zusammenhang) bekannt ist.

Dieses Grundprinzip gilt in allen Bereichen; in der Regel wird der technische Effekt allerdings argumentativ aus dem Anspruchswortlaut begründet (z.B. "der Bolzen X ermöglicht eine Verbindung der Bauteile Y und Z"). Wenn das nicht geht, d.h. wenn der FM bei Analyse des Anspruchswortlauts keinen technischen Effekt feststellen kann, kann man anscheinend den technischen Effekt experimentell nachweisen.
Wenn das, was am Anspruchsgegenstand über den (nächstkommenden) Stand der Technik hinausgeht, nur auf z.B. ästhetische "Verbesserungen" gerichtet ist und deshalb zum Stand der Technik nichts beiträgt, dann liegt in der Tat keine patentfähige Erfindung vor.

Mich irritiert eigentlich nur, dass dieser Gesichtspunkt bei der erfinderischen Tätigkeit angesiedelt ist, denn wenn ein Merkmal gar nicht technisch ist, dann kann es dem Fachmann durch den Stand der Technik auch nicht nahegelegt sein und so zur Ablehnung der Patentfähigkeit führen.

Im Gegenteil: Wenn der zu beachtende Stand der Technik nachveröffentlicht ist und insofern die erfinderische Tätigkeit keine Rolle spielt, so dürfte auch dann ein bloß nichttechnisches Unterschiedsmerkmal nicht zur Patentfähigkeit führen. Viel mehr ist es bei der Beurteilung der Neuheit auszuklammern, so dass der betreffende Stand der Technik neuheitsschädlich ist. Insofern finde ich z.B. die Entscheidung T 2044/09 im Ergebnis richtig, aber nicht ganz konsequent begründet.
 

patachon

GOLD - Mitglied
AW: Angeblich üblicher "Comparative Test" im Rahmen des Problem Solution Approach

Mich irritiert eigentlich nur, dass dieser Gesichtspunkt bei der erfinderischen Tätigkeit angesiedelt ist, denn wenn ein Merkmal gar nicht technisch ist, dann kann es dem Fachmann durch den Stand der Technik auch nicht nahegelegt sein und so zur Ablehnung der Patentfähigkeit führen.

Dieser Gesichtspunkt ist IMHO bei der erfinderischen Tätigkeit schon richtig angesiedelt. Es geht ja auch bei den Vergleichsversuchen nicht darum, ob das Merkmal technisch ist, sondern ob es einen technischen Effekt hat. Genau wie bei Schraube und Nagel. Beide sind technische Mittel, keine Frage, aber wenn beide in meiner spezifischen Anwendung den selben technischen Effekt haben (an der Wand halten, ohne Relevanz der Schraubverbindung), wird der Nagel in einer Erfindung gegenüber der Schraube nicht erfinderisch sein.

Und in Artikel 56 wurde vorher der relevante Teil gerade nicht hervorgehoben: "...wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt."

Für die Vergleichsversuche verstehe ich das so.
Wenn ich als Chemiker ein Rezept für Substanz xy lese und dann beschließe, ich könnte da nach bestem Wissen und Gewissen auch bei 150 Grad erhitzen statt bei 180, oder noch Substanz z am Ende hinzugeben, ohne dass es die Substanz und deren Wirkung großartig ändert, dann ist das erst mal das, was sich in naheliegender Weise für den Chemie-Fachmann aus dem Stand der Technik ergibt. Erst wenn sein Kochen bei 150 Grad eine überraschend bessere Wirkung etc ergibt, also einen zusätzlichen technischen Effekt, hat er auch wirklich was neues erfunden. V
orher hat er nur im Rahmen seiner Fachkenntnisse gepanscht und keine Änderung erbracht.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
AW: Angeblich üblicher "Comparative Test" im Rahmen des Problem Solution Approach

Für die Vergleichsversuche verstehe ich das so.
Wenn ich als Chemiker ein Rezept für Substanz xy lese und dann beschließe, ich könnte da nach bestem Wissen und Gewissen auch bei 150 Grad erhitzen statt bei 180, oder noch Substanz z am Ende hinzugeben, ohne dass es die Substanz und deren Wirkung großartig ändert, dann ist das erst mal das, was sich in naheliegender Weise für den Chemie-Fachmann aus dem Stand der Technik ergibt. Erst wenn sein Kochen bei 150 Grad eine überraschend bessere Wirkung etc. ergibt, also einen zusätzlichen technischen Effekt, hat er auch wirklich was neues erfunden. Vorher hat er nur im Rahmen seiner Fachkenntnisse gepanscht und keine Änderung erbracht.
Dann wäre das also so zu verstehen:

Eine Druckschrift (oder ein anderer Stand der Technik) offenbart den Anspruchsgegenstand nicht neuheitsschädlich. Gleichwohl kann diese selbe Druckschrift (statt einer zweiten Druckschrift) dem Fachmann nahelegen, den offenbarten Gegenstand auch anders auszugestalten, als als er dort "unmittelbar und eindeutig" beschrieben ist. Das Kriterium dafür, dass dies tatsächlich in naheliegender Weise geschieht - und es dadurch zur patenthindernden Übereinstimmung mit dem Anspruchsgegenstand kommt - , wird darin gesehen, dass dabei kein überraschender "technischer Effekt" entsteht, der zusätzliche Vorteile bringt. Denn wenn ein solcher Effekt tatsächlich nachweisbar ist und auch auf die beanspruchte Abwandlung zurückzuführen ist, so hätte der Fachmann ihn - wenn diese Abwandlung "naheliegend" wäre - beim Nachkochen der Druckschrift bereits auch ohne weiteres aufgefunden und genutzt. Das ist aber nicht geschehen, und sogar der Autor der Entgegenhaltung beschreibt diese vorteilhafte Abwandlung gerade nicht. Darauf stützt sich die Schlußfolgerung, dass diese Abwandlung als "nicht naheliegend" und damit als patentfähig zu beurteilen ist.

In der Chemie sind es dann insbesondere die überraschenden Eigenschaften der Stoffe, die (ausgehend von einem konkreten S.d.T.) beim "Panschen" herauskommen, die einen "technischen Effekt" und damit die Patentfähigkeit bringen können.

Siehe oben:
Ich vermute, die Sonderrolle der Chemie, die zu den "Vergleichsversuchen" führt, beruht irgendwie darauf, dass man zwar theoretisch genau weiß, welchen Liganden man wo anhängen kann und wo nicht, oder wie man sonst stabile Verbindungen bekommen kann, dass es aber trotzdem immer wieder überraschend ist, welche Eigenschaften die Stoffe haben, die dabei herauskommen.
 
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