Änderung des Oberbegriffs als Verstoß gegen Art. 123 (3) EPÜ

Expatriot

GOLD - Mitglied
Hallo miteinander,

@Hans35

Auslegung ist für gewöhnlich nicht starr, sondern ist erforderlich, um eine Subsumtion durchführen zu können. Auch wenn es dem Naturwissenschaftler oder dem Ingenieur in Dir vielleicht widerstrebt, ist eine einmal gefundene Auslegung nicht in Stein gemeißelt, sondern entwickelt sich zusehends weiter. Das bedeutet leider, dass eine Auslegung die gestern noch richtig war, morgen aus irgendwelchen Gründen überholt sein kann.

Du kannst lediglich darauf hinarbeiten, dass Deine Argumente besser sind als die der Gegenseite.

Fun Fact: Mein Patentabteilungsleiter im Amtsjahr hat erzählt, dass der "Schulte" auch nur deswegen beim DPMA benutzt wird, weil er zum Zeitpunkt der Einführung der dünnste und billigste Kommentar war.

@Alfred

Ich gehe davon aus, dass Du erst am Beginn Deiner Ausbildung stehst (siehe Registrierdatum).

Der Begriff "absolut" bzw. "absolutes Recht" bezieht sich darauf, dass es gegen jedermann wirkt. Damit ist noch nicht gesagt, was das Recht bewirkt. Das Patent wirkt gegen jedermann, denn jedem sind die Handlungen des §9 und §10 PatG verboten.

Der Gegenbegriff wäre ein "relatives Recht", das nur zwischen bestimmten Personen wirkt. Beispielsweise gilt die Vorbenutzung nach § 12 PatG nur für den Vorbenutzer gegen den Patentinhaber.

Der Umgang der nationalen Gerichte mit der Erweiterung des Schutzbereichs ist unterschiedlich, allein schon, weil in DE das Trennungsprinzip gilt, das beispielsweise GB und FR fremd ist. Der Knackpunkt ist, dass sich der Schutzbereich nicht abstrakt bestimmen lässt.

Es lässt sich lediglich feststellen, ob eine konkrete angegriffene Ausführungsform in den Schutzbereich fällt oder nicht. Somit kann eine Erweiterung des Schutzbereichs erst dann zuverlässig festgestellt werden, wenn die angegriffene Ausführungsform mit den unterschiedlichen Fassungen von Patentansprüchen verglichen wird.

Dann dürfte das passieren, was PatFragen erläuterte, nämlich dass das Patent für nichtig erklärt wird und zwar auch dann, wenn die Erweiterung durch den Hinweis des Amtes oder eines Gerichts erfolgt ist. Stichwort: unentrinnbare Falle.

Viele Grüße,

Expatriot
 

Alfred

*** KT-HERO ***
@Expatriot
Punkt 5 von G 2/88:
"Als ein dem EPÜ zugrundeliegendes Prinzip ist anerkannt, daß ein Patent, in dem ein Gegenstand per se beansprucht wird, für diesen Gegenstand absoluten Schutz gewährt; d. h. unabhängig davon, wo und in welchem Sachzusammenhang er in Betracht zu ziehen ist (also für jede bekannte oder unbekannte Verwendung dieses Gegenstands)."

Den zweiten Teil des Satzes hätte ich vermutlich beifügen sollen. An besagter Stelle bezieht sich die GBK doch auf den absoluten Erzeugnisschutz (Gegenstand per se).

Das absolute Recht gegen Jedermann schließt jede Benutzungshandlung ein. Darauf stellt meiner Ansicht nach G 2/88 ab, soweit ich es verstehe. Abgesehen davon wirkt jedes Patent gegen Jedermann.

Bei der Beurteilung ob der Kategoriewechsel während des Einspruchsverfahrens von einem Erzeugnis hin zu einer Herstellung, welches nur für die Herstellung des Erzeugnisses geeignet ist, argumentieren die Beschwerdekammern, dass das Erzeugnis auch die Herstellung erfasst und daher der Kategoriewechsel zulässig ist.

Daher ist G 2/88 doch so zu verstehen, dass das EPÜ von einem absoluten Erzeugnisschutz ausgeht. Oder existiert der absolute Erzeugnisschutz nur in Deutschland? Zumindest ist der absolute Erzeugnisschutz im TRIPS verankert, obgleich das EPA nicht Mitglied ist, so wird doch versucht die TRIPS-Normen zu berücksichtigen. Oder existiert der sogenannte absolute Erzeugnisschutz nur in Deutschland?

Beziehst Du dich hinsichtlich des Trennungsprinzip auf die Trennung zwischen Erteilungsverfahren und Patentverletzungsverfahren oder auf die Trennung zwischen Verpflichtungsgeschäft und Verfügungsgeschäft? Und wie ist Deine Aussage im Detail zu verstehen?

Da das EPA und die nationalen Gerichte es unterschiedlich sehen, stellt sich die Frage wie Art 138 d) zu betrachten ist. Art. 138 dient zur Überprüfung der EPA-Entscheidung nach nationalem oder europäischen Recht und wann greifen die nationalen Vorschriften bei EPA-Entscheidungen?
 

Expatriot

GOLD - Mitglied
Hallo Alfred,

jetzt sehe wo meine Verwirrung herrührt. Wir meinen unterschiedliche Absolutheitsbegriffe.

Der Absolutheitsbegriff, den ich meinte betrifft Rechte, beispielsweise das Eigentum. Absolut heißt in diesem Zusammenhang, dass es gegen jedermann wirkt.

Der Absolutheitsbegriff, um den es Dir geht und den die GBK meint, betrifft die Anspruchskategorie. Bei einem Erzeugnisanspruch ist das Erzeugnis, das Gegenstand des Anspruchs ist - unabhängig von seiner Verwendung - absolut geschützt.

Die Verwendung ist nicht zu verwechseln mit den gemäß §§ 9 u. 10 PatG verbotenen Handlungen in Bezug auf den patentierten Gegenstand.

Beispiel: Ein patentierter Locher ist unabhängig davon, ob Du den Locher bestimmungsgemäß zum Lochen oder als Briefbeschwerer verwendest, geschützt. Du kannst eine Patentverletzung also nicht vermeiden, wenn Du den Locher anders benutzt als vorgesehen.

Anders hingegen bei einem Verwendungsanspruch (Verwendung eines Lochers als Briefbeschwerer). Bei diesem ist nur ausdrücklich die Verwendung als Briefbeschwerer verboten; alles andere wäre erlaubt.

Folglich ist die Entscheidung der GBK konsequent. Zuerst ist das Erzeugnis geschützt, unabhängig davon wie es hergestellt wurde und was damit getan wird. Bei einer Änderung auf das Herstellungsverfahren ist nur noch das vom Patentanspruch erfasste Tun zur Herstellung verboten. Weicht der vermeintliche Verletzer hiervon ausreichend ab, ist der Verfahrensanspruch nicht verletzt. Zudem ist aber noch das Erzeugnis als unmittelbares Verfahrensergebnis geschützt, und zwar wieder unabhängig davon, wie es verwendet wird.

Der Schutz ist also in dem Sinne weniger geworden, dass nur noch das beanspruchte Herstellungsverfahren verboten ist und dessen unmittelbares Erzeugnis. Vorher war es das Erzeugnis unabhängig davon, wie es hergestellt wurde.

Alfred schrieb:
Abgesehen davon wirkt jedes Patent gegen Jedermann.
Dem muss ich widersprechen. Ausnahmen finden sich beispielsweise in §§ 11 bis 13 PatG.

Alfred schrieb:
Beziehst Du dich hinsichtlich des Trennungsprinzip auf die Trennung zwischen Erteilungsverfahren und Patentverletzungsverfahren oder auf die Trennung zwischen Verpflichtungsgeschäft und Verfügungsgeschäft?
Trennungsprinzip bezeichnet im Patentrecht üblicherweise die getrennte Zuständigkeit für Rechtsbestandsverfahren (Einspruch und Nichtigkeit) und Patentverletzungsverfahren. Die Aufteilung in Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft nennt man zwar auch Trennungsprinzip, hilft hier aber nicht weiter.

Alfred schrieb:
Und wie ist Deine Aussage im Detail zu verstehen?

Meine Aussage ist, dass es in DE unterschiedliche Auslegungen des Anspruchswortlauts geben kann, weil unterschiedliche Spruchkörper zuständig sind. In anderen Ländern, beispielsweise FR, entscheidet derselbe Spruchkörper über Rechtsbestand und Verletzung was in der Regel dazu führt, dass der Patentanspruch nur einmal ausgelegt wird und zwar so, dass über Rechtsbestand und Verletzung zusammen entschieden werden kann.


Alfred schrieb:
Da das EPA und die nationalen Gerichte es unterschiedlich sehen, stellt sich die Frage wie Art 138 d) zu betrachten ist. Art. 138 dient zur Überprüfung der EPA-Entscheidung nach nationalem oder europäischen Recht und wann greifen die nationalen Vorschriften bei EPA-Entscheidungen?
Der Art. 138 EPÜ verpflichtet die Vertragsstaaten nur die darin angegebenen Nichtigkeitsgründe zuzulassen. Er bietet kein Einfallstor für die Überprüfung der Entscheidungen des EPA durch nationale Gerichte. Das ist im EPÜ meines Wissens auch nicht vorgesehen. Die Überprüfung einer Entscheidung einer Stelle oder Abteilung des EPA erfolgt ausschließlich durch die Beschwerdekammern des EPA. Sobald die Einspruchsfrist abgelaufen oder ein etwaiges Einspruchsverfahren endgültig beendet ist, endet die Zuständigkeit des EPA und die nationalen Zuständigkeiten beginnen.

Viele Grüße,
Expatriot
 

Alfred

*** KT-HERO ***
Hallo Expatriot,

Hypothese:
Nach Art. 123(3) ist die Herstellung (unabhängig vom Verfahren) sowie die Verwendung (Gebrauch) des Erzeugnisses zu berücksichtigen.

Die Begründung für den Kategoriewechsel resultiert meiner Ansicht nach überhaupt erst durch die Tatsache, dass die Herstellung vorher bereits geschützt war. Dann kommt der Schluss, dass nicht mehr sondern sogar weniger, nämlich nur das spezifische Verfahren geschützt ist.

Die Verwendung ist für mich von dem Begriff "Gebrauch" nicht zu unterscheiden.

Der Gebrauch des Erzeugnisses als Briefbeschwerer fällt genauso darunter.

Im Prinzip wird lediglich das Inverkehrbringen und Anbieten des § 9 PatG abgesehen vom Besitzen von G 2/88 nicht berücksichtigt.

Zum Schutzbereich eines Erzeugnisses scheint somit die Herstellung und die Verwendung (Gebrauch) des Erzeugnisses zu gehören.


Die Auslegung in einem Nichtigkeitsverfahren müsste sich an die EPÜ Vorschriften halten ohne Bindung an die EPA-Spruchkörper. Bspw. wird die erfinderische Tätigkeit vor den deutschen Behörden anders beurteilt.

Benkhard (2. Aufl.) Rn 40 zu Art. 138 EPÜ:
"Materielles europäisches Recht (EPÜ). Bei der materiellen Prüfung der Nichtigkeitsgründe ist im Wesentlichen das europäische Patentrecht gemäß EPÜ anzuwenden. Daraus kann jedoch keine Bindung an die Rechtsauffassung des EPA oder dessen ständige Rechtsprechung abgeleitet werden."

Allerdings kann die Schutzbereichserweiterung gemäß BGH bzw. § 9 und 10 PatG aus dem EPÜ überhaupt nicht abgeleitet werden, wie ausgiebig diskutiert. So dürfte die mittelbare Patentverletzung vor dem PatG bzw. BGH nicht betrachtet werden.

Viele Grüße

Alfred
 
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Expatriot

GOLD - Mitglied
Hallo Alfred,

zur Hypothese:

G 2/88 spricht an keiner Stelle von § 9 PatG sondern sagt in 3.3, letzer Absatz, letzter Satz dass "... die nationalen Verletzungsvorschriften der Vertragsstaaten außer Betracht bleiben" können. Folglich kann die Begründung sich nicht auf die Tatsache stützen, dass die Herstellung bereits vorher geschützt war.

Die bessere Argumentation scheint mir folgende zu sein:

Erzeugnisansprüche schützen das "Sein" und Verfahrensansprüche das "Tun". Zusätzlich schüten Verfahrensansprüche das "Sein" soweit es unmittelbar aus dem "Tun" resultiert.

Wenn man jetzt die Anspruchskategorie vom Erzeugnis als solches auf ein Herstellungsverfahren ändert, fehlt der Schutz für das Erzeugnis insoweit, als dessen "Sein" auf einer anderen Herstellung beruht. Daher wurde der Schutzbereich kleiner. Folglich liegt kein Verstoß gegen Art. 123 (3) EPÜ vor.

Beispiel:

Der Anspruch schütze einen "Würfel mit abgerundeten Kanten." - Von diesem Anspruch sind alle Würfel mit abgerundeten Kanten erfasst, und zwar unabhängig davon, woher die Abrundung kommt.

Die geändert Anspruch laute: "Würfelherstellungsverfahren bei dem die Kanten des Würfels rund abgeschliffen werden." - Von diesem Anspruch sind lediglich Würfel erfasst, bei denen die Kanten abgeschliffen wurden. Wenn jemand die Kanten rund fräst, so fällt er nicht mehr in den Schutzbereich dieses Anspruchs; er Schutzbereich wurde somit verkleinert. Folglich sind die Anforderungen des Art. 123 (3) EPÜ erfüllt.

zur Auslegung:

Der BGH ist, was den Kategorienwechsel angeht, wohl streng. In seinem Urteil vom 29.11.2016 - X ZR 91/14, hat der Senat in Rn 34 einen Kategorienwechsel von Vorrichtungs- auf Verfahrensanspruch mit der Begründung abgelehnt, dass eine Änderung des Schutzgegenstandes vorliege. Zwar zitiert der Senat nicht die maßgebliche Rechtsvorschrift, aus meiner Sicht kann es sich aber nur um Art. 123 (3) EPÜ iVm. Art. II § 6 Nr. 4 IntPatÜbkG handeln.

Insofern ist es aus Sicht des BGH nur konsequent, wenn er sich nicht mit den §§ 9 u. 10 PatG befasst, wenngleich ich noch nicht gesehen habe, dass der BGH entschieden hätte, dass das in diesem Zusammenhang nicht relevant oder gar unzulässig sei.

Viele Grüße,
Expatriot
 

Alfred

*** KT-HERO ***
Hallo Expatriot,

der Anspruch auf das "Sein" schließt als fundamentales Prinzip das "Tun" ein.

T 5/90 Entscheidungspunkt 4.6:
"It is a fundamental principle of European patent law appearing in the laws of all 17 member states of the EPC that a claim to a product is also infringed by the manufacture of that product. In changing from a product claim to a process-limited-by-product claim the Board is satisfied that the answer to the test proposed by the Enlarged Board in G 2/88 (EPO OJ 1990, 93) in paragraph 3 of its Reasons "Has the subject-matter of the claims, as defined by their categories in combination with their technical features been extended?" is no. In the same paragraph the Enlarged Board went on to say "It is not necessary to consider the national laws of the Contracting States in relation to the infringement when making such decision, however.""

Der letzte Satz ist nicht richtig, da dies unter Entscheidungspunkt 4 und daher nicht unter denselben Paragraphen abgehandelt wird.

Obwohl der Bezug zu den nationalen Staaten hergestellt wird, ist eindeutig wie in G 2/88 zu entnehmen, dass es sich um ein fundamentales Prinzip des EPÜ handelt, also entkoppelt von den nationalen Vorschriften.

Sofern der Verletzungsbegriff vollständig ausgeklammert werden soll, obwohl eindeutig wird, dass die Herstellung des Produktes auch unter dem EPÜ als Verletzung angesehen wird und es sich somit nicht um reine nationale Erwägungen handelt, kann die Herstellung oder Verwendung gemäß dem absoluten Erzeugnisschutzes auch dem "was" und nicht dem "wie" zugeordnet werden.

In G 2/88 wird folgendes hinsichtlich der Anspruchskategorien folgendes ausgeführt:

2.5 ....
"Betrachtet man die beiden unter Nummer 2.2 genannten grundlegenden Arten von Ansprüchen, so sind die technischen Merkmale eines Anspruchs für einen Gegenstand dessen physikalische Parameter und die technischen Merkmale eines Anspruchs für eine Tätigkeit die physischen Schritte, die diese Tätigkeit definieren. In einigen Entscheidungen der Beschwerdekammern wird auch die Auffassung vertreten, daß die technischen Merkmale in bestimmten Fällen funktionell definiert werden können (siehe z. B. T 68/85, ABl. EPA 1987, 228; T 139/85, EPOR 1987, 229)."

"2.6. Demnach hat der Gegenstand einer beanspruchten Erfindung zwei Aspekte: erstens die Kategorie oder die Art des Anspruchs und zweitens die technischen Merkmale, die seinen technischen Gegenstand ausmachen."

Die Kombination der Kategorie (Gegenstand ("sein") oder Tätigkeit ("Tun")) kann als "was" angesehen werden, wobei die Kategorie Gegenstand auch die Tätigkeit umfasst.

Was in Einklang mit der Aussage in CLB E II 2.6.3, welches sich wie folgt darstellt, sein würde:

Nach der ständigen Rechtsprechung verleiht ein Erzeugnisanspruch allen Verfahren zur Herstellung des Erzeugnisses Schutz, sodass der Wechsel von einem Erzeugnisanspruch zu einem Anspruch auf ein bestimmtes Verfahren oder eine bestimmte Methode zur Herstellung des Erzeugnisses den dadurch verliehenen Schutz nicht erweitert (T 674/02 unter Verweis auf T 54/90, T 28/92, T 468/97, T 554/98; s. auch T 191/90, T 762/90, T 153/91, T 601/92, T 646/98, T 425/02, T 1139/06).

Die Handlung, also die Herstellung ist somit iSd von "was" und nicht unter den Verletzungstatbeständen des § 9 und 10 PatG zu verstehen.


Viele Grüße

Alfred
 

Expatriot

GOLD - Mitglied
Hallo Alfred,

danke für Deine PN. Erstmal sorry, dass es etwas gedauert hat, bis ich antworte, aber es war ein heißer Herbst.

Ich bin so frei und beantworte Deine Fragen aus der PN mal öffentlich, weil ich denke, dass alle davon profitieren können.

Meines Erachtens ist zwischen einem Kategorienwechsel und dem Wechstel des Gattungs-/Oberbegriffs zu unterscheiden. Der Kategorienwechsel bezieht sich unter anderem darauf, wie die Merkmale des Patentanspruchs zu lesen sind und was diese genau unter Schutz stellen sollen. Beispielsweise, dass bei der Kategorie "Vorrichtung" die Merkmale, die ein Tun oder eine Funktion beschreiben, als die Eignung der Vorrichtung gelesen werden während dieselben Merkmale bei der Kategorie "Verfahren" die physische Ausführung des Tuns erfassen.

Der Gattungswechsel ist aus meiner Sicht lediglich insoweit relevant, als Merkmale geändert werden. Wenn ich einen Patentanspruch lese, blende ich die zweiteilige Fassung aus und interessiere mich nur für die Liste der Merkmale, die durch den Patentanspruch umschrieben werden. Ob ein Merkmal des Oberbegriffs oder des Kennzeichens geändert wird, ist grundsätzlich irrelevant.

Bezogen auf G2/88 bin ich der Ansicht, dass eine Vorrichtung unabhängig von ihrer Herstellung oder Verwendung durch einen Vorrichtungsanspruch geschützt ist. Der Aussage "Nach der ständigen Rechtsprechung verleiht ein Erzeugnisanspruch allen Verfahren zur Herstellung des Erzeugnisses Schutz,[...]" kann ich grundsätzlich zustimmen.

Viele Grüße,

Expatriot
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Ich möchte diese alte, etwas ausgeuferte Diskussion nicht wieder aufgreifen, sondern nur auf das heute veröffentlichte Urteil des BGH X ZR 56/17 (Schaltungsanordnung III) vom 20.12.2018 hinweisen. Der BGH bekräftigt darin seine Auffassung zu Änderungen im Oberbegriff im Hinblick auf den Schutzbereich (Art. 123 (3) EPÜ bzw. § 22 PatG), wie sie aus dem "Elektrischen Modul" bekannt sind.

Leitsatz:
Ein Patentanspruch darf im Nichtigkeitsverfahren nicht so verändert werden, dass er einen von der erteilten Fassung nicht umfassten Gegenstand einbezieht (Bestätigung von BGH, Urteil vom 14.September 2004 - X ZR 149/01, GRUR 2005, 145, 146 - elektrisches Modul).

Im Absatz 33 findet sich der Hinweis:
Das Patentnichtigkeitsverfahren eröffnet dem Patentinhaber zwar die Möglichkeit, das Schutzrecht in eingeschränkter Fassung zu verteidigen. Es dient aber nicht darüber hinaus der Gestaltung des Patents. Diese Funktion ist vielmehr allein dem Patenterteilungsverfahren zugewiesen. Deshalb darf ein Patentanspruch im Nichtigkeitsverfahren nicht so geändert werden, dass er einen von der erteilten Fassung nicht umfassten Gegenstand einbezieht.

Absatz 34:
... Im Streitfall stellt Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung eine Schaltungsanordnung zum Betreiben einer Halbleiterlichtquelle unter Schutz. Damit muss die Schaltungsanordnung lediglich zum Betreiben einer Halbleiterlichtquelle geeignet sein, während die Halbleiterlichtquelle in ihrer räumlich-körperlichen Ausgestaltung nicht zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 gehört. ...

Absatz 35:
Patentanspruch 1 in den Fassungen des Hauptantrags ... weist gegenüber Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung die Halbleiterlichtquelle jeweils als einen zusätzlichen Gegenstand auf. Damit wird ... der Schutzbereich auf Schaltungsanordnungen mit einer Halbleiterlichtquelle erweitert.

Auch wer "logisch" in solchen Änderungen nur eine Beschränkung des Schutzbereichs erkennen kann, sollte also davon lieber endgültig die Finger lassen.
 
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