Urheberrecht bei Patentanmeldungen

quiddi

Schreiber
Guten Tag zusammen,

ich hätte mal gerne gewusst, ob es beim Urheberrecht für Patentanmeldungen auch Ausnahmen wie bei Bildungszwecken gibt.

Konkret geht es mir darum, ob ich z.B. Zeichnungen aus Wikipedia in eine Anmeldung übernehmen darf. Für Bildungszwecke kann man dies z.B. einfach machen, sofern man es zitiert.

Gibt es hier für Patentanmeldungen eine ähnliche Ausnahmeregelung? In meinem speziellen Fall: Ich zitiere die Zeichnung aus Wikipedia und gut ist?

Schönen Gruß und Danke
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Noch zur Ergänzung hinsichtlich der Rechtslage bloß in Deutschland siehe Schricker/Loewenheim/Katzenberger/Metzger, 6. Aufl. 2020, UrhG § 5 Rn. 65:
Eine besondere Gruppe rechtserheblicher, durch Abs. 2 vom Schutz ausgenommener veröffentlichter amtlicher Werke sind patentamtliche Offenlegungs-, Auslege- und Patentschriften. Bis zur ersten amtlichen Veröffentlichung können Patentanmeldungen aber urheberrechtlich schutzfähige Werke sein.
Das Problem ist also, dass bei den üblichen Wikipedia-Lizenzen, die für Texte und Medien verwendet werden, eine Lizenzverletzung vorliegt, wenn eine Patentanmeldung für Deutschland von DPMA oder EPA veröffentlicht wird, da der Inhalt der Anmeldung seinen urheberrechtlichen Schutz in Deutschland verliert. Wenn man also nicht im echten gemeinfreien Raum (Public Domain, CC0, etc.) ist, dann ist das nicht durch die Lizenz abgedeckt und damit eine Lizenzverletzung, die eine Urheberrechtsverletzung darstellt.
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Auch wenn ich mich damit in Widerspruch zu Lysios setze:

Ich denke, das Zitierungsrecht des §51 UrhG (https://www.gesetze-im-internet.de/urhg/__51.html) ist nicht auf eine bestimmte Verwendung eingeschränkt und sollte daher auch für Patentanmeldungen gelten, d.h. man dürfte z.B. Ausschnitte aus anderen Werken als Stand der Technik zitieren (natürlich mit Quellenangabe).

Der genannte §5(2) UrhG verlangt ja auch immer noch die Quellenangabe bei der Nutzung und verbietet Änderungen, wodurch auch das darin enthaltene Zitat eines anderen Werkes hinreichend geschützt wäre.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Das Zitat ist tatsächlich zulässig, erfordert aber einen Zitatzweck als entscheidende Voraussetzung. Das läßt sich nur im Einzelfall beurteilen. Nicht zulässig ist es jedenfalls, sich bloß eigene Zeichenarbeit zu ersparen (siehe etwa Schricker/Loewenheim/Spindler, 6. Aufl. 2020, UrhG § 51 Rn. 31).

Änderungsverbot und Quellenangabe helfen tatsächlich etwas, die typischen Lizenzklauseln erzwingen aber insbesondere bei der Weiterverbreitung/Weitergabe Einschränkungen (z.B. gleiche Lizenz und keine Lizenzänderungen durch zusätzliche Klauseln). Genau das hebelt der § 5 Abs. 2 UrhG aus.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Ich denke, für die Frage, ob man mit einer Patentanmeldung die Urheberrechte Dritter verletzen kann, kann die BGH-Entscheidung Fischdosendeckel (I ZR 46/07) zum Wettbewerbsrecht sinngemäß herangezogen werden.

Wenn ich es richtig verstehe, heißt es darin sinngemäß, dass das patentamtliche Verfahren ein "rechtsstaatlich geregelten Verfahren" ist, auf das nicht ein Dritter dadurch Einfluss nehmen kann, dass der Anmelder durch dessen Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche aus einem anderen Recht (Wettbewerbsrecht, oder eben auch: Urheberrecht) in seiner Äußerungsfreiheit eingeengt wird. Und zur Äußerungsfreiheit gehört auch die Formulierung der Anmeldungsunterlagen. Stattdessen gibt es den Anspruch auf Vindikation (§ 8 PatG) und die Rechtsfolgen der widerrechtlichen Entnahme (§ 21 (1) Nr. 3 PatG ).

D.h., der Anmelder sollte weder durch das Wettbewerbsrecht, noch durch das Urheberrecht daran gehindert sein, seine Anmeldung und seine Eingaben so zu formulieren, wie er will.

Etwas anderes ist es wohl, wenn der Inhalt einer PS oder OS für andere als patentrechtliche Verfahren verwendet wird, also z.B. für Werbung.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Die Besonderheit des Urheberrechts ist es gerade, dass Ideen nicht geschützt werden, aber deren konkrete Umsetzung (vorliegend die Abbildung). Das ist ja gerade eine der Begründungen für die Notwendigkeit eines Patentschutzes.

Und da ist es eben schon ein Unterschied ob die komplette Abbildung kopiert wird (Vervielfältigung und/oder Bearbeitung in der Sprache des Urheberrechts genannt), oder nur deren Inhalt diskutiert wird. Bei rein technischen Abbildungen wird wohl i.d.R. keine Urheberrechtsverletzung vorliegen, wenn die Abbildung komplett oder teilweise auf eigene Weise nachgebildet wird.
 

patachon

GOLD - Mitglied
Auch wenn ich mich damit in Widerspruch zu Lysios setze:

Ich denke, das Zitierungsrecht des §51 UrhG (https://www.gesetze-im-internet.de/urhg/__51.html) ist nicht auf eine bestimmte Verwendung eingeschränkt und sollte daher auch für Patentanmeldungen gelten, d.h. man dürfte z.B. Ausschnitte aus anderen Werken als Stand der Technik zitieren (natürlich mit Quellenangabe).
Da sind aber doch sehr starke Einschränkungen. Wissenschaftliche Werke, Zitate in Sprachwerken und Musikausschnitte. Von Bildern aus Wikipedia steht da nichts und als Zitat wird das üblicherweise auch nicht gewertet, wenn man sich nicht erklärend auf das Werk bezieht, oder?
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Da sind aber doch sehr starke Einschränkungen. Wissenschaftliche Werke, Zitate in Sprachwerken und Musikausschnitte. Von Bildern aus Wikipedia steht da nichts und als Zitat wird das üblicherweise auch nicht gewertet, wenn man sich nicht erklärend auf das Werk bezieht, oder?
Das steht aber unter "insbesondere", das schränkt den Anwendungsbereich nicht ein.

Entscheidender ist m.E. eher die Einschränkung "sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist". d.h. man dürfte soviel zitieren, wie man zur Verdeutlichung des Standes der Technik benötigt, aber nicht mehr. Dabei kann man natürlich immer einwenden, dass man die technische Offenbarung des SdT auch in eigenen Worten / mit einer eigenen Grafik wiedergeben könnte und somit nicht auf ein unmittelbares Zitat angewiesen ist; es müsste letztlich im Einzelfall betrachtet werden, ob etwa die identische Übernahme einer Grafik oder eines Fotos gerechtfertigt ist.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Dabei kann man natürlich immer einwenden, dass man die technische Offenbarung des SdT auch in eigenen Worten / mit einer eigenen Grafik wiedergeben könnte und somit nicht auf ein unmittelbares Zitat angewiesen ist; es müsste letztlich im Einzelfall betrachtet werden, ob etwa die identische Übernahme einer Grafik oder eines Fotos gerechtfertigt ist.
Jede Zitierung "in eigenen Worten / mit einer eigenen Grafik" birgt die Gefahr, dass der ursprüngliche Inhalt nicht richtig wiedergegeben wird, weil vielleicht etwas nicht richtig verstanden wurde. Ob das im gegebenen Zusammenhang relevant sein könnte, weiß man leider erst hinterher. Es kann zu Problemen führen, wenn sich ein "Zitat mit eigenen Worten" vom ursprünglichen Inhalt unterscheidet und es sich später herausstellt, dass es auf genau diesen Unterschied ankommt. Daher ist m.E. die Zitierung mit Kopien aus den Originaldokumenten in patentrechtlichen Verfahren in jedem Fall gerechtfertigt, und das gilt insbesondere für die Formulierung von Anmeldungsunterlagen.

Insofern führt § 51 UrhG zu keinem anderen Ergebnis als BGH Fischdosendeckel.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Soweit ich es verstehe, ist die Frage des TE aber nicht auf Verwendung fremder Grafiken für die Illustration des SdT beschränkt. Es geht generell darum, ob man sich für die Erstellung der Zeichnungen der eigenen Anmeldung bei bereits veröffentlichten Werken bedienen darf. In dieser Allgemeinheit dürfte das kaum zutreffen. Für den Sonderfall "Diskussion des SdT" mag anderes gelten.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Ist denn überhaupt ein Fall bekannt geworden, wo jemand einem Patentanmelder mit Hilfe des Urheberrechts Probleme bereiten wollte? Ich kenne da nichts. Ganz bestimmt gab es keine Unterlassungsverfügung gegen eine OS oder PS, das wäre bestimmt in den Ausbildungskanon aufgenommen worden.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Ist denn überhaupt ein Fall bekannt geworden, wo jemand einem Patentanmelder mit Hilfe des Urheberrechts Probleme bereiten wollte?
Die Frage ist doch eher, wieviele Anmeldungen gibt es denn, in denen Abbildungen kopiert wurden? Mir ist das bislang kaum untergekommen. Und in den seltenen Fällen konnte man das als erlaubtes Zitat ansehen.

Überhaupt hast Du eine sehr Deutschland-zentrierte Sichtweise. Eine Anmeldung sollte aber so ausgearbeitet werden, dass man diese weltweit anmelden kann. Ohne genaue Kenntnis der Rechtslage in den verschiedenen Ländern wäre ich da lieber sehr vorsichtig.

Zudem hat man bei Abbildungen das Problem der Übersetzung der darin enthaltenen Textbestandteile in die jeweilige Sprache des Schutzlandes. Davon wird man wohl nur in Einzelfällen abweichen können und den Originaltext in der fremden Sprache belassen können. Auf jeden Fall ist das dann ganz klar eine Bearbeitung, die allein schon technisch Probleme verursacht (ich habe schon genug Probleme mit Nachanmeldungen, bei denen ich nur PDFs für die Zeichnungen erhalte) und erhöhte Hürden hinsichtlich des Zitatzwecks nach dem jeweiligen Urheberrecht im Schutzland mit sich bringt.
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Die Frage ist doch eher, wieviele Anmeldungen gibt es denn, in denen Abbildungen kopiert wurden? Mir ist das bislang kaum untergekommen. Und in den seltenen Fällen konnte man das als erlaubtes Zitat ansehen.

Was man schon häufiger sieht, sind Abbildungen aus anderen Patentpublikationen (zumindest in DE urheberrechtlich unproblematisch) oder aus technischen Standards (IEEE, 3GPP etc.). Die 3GPP Spezifikationen z.B. tragen einen Copyright-Vermerk ("No part may be reproduced except as authorized by written permission. The copyright and the foregoing restriction extend to reproduction in all media"), da müsste man sich also durchaus auf die Zitatfreiheit berufen; andererseits habe ich da auch nie von Bedenken oder Problemen gehört.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Die technischen Standards sind zumindest in Deutschland private Normwerke i.S.d. § 5 Abs. 3 UrhG, der eine Zwangslizenz normiert. In der Praxis muss man ja meist für den Zugang zu den Normwerken sowieso bezahlen (z.B. in Form von Mitgliedsbeiträgen oder Einzellizenzen) und das wird dann wohl pragmatisch so gehandhabt, dass solche Nutzungen in Patentanmeldungen den ganzen Aufwand nicht lohnen, dafür noch eine Extragebühr zu verlangen und einzutreiben.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
... eine sehr Deutschland-zentrierte Sichtweise.
Ich denke, auch vergleichbare Probleme eines Anmelders in irgend einem anderen Land müssten in der Ausbildung erwähnt werden, wenn dies Auswirkungen auf die tägliche Arbeit hat. Aber natürlich kann man zusätzlich Vorsicht üben.
 
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