PCT (Teil-) Prioritäten bei PCT-Kettenanmeldung

B_2020

GOLD - Mitglied
Meiner Meinung ergibt sich folgendes:

01.04.2021 deutsche Patentanmeldung A-DE
Merkmal
A

01.04.2022
deutsche Patentanmeldung A-DE1 mit Prio A-DE
⇨ Rücknahmefiktion für A-DE
keine Veröffentlichtung von A-DE;
Merkmale
A (Priotag 01.04.2022 A-DE1)
B (Erstoffenbarung)

01.10.2022 Veröffentlichung A-DE1

01.10.2022
Anmeldung B-DE mit Prioerklärung A-DE1
⇨ Rücknahmefiktion für A-DE1
⇨ A-DE1 kann zwar nicht vorveröffentlichter SdT sein (§3(1)PatG), gleichwohl aber u.U. nachveröffentlichter SdT (§3(2)PatG)
Merkmale
A (kein Schutz, da A-DE1 neuheitsschädlich §3(2) PatG)
B (schutzfähig, da Zeitrang für B der AT der A-DE1 ist, somit mit Priotag 01.04.2022 A-DE1)
C (schutzfähig per Erstoffenbarung, da kein SdT in Bezug auf C im SV angegeben)
A+C (schutzfähig, da A-DE1 nur älteres Recht nachveröffentlichter SdT, somit nur bei Neuheit relevant, und die A-DE gar nicht vorveröffentlicht ist)


Zur Frage der "Kettenprio" §40(1) letzer Teilsatz PatG

Im Grunde ist es wie @Hans35 und @Marc N. Zeichen schon geschrieben haben.

Meines Wissens gelten keine allzu hohe Hürden bei der Prioerklärung und dem Prüfungsmaßstab durch das Amt. Diese sind - sofern kein SdT. im Priointervall vorhanden ist - auf formale Tatbestandsmerkmale wie Anmelderidentität und Fristwahrung beschränkt. Weiteres - wie bspw. die Prüfung einer Kettenpriorität - bedürfte einer Überprüfung des Erfindungsgegenstandes hinsichtlich eines möglichen Überschusses. Diese Überprüfung wird in der Formalprüfung jedoch nicht vorgenommen, Dies sind materiellrechtliche Fragestellungen und werden nur dann beantwortet, wenn Sie angegriffen werden (angegriffen durch Dritte oder den Prüfer, da er SdT im Priointervall gefunden hat).

So auch die Passage aus 35 W (pat) 26/13 unter II. 2. b) bb) bbb):
Aus dem Vorliegen einer kettenartigen Prioritätsinanspruchnahme darf nicht vorschnell auf das Vorliegen einer Kettenpriorität im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 GebrMG geschlossen werden. Auch eine 2. Anmeldung der Erfindung kann Grundlage eines - weiteren - Prioritätsrechts sein, soweit diese einen Überschuss gegenüber der 1. Anmeldung der Erfindung aufweist (vgl. Schulte/Moufang, PatG, 9. Aufl., § 40 Rn. 18; Bühring, GbrMG, 8. Aufl., § 6 Rn. 39). Hinsichtlich eines solchen Überschusses gilt dann auch eine 2. Anmeldung der Erfindung als 1. Anmeldung der Erfindung. Dies könnte vorliegend der Fall sein, da die hier streitgegenständliche 2. Anmeldung der Erfindung gegenüber der 1. Anmeldung der Erfindung jedenfalls insoweit einen Überschuss (Antragsteller: „Präzisierung“) aufweist, als in ihr als Teil der technischen Lehre erstmals auch Fixierstifte (12) beschrieben werden, die … üblicherweise mit 2 O-Ringen (11) ausgestattet sind ... usw.
Für B liegt in A-DE1 ja ein Überschuss über die A-DE hinaus vor. Für diesen Gegenstand liegt nun keine wirksame frühere Offenbarung in der A-DE vor, insofern konnte die A-DE1 also keine wirksame Priorität aus der A-DE für B erhalten, wodurch das ausschließende Tatbestandmerkmal des §40(1) PatG, letzter Teilsatz nicht zum Tragen kommen kann.
 

B_2020

GOLD - Mitglied
Könnte aus der A-DE1 zunächst ein Gebrauchsmuster abgezweigt werden, dessen Priorität dann die B-DE in Anspruch nimmt – auf diese Weise sollte die Rücknahmefiktion für die A-DE1 umgangen werden können?

Ja, das ist richtig, da die Rücknahmefiktion bei Anmeldungen "nur" innerhalb derselben Schutzrechtsgattung gilt.
Möglich wäre auch noch, dass die A-DE1 vor der Anmeldung der B-DE erteilt wird, dann gibt es auch keine Fiktion mehr.
 

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
Könnte aus der A-DE1 zunächst ein Gebrauchsmuster abgezweigt werden, dessen Priorität dann die B-DE in Anspruch nimmt – auf diese Weise sollte die Rücknahmefiktion für die A-DE1 umgangen werden können?
Ja, das ist richtig, da die Rücknahmefiktion bei Anmeldungen "nur" innerhalb derselben Schutzrechtsgattung gilt.
Selbst wenn das abgezweigte Gebrauchsmuster ebenfalls der Rücknahmefiktion unterliegen würde, wäre damit immer noch die Aufgabe gelöst, für das Merkmal B aus der Anmeldung B-DE den Anmeldetag der A-DE1 in Anspruch nehmen zu können, ohne dass Letztere als zurückgenommen gilt.

Fragt sich nur, warum steht die Möglichkeit der Gebrauchsmusterabzweigung zur Abwendung der Rücknahmefiktion nicht im Busse?
Wenn die Rücknahmefiktion für die A-DE1 verhindert werden soll, muss gemäß Busse/Keukenschrijver 2016:
die frühere Anmeldung [A-DE1] zunächst geteilt und dann die Priorität entweder der Stamm- oder der Teilanmeldung beansprucht werden
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Fragt sich nur, warum steht die Möglichkeit der Gebrauchsmusterabzweigung zur Abwendung der Rücknahmefiktion nicht im Busse?
Es dürfte sehr selten vorkommen, dass man mit der Prio-Anmeldung etwas Sinnvolles anfangen kann, was nicht auch die Nachanmeldung leistet. Die Frage erscheint mir daher akademisch. Übrigens, wenn man da einen positiven Bescheid hat, den man nicht verlieren will, dann sollte man jedenfalls eine Anhörung beantragen, die rechtzeitig vor Ablauf des Priojahres stattfindet und in der die Erteilung verkündet werden kann; denn § 40(5) hat bei bereits erteilten Patenten keine Wirkung.

Ich weiß auch nicht, woher Busse die Information über seinen "Trick" mit der Teilung hat, d.h. ob das DPMA das tatsächlich so handhabt und ob es insbesondere egal ist, ob man die Priorität aus der Stammanmeldung oder aus der Teilanmeldung entnimmt. Zudem könnte § 40 (5) auch so ausgelegt werden, dass die Teilanmeldung ebenfalls untergeht.

Bei der Abzweigung habe ich Zweifel, ob die Inanspruchnahme der Priorität des Gbm funktionieren kann, denn das Gbm enthält ja nicht die Erstoffenbarung. Wenn man aber stattdessen die Priorität der (ursprünglichen) Patentanmeldung in Anspruch nimmt, dann bleibt nur ein Gbm und nicht eine Patentanmeldung übrig.
 
Zuletzt bearbeitet:

Hans35

*** KT-HERO ***
Gerade bin ich auf die Entscheidung 10 W (pat) 8/00 gestoßen, nach der die Inanspruchnahme der Priorität aus einer Teilanmeldung formal wirksam ist (und damit auch zur Rücknahmefiktion führt). Ob sie auch materiell wirksam ist, d.h. ob die Teilanmeldung die Eigenschaft der "Erstoffenbarung" aus der Stammanmeldung übertragen bekommt, ist damit nicht gesagt und wird in der Entscheidung ausdrücklich ausgespart.
 

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
Es dürfte sehr selten vorkommen, dass man mit der Prio-Anmeldung etwas Sinnvolles anfangen kann, was nicht auch die Nachanmeldung leistet. Die Frage erscheint mir daher akademisch.

Vorliegend sei es so, dass die dritte Anmeldung B-DE sich schwerpunktmäßig mit C bzw. A+C befasst, während A und B allenfalls nochmals allgemein beschrieben werden.
01.04.2021 deutsche Patentanmeldung A-DE
Merkmal
A

01.04.2022
deutsche Patentanmeldung A-DE1 mit Prio A-DE
⇨ Rücknahmefiktion für A-DE
⇨ keine Veröffentlichtung von A-DE;
Merkmale
A (Priotag 01.04.2022 A-DE1)
B (Erstoffenbarung)

01.10.2022 Veröffentlichung A-DE1

01.10.2022
Anmeldung B-DE mit Prioerklärung A-DE1
⇨ Rücknahmefiktion für A-DE1
⇨ A-DE1 kann zwar nicht vorveröffentlichter SdT sein (§3(1)PatG), gleichwohl aber u.U. nachveröffentlichter SdT (§3(2)PatG)
Merkmale
A (kein Schutz, da A-DE1 neuheitsschädlich §3(2) PatG)
B (schutzfähig, da Zeitrang für B der AT der A-DE1 ist, somit mit Priotag 01.04.2022 A-DE1)
C (schutzfähig per Erstoffenbarung, da kein SdT in Bezug auf C im SV angegeben)
A+C (schutzfähig, da A-DE1 nur nachveröffentlichter SdT, somit nur bei Neuheit relevant)

Durch die zwei Prio-Inanspruchnahmen gelten beide Patentanmeldungen A-DE und A-DE1 als zurückgenommen. Schutz für B könnte in diesem Fall nur noch auf die dritte Anmeldung B-DE gestützt werden, Schutz für A wäre nicht mehr möglich.

Wird also die A-DE1 nicht geteilt oder ein Gebrauchsmuster daraus abgezweigt, so müsste m.E. mindestens sichergestellt werden, dass die B-DE die gesamte Offenbarung auch der A-DE1 enthält, um nicht etwaigen Schutzbereich z.B. für A+B zu verlieren. Schutz für A alleine scheint auch in diesem Fall nicht mehr möglich zu sein.

Bei der Abzweigung habe ich Zweifel, ob die Inanspruchnahme der Priorität des Gbm funktionieren kann, denn das Gbm enthält ja nicht die Erstoffenbarung.

Bezüglich des Merkmals B sollte für das Gebrauchsmuster die Erstoffenbarung zumindest fingierbar sein, da es denselben Inhalt und Zeitrang 01.04.2022 wie die A-DE hat, welche (ebenfalls) die Erstoffenbarung des Merkmals B enthält.
 
Zuletzt bearbeitet:

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
Könnte aus der A-DE1 zunächst ein Gebrauchsmuster abgezweigt werden, dessen Priorität dann die B-DE in Anspruch nimmt – auf diese Weise sollte die Rücknahmefiktion für die A-DE1 umgangen werden können?
Ja, das ist richtig, da die Rücknahmefiktion bei Anmeldungen "nur" innerhalb derselben Schutzrechtsgattung gilt.
Möglich wäre auch noch, dass die A-DE1 vor der Anmeldung der B-DE erteilt wird, dann gibt es auch keine Fiktion mehr.

Hiergegen und mit Hans35:
Bei der Abzweigung habe ich Zweifel, ob die Inanspruchnahme der Priorität des Gbm funktionieren kann, denn das Gbm enthält ja nicht die Erstoffenbarung.
... scheint sich Schennen in GRUR 1987, 222 auszusprechen:
Eine abgezweigte Gebrauchsmusteranmeldung kann, um nur eine Rechtsfolge zu erwähnen, die es ausschließt, § 5 GbmG n. F. ["neue Fassung" vom 28.08.1986, Vorgängerfassung 02.01.1968] als gesetzliche Fiktion einer früheren Anmeldung zu verstehen, nicht mehr Grundlage für einen Prioritätsanspruch sein. Grund hierfür ist nicht das Verbot der Kettenpriorität, da es sich ja bei § 5 GbmG n. F. nicht um eine Priorität handelt, sondern die Tatsache, daß die Gebrauchsmusteranmeldung dann nicht mehr die erste Hinterlegung darstellt. Anders als eine Gebrauchsmusterhilfsanmeldung, deren Priorität gesondert in Anspruch genommen werden kann [Benkard-Ballhaus, PatG/GbmG, § 40 PatG Rdn. 6], ist eine Abzweigungsanmeldung weder mit dem tatsächlichen noch mit dem in Anspruch genommenen Anmeldetag prioritätsbegründend. Es bleibt natürlich die Möglichkeit, eine Priorität aus der zugrundeliegenden Patentanmeldung herzuleiten.
 

B_2020

GOLD - Mitglied
Also formal und prozessual sehe ich darin keine Probleme und habe auch keine Zweifel.
Die Frage war doch (oder täusche ich mich) wie die Rücknahmefiktion verhindert werden kann und dennoch eine Priorität erklärt werden kann.

Die Frage die @Hans35 zurecht aufgeworfen hatte, war ja eine andere.
Denn problematisch wird es bei der Betrachtung der materiell-rechtlich Wirksamtkeit der Inanspruchnahme der Priorität, also ob Zeitrang bei einer Neuheitsbetrachtung und erfinderischen Tätigkeit/Schritt verschoben wird.

Hier gibt es Zweifel - so auch bekanntermaßen in BPatG 10 W pat) 1/05 geäußert -, ob eine Abzweigung trotz (oder vlt. gerade wegen der Fiktion) eine erste Anmeldung darstellen kann.

In der Praxis wird es jedoch (leider) gelebt und gemacht, da sich diese Frage immer erst bei einem SdT im Priointervall stellt und sofern ausgehend von diesem die Patentierfähigkeit in Frage gestellt wird (Dritten oder Amt).

Ich halte diese Praxis aus vielerlei Hinsicht für problematisch, bin also der Auffassung, dass materiell-rechtlich die Prio "nicht gezogen werden kann".

Angnommen folgender Fall:

01.03.2021: Einreichung P-DE1, eine Patentanmeldung mit Gegenstand A

01.06.2021: Einreichugn der G-DE1,eine Gebrauchsmusterabzweigung, bei der aber ein Überschuss (B) hinzugefügt wurde, also A, B und A+B offenbart sind (bekannt ist, Abzweigung wirksam für A, B und A+B, aber für Überschuss keine Rechte hieraus ableitbar BGH Momentanpol)

01.02.2022: Einreichung einer P-DE2, eine Patentanmeldung mit A, B und A+B , und die Priorität der G-DE1 (nicht der P-DE1) wird erklärt.

Wenn man nun die annähme, dass die P-DE2 kann auch materiell-rechtlich die Prio der Abzweigung "ziehen" kann und die Abwzeigung samt AT zuerkennung wirksam ist, was würde dies dann für den Zeitrang für B und A+B bedeuten?

Da zudem in der P-DE2 nur die Abschrift der G-DE1 beizufügen ist, wie kann ein Dritter je herausfinden, ob die Abzweigung erweitert wurde? Es gibt ja durchaus Fälle, bei denen die G-DE1 und P-DE1 nicht veröffentlicht werden, somit auch keine Akteneinsicht möglich wäre.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Die Frage der materiellen Wirksamkeit der Priorität stellt sich immer erst bei einem SdT im Priointervall, sofern ausgehend von diesem die Patentierfähigkeit in Frage gestellt ist .
... Ich halte diese Praxis aus vielerlei Hinsicht für problematisch, ... .
Diese Praxis ist jedenfalls alternativlos. Denn andernfalls müsste die Wirksamkeit der Priorität ja im voraus für alle nur denkbaren Patentansprüche geprüft und ggf. nach Wirksamkeit aufgeschlüsselt werden. Das würde einen weitgehenden Einstieg in die Offenbarung von Prioanmeldung(en) und Nachanmeldung erfordern, die zudem noch in verschiedenen Sprachen abgefasst sein können. Dies, ohne dass es hierzu eine Notwendigkeit gibt, denn welche Ansprüche später erteilt werden, oder welche Fassung sie gar in Einspruch oder Nichtigkeit erhalten, ist nicht vorhersehbar.

Das Beispiel zeigt sehr schön, dass es Probleme macht, wenn man die materielle Wirksamkeit der Priorität diskutieren will, ohne dass ein konkreter Patentanspruch vorliegt, von dessen Gegenstand die Erstoffenbarung und alle weiteren Fragen zu prüfen sind, soweit die Patentfähigkeit davon abhängt.

§ 40 (5) PatG kann deshalb nur an die formale Wirksamkeit der Priorität anknüpfen, und genau das ist auch die Aussage von 10 W (pat) 8/00. Natürlich könnte in diesem Beschluss z.B. ergänzend entschieden werden, dass in einer Teilanmeldung prinzipiell gar nichts erstoffenbart sein kann (genauso wenig wie in einer Eingabe oder im sonstigen Akteninhalt), aber was wäre damit gewonnen?
 
Zuletzt bearbeitet:

B_2020

GOLD - Mitglied
Die Frage der materiellen Wirksamkeit der Priorität stellt sich immer erst bei einem SdT im Priointervall, sofern ausgehend von diesem die Patentierfähigkeit in Frage gestellt ist .

Diese Praxis ist jedenfalls alternativlos. Denn andernfalls müsste die Wirksamkeit der Priorität ja im voraus für alle nur denkbaren Patentansprüche geprüft und ggf. nach Wirksamkeit aufgeschlüsselt werden. Das würde einen weitgehenden Einstieg in die Offenbarung von Prioanmeldung(en) und Nachanmeldung erfordern, die zudem noch in verschiedenen Sprachen abgefasst sein können. Dies, ohne dass es hierzu eine Notwendigkeit gibt, denn welche Ansprüche später erteilt werden, oder welche Fassung sie gar in Einspruch oder Nichtigkeit erhalten, ist nicht vorhersehbar.
Meine Bedenken galten der Praxis die Priorität aus Abzweigungen zu ziehen, entschuldige, falls es hier zu verwirrungen kam.
Denn in der Tat -hier stimme ich dir zu -, die Praxis, die Prüfung der materiell-rechtlichen Wirksamkeit der Prio, erst nachgelagert und im Bedarfsfall zu prüfen, halte ich ebenso für sinnvoll. Alles andere ist nicht zweckführend oder notwendig.

Das Beispiel zeigt sehr schön, dass es Probleme macht, wenn man die materielle Wirksamkeit der Priorität diskutieren will, ohne dass ein konkreter Patentanspruch vorliegt, von dessen Gegenstand die Erstoffenbarung und alle weiteren Fragen zu prüfen sind, soweit die Patentfähigkeit davon abhängt.

§ 40 (5) PatG kann deshalb nur an die formale Wirksamkeit der Priorität anknüpfen, und genau das ist auch die Aussage von 10 W (pat) 8/00. Natürlich könnte in diesem Beschluss z.B. ergänzend entschieden werden, dass in einer Teilanmeldung prinzipiell gar nichts erstoffenbart sein kann (genauso wenig wie in einer Eingabe oder im sonstigen Akteninhalt), aber was wäre damit gewonnen?
In der Tat ist bei der Rücknahmefiktion nur auf formale Aspekte zu prüfen. Nach Rspr. kann auch nicht geprüft werden, ob nun die Nachanmeldung nur einen Teil wieder aufnimmt oder alles. Die Rücknahmefiktion gilt immer.

Diese Rücknahmefiktion hat m.E. jedoch rein gar nichts mit der materiell-rechtlichen Wirksamkeit der Priobeanspruchung zu tun.
Hier ist m.W. noch nicht geklärt, ob eine Prio einer Gebrauchsmusterabzweigung(sanmeldung) materiell-rechtlich wirksam in Anspruch genommen werden kann. 10 W (pat) 1/05 hatte hier ja Zweifel angemeldet (es eher verneint), musste es aber nicht entscheiden.
Wenn man nun aber ein Analogon der Gebrauchsmusterabzweigung(sanmeldung) zur Teilanmeldung ziehen wollte, könnte man zu dem Schluss gelangen, dass eine Prio auch bein einer Gebrauchsmusterabzweigung(sanmeldung) materiell-rechtlich wirksam in Anspruch genommen werden kann, wenn dies auch bei einer Teilanmeldung möglich ist.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Wenn man nun aber ein Analogon der Gebrauchsmusterabzweigung(sanmeldung) zur Teilanmeldung ziehen wollte, könnte man zu dem Schluss gelangen, dass eine Prio auch bein einer Gebrauchsmusterabzweigung(sanmeldung) materiell-rechtlich wirksam in Anspruch genommen werden kann, wenn dies auch bei einer Teilanmeldung möglich ist.
Ein vollständige Übereinstimmung sehe ich nicht:

Das Einreichen einer Teilanmeldung ist (zumindest in DE) eine prozessuale Erklärung, mit der das Anlegen einer (Teilanmeldungs-)Akte erreicht wird, wodurch die ursprüngliche (Stamm-)Anmeldung derart gestaltet wird, dass nun zwei (oder mehrere) Patente auf diese Anmeldung erteilt werden können, und zwar mit identischen Rechten aus (älteren) Prioritätsanmeldungen. Es wird aber nichts offenbart, was ein neues Prioritätsrecht begründen könnte, das in einer späteren Anmeldung in Anspruch genommen werden kann; vielmehr wäre in der Teilanmeldung eine Erweiterung des Gegenstands der Stammanmeldung unzulässig. Das ist nicht anders als bei einer sonstigen Änderung der Anmeldungsunterlagen, egal ob sie sich im Rahmen der Ursprungsoffenbarung halten oder nicht.

Bei einer Gebrauchsmusterabzweigung - so wie ich es lese - wird hingegen zunächst einmal eine "normale" Anmeldung getätigt, die auch ein Prioritätsrecht für eine spätere Anmeldung begründen kann, wenn in ihr etwas erstmalig offenbart ist. In dieser Gbm-Anmeldung kann dann gemäß § 5 (1) S.1 GebrMG eine Erklärung zwecks Abzweigung abgegeben werden; diese begünstigt den Anmelder in der Frage, was dem Gbm als Stand der Technik entgegengehalten werden kann, sofern der zu beurteilende Gegenstand aus beiden Anmeldungen hervorgeht. Ein "Überschuss" in den Unterlagen vom Anmeldetag des Gbm ist aber nicht unzulässig, sondern er genießt nur dieses Recht nicht, weil der betreffende Gegenstand in der Patentanmeldung nicht offenbart ist.
 

B_2020

GOLD - Mitglied
Ein vollständige Übereinstimmung sehe ich nicht:

Das Einreichen einer Teilanmeldung ist (zumindest in DE) eine prozessuale Erklärung, mit der das Anlegen einer (Teilanmeldungs-)Akte erreicht wird, wodurch die ursprüngliche (Stamm-)Anmeldung derart gestaltet wird, dass nun zwei (oder mehrere) Patente auf diese Anmeldung erteilt werden können, und zwar mit identischen Rechten aus (älteren) Prioritätsanmeldungen.
Soweit identisch zur Gebrauchsmusteranmeldung samt Abzweigungserklärung.
Es wird aber nichts offenbart, was ein neues Prioritätsrecht begründen könnte, das in einer späteren Anmeldung in Anspruch genommen werden kann;
Ein Überschuss ist in der Abzweigung aber aufgrund der Fiktion der Inanspruchnahme des AT der Patentanmeldung nach §5(1) nicht vorgesehen. Hierzu später mehr
vielmehr wäre in der Teilanmeldung eine Erweiterung des Gegenstands der Stammanmeldung unzulässig.
Rechtsfolge des Überschusses in der Abzweigung durch BGH Momentanpol geregelt.
Das ist nicht anders als bei einer sonstigen Änderung der Anmeldungsunterlagen, egal ob sie sich im Rahmen der Ursprungsoffenbarung halten oder nicht.

Bei einer Gebrauchsmusterabzweigung - so wie ich es lese - wird hingegen zunächst einmal eine "normale" Anmeldung getätigt, die auch ein Prioritätsrecht für eine spätere Anmeldung begründen kann, wenn in ihr etwas erstmalig offenbart ist.
Das ist hier jedoch tatsächlich die Frage, ob dies möglich ist, also, ob es sich um eine wirksame Hinterlegung des Überschusses handelt und diese Hinterlegung einen eigenen AT begründet.
In dieser Gbm-Anmeldung kann dann
gleichzeitig
gemäß § 5 (1) S.1 GebrMG eine Erklärung zwecks Abzweigung abgegeben werden; diese begünstigt den Anmelder in der Frage, was dem Gbm als Stand der Technik entgegengehalten werden kann, sofern der zu beurteilende Gegenstand aus beiden Anmeldungen hervorgeht. Ein "Überschuss" in den Unterlagen vom Anmeldetag des Gbm ist aber nicht unzulässig, sondern er genießt nur dieses Recht nicht, weil der betreffende Gegenstand in der Patentanmeldung nicht offenbart ist.
Die Wirkung ist zunächst, dass die Gebrauchmusteranmeldung als AT den AT der Patentanmeldung erhält. Freilich kann dies materiell-rechtlich nur für den Erfindungsgegestand gelten, der auch in der Patentanmeldung offenbart war. Bis hier liegt die Parallelität zur Teilanmeldung.
Nun bietet das PatG die Möglichkeit, bei Hinzufügen eines Überschusses, die Teilanmeldung zurückzuweisen.
Das GebrMG bietet diese Möglichkeit nicht. Zwar fand der BGH dies als eigentlich die richtige Vorgehensweise, das Fehlen einer entsprechenden Rechtsgrundlage bedingte nun die Lösung des BGH (keine Rechte an dem Überschuss).

Wenn man nun diesem Überschuss in der Abzweigung ein Prioritätsrecht zugestehen wollte, stellt sich die Frage, welchen Zeitrang dieser Überschuss bekommt. Grundsätzlich käme der Einreichungstag der Gebrauchsmusteranmeldung samt Abzweigungserklärung in Frage.
Nur bekommt diese Gebrauchsmusteranmeldung eben den Einreichungstag nicht als offiziellen Tag, den ich bspw. dem EPA vorlegen könnte.
 

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
.
Hier ist m.W. noch nicht geklärt, ob eine Prio einer Gebrauchsmusterabzweigung(sanmeldung) materiell-rechtlich wirksam in Anspruch genommen werden kann. 10 W (pat) 1/05 hatte hier ja Zweifel angemeldet (es eher verneint), musste es aber nicht entscheiden.
Ob [die Priorität] auch materiell wirksam ist, d.h. ob die Teilanmeldung die Eigenschaft der "Erstoffenbarung" aus der Stammanmeldung übertragen bekommt, ist damit nicht gesagt und wird in der Entscheidung [10 W (pat) 1/05] ausdrücklich ausgespart.
O.k., da es also bei dem abgezweigten Gebrauchsmuster, und möglicherweise sogar bei der Teilanmeldung offenbar fraglich ist, ob deren jeweils "abgezweigte Priorität" für eine Nachanmeldung wirksam in Anspruch genommen werden kann, bleibt zur Vermeidung der Rücknahmefiktion wohl nur der einzig sichere Weg, die fragliche Anmeldung zu teilen, und dann die Priorität der Ursprungsanmeldung in Anspruch zu nehmen.

Die Ursprungsanmeldung gilt ja dann als zurückgenommen, und es muss stattdessen die Teilanmeldung weiterverfolgt werden.

Was ist dann eigentlich mit den Ergebnissen aus dem schon laufenden Prüfungsverfahren der Ursprungsanmeldung? Sollte man in der Teilanmeldung zur Klarstellung und Erleichterung für den Prüfer mitteilen "die Prüfungsstelle wird gebeten, zu berücksichtigen, dass die vorliegende Teilanmeldung inhaltlich identisch mit der als zurückgenommen geltenden Ursprungsanmeldung ist"?
 
Zuletzt bearbeitet:

Hans35

*** KT-HERO ***
Das ist nicht nötig. In der Teilanmeldung (in DE) wird das Verfahren so fortgesetzt, wie es am Tag der Teilungserklärung in der Stammanmeldung vorliegt. Also muss z.B. ein offener Bescheid auch in der Teilanmeldung beantwortet werden, denn eine Zurückweisung in einer Teilanmeldung kann sich auf einen (vor der Teilung herausgegebenen) Bescheid in der Stammanmeldung stützen, falls die entsprechenden Patentansprüche weiterhin gelten. Da kommt kein weiterer Bescheid, in dem nochmal dasselbe steht.

[Übrigens wird auch bezüglich der Gebühren für die Teilanmeldung das gesamte bisherige Prüfungsverfahren in der Stammanmeldung nachgezeichnet (§ 39 (2) S. 1), also insbes. mit allen Nachzahlungen oder Erstattungen bzgl. der Zahl der Ansprüche und auch mit allen Versäumniszuschlägen zu Jahresgebühren. Einzige Ausnahme: die § 43-Recherchegebühr (vgl. § 39 (2) S. 2).]

Falls ein positiver Bescheid vorliegt (8 oder 9 Monate nach dem AT) wäre meine bevorzugte Variante:
Die Teilung vermeiden und stattdessen den Prüfer*) (telefonisch) um eine Anhörung rechtzeitig vor Ablauf des Priojahres bitten, wo die Erteilung des Patents verkündet werden kann. Dabei kann man ihm ja klarmachen, wieviel einfacher alles dadurch für alle Beteiligten ist, verglichen mit einer Teilung. Die Nachanmeldung (mit Inanspruchnahme der Priorität) darf dann natürlich frühestens einen Tag nach dieser Anhörung eingereicht werden. Falls es mit der Verkündung der Erteilung nicht klappt, kann man dann ja immer noch teilen.

___________
*) Sorry, aber ich gendere prinzipiell nicht.
 

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
Danke @Hans35 für die Infos zur Übernahme der patentamtlichen Vorgänge aus der Stammanmeldung für die Teilanmeldung.

Bitte noch mal kurz zur Prioritätsfrage:
01.11.2016 Anmeldung DE:
Merkmale A, A+1

01.11.2017
Anmeldung PCT1 mit Prio DE:
Merkmale A, A+1; B, A+B

01.05.2018
Veröffentlichung PCT1
2021: Patenterteilung aller Regionalisierungen/Nationalisierungen der PCT1 auf Merkmal A+1

01.05.2018
Anmeldung PCT2 (mit IBR* der PCT1) [ohne die Prio der PCT1 in Anspruch zu nehmen]:
Merkmale A, A+1; B, C; A+B, A+B+C

Frage 1:
Können aus PCT2 noch Schutzrechte auf A+B hervorgehen?
-> Ich meine nein, da PCT1 neuheitsschädlich für PCT2 hinsichtlich der Merkmale A, A+1, B, A+B.
Zu Frage 1:
Für die Erfindung A+B ist PCT1 die Erstanmeldung. Falls in der PCT2 die Priorität aus PTC1 in Anspruch genommen wurde [...], dann kann dort A+B erteilt werden; falls nicht, dann Pech gehabt.

Bezüglich "Pech gehabt": so tragisch ist das ja nicht, da ein Patent auf A+B dann stattdessen aus PCT1 erteilt werden kann.

Oder habe ich etwas übersehen?
 

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
Danke stimmt, ich wusste doch irgendwas war noch.

In einem aktuellen ähnlich gelagerten (nationalen) Fall hingegen sei noch nichts erteilt:

01.07.2021 Anmeldung DE:
Merkmal A

01.07.2022 Anmeldung DE1 mit Prio DE:
Merkmale A, B, A+B

01.01.2023
Veröffentlichung DE1

01.01.2023
Anmeldung DE2
Merkmale A, B, C; A+B, A+B+C

Parallel wie im Ausgangsfall dürfte wieder gelten:
  1. Können aus DE2 noch Schutzrechte auf A+B hervorgehen?
    -> Ich meine nein, da DE1 neuheitsschädlich für DE2 hinsichtlich der Merkmale A, B, A+B

  2. Können aus DE2 noch Schutzrechte auf A+B+C hervorgehen?
    -> Ich meine ja, da DE1 nachveröffentlichter SdT, somit nur bei Neuheit relevant (hinsichtlich A+B).

Aktuelle Frage ist, ob es etwas bringt, in der DE2 die Priorität der DE1 (für A+B) in Anspruch zu nehmen.

Auf den ersten Blick scheint es nichts zu bringen, sondern nur den Nachteil zu haben, dass die DE1 als zurückgenommen gilt?
 
Zuletzt bearbeitet:

Hans35

*** KT-HERO ***
Zu Punkt 1 [nochmal zusammengefasst für alle, die nicht erst alle 38 Beiträge lesen wollen]:
In DE2 wurde "vergessen" (oder wegen falsch verstandenem Prioritätsrecht vermieden), die Priorität aus der DE1 in Anspruch zu nehmen. Bezüglich der Erfindung A+B wäre das keine Kettenpriorität, denn diese Erfindung ist ja in der DE1 erstoffenbart. Ob in der DE1 formal die Priorität aus der DE in Anspruch genommen wurde, spielt für die Neuheit der Erfindung A+B (das ist der "Überschuss" in der DE1 gegenüber der DE) keine Rolle. Nun aber, also ohne in der DE2 die Priorität aus der DE1 zu beanspruchen, wird die DE2 so behandelt, als wäre sie von einem anderen Anmelder als die DE1. Und der Anmelder der DE und der DE1 (zwischen diesen beiden Anmeldungen gibt es eine festgestellte Anmelderidentität infolge der in Anspruch genommenen Priorität) hat die Erfindung A+B eher angemeldet als der Anmelder der DE2. Da geht der Anmelder der DE2 leer aus. M.a.W.: Die DE1 ist als älteres Recht neuheitsschädlich.

Zu Punkt 2:
Die Erfindung A+B+C ist in der DE2 erstoffenbart. DE und DE1 offenbaren diese Erfindung nicht und sind daher daher auch nicht neuheitsschädlich.

Was bringt es, in der DE2 die Priorität aus der DE1 in Anspruch zu nehmen?
- Bei Inanspruchnahme der Priorität bleibt SdT aus dem Prioritätsintervall (zwischen AT der DE1 und AT der DE2) unberücksichtigt (soweit die beanspruchte Erfindung aus der DE1 tatsächlich hervorgeht). Ohne die Inanspruchnahme der Priorität bleibt der AT der DE2 der früheste Tag, ab dem der Anmelder Rechte aus dieser Anmeldung hat.
- Er kann außerdem von Glück sagen, dass die DE1 erst am oder nach dem AT der DE2 offengelegt wird. Denn sonst bekäme er nicht nur nichts bezüglich A+B, sondern es könnte auch A+B+C (ausgehend von der vorveröffentlichten eigenen DE1 mit A+B und durch irgendeinen externen SdT, der C nahelegt) gefährdet sein.
 
Zuletzt bearbeitet:

B_2020

GOLD - Mitglied
Es gibt schon einen Grund die Prio in Anspruch zu nehmen und A+B in der DE2 zu verfolgen (anstatt in der DE1), nämlich den späteren AT, damit die längere Laufzeit.
Ansonsten, dürfte alles gesagt sein.
 
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