Unzulässige Erweiterung

Hans35

*** KT-HERO ***
Inhaltliche Unterschiede zwischen Prioanmeldung und Nachanmeldung sind immer von Übel und können zu Problemen führen:

Wenn in der Nachanmeldung mehr steht als in der Prioanmeldung, dann kann der Zeitrang der Prioanmeldung verloren gehen; vgl. das jüngste Beispiel [BGH X ZR 55/20] , wo ein chinesisches Gbm (!) aus dem Prio-Intervall tödlich ist.

Wenn umgekehrt die Nachanmeldung irgendetwas nicht enthält, was in der Prioanmeldung bereits offenbart wurde, dann ist das nichts anderes als ein entsprechender Verzicht; da kommt es idR erst gar nicht zu einer Erteilung eines auf den "verzichteten" Gegenstand gerichteten Anspruchs. Ein solcher Verzicht wird bei einer professionellen Anmeldung nur vorkommen, wenn es dafür einen wichtigen Grund gibt.

Unter "normalen" Umständen sollte die Nachanmeldung eine genaue und vollständige Kopie bzw. Übersetzung der Prioanmeldung sein, und sonst nichts. Bei jeglichen Unterschieden sollte man genau wissen, was man tut, und man sollte begründen können, warum diese Unterschiede notwendig sind.
 
Zuletzt bearbeitet:

patachon

GOLD - Mitglied
Für Teilanmeldungen in DE scheint es erstaunlicherweise anders zu sein, als z.B. in EP, und es könnte noch eine Chance geben. Ich glaube, ich muss das auch noch mal im Detail nachlesen.

Hier wurde das ganze vor einiger Zeit schon einmal ausführlicher diskutiert, inkl. diverser Quellen:
 

Fragender

GOLD - Mitglied
Im letzten Beispiel hilft das nicht. DE-N offenbart ja nur Gegenstand A, eine Teilungsanmeldung von DE-N auf AB wäre dann wohl ein aliud.
Und DE-P ist rechtskräftig erledigt, kann also nicht mehr geteilt werden (Alternative: erst teilen, dann innere Prio nehmen?). Hoffentlich hat sich in diesem Beispiel die innere Prio gelohnt, aus dem SV ist nicht zu erkennen, warum sie genutzt wurde....
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Die Anmeldungsunterlagen von Anmeldetag geben bei jeder Anmeldung den Gegenstand an, der patentiert werden kann, sofern die Erteilungsvoraussetzungen erfüllt sind. Was an diesem Tag nicht in den Anmeldungsunterlagen steht, kann nicht beansprucht werden, m.W. in keinem Patenamt der Welt. Die Priounterlagen (Abschrift der Prioritätsanmeldung) haben darauf nicht den geringsten Einfluss, auch wenn sie gleichzeitig mit der Anmeldung mit eingereicht werden; für den Anmeldungsgegenstand sind sie Schall und Rauch. Es ist dabei entscheidend, was in den eingereichten Unterlagen als "Anmeldung" bezeichnet wird, und was als "Abschrift der Prioritätsanmeldung" und ob das eindeutig zusammengeheftet wurde.

Die Priounterlagen dienen ausschließlich dazu, dass Stand der Technik aus dem Priointervall einem im Übrigen erteilungsfähigen Anspruch nicht entgegengehalten werden kann.

Im Fall von Teilungsanmeldungen gibt es länderspezifisch zusätzliche Einschränkungen für das, was beansprucht werden kann. Insbesondere darf z.B. in DE die Teilanmeldung nicht über die Stammanmeldung hinausgehen; dafür erhält sie auch die "Priorität der Stammanmeldung" (§39 (1) PatG), was insbesondere bedeutet, dass "fingiert" wird, dass die Anmeldungsunterlagen der Teilanmeldung bereits am AT der Stammanmeldung und in identischer Form eingereicht wurden und die Teilanmeldung bis zum Tag der Teilungserklärung dasselbe Verfahren wie die Stammanmeldung durchlaufen hat. Auch bzgl. der Gebühren für die Teilanmeldung wird das genau nachgezeichnet (§ 39 (2) PatG), überraschender Weise auch z.B. incl. aller Verspätungszuschläge.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Ergänzung:
Wenn umgekehrt die Nachanmeldung irgendetwas nicht enthält, was in der Prioanmeldung bereits offenbart wurde, dann ist das nichts anderes als ein entsprechender Verzicht; ...
R. 36 (3) EPÜ kann man verstehen als besondere Regelung für die Irrtumsanfechtung bei einem solchen "Verzicht". Der Irrtum muss dabei allein aus den Anmeldungsunterlagen (und ohne Vergleich mit den Priounterlagen) so offensichtlich hervorgehen, das er dem EPA bereits bei der Eingangsprüfung (Art. 90) auffällt.

Im DPMA (PatG § 35) gibt es das nicht, so dass das Nachreichen von "fehlenden" Unterlagen nach Ablauf des Priojahres dazu führt, dass die Priorität - bei antragsgemäß verschobenem AT - unwirksam wird, d.h. dass SdT aus dem Priointervall dann doch berücksichtigt werden muss. Entsprechendes passiert nach EPÜ R. 36 (5), wenn der Nachweis, dass das Fehlende vollständig in den Priounterlagen enthalten war, nicht erfolgt.
 

B_2020

GOLD - Mitglied
Ergänzung:

R. 36 (3) EPÜ kann man verstehen als besondere Regelung für die Irrtumsanfechtung bei einem solchen "Verzicht". Der Irrtum muss dabei allein aus den Anmeldungsunterlagen (und ohne Vergleich mit den Priounterlagen) so offensichtlich hervorgehen, das er dem EPA bereits bei der Eingangsprüfung (Art. 90) auffällt.

Im DPMA (PatG § 35) gibt es das nicht, so dass das Nachreichen von "fehlenden" Unterlagen nach Ablauf des Priojahres dazu führt, dass die Priorität - bei antragsgemäß verschobenem AT - unwirksam wird, d.h. dass SdT aus dem Priointervall dann doch berücksichtigt werden muss. Entsprechendes passiert nach EPÜ R. 36 (5), wenn der Nachweis, dass das Fehlende vollständig in den Priounterlagen enthalten war, nicht erfolgt.
Ich denke Hans35 hat es hier in den beiden vorangehenden Posts gut zusammengefasst.

Der zum Patent angemeldte und offenbarte Gegenstand ist nunmal durch die Anmeldung definiert. Entsprechnd bezieht sich Art 123(2), Art 76(1) EPÜ bzw. § 38 PatG eben auf den "Gegenstand der Anmeldung" bzw. "Inhalt der Anmeldung". Das Prio-Dokument hat diesbezüglich nichts zu tun (nimmt man mal die Besonderheit des EPÜ und PCT aus).

Die Ausnahme im EPÜ /PCT ist aber eng auszulegen und ein Spezialfall.
Zunächst muss es ein offensichtliches Fehlen / ein offensichtlicher Fehler sein (bspw. dass R 56(3) EPÜ und nicht R 36(3) EPÜ von Hans35 gemeint war). Zudem kann man aus dem Unterlassen der Aufforderung durch das Amt auch keine Ansprüche herleiten (R 56 (1), letzter Satz EPÜ).
Heißt, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist und Gegenstand B bzw. A+B nicht in den Anmeldungen genannt ist, wird man wohl auch keine Mitteilung vom erhalten, zumindest erscheint es mir nicht offensichtlich, dass Unterlagen fehlen (es kann ja beabsichtigt sein, nur A zu beanspruchen und in einer anderen Anmeldung B zu beanspruchen).

Beim Gebrauchsmuster ist es formal anders, die Prio bei einer auf das Priodokuement erweiterternden Abzweigung dürfte formal halten ebenso wie die Abzweigung an und für sich (BGH Momentanpol), de-facto kommt es aber auf das selbe hinaus, nämlich keine durchsetzbaren Rechtsansprüche bzgl. B oder A+B).
 
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