Immer wieder kommt es vor, dass Markeninhaber die Herausgabe eines registrierten Domainnamens fordern. Dem muss man nicht folgen: es gibt kein Recht auf Übertragung einer „.de“-Domain. In Ausnahmen kann aber die Löschung oder Veränderung der Domain verlangt werden.
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Im Prinzip kann jeder einen Domainnamen auf sich registrieren lassen: Man prüft, ob eine gewünschte Domain noch frei ist, also nicht vergeben, und registriert sich dafür. Zum Streitfall wird das oft erst Jahre später: Entweder fordert der Inhaber einer Marke, der gleichlautende Domainname sei zu übertragen, oder ein ebenfalls Berechtigter an dieser Domain fordert eine solche Übertragung. Gerne wird auch mit rechtlichen Konsequenzen gedroht, sollte man dieser Domainübertragung nicht nachkommen. Zu Recht?
Domain ist Geschäftsabzeichen gleichzustellen
Grundsätzlich weisen Domainnamen keine Namensfunktion auf, sondern sie stellen eine zusätzliche Unternehmenskennung dar. Rechtlich sind sie den sogenannten Geschäftsabzeichen gleichzustellen (Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Auflage, § 5, Rdnr. 64). Darunter versteht man diejenigen Zeichen, die im geschäftlichen Verkehr als Name, als Firma oder als besondere Bezeichnung eines Geschäftsbetriebs oder eines Unternehmens benutzt werden.
Unter Schutz als Unternehmenszeichen können sie dann fallen, wenn sie eine Identifizierungs- und Unterscheidungsfunktion haben (§ 5 Abs. 2 MarkenG). Allerdings werden demnach Zeichen ohne Namensfunktion als Geschäftsabzeichen nur geschützt, wenn sie Verkehrsgeltung erlangt haben.
So weit die Theorie. Umgesetzt in der Praxis – auch zu sehen an den Gerichtsentscheidungen – sieht das wie folgt aus.
Wann ist eine Domain eine Markenrechtsverletzung?
Fangen wir einmal von vorne an: Die bloße Registrierung einer Domain ist keine Markenverletzung, weil nur durch die Registrierung nämlich keine markenmäßige Benutzung stattfindet.
Doch Achtung: Wenn ein sehr bekanntes Unternehmenskennzeichen als Domainname im nichtgeschäftlichen Verkehr registriert wird, stellt bereits die Domainregistrierung laut BGH-Entscheidung shell.de von 2011 einen unbefugten Namensgebrauch nach § 12 BGB dar.
Muss man also vor der Registrierung erstmal prüfen, ob irgendwelche Markenrechte für den Domainnamen existieren? Nein, sicherlich nicht. Die DENIC jedenfalls, die Registrierungsstelle für Top-Level-Domains mit deutschem Länderkürzel, prüft das grundsätzlich nicht. Und das muss die DENIC auch nicht, denn Vergabe und Verwaltung von Domainnamen stellt per se keine Benutzung einer Marke im geschäftlichen Verkehr dar. Nur wenn die DENIC auf einen offenkundigen Rechtsverstoß hingewiesen wird, kann von ihr die Aufhebung der widerrechtlichen Registrierung verlangt werden.
Entscheidend ist der Inhalt der registrierten Domain: Inhaltsleere Homepages stellen laut BGH grundsätzlich keine markenrechtsverletzende Benutzung dar, denn der Domainname ist noch keinen konkreten Waren oder Dienstleistungen zugeordnet; es kann daher auch keine Verwechslungsgefahr vorliegen (BGH, 2008, I ZR 151/05).
Und es spielt auch eine Rolle, wann die Domain registriert wurde: In einem Fall, in dem die Domain vier Jahre früher registriert wurde, als das Zeichen als Unternehmenskennzeichen verwendet wurde, sagte der BGH, dies sei keine rechtswidrige Domainregistrierung, weil es sich nicht um eine konkrete Behinderung des Unternehmens handeln könne (I ZR 82/14).
Die shell.de Entscheidung des BGH macht allerdings deutlich, dass es nicht zulässig ist, einen sehr bekannten Markennamen ohne Berechtigung zu registrieren.
Gleicher Name – Berechtigung für eine Domain?
Ein starkes Argument der Berechtigung an einer Domain ist immer der eigene Name. So war es übrigens auch in der bereits zitierten shell.de Entscheidung: Domaininhaber war Herr Dr. Andreas Shell. Und eigentlich gilt im Fall von mehreren berechtigten Namensträgern für einen Domainnamen das Prinzip „First Come – First Serve“. Da gleiche Interessen bestehen, ist derjenige berechtigt für die Domain, der für sie als erster die Registrierung beantragt hat.
Dieses Prinzip aber wird aufgehoben, wenn es sich um sehr bekannte Namen handelt. Der überragend bekannte Name eines Unternehmens hat Vorrang vor dem gleichnamigen einfachen Bürger, wurde sowohl vom BGH im Fall shell.de (I ZR 138/99) als auch vom OLG Hamm im Fall krupp.de (4 U 135/97) entschieden. Gleiches gilt übrigens auch für berühmte Ortsnamen bzw. Gemeinden.
Entscheidend sind laut BGH für die Beurteilung, ob jemand so berühmt ist, dass er Vorrang auf die Domain hat, dessen überragende Bekanntheit – und ob der Verkehr unter diesem Namen eine Homepage erwartet, gleichzeitig aber der Inhaber der Domain kein besonderes Interesse gerade an dieser Domain nachweisen kann. Sind allerdings beide Parteien ähnlich berühmt, dann soll dies so gelöst werden, dass beide Berechtigte einen Zusatz zur eigentlichen Domain hinzufügen und somit keiner die eigentliche Domain innehat. Alternativ führt man einen langen Rechtsstreit aus, wie dies bei dem Disput zwischen Merck und Merck & Co. der Fall war.
Domaingrabbing: Ziel ist lukrativer Wiederverkauf
Wie steht es rechtlich um das Domaingrabbing, also die Registrierung von Domains mit dem Ziel, sie lukrativ weiterverkaufen zu können – zum Beispiel auch an den Markeninhaber? Ist das rechtlich erlaubt?
In den meisten Fällen ja, denn der Handel mit Domains gilt als zulässige geschäftliche Betätigung, sogar eine Blockierung der Domains, die faktisch vorliegt, rechtfertige keinen Anspruch auf Unterlassung, urteilte der BGH 2016 (I ZR 82/14) – solange der Inhaber den Domainnamen nicht anderweitig verwendet.
In dieser BGH-Entscheidung hatte der Domaininhaber die Domain tatsächlich auch genutzt, nämlich zu einer Weiterleitung auf eine dritte Webseite. Dies sei zwar eine markenmäßige Verwendung und könne grundsätzlich eine geschäftliche Nutzung des Domainnamens begründen, urteilte der BGH und verwies auf Bettinger in Bettinger aaO Rn. DE 149. Weil sich aber das Berufungsgericht damit nicht auseinandergesetzt hatte, hob der BGH dessen Entscheidung auf und verwies zur neuen Verhandlung dorthin zurück.
Grundsätzlich nicht zulässig ist der Handel mit Domains, wenn Unlauterbarkeit im Sinne von Wettbewerbsrecht vorliegt – mit Betonung auf „vorliegt“. Denn Absicht begründet noch keine Verletzungshandlung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b GMV und des Art. 9 Abs. 2 Buchst. b UMV. Konkret bedeutet das, wenn eine Domain für einen Dritten blockiert wird, der z. B. eine gleiche oder ähnliche Marke oder Firma hat, dann ist eine solche Blockierung nicht zulässig. Auch dürfen im Handel mit Domains keine übertrieben hohen Summen gefordert werden . Kurz gesagt: Domaingrabbing ist erlaubt – Brandjacking nicht.
Top-Level-Domain „.com“
Die Registrierung der Top-Level-Domain „.com“ begründet im Übrigen noch keine Vermutung einer geschäftlichen Nutzung. Denn obwohl sie ursprünglich für die gewerbliche Nutzung eingeführt wurde, steht sie allen für eine Registrierung offen (siehe auch Bettinger, Handbuch des Domainrechts).
Viele Streitigkeiten um Domänennamen, die nicht die deutsche Länderkennung „.de“ haben, werden durch das internationale UDRP-Verfahren geltend gemacht und auch beigelegt (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN)) oder auch durch die WIPO. Aber das gilt nicht für Domains mit deutscher Länderkennung „.de“.
Domain eine Markenrechtsverletzung: Anspruch auf Unterlassung?
Man kann also für Domains mit deutscher Länderkennung „.de“ zusammenfassen: Erst wenn Inhalte unter dem Domainnamen publiziert sind, kann eine mögliche Markenverletzung geltend gemacht werden – dann kann auch Anspruch auf Unterlassung bestehen. In solch einem Fall muss jedoch lediglich die verletzende Benutzung des Namens-/Kennzeichenrechts unterlassen werden – nicht aber die weitere Benutzung der Domain.
Konkret muss bei einem berechtigten Unterlassungsanspruch sichergestellt werden, dass die Verwendung der Domainbezeichnung, die einer geschützten Marke entspricht, nicht mehr im geschäftlichen Verkehr zur Kennzeichnung und Bewerbung von Waren oder Dienstleistungen verwendet wird, für die der Markenschutz beansprucht wird. Bei Zuwiderhandlung kann sogar Anspruch auf Schadensersatz bestehen.
Kein Anspruch auf Domainübertragung
Es gibt aber keinen Anspruch auf eine Domainübertragung. Der BGH urteilte bereits in seiner shell.de Entscheidung, dem Berechtigten stehe gegenüber dem nichtberechtigten Inhaber eines Domainnamens kein Anspruch auf Überschreibung, sondern – wenn überhaupt – nur ein Anspruch auf Löschung der Domain zu. Das Recht auf Registrierung eines Domainnamens ist weder vergleichbar mit patentrechtlicher Vindikation nach § 8 Satz 2 PatG noch mit dem Grundbuchberichtigungsanspruch nach § 894 BGB, hatte der BGH deutlich gemacht.
Wenn aber das Kennzeichenrecht (vor allem eines sehr bekannten Unternehmens) bereits durch die Registrierung beeinträchtigt wird, entschied der BGH, könne es nach § 12 Satz 1 BGB die Beseitigung verlangen und beanspruchen, dass der Beklagte gegenüber der DENIC auf den Domainnamen “shell.de” verzichtet.