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Das Luxusgetränk aus der französischen Region Champagne beschäftigt des Öfteren die Gerichte. Nun legte der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 09.09.2021 – C-783/19 – den nationalen Gerichten nahe, dass das Zeichen „Champanillo“ eine widerrechtliche Anspielung auf die geschützte Ursprungsbezeichnung „Champagne“ darstelle.
Hintergrund
„Champagne“ ist eine nach der für geschützte geografische Weinnamen einschlägigen VO (EU) Nr. 1308/2013 eingetragene „geschützte Ursprungsbezeichnung“ (g. U.). Verteidigt wird sie durch die Interessenvertretung der Champagnererzeuger (Comité Interprofessionnel du Vin de Champagne – CIVC). Eine geschützte Ursprungsbezeichnung und den Zusatz „g. U.“ dürfen Agrarerzeugnisse oder Lebensmittel aus einer bestimmten Region oder einem Ort nur tragen, die ihre Qualität oder Eigenschaften überwiegend oder ausschließlich den geografischen Verhältnissen dieser Region einschließlich natürlicher und menschlicher Einflüsse verdanken. „Champagne“ gilt als eine der bekanntesten Ursprungsbezeichnungen.
Sachverhalt
Die Beklagte besitzt Tapas-Bars in Spanien und verwendet zur Bewerbung ihrer Gastronomiedienstleistungen u. a. in sozialen Netzwerken und Broschüren das Zeichen „Champanillo“, unterstützt durch eine Grafik in Form von zwei Gläsern, die mit einem Schaumgetränk gefüllt sind und mit denen angestoßen wird. In den Jahren 2011 und 2015 versuchte die Beklagte, „Champanillo“ als Marke eintragen lassen. Aufgrund der Widersprüche der CIVC aus ihrer geschützten Ursprungsbezeichnung „Champagne“ verweigerte das spanische Patent- und Markenamt dem Zeichen „Champanillo“ den Markenschutz. Bis 2015 vertrieb die Beklagte noch ein als „Champanillo“ bezeichnetes Schaumweingetränk und stellte diesen Vertrieb auf Aufforderung des CIVC ein.
Weiterhin erhob die Champagne-Interessengemeinschaft CIVC Klage vor dem Handelsgericht Barcelona gegen die Tapas-Bar-Betreiberin, da sie der Ansicht war, dass auch die weitere Verwendung des Zeichens „Champanillo“ für Gastronomiedienstleistungen die geschützte Ursprungsbezeichnung „Champagne“ verletze und begehrte die Unterlassung der Verwendung dieses Zeichens in den sozialen Medien, die Entfernung jeglicher Firmenzeichen vom Markt sowie die Löschung des Domainnamens „champanillo.es“. Die Klage der Champagner-Lobby wurde abgewiesen, wogegen sie Berufung einlegte. Das angerufene Audiencia Provincial de Barcelona bat den EuGH um Auslegung mehrerer Rechtsfragen, u. a. auch zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals einer unzulässigen „Anspielung“ auf eine geschützte Ursprungsbezeichnung.
Entscheidung
Der EuGH stellte klar, dass der Schutz einer geschützten Ursprungsbezeichnung weit reiche. Bereits eine Anspielung auf eine geschützte Ursprungsbezeichnung kann widerrechtlich sein: Eine Anspielung liegt schon vor, wenn der fragliche Name beim Verbraucher eine unmittelbare Assoziation zum geschützten Zeichen hervorruft. Klangliche oder visuelle Ähnlichkeit sind für eine Anspielung nicht unbedingt nötig; auch die bloße begriffliche Nähe kann für eine Anspielung ausreichen. Eine geschützte Ursprungsbezeichnung könne zwar nur für Erzeugnisse geführt werden, schützt unter Umständen aber auch gegen eine Verwendung Dritter für Dienstleistungen. Eine unmittelbare Assoziation des Verbrauchers der geschützten Ursprungsbezeichnung zu Dienstleistungen ist nämlich möglich: Der EuGH weist im vorliegenden Falle deutlich auf die große visuelle und klangliche Ähnlichkeit von „Champanillo“ mit „Champagne“ hin und macht darauf aufmerksam, dass „Champanillo“ zur Kennzeichnung von Gastronomiedienstleistungen verwendet wird, also einen Bereich, in dem Champagner erhebliche Bedeutung hat.
„Champan“ ist der spanische Ausdruck für „Champagner“, „illo“ sei eine Verkleinerung, sodass „Champanillo“ „kleiner Champagner“ bedeute. Trotz der klanglichen, optischen und semantischen Ähnlichkeiten zwischen dem geschützten Namen und dem angegriffenen Wort sieht der EuGH aber noch keine „direkte/indirekte Verwendung“ der geschützten Ursprungsbezeichnung, also keine an Identität grenzende Ähnlichkeit zwischen dem geschützten Namen und dem Verletzerzeichen. Auch wenn die Beurteilung der Rechtsfrage einer unzulässigen Anspielung auf eine geschützte Ursprungsbezeichnung dem nationalen Gericht obliegt, spricht sich der EuGH dafür aus, dass ein solcher gedankliche Zusammenhang hier wohl vorliegt.
Ausblick
Der EuGH entwickelt hier seine Rechtsprechung zugunsten eines umfassenden Schutzes der geschützten Ursprungsbezeichnung weiter. Auch die deutschen Instanzen durften sich mehrere Jahre mit Champagner befassen: Erst im Juli dieses Jahres erging das letztinstanzliche Urteil in einem mehrjährigen Rechtsstreit der CIVC gegen einen deutschen Discounter aufgrund Champagner-Sorbet (OLG München, Urteil vom 01.07.2021 – 29 U 1698/14 – Champagner-Sorbet II). Nach dieser Entscheidung sei es eine unzulässige Ausnutzung des Ansehens der geschützten Ursprungsbezeichnung „Champagne“, wenn ein Produkt als „Champagner-Sorbet“ bezeichnet werde, das zwar kleine Mengen Champagner enthält, aber lediglich wie ein Birnen-Sorbet mit einem Hauch Alkohol schmecke.