1. Einführung
In unserer heutigen Geschäftswelt betrachten mehr und mehr Unternehmen ihre Patente betriebswirtschaftlich als einzelne Vermögensgegenstände. Vermögensgegenstände sind im Allgemeinen alle materiellen und immateriellen bilanzierungsfähigen Sachen und Rechte, die einen nachhaltigen vermögenswerten Vorteil über den nächsten Bilanzstichtag hinaus erzeugen. Vermögensgegenstände sind selbständig bewertbar ist und können unabhängig vom Unternehmen einzeln veräußert werden. Für eine erfolgreiche Unternehmensführung ist es daher zwingend erforderlich, wertvolle von wertlosen Vermögensgegenständen unterscheiden zu können.
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Konventionelle Lean-Management- und Lean-Production-Grundsätze zielen hierbei darauf ab, ein Unternehmen so zu organisieren und zu strukturieren, dass die verfügbaren Ressourcen möglichst effizient und ausschließlich für die Erzeugung werthaltiger Vermögensgegenstände eingesetzt werden. Im Gegenzug müssen der unproduktive Einsatz und die Verschwendung der Unternehmensressourcen für schlechte Vermögensgegenstände unbedingt verhindert werden. Dieses Lean-Prinzip wird im Englischen als „Elimination of Waste“ bezeichnet.
Durch die Anwendung dieser etablierten Lean-Strategien sind die Unternehmen in der Vergangenheit in der Lage gewesen, effizienter für ihre Kunden zu produzieren und die eigene Rentabilität und Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. In den letzten Jahrzehnten hat sich das Lean-Konzept daher in nahezu allen integrierten Produktionssystemen der Welt durchgesetzt. Allerdings ist festzustellen, dass diese universellen und allgemeinen ökonomischen Grundsätze eher selten im spezifischen Bereich der Verwaltung von Patenten anzutreffen sind.
Selbst ehemalige Spitzenreiter im Rennen um die Anzahl der erteilten Patente pro Jahr erkennen langsam, dass das Brechen solcher Zahlenrekorde keinen Vermögenswert an sich darstellt. Tatsächlich hat die reine Anzahl an Patenten in einem Portfolio zunächst keinen Einfluss darauf, wie ein Geschäftsmodell beurteilt und bewertet muss. Diese Zahl ist für sich genommen wenig aussagekräftig und könnte ebenso gut durch die Anzahl der Autos im Fuhrpark, die Anzahl der Mitarbeiter oder die Quadratmeterzahl der Forschungseinrichtung ersetzt werden. Es ist eine selbstverständliche Tatsache, dass nicht jedes Patent innerhalb eines Portfolios einen wertvollen Vermögensgegenstand darstellt. Wie bei jedem anderem Vermögensgegenstand kann der Wert eines einzelnen Patents im Allgemeinen von einem negativen Wert, wenn dieses nur Kosten verursacht, bis fast ins Unendliche reichen.
Selbst die Qualität der einzelnen Patentportfolios variiert, da diese jeweils einen unterschiedlichen Bruchteil an wertvollen Patenten beinhalten. Erstaunlicherweise halten Unternehmen oftmals zahlreiche Patente in ihren Portfolios, die aus ihrer eigenen Forschungstätigkeit heraus entstanden sind, für die sie aber niemals einen Cent investiert hätten, wenn sie diese am Markt hätten erwerben müssen.
Genauso wie konventionelle Lean-Konzepte konzentriert sich Lean-IP-Management ausschließlich auf die Schaffung von positiven Vermögensgegenständen und wirtschaftlichem Nutzen für das Unternehmen. Demnach werden ausschließlich Portfolios mit wertvollen Patenten angestrebt, da diese positiven Vermögensgegenstande automatisch zu weiteren wirtschaftlichen Vorteilen führen. Im Gegensatz dazu, verursachen wertlose Patente lediglich Kosten und verschwenden finanzielle und personelle Ressourcen. Je mehr Ressourcen jedoch durch die Beseitigung nutzloser Patente eingespart werden, desto mehr Ressourcen werden frei und können stattdessen wiederum in werthaltige Patente investiert werden. Dadurch entsteht eine Aufwärtsspirale, die den finanziellen Wert des Unternehmens kontinuierlich steigert.
Lean-IP-Management ermöglicht eine kohärente Geschäftsstrategie, bei der Patente nur dort eingesetzt werden, wo sie die größte ökonomische Wirkung entfalten. Daher stellt sich die Frage: Was sind die Kriterien dafür, dass ein Patent ein guter Vermögensgegenstand ist?
Herkömmliche Vermögensgegenstände werden dann als wertvoll bezeichnet, wenn sie drei Kernkriterien erfüllen. Sie sind selbständig bewertbar, nachhaltig und tragen zum wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens bei. Diese allgemeinen ökonomischen Bewertungsmaßstäbe lassen sich leicht auf die Welt der Patente übertragen.
2. Selbständige Bewertbarkeit
Die Selbstständigkeit von Vermögensgegenstanden bedeutet, dass es möglich sein muss, einen Vermögensgegenstand zu identifizieren und von einem anderen zu unterscheiden. Nur dann ist es ist es möglich, einen bestimmten wirtschaftlichen Beitrag zu einem einzelnen Vermögensgegenstand zuzuordnen. Ist ein Vermögensgegenstand dagegen undefiniert, wirkt sich diese Unbestimmtheit automatisch auf seine ökonomische Bewertung aus.
Übersetzt ins Patenrecht bedeutet dies, dass die Ansprüche eindeutig denjenigen Gegenstand angeben müssen, für den Schutz begehrt wird. Sie müssen deutlich und knapp gefasst sein und von der Beschreibung gestützt sein. In diesem Zusammenhang ist jeder Patentanspruch so zu verstehen, dass sich für die einzelnen Wörter die Bedeutung und die Reichweite ergeben, die diese auf dem betreffenden Gebiet normalerweise haben. Klare Ansprüche bedeuten, dass ein Fachmann den geschützten Gegenstand allein aus dem Wortlaut des Anspruchs verstehen und erkennen kann. Nur wenn die beanspruchte Erfindung eindeutig ist, kann diese identifiziert, beurteilt und bewertet werden. Undefinierte Patentansprüche führen daher automatisch zu undefinierten Vermögenswerten. Ein eindeutig definierter Gegenstand ist daher die zentrale Voraussetzung für alle weiteren Schritte der Patentbewertung.
Die Einsparung wertvoller Unternehmensressourcen bedeutet jedoch auch, dass die Patentanmeldung alle weiteren gesetzlichen Bestimmungen erfüllt, um die Kosten im Erteilungsverfahren zu minimieren. Diese rechtliche Qualität kann für jedes Patent grundsätzlich dadurch gewährleistet werden, dass bei der Abfassung der Patentanmeldung die einschlägigen rechtlichen Erfordernisse beachtet werden. Diese dient zudem dazu, unnötige Rechtsunsicherheiten zu vermeiden. Auf den Umfang der Patentanmeldung kommt es hierbei nicht an. Ein Patent mit einem einzigen klaren Anspruch und einer einseitigen Beschreibung kann beispielsweise bereits alle rechtlichen Anforderungen erfüllen und zugleich ein Millionen-Euro-Asset sein. Prägnante, widerspruchsfreie und kurze Patentanmeldungen sind daher im Allgemeinen aus Kostengründen, langen und widersprüchlichen Patentanmeldungen vorzuziehen. Der Schutz eines wohldefinierten und rechtssicheren Gegenstands ist die erste Voraussetzung für ein Patent, das einen positiven Vermögensgegenstand bildet.
3. Nachhaltigkeit
Neben der Bewertbarkeit ist die Dauerhaftigkeit ein gemeinsames und wesentliches Merkmal von positiven Vermögensgegenständen. Vermögensgegenstände, die plötzlich verschwinden, können nicht als effizient und nachhaltig für das Unternehmen betrachtet werden. Dieser Grundsatz gilt auch bei der Patentbewertung. Wertvolle Patente sind dauerhaft und beständig.
Dies bedeutet einerseits, dass die Lebensdauer eines Patents noch ausreichend lang ist, bevor es am Ende seiner maximalen Laufzeit automatisch verfällt. Ein Patent, das nur noch einige Monate aufrechterhalten werden kann, kann niemals einen erfolgreichen Vermögensgegenstand in der Zukunft bilden. Allerdings kann die gesetzliche Restlaufzeit eines Patents bis zu seinem maximalen Laufzeitende nicht beeinflusst werden.
Andererseits ist die Dauerhaftigkeit eines Patents auch dann gewährleistet, wenn eine Nichtigerklärung unwahrscheinlich ist. Patente können beispielsweise für ungültig erklärt werden, wenn ein Stand der Technik gefunden wird, der zu der Einschätzung führt, dass der beanspruchte Gegenstand zum Zeitpunkt der Anmeldung nicht neu war. Um die Nachhaltigkeit eines Patents besser zu beurteilen, können Recherchen zum Stand der Technik durchgeführt werden. Wenn ein relevanter Stand der Technik gefunden wird, ist das Patent als Vermögensgegenstand tendenziell schwach.
Ein starkes Patent, das rechtlichen Angriffen standhält, bildet demgegenüber einen positiven Vermögensgegenstand. Da jedoch alle Recherchen zum Stand der Technik von Natur aus unvollkommen sind, kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass auch nachträglich relevante Dokumente zum Stand der Technik gefunden werden. Die Nachhaltigkeit des Patents ist daher umso eher zu erwarten, je mehr sichergestellt werden kann, dass die beanspruchte Erfindung nicht schon früher offenbart wurde. Je länger ein Patent besteht und je mehr es erfolglos angegriffen worden ist, desto höher kann dieses als Vermögensgegenstand eingestuft werden. Dementsprechend haben gut recherchierte und durch Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren gehärtete Patente eine höhere substanzielle Qualität als solche, die am Freitagnachmittag durch das Erteilungsverfahren gelangt sind. Die Beständigkeit ist daher die zweite Voraussetzung für ein Patent, das einen positiven Vermögensgegenstand bildet.
4. Wirtschaftlicher Beitrag
Der wichtigste Grundsatz für die Patentbewertung ist jedoch, das positive Vermögensgegenstände zum wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens beitragen. Je mehr ein Patent zur Leistung eines Unternehmens beiträgt und je höher sein Einfluss hierbei ist, desto höher muss der entsprechende Vermögensgegenstand bewertet werden. Im Gegensatz dazu wird ein zwar bewertbarer und nachhaltiger Vermögensgegenstand zu einem negativen Vermögensgegenstand, wenn dieser Kosten verursacht, ohne einen monetären oder nicht-monetären Nutzen für seinen Eigentümer zu erzeugen. Wie können wir dieses Bewertungsprinzip auf die Welt der Patente übertragen?
Patente schützen einen bestimmten Gegenstand, d. h. Erfindungen. Ein Patent ist seinem Wesen nach kein Erlaubnisrecht, sondern ein Verbotsrecht. Das bedeutet, dass ein erteiltes Patent dem Inhaber kein Recht auf die Benutzung der Erfindung einräumt, sondern stattdessen ein Recht, das Dritte von der Benutzung ausschließt. Ein erteiltes Patent ermöglicht seinem Inhaber, andere von der Benutzung desjenigen Gegenstandes auszuschließen, der durch die unabhängigen Ansprüche definiert ist.
Doch was nützt ein derartiges Verbietungsrecht, wenn ohnehin niemand an der Benutzung der beanspruchten Erfindung interessiert ist? Ein Verbietungsrecht benötigt nicht nur einen Inhaber, sondern auch einen Adressaten, d.h. jemanden, auf den dieses Recht angewendet werden kann. Ohne einen solchen Adressaten ist das Verbietungsrecht zwar existent, aber nicht durchsetzbar, da es in der Realität keinen möglichen Verletzer gibt. Es besteht keine Notwendigkeit, die Benutzung einer Erfindung zu verbieten, wenn es tatsächlich niemanden gibt, der sie freiwillig nutzen möchte. Folglich ist ein Verbietungsrecht ohne eine Person, die an der Benutzung der geschützten Erfindung interessiert ist, ein wertloser Vermögensgegenstand. In diesem Fall gibt es absolut keinen betriebswirtschaftlichen Grund ein derartiges Patent zu halten. Alle Patente ohne potenzielle Verletzer – jetzt oder in Zukunft – sind daher zweifelsfrei negative Vermögensgegenstände im Sinne Lean-IP-Managements. Diese Patente können keinen positiven Effekt auf die Geschäftstätigkeit des Unternehmens bewirken. Aber unter welcher Voraussetzung könnte ein Dritter an der Benutzung der Erfindung interessiert sein?
Dies ist nur dann der Fall, wenn das Patent eine Innovation schützt, die ein Marktpotenzial aufweist. Dann kann beispielsweise ein Markteilnehmer gefunden werden, der daran interessiert ist, die Erfindung gewinnbringend zu vermarkten. Während Patente ohne möglichen Verletzer negative Vermögensgegenstände sind, sind Patente für Innovationen mit einer hohen kommerziellen Marktnachfrage positive Vermögensgegenstände. Das Marktpotenzial der geschützten Innovation ist die entscheidende Voraussetzung für die Werthaltigkeit des Patents und einen positiven Vermögensgegenstand. Im Gegensatz dazu bilden Patente, die einen Gegenstand ohne Marktrelevanz abdecken, negative Vermögensgegenstände, die finanzielle und personelle Ressourcen verschwenden.
Ein fehlendes Marktpotenzial kann zahlreiche Gründe haben. Bei einem technischen Produkt kann es beispielsweise zu teuer oder zu komplex sein, das Produkt im Verhältnis zum erzielten technischen Effekt herzustellen. Dies ist ein häufig anzutreffender Fall. Ein Anker aus Gold kann zwar eine vorteilhafte technische Wirkung aufweisen, die eine Erteilung eines Patents rechtfertigt, da dieser schneller zu Boden sinkt als andere Anker. Dieser Patentgegenstand kann für sich genommen auch selbständig bewertbar und nachhaltig sein. Goldene Anker sind jedoch zu teuer und werden vorhersehbar niemals ein ökonomisch realisierbares Marktpotenzial haben. Folglich trägt dieses Verbotsrecht nicht zum Unternehmenserfolg bei und bildet einen negativen Vermögensgegenstand.
Ein weiteres Beispiel ist ein Patent für ein bestimmtes Molekül als Arzneimittel zur Behandlung einer weit verbreiteten Krankheit. Dieses Patent kann ein Milliarden-Euro-Asset sein. Ein Patent für ein ähnliches Molekül hingegen, das sich in lediglich einer einzigen chemischen Bindung unterscheidet, kann jedoch ein negativer Vermögensgegenstand sein, wenn es nicht für diesen Zweck verwendet werden kann. Aber auch das Milliarden-Euro-Asset kann am nächsten Tag wertlos werden, wenn die Arznei ihre offizielle Medikamentenzulassung für den Verkauf auf dem Markt verliert.
All dies zeigt deutlich, dass der Wert eines Patents ein direkter Stellvertreter für das kommerzielle Marktpotenzial der beanspruchten Erfindung ist. Wenn die geschützte Erfindung keinen vorhersehbaren Marktwert hat, kann das Patent keinen positiven Vermögensgegenstand bilden. Wenn es keinen Käufer für die geschützte Erfindung gibt, wird es folglich auch keinen Käufer für das entsprechende Patent geben. In diesem Fall ist der Wert des Patents negativ. Dieser Umstand wird von allen gängigen Bewertungsmethoden für Patente derzeit vollkommen außer Acht gelassen.
Wenn der Gegenstand leicht durch ein anderes, einfacheres Produkt ersetzt werden kann, leidet sein Marktpotenzial, ebenso wie der Wert des entsprechenden Patents. Außerdem ist der Wert eines Patents keine statische, sondern eine dynamische Größe. So sinkt zum Beispiel der Wert von Patenten auf CDs (Compact Discs), da auch die Nachfrage für CDs auf dem Markt abnimmt. Der Schutz einer Erfindung mit ausreichendem Marktpotenzial ist somit die dritte Voraussetzung für ein Patent, das einen positiven Vermögensgegenstand bildet.
5. Zusammenfassung
Die Verwaltung von Patent-Vermögensgegenständen sollte den gleichen ökonomischen Grundsätzen wie die Verwaltung jedes anderen Unternehmensvermögens folgen. Lean Management und Lean Production sind äußerst bewährte und erfolgreiche Konzepte in dieser Hinsicht. Lean-IP-Management überträgt diese etablierten Konzepte auf die Welt der Verwaltung von Patenten. Dabei gibt es drei Kernkriterien, um ein Patent positiv zu bewerten und seinen Wert zu beurteilen.
Das wichtigste Kriterium bezieht sich auf die Tatsache, dass nur Patente für Innovationen mit Marktpotenzial als positive Vermögensgegenstände betrachtet werden können. Folglich ist der Wert eines Patents ein direkter Stellvertreter für den Marktwert der geschützten Erfindung. Die beiden anderen Kriterien sind die grundsätzliche Bewertbarkeit und die Nachhaltigkeit, die der rechtlichen und materiellen Qualität eines Patents entsprechen. Diese drei Kriterien ermöglichen es, wertvolle Patente von anderen zu unterscheiden.
Nicht nur im allgemeinen Geschäftsbetrieb, sondern auch im Umgang mit Schutzrechten ist die Vermeidung jeglicher Verschwendung das zentrale und effizienteste Instrument für ein nachhaltiges Wachstum des Unternehmens. Dementsprechend konzentriert sich Lean-IP-Management ausschließlich auf hochwertige Patente und gibt geringwertige auf. Durch konsequentes Aussortieren schlechter Vermögensgegenstände wird der Gesamtwert des Patentportfolios angehoben und die Verwaltung der verbleibenden Patente wird effizienter.
Nicht die Anzahl der Patente ist für den Unternehmenserfolg entscheidend, sondern deren Qualität. Lean-IP-Management ist das Mittel der Wahl für alle Unternehmen, die ihre Mittel so effizient wie möglich einsetzen müssen. Die Größe eines Portfolios ist weniger relevant als seine Wirkung. Diamanten sind wertvoller als Kohle.