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Weitgehende Liberalisierung der berufsrechtlichen Vorschriften für Patentanwälte: Umfassende Reform der Patentanwaltsordnung (PAO) tritt zum 01. August 2022 in Kraft.
In der Vergangenheit waren die Gestaltungsmöglichkeiten zur Berufsausübung für deutsche Patentanwälte sehr eingeschränkt. Demgemäß hatte man im Rahmen einer GbR mit seinen Sozien eine besonders enge Bindung einzugehen, schließlich haftet in einer solchen Gesellschaft der eine auch für die Fehler des anderen. Erleichterung verschafften dem Berufsstand diesbezüglich das Partnerschaftsgesetz von 1994, wobei mit der Sonderform der Partnerschaftsgesellschaft mit begrenzter Berufshaftung 2013 eine weitere Haftungsbeschränkung zugänglich wurde. Daneben ist seit 1998 auch die Patentanwalts-GmbH gesetzlich geregelt.
Ein ähnlicher Trend zur zunehmenden Liberalisierung ist in Bezug auf die interprofessionelle Zusammenarbeit zu beobachten. Obwohl Patent- und Rechtsanwälte sich in einer GbR bzw. Partnerschaftsgesellschaft zu einer „Patent- und Rechtsanwaltskanzlei“ zusammenschließen durften, dürfen Sie dies für den Fall einer GmbH erst seit dem Jahr 2014, nachdem das BVerfG entsprechend entschieden hatte (Beschl. v. 14.01.2014, Az. 1 BvR 2998/11, 1 BvR 236/12). Zuvor hatte man sich für eine der Alternativen „Patentanwaltsgesellschaft“ oder „Rechtsanwaltsgesellschaft“ zu entscheiden, wobei entsprechende Mehrheitsverhältnisse der Gesellschafter und Geschäftsführer gewahrt werden mussten. Das Bundesverfassungsgericht hat 2016 weitere Schranken der interprofessionellen Zusammenarbeit für rechtsberatende Freiberufler eingerissen, als es eine Kooperation von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern zuließ (BVerfG, Beschluss v. 12.1.2016, 1 BvL 6/13). Nachdem in dieser und weiteren Entscheidungen die Unvereinbarkeit geltender Regelungen mit dem Grundgesetz festgestellt wurde, war eine Gesetzesreform überfällig geworden.
Am 1. August 2022 wird nun eine umfassende Neuregelung des Berufsrechtes für Patentanwälte in Kraft treten, wobei die Neuerungen auch die für Rechtsanwälte und Steuerberater relevanten Vorschriften betreffen. Das „Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe“ vom 7. Juli 2021 ermöglicht der Patentanwaltschaft eine weitgehende gesellschaftsrechtliche Organisationsfreiheit, erlegt aber auch neue Pflichten auf. Zudem wird der Kreis sozietätsfähiger Personen wesentlich erweitert, was zu einer gewissen Wettbewerbsverschärfung führen könnte.
Konkret stehen einer Berufsausübungsgesellschaft von Patentanwälten nach der Reform alle deutschen, europäischen und in EU/EWR-Mitgliedsstaaten zugelassenen Gesellschaftsformen zur Verfügung (§ 52b(2) POA nF). Sogar die Gründung mehrstöckiger Gesellschaften wird explizit gestattet sein (§ 52i PAO nF), wodurch Konzernstrukturen errichtet werden können. Erhalten bleiben soll das Fremdbesitzverbot: Eine reine Kapitalbeteiligung an einer zugelassenen Berufsausübungsgesellschaft ohne aktive Mitarbeit ist dem Grundsatz nach nicht möglich.
Des Weiteren wurde vom Gesetzgeber der Kreis der sozietätsfähigen Personen substantiell erweitert. Eine Berufsausübungsgesellschaft kann fortan nicht nur mit Angehörigen der rechtsberatenden Berufe gebildet werden, sondern mit allen in §1(2) PartGG genannten Personen (§ 52c(1) Nr. 4 PAO nF). Somit wird es z. B. möglich sein, dass Rechtsanwälte und Ingenieure als Gesellschafter einer gemeinsamen Berufsausübungsgesellschaft tätig sind und an der Schnittstelle zwischen Technik und Recht beraten. Daneben eröffnet die neue Fassung der PAO die Möglichkeit, dass in Zukunft auch Patentanwälte aus dem nicht-EWR-Ausland (z. B. USA, Japan, China, Korea) in den Kreis sozietätsfähiger Personen aufgenommen werden (§ 52c (1) Nr. 2 iVm §157(1)(2) PAO nF).
Den neuen Freiheiten gehen unter anderem mit der Verpflichtung einher, dass eine Berufsausübungsgesellschaft (abgesehen von Ausnahmen, in denen keine Beschränkung der Haftung der natürlichen Personen vorliegt) von der Kammer zugelassen werden muss und Änderungen der Kammer gegenüber angezeigt werden müssen (§ 52f (1) PAO nF). Im Rahmen des Zulassungsverfahrens kann von der Kammer die Vorlage des Gesellschaftsvertrags oder der Satzung verlangt werden. Eine Zulassungsvoraussetzung besteht darin, dass die Berufsausübungsgesellschaft eine eigene Berufshaftpflichtversicherung abschließt. Weiterhin wird die Patentanwaltskammer neben dem bestehenden Verzeichnis der Patentanwälte zusätzlich ein Verzeichnis der zugelassenen Berufsausübungsgesellschaften führen.
Fazit
Ob die Patentanwaltschaft die neu gewonnene Freiheit in Bezug auf die interprofessionelle Zusammenarbeit mit anderen freien Berufen ausgiebig nutzen wird, darf bezweifelt werden. Vielmehr ist aufgrund der Liberalisierung mit einem verschärften Wettbewerb zu rechnen. Daneben erwarte ich selbst mit Spannung, inwieweit von den neuen gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten Gebrauch gemacht werden wird.
Eines kommt auf die meisten Kanzleien und die Patentanwaltskammer zu: ein erhöhter Verwaltungsaufwand durch das Zulassungserfordernis und die veränderten Berufshaftpflichtregelungen sowie durch das von der Kammer zu führende Verzeichnis der zugelassenen Berufsausübungsgesellschaften.