Unzulässige Erweiterung durch fakultative/obligatorische Merkmale

patnet

SILBER - Mitglied
Stellt es eine unzulässige Erweiterung dar, wenn man eine "muss enthalten sein"-Formulierung als (abhängigen) Unteranspruch in der Anspruchsänderung aus der ursprünglichen Beschreibung aufnimmt? Meines Erachtens stehen § 21 / § 38 PatG vom Wortlaut dem nicht entgegen. Es geht lediglich um die dahinterliegende Idee, nicht darum, dass sie fakultativ oder obligatorisch formuliert wurde. Ich konnte dazu nichts finden. Hat jemand eine Idee/Entscheidung/Kommentar dazu? Danke.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Da wird es wohl keine allgemein gültige Antwort geben, sondern es kommt darauf an, was der Fachmann den ursprünglichen Unterlagen entnimmt.

Die Aufnahme eines Merkmals in den Anspruch 1 vom Anmeldetag bedeutet grundsätzlich nicht, dass dieses Merkmale nicht später im Prüfungsverfahren doch noch gestrichen oder in einen Unteranspruch verschoben werden können. Jedenfalls nicht bei DPMA, BPatG und BGH. Das mag der Fachmann im Einzelfall anders lesen, wenn es in der Beschreibung zusätzlich noch "muss ... enthalten" o.ä. heißt. Aber der Prüfer ist in diesem Fall schon arg gefordert zu begründen, warum genau der nunmehr beanspruchte Gegenstand durch die Formulierung "muss" bei der Offenbarung ausgeschlossen werden sollte. Beim EPA sieht man Anspruchsänderungen grundsätzlich etwas strengen, so wohl auch hier.
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Mir ist das genaue Szenario der Frage nicht ganz klar (was steht wann in welchem Anspruch, und was (nur) in der Beschreibung), aber ich sehe zwei mögliche Fälle:


1. Der ursprünglich eingereichte unabhängige Anspruch enthält das in der Beschreibung als "muss enthalten sein" gekennzeichnete Merkmal nicht, und das Merkmal ist in der Beschreibung in Kombination mit den Merkmalen dieses Hauptanspruchs offenbart. Hier liegt keine unzulässige Erweiterung vor.

2. Das Merkmal war im ursprünglichen Hauptanspruch schon enthalten. Dann wäre es unzulässig, es in einen Unteranspruch zu verschieben (außer man kann argumentieren, dass die Fachperson ohne weiteres erkennt, dass es entgegen der Offenbarung nicht enthalten sein muss).


Zumindest beim EPA wird man im Fall 1 aber einen Klarheitseinwand zu erwarten haben, da ein als essentiell gekennzeichnetes Merkmal nicht im unabhängigen Anspruch enthalten ist.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Zumindest beim EPA wird man im Fall 1 aber einen Klarheitseinwand zu erwarten haben, da ein als essentiell gekennzeichnetes Merkmal nicht im unabhängigen Anspruch enthalten ist.

Und im Fall 2 kann man, selbst wenn man unzulässige Erweiterung irgendwie umschifft, einen Einwand nach R. 137(5) erwarten, Ausweitung auf nicht recherchierten Gegenstand. Denn der Prüfer hatte den Anspruch ja mit dem Merkmal recherchiert, und müsste jetzt eventuell neu recherchieren, wenn er verbreitert wird.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Ich denke, es kommt wohl ein bisschen drauf an, ob das fragliche Merkmal zum „Oberbegriff“ oder zum „Kennzeichen“ gehört.

Dazu ein Beispiel zu „Fall 2“:

Anspruch 1 vom AT: „Injektionsspritze mit einer Hohlnadel, gekennzeichnet durch eine antibakterielle Beschichtung im Innern der Hohlnadel“.

Beschreibung dazu: ... Es geht um eine Hohlnadel für Injektionsspritzen. Bei solchen Spritzen kommt es entscheidend auf die Sterilität an. ...


Beispiel 1 für geänderte Ansprüche:

Anspruch1: Hohlnadel, gekennzeichnet durch eine antibakterielle Beschichtung im Innern.

Anspruch 2: Hohlnadel nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass sie an einer Injektionsspritze angebracht ist.

Hier, denke ich, liegt keine unzulässige Erweiterung vor. Der Anmelder hat sich nur Gedanken zum Schutzbereich gemacht und gemerkt, dass Nadeln auch einzeln gehandelt werden.



Beispiel 2 für geänderte Ansprüche:

Anspruch 1: Injektionsspritze mit einer Hohlnadel, gekennzeichnet durch eine Beschichtung im Innern der Hohlnadel.

Anspruch 2: Injektionsspritze nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Beschichtung antibakteriell ist.

Da würde ich Zweifel haben, ob das von der Offenbarung getragen ist, weil die Erfindung ja gemäß der Beschreibung mit dem Merkmal "antibakteriell" steht und fällt.
 
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