EPÜ Teilpriorität II - Zahlenbereich

Hans35

*** KT-HERO ***
Da gibt es keine einfache Antwort.

Fall A:
Wenn die Verringerung des Bereichs nur "willkürlich" ist (d.h. der Anmelder/Erfinder der engeren Erfindung hat lediglich nicht erkannt oder sogar bewusst verschwiegen, dass seine Erfindung in technisch identischer Weise in dem ganzen breiteren Bereich funktioniert), dann ist die Anmeldung mit dem breiteren Bereich die Erstoffenbarung einer Erfindung, die diesen breiteren Bereich beansprucht. Im engeren Teilbereich besteht aber ein "Teilpriorität", falls diese Offenbarung älter ist, und für diesen Teilbereich ist dann auch das Prioritätsjahr eher vorbei (!).

Die Offenbarung in den Prioritätsanmeldungen (also insbesondere auch in der mit den breiteren Angaben) offenbart dann immer auch, dass die Erfindung in jedem denkbaren Teilbereich des angegebenen Bereichs funktioniert (also insbesondere auch in dem Teilbereich, der in der Anmeldung mit den engeren Angaben offenbart ist), und zwar auch dann, wenn dieser Teilbereich nicht mit Zahlen explizit angegeben ist. Als Physiker stelle ich mir die Offenbarung eines Bereich als Offenbarung einer Vielzahl von Gegenständen vor, bei denen die Werte aus dem fraglichen Bereich "infinitesimal" (oder auch mit einem Toleranzbereich) benachbart liegen, und Ansprüche mit Bereichsangabe wären demgemäß eine Kurzschreibweise für eine Vielzahl von (entsprechend nebengeordneten) Ansprüchen, die auch durchaus unterschiedliche Priorität haben können. Unterschiedliche Ansprüche derselben Nachanmeldung können ja unterschiedliche Prioritäten haben, und das gilt dann auch für solche Teilbereiche. Es kommt immer darauf an, in welcher Prioanmeldung der jeweilige Gegenstand mit allen seinen Merkmalen erstmals offenbart ist.

Fall B:
Ist mit der Verringerung des Bereichs ein technischer Effekt verbunden und offenbart, den der Fachmann für die Erfindung nutzt, dann ist die Anmeldung mit der engeren Angabe die Erstoffenbarung dieser Erfindung. Wird trotzdem in der Nachanmeldung nur eine Erfindung beansprucht, die den Effekt nicht nutzt, so liegt Fall A vor.


Manchmal mag die Abgrenzung schwierig sein. Die bloßen Zahlen sagen da wenig. Bei der Untersuchung der Frage ist immer von der beanspruchten Erfindung auszugehen, und mit der Änderung des Anspruchs kann sich auch - trotz unveränderter Offenbarung in den Prioritätanmeldungen und der Nachanmeldung - die Beantwortung der Frage ändern, je nachdem, welche Rolle der "zusätzliche technische Effekt", den es nur im engeren Bereich gibt, für die beanspruchte Erfindung spielt.

Im Fall II der Ausgangsfrage könnten aber die engeren Angaben bereits im Toleranzbereich der weiteren Angaben liegen und schon deshalb keinen technischen Effekt bringen. Dann liegt sicher der Fall A vor.

Im Übrigen:
Der den Verfahrensablauf bestimmende "Priotrag der Nachanmeldung", nach dem sich z.B. der Offenlegungstag berechnet, ist immer der Hinterlegungstag der ältesten Prioritätsanmeldung, unabhängig vom Inhalt der Prioanmeldungen. Die brauchen dafür insbesondere nicht übersetzt werden.
 

Sousse

BRONZE - Mitglied
Hallo,
folgender Priofälle:

Fall I
1. Prio: A 1-10g
2. Prio: A 5-6g

Nachameldung: 5-6g

Welchen Priotag hat Nachanmeldung, wenn Erklärung für beide abgegeben wird.


Fall II
1. Prio: A 1-10
2. Prio: A 2-9

Nachanmeldung A 2-9
Welchen Priotag hat Nachanmeldung, wenn Erklärung für beide abgegeben wird.

Gruß
Alfred
Du solltest Dir das hier mal ansehen:
https://www.ipwiki.de/ep:prioritaetsrecht

Am EPA beispielsweise wird standardmäßig mit einer Neuheitsprüfung entschieden, ob der Prioanspruch hält. Hier handelt es sich um Auswahlerfindungen. Die Neuheitsprüfungskriterien am EPA findest Du hier:
https://www.epo.org/law-practice/legal-texts/html/guidelines/d/g_vi_8.htm

Aus dem Bach raus würd ich sagen, dass Dein Fall II größere Chancen hat, dass die Prio hält, als Dein Fall I, weil dort der Auswahlbereich näher am übergeordneten Bereich dranliegt.

Dein Fall klingt sehr konstruiert. Bereitest Du Dich gerade auf die EPA-Prüfung vor?
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Hallo,
folgender Priofälle:

Fall I
1. Prio: A 1-10g
2. Prio: A 5-6g

Nachameldung: 5-6g

Welchen Priotag hat Nachanmeldung, wenn Erklärung für beide abgegeben wird.


Fall II
1. Prio: A 1-10
2. Prio: A 2-9

Nachanmeldung A 2-9
Welchen Priotag hat Nachanmeldung, wenn Erklärung für beide abgegeben wird.

Gruß
Alfred

In beiden Fällen Prio 2.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
In beiden Fällen Prio 2, ohne wenn und aber?

Die Frage verrät ja nicht, welche Prio die ältere ist.

Wenn Prio 1 (z.B. als Gbm) älter, vorveröffentlicht und dann als Prioschriftschrift unwirksam wäre, dann wäre Prio 1 (bei sonst identischem Inhalt) neuheitsschädlich, denn da steht ja dann die ganze beanspruchte Erfindung drin.

Nein, aus Prio 2 lernt der Fachmann dann nichts, was er nicht aus Prio1 schon weiß. Dafür gibt's kein Prioritätsrecht mehr. Prio 2 beschreibt dann nur eine "willkürliche Beschränkung" von Prio 1.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Ich gehe davon aus, dass die 1. Prio die erste ist und nicht die zweite. In diesem Sinne habe ich die Frage beantwortet.

Und ich bleibe dabei, dass in beiden Fällen die 2. Prio gültig beansprucht wird. "1-10" offenbart weder "5-6" noch "2-9" klar und eindeutig.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Ich gehe davon aus, dass die 1. Prio die erste ist und nicht die zweite. In diesem Sinne habe ich die Frage beantwortet.

Und ich bleibe dabei, dass in beiden Fällen die 2. Prio gültig beansprucht wird. "1-10" offenbart weder "5-6" noch "2-9" klar und eindeutig.
Muss es das? Ich dachte, es muss die beanspruchte Erfindung offenbart sein. Und das ist zweifellos in der Prio 1 der Fall. Wäre ja schlimm, wenn nicht.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Ja, muss es. Leitsatz G2/98.

Das EPA legt für die Gültigkeit der Priorität grundsätzlich dieselben Maßstäbe an wie für unzulässige Erweiterung.

Sprich: Wenn ich in einer Anmeldung, die ursprünglich "1-10" offenbart, keinen Anspruch auf "2-9" gewährt kriegen kann (weil das eben nicht offenbart ist), kann ich auch nicht aus "1-10" eine Prio für "2-9" ableiten.

P.S.:
Alles andere wäre ja auch absurd. Angenommen, Prio 1 ist schon eine EP-Anmeldung. Dann könnte man in dieser Anmeldung keinen Anspruch mit "2-9" zur Erteilung bringen. Aber in der Nachanmeldung, in der "2-9" steht, soll derselbe Gegenstand vom Priodatum profitieren? Man soll also "2-9" mit dem Datum der Prio 1 zur Erteilung bringen können, aber bitte nicht in der Prio 1 selbst, sondern ausschließlich in Nachanmeldungen? DAS wäre schlimm.
 
Zuletzt bearbeitet:

Asdevi

*** KT-HERO ***
Ja, obwohl es widersinnig erscheint, dass "2-9" in Prio 1 nicht offenbart ist (für Zwecke der Prio), aber dennoch nicht neu gegenüber Prio 1.

Die Alternative dazu wäre aber, dass man "2-9" als in 1-10 "unmittelbar und eindeutig offenbart" ansieht, wie das G2/98 erfordert. Das müsste dann aber auch im Rahmen von Art. 123(2) gelten, denn da ist die Anforderung des "Goldstandard" dieselbe. D.h., man dürfte Ansprüche einreichen, die die ursprünglich offenbarten Bereiche variieren, wenn die Endpunkte sich nur nicht zu weit von den ursprünglich offenbarten Endpunkten entfernen. Ich halte es aber für ausgeschlossen, dass das EPA einem "2-9" im Anspruch durchgehen lässt, wenn man in der Anmeldung nur "1-10" offenbart hatte.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Ja, obwohl es widersinnig erscheint, dass "2-9" in Prio 1 nicht offenbart ist (für Zwecke der Prio), aber dennoch nicht neu gegenüber Prio 1.

Die Alternative dazu wäre aber, dass man "2-9" als in 1-10 "unmittelbar und eindeutig offenbart" ansieht, wie das G2/98 erfordert. ...
Letzteres ist auch der Fall.

Es ist ja zu entscheiden, ob die in der Nachanmeldung beanspruchte Erfindung nicht nur in den ursprünglichen Unterlagen ("2-9"), sondern auch in der Prio 1 ("1-10") offenbart ist. Dagegen spricht offensichtlich die Tatsache, dass die Zahlenwerte 2 und 9 dort gar nicht vorkommen.

Hierbei ist aber wesentlich, dass es sich bei dieser Frage, nicht um eine Tatsachenfrage, sondern um eine Rechtsfrage handelt. Und bei dieser Rechtsfrage sind weitere Gesichtspunkte zu berücksichtigen, nämlich:
1. Das Intervall 2-9 ist ein Teilbereich des Intervalls 1-10.
2. Im Intervall 2-9 tritt gegenüber 1-10 kein vorteilhafter Effekt auf (wenn es denn so ist!), der begründen könnte, dass die beanspruchte Erfindung auf dieses Intervall beschränkt ist, und dass 1-10 eine andere Erfindung wäre. Es handelt sich vielmehr um eine freiwillige, willkürliche Beschränkung des in der Nachanmeldung angemeldeten und dort beanspruchten Gegenstands im Rahmen der Dispositionsmaxime.

Damit muss die Rechtsfrage - entgegen dem ersten Anschein - zu Gunsten von Prio 1 beantwortet werden.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
@Asdevi: Hast du für Fall II evtl. eine situationsadäquate Rechtsprechung?

Z.B. T 136/01:

Das Prioritätsdokument offenbarte "RT-200°C", im Anspruch stand "80-200°C". Ich denke, wir sind uns einig, dass "80-200°C" gegenüber "RT-200°C" nicht neu ist. Dennoch wurde die Prio für nicht gültig befunden, "80-200°C" war im Priodokument nicht unmittelbar und eindeutig offenbart.

Nach der Auffassung von Hans hätte man die Prio in diesem Fall anerkennen müssen. Zum Beitrag von Hans merke ich noch an, dass der vorteilhafte Effekt mittlerweile aus den Neuheitserfordernissen gestrichen wurde. Er steht nicht mehr in den Richtlinien, und es gab schon mehrere T-Entscheidungen, die ihn nicht mehr verlangt haben. Diese Überlegung spielt also keine Rolle mehr.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Ergänzung:

Leitsatz in BGH X ZR 112/13 "Teilreflektierende Folie":

Die Priorität einer Voranmeldung, die eine Bereichsangabe enthält, kann jedenfalls dann wirksam in Anspruch genommen werden, wenn der in der Nachanmeldung beanspruchte, innerhalb dieses Bereichs liegende einzelne Wert oder Teilbereich in der Voranmeldung als mögliche Ausführungsform der Erfindung offenbart ist.

Der Sinn einer solchen willkürlichen Beschränkung mag in dem "Herstellen der Neuheit" liegen, wenn ein Stand der Technik mit dem fraglichen Zahlenwert (hier: 1,5 oder auch 9,5) auftaucht, der vor dem Prio1-Tag angemeldet, aber erst danach offengelegt wurde. Wenn solch eine Beschränkung im Prüfungsverfahren sogar gegenüber der Offenbarung vom Anmeldetag zulässig ist, dann muss sie auch in den Anmeldungsunterlagen der Nachanmeldung gegenüber der Prio-Anmeldung zulässig sein, ohne dass das Prioritätsrecht verloren geht.

Allerdings ist das Wort "jedenfalls" in dem Leitsatz im Zusammenhang mit "als mögliche Ausführungsform der Erfindung" zu lesen ist. Nämlich dann, wenn erst die Nachanmeldung offenbart, dass in dem ausgewählten Bereich ein zusätzlicher wesentlicher technischer Effekt wirksam ist, - z.B. wenn man da näher am Maximum eines (wichtigen) Wertes liegt als außerhalb, und dadurch irgendein Grenz- oder Schwellenwert nicht mehr verletzt wird - , dann liegt in der Nachanmeldung nicht mehr dieselbe Erfindung, sondern andere Erfindung, eine "Auswahlerfindung" vor, die in der Prio nicht offenbart ist, weil die engeren Bereichsgrenzen dort nicht als Auswahlkriterium zum Erreichen dieses Effekts offenbart sind. (Kann man wohl sogar die Wirksamkeit der Priorität wieder herstellen, wenn man im Zuge der Prüfung der Nachanmeldung bei unveränderten Ansprüchen (!) alle Hinweise auf einen solchen Effekt aus der Beschreibung herausstreicht? Und auch im Einspruchsverfahren?)
 
Zuletzt bearbeitet:

Hans35

*** KT-HERO ***
Na ja, in der "Teilreflektierenden Folie" ging es schon um die Nichtigkeit eines europäischen Patents, und die Erteilung war zumindest durchgegangen und hatte auch im (EPA-)Einspruch Bestand. Dabei war die Prioschrift ein DE-Gbm, das vorveröffentlicht war und damit für die erfinderische Tätigkeit zu berücksichtigen gewesen wäre, wenn die Priorität nicht greift.

Kennst du eine spätere GBK-Entscheidung, die dem BGH in Kenntnis der "Teilreflektierenden Folie" widersprochen hätte? Immerhin sind inzwischen 5 Jahre ins Land gegangen.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Im EP-Einspruch zu dem Patent von "Teilreflektierende Folie" war die Priorität nie Thema. Das Gebrauchsmuster, weswegen diese Frage relevant wurde, wurde zum ersten Mal in der deutschen Nichtigkeitsklage vorgebracht. Ob das EPA die Prio als gültig anerkannt hätte, wenn sie im Einspruch zu prüfen gewesen wäre, ist also mindestens fraglich.

Und natürlich gibt es keine spätere GBK-Entscheidung zu dem Thema. Was die Erfordernisse für "dieselbe Erfindung" sind, wurde von der GBK abschließend in G2/98 geklärt: unmittelbare und eindeutige Offenbarung. Nur weil irgendein nationales Gericht später komische Sachen treibt, wird die GBK längst geklärte Rechtsfragen nicht zum Spaß erneut entscheiden.

Ich habe auch irgendwie den Eindruck, dass du noch nie ein EP-Einspruchsverfahren begleitet hast (ob als Vertreter oder anderweitig). Allein der Gedanke, dass man aus "1-10" eine Prio für "2-9" ziehen können soll, ist für jeden, der damit regelmäßig zu tun hat, vollkommen absurd. Ich habe nie ein Verfahren erlebt, wo sowas auch nur versucht worden wäre, weil es völlig aussichtslos ist.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Hallo Asdevi,

eigentlich wäre es sicher besser, persönliche Anmerkungen wegzulassen. Trotzdem kann ich mir nicht verkneifen zu erwähnen, dass die von mir "besuchten EPA-Einspruchsverfahren" genauso wenig ein Argument sein können, wie das, was du bisher "erlebt" hast. Aber es mag jeweils Gründe für selektive Wahrnehmung geben, die das eigene Urteilsvermögen trübt, was ausdrücklich auch für mich gilt. Versuchen wir es doch lieber weiter sachlich. Ziel sollte es ja nicht sein, Recht zu haben, sondern gemeinsam herauszubekommen, was Sache ist.

Die "teilreflektierende Folie" ist 14 Jahre nach G2/98 entstanden, und die G2/98 wird nach wie vor allseits als grundlegend angesehen. Und außerdem hat der BGH gefordert, dass die GBK-Entscheidungen - soweit anwendbar - in der deutschen Rechtsprechung zu berücksichtigen und zumindest abzuhandeln sind, und der BGH hat dies selbst auch oft getan. Trotzdem erwähnt er hier die G2/98 nicht. Das bedeutet aus meiner Sicht, dass er hier keinen Widerspruch sieht. Und wenn dann auch die GBK zu der BGH-Entscheidung nicht weiter Stellung nimmt, so liegt dem sicher nicht die von dir unterstellte Arroganz der GBK gegenüber BGH zu Grunde, dass "... irgendein nationales Gericht komische Sachen treibt ...", sondern vielmehr, dass auch die GBK hier keinen Widerspruch sieht. Den sehe ich im Übrigen auch nicht, weil die G2/98 sich garnicht mit der Priorität von Teilbereichen ohne eine "erfinderische Auswahl" befasst. Der Abschnitt 8.4, der Auswahlerfindungen betrifft, also wenn ein besonderer Effekt im ausgewählten Teilbereich vorliegt, ist für unsere Frage ja genau so wenig einschlägig, wie bei der "teilreflektierenden Folie".

Weiterhin irritiert mich, dass im EP-Einspruch zu dem Patent von "Teilreflektierende Folie" die Priorität nie Thema gewesen sein soll. Selbstverständlich musste im Prüfungsverfahren untersucht werden, ob die Prioschrift (das Gbm) nicht erheblicher Stand der Technik war. Und den Anwalt des Einsprechenden traf dieselbe Pflicht. Dies nicht vorzubringen wäre nicht nur fahrlässig gewesen, zumal wenn es so selbstverständlich ist, dass die Prio nicht halten kann, wie du behauptest.

Frohes Schaffen wünscht
Hans35
 
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Hans35

*** KT-HERO ***
Z.B. T 136/01:

Das Prioritätsdokument offenbarte "RT-200°C", im Anspruch stand "80-200°C". Ich denke, wir sind uns einig, dass "80-200°C" gegenüber "RT-200°C" nicht neu ist. Dennoch wurde die Prio für nicht gültig befunden, "80-200°C" war im Priodokument nicht unmittelbar und eindeutig offenbart.

Nach der Auffassung von Hans hätte man die Prio in diesem Fall anerkennen müssen. ...
Keineswegs.

Hier handelt es sich, wenn ich es richtig sehe, um eine chemische Reaktion ("heat treating"), von der a priori anzunehmen ist, dass sie bei unterschiedlichen Temperaturen unterschiedlich abläuft. Daher wird der Anspruch "80-200°C", der den (vielleicht bzgl. der Ausbeute ungünstigeren?) Tieftemperaturbereich ausklammert, im Sinne einer Auswahlerfindung eher wohl neu gegenüber der Prio "RT-200" gewesen sein, so dass diese Prio nicht hält. (Der Anmelder mag ggf. dagegen argumentieren, dass kein solcher Vorteil existiert.) Die Prio-Anmeldung offenbart dies nicht. Bei der "teilreflektierenden Folie" gab es jedenfalls keinen solchen vorteilhaften Effekt, daher hielt die Priorität. Nicht alles lässt sich mit den Begriffen "unmittelbar und eindeutig" beschreiben.


... merke ich noch an, dass der vorteilhafte Effekt mittlerweile aus den Neuheitserfordernissen gestrichen wurde.

Was meinst du damit? Damit eine Erfindung gegenüber einer anderen neu ist, muss ein vorteilhafter Effekt existieren? In dieser Allgemeinheit sicher nicht, nur eben bei einer Auswahlerfindung bezüglich einer Bereichsangabe, was dann aber ggf. die Inanspruchnahme der Priorität verhindert.
 
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