DE Rücknahmefiktion PCT-Nachanmeldung mit DE als Anmelde- und Bestimmungsamt

Expatriot

GOLD - Mitglied
Hallo Miteinander,

gegeben sei folgender Sachverhalt:

Der Anmelder hat eine Patentanmeldung DE1 mit 15 Ansprüchen eingereicht. Eine Nachanmeldung PCT1 beim DPMA als Anmeldeamt eingereicht und beansprucht die Priorität von D1. PCT1 hat ebenfalls 15 Ansprüche. Die Bestimmung von DE wird nicht zurückgenommen.

Der Anmelder lässt die 30-Monatsfrist verstreichen ohne weitere Handlungen vorzunehmen. Was passiert mit DE1?

Eigentlich sollte das einfach zu beantworten sein, aber ich habe da mittlerweile Zweifel. Ich will erstmal nichts näheres Ausführen, weil ich auf unvoreingenommene Meinungen hoffe.

Ich bin schon mal gespannt.

Viele Grüße,
Expatriot
 

Expatriot

GOLD - Mitglied
Hallo maroubra,

das ist der Teil, den ich mit "einfach" bezeichnet habe. Jetzt zu meinem Zweifel und einer anschließenden Überlegung:

Sind die Voraussetzungen des Abs. 2 erfüllt? Warum? Warum nicht?

Hat das Auswirkungen auf die Einleitung der nationalen Phase aus PCT1? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht?

Viele Grüße,

Expatriot
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Hi Expatriot,

vielleicht sagst Du einfach, wo dein Problem konkret liegt.

Mit der Zahlung der Übermittlungsgebühr gilt die Anmeldegebühr als entrichtet; die 30 Monate sind auch abgelaufen, also sind die Voraussetzungen des Abs. 2 - und damit auch des Abs. 4 - erfüllt, und die Prioritätsanmeldung gilt als zurückgenommen. Andererseits dürfte damit auch ein wirksamer Eintritt in die DE nationale Phase stattgefunden haben.

Das ist für mich auch logisch: Die Rücknahmefiktion soll in erster Linie Doppelpatentierung vermeiden; diese würde aber nur drohen, wenn die DE Phase wirksam eingeleitet wurde. Alles andere wäre doch nur eine unnötige böse Falle für den Anmelder.
 

Expatriot

GOLD - Mitglied
Hallo Pat-Ente,

Deine Ausführungen treffen genau meine Bedenken.

Denn einerseits erscheint mir nach Art. III § 4 (4) IntPatÜbkG DE1 als zurückgenommen, weil die Voraussetzungen von Abs. 2 erfüllt sind.

Andererseits ist die nationale Phase aus PCT1 aber wohl noch nicht wirksam eingeleitet, weil Abs. 3 die Zahlung einer Gebühr erfordert und im PatKostG erhöhte Anmeldegebühren für mehr als zehn Patentansprüche vorgesehen sind. Hierfür ist die Frist wiederum 3 Monate ab Fälligkeit, also der 30-Monatsfrist.

Insgesamt ergibt sich daher für mich ein Widerspruch zwischen der Regelung aus Abs. 2 und Abs. 3, der aufgelöst werden muss.

Die Regelungen könnten nebeneinander stehen, wobei Abs. 2 und die darin enthaltene Fiktion ausschließlich für die Rücknahme nach Abs. 4 relevant sind, während Abs. 3 unabhängig anzuwenden ist und dabei insbesondere die Fiktion aus Abs. 2 keine Rolle spielt. Daher wäre hier noch eine Anmeldegebühr für 15 Ansprüche zu entrichten, um die nationale Phase einzuleiten.

Wenn man unterstellt, die Entrichtungsfiktion aus Abs. 2 gilt auch für Abs. 3, dann könnte man die nationale Phase ohne Zahlung von erhöhten Anmeldegebühren einleiten, sofern DPMA das Anmeldeamt war.

Im Ergebnis kann also die Rücknahme nicht verhindert werden, es sei denn, dass die Bestimmung DE zurückgenommen wird. Gleichwohl kann die Einleitung der nationalen Phase versäumt werden, sofern die fälligen Anmeldegebühren nicht entrichtet werden.

Damit wären wir bei der von Dir, Pat-Ente, angesprochenen unnötigen bösen Falle.

Wie ist Eure Meinung dazu?

Viele Grüße,
Expatriot
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Hallo Pat-Ente,

Deine Ausführungen treffen genau meine Bedenken.

Denn einerseits erscheint mir nach Art. III § 4 (4) IntPatÜbkG DE1 als zurückgenommen, weil die Voraussetzungen von Abs. 2 erfüllt sind.

Andererseits ist die nationale Phase aus PCT1 aber wohl noch nicht wirksam eingeleitet, weil Abs. 3 die Zahlung einer Gebühr erfordert und im PatKostG erhöhte Anmeldegebühren für mehr als zehn Patentansprüche vorgesehen sind. Hierfür ist die Frist wiederum 3 Monate ab Fälligkeit, also der 30-Monatsfrist.

Insgesamt ergibt sich daher für mich ein Widerspruch zwischen der Regelung aus Abs. 2 und Abs. 3, der aufgelöst werden muss.

Die Regelungen könnten nebeneinander stehen, wobei Abs. 2 und die darin enthaltene Fiktion ausschließlich für die Rücknahme nach Abs. 4 relevant sind, während Abs. 3 unabhängig anzuwenden ist und dabei insbesondere die Fiktion aus Abs. 2 keine Rolle spielt. Daher wäre hier noch eine Anmeldegebühr für 15 Ansprüche zu entrichten, um die nationale Phase einzuleiten.

Wenn man unterstellt, die Entrichtungsfiktion aus Abs. 2 gilt auch für Abs. 3, dann könnte man die nationale Phase ohne Zahlung von erhöhten Anmeldegebühren einleiten, sofern DPMA das Anmeldeamt war.

Im Ergebnis kann also die Rücknahme nicht verhindert werden, es sei denn, dass die Bestimmung DE zurückgenommen wird. Gleichwohl kann die Einleitung der nationalen Phase versäumt werden, sofern die fälligen Anmeldegebühren nicht entrichtet werden.

Damit wären wir bei der von Dir, Pat-Ente, angesprochenen unnötigen bösen Falle.

Wie ist Eure Meinung dazu?

Viele Grüße,
Expatriot

Diese Frage haben wir auch vor ein paar Monaten in der Kanzlei intensiv diskutiert. Zunächst einmal: Die Fälligkeitsregel in Abs. 3 S. 2 bezieht sich nur auf den Unterschiedsbetrag, wenn sich die Zahl der Ansprüche im PCT-Verfahren erhöht hat. Auf deinen Fall ist Abs. 3 S. 2 also nicht anwendbar, weil sich die Zahl der Ansprüche seit Anmeldung nicht geändert hat.

Das heißt, die Gebühr für die Anmeldung in ihrer ursprünglichen Form muss bis zur 30-Monats-Frist gezahlt sein, siehe Abs. 2: "innerhalb der ... Frist die Gebühr ... zu entrichten", nicht etwa "wird fällig". Auch § 6 I 1 PatKostG sagt, wenn eine Frist für eine Handlung bestimmt ist, ist die Gebühr innerhalb der Frist zu zahlen. Nur wenn keine Frist bestimmt ist, kommt es auf die Fälligkeit an. Art III § 4 II bestimmt klar eine Frist.

Die interessante Frage ist, wie Abs. 2 S. 2 zu interpretieren ist. Hier gibt zwei Möglichkeiten:

1. Abs. 2 S. 2 bewirkt, dass auch bei 1000 Patentansprüchen die Übermittlungsgebühr die Anmeldegebühr komplett entfallen lässt. Dann ist PCT1 wirksam eingeleitet (alle Voraussetzungen sind erfüllt) und DE1 gilt als zurückgenommen.

2. Abs. 2 S. 2 lässt die Pflicht zur Zahlung von Anspruchsgebühren nicht entfallen (eigtl. entgegen seinem Wortlaut, denn Anspruchsgebühren sind nach PatKostG Teil der Anmeldegebühr). Dann wäre die Frist für deren Zahlung abgelaufen und PCT1 für Deutschland nicht wirksam eingereicht. DE1 würde dann noch leben. Nachzahlen für PCT1 geht dann nicht mehr, weil zumindest die Gebühren für die ursprüngliche Fassung bis zur 30-Monats-Frist gezahlt sein müssen.
 
Zuletzt bearbeitet:

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
Hallo zusammen,

der Sachverhalt aus dem Erstposting einmal etwas abgewandelt:

Der Anmelder hat eine Patentanmeldung PCT1 mit 15 Ansprüchen eingereicht.​
Ein Jahr später wird eine Nachanmeldung PCT2 eingereicht und die Priorität von PCT1 wird beansprucht.​
PCT2 hat ebenfalls 15 Ansprüche.​


Hat das Auswirkungen auf die Einleitung der [DE-] nationalen Phase aus PCT1? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht?
 
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