US Priorität bei nationaler US-Patentanmeldung

kreien

Vielschreiber
Hallo,

ich lese in einer Wikipedia-Diskussion gerade:

"Nach der Hilmer-I-Entscheidung gehört eine nicht in den USA gemachte Erfindung erst mit ihrem US-Anmeldedatum zum Stand der Technik. Einem nach 35 U.S.C. § 119 ausländischem Prioritätsrecht kommt, bezogen auf das Datum der ausländischen Prioritätsanmeldung, kein prior art effect nach 35 U.S.C. § 102(e) zu.

Dadurch ist das tatsächliche Anmeldedatum in den USA das rechtswirksame Datum, ab dem ein US-amerikanisches Patent als Entgegenhaltung gegen eine spätere Erfindung angeführt werden kann.

Beispiel: Ein Erstanmeldung beim Europäischen Patentamt von Anmelder A für Deutschland, würde zwar auch ein Prioritätsrecht für die anderen PCT-Staaten einschließen, aber nur indirekt auch für die USA (obwohl auch Mitglied). Denn würde innerhalb dieser 12 Monate eine Anmeldung für die gleiche Erfindung beim amerikanischen Patenamt eingehen ( Anmelder B), wäre seine Erfindung (B) erstmal patentfähig. Anmelder A müsste durch ein aufreibendes Intereference Verfahren, in dem ihm die Beweispflicht obliegt nachweisen, dass er dem Erfinderprinzip getreu, Ersterfinder ist.
Änderung notwendig? Über das Interference Verfahren sollte der Erstanmelder ja trotzdem Recht zugesprochen bekommen."

(Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion:Priorität)

Ich habe das ehrlich gesagt nicht so ganz verstanden.

Mal angenommen, es gibt eine DE-Anmeldung beim DPMA aus dem Jahr 2012, die sich noch in der Prüfung befindet und längst offengelegt ist. Prio von 12 Monaten ist natürlich längst vorbei.

Eröffnet sich über die in der Wikipedia-Diskussion skizzierte US-Rechtslage für den DE-Anmelder die Perspektive, die DE-Anmeldung als nationales US-Patent bei USPTO anzumelden, obwohl die Priofrist längst vorbei ist?

Vielen Dank im Voraus für einen Tipp.

MfG
Michael
 

philkopter

GOLD - Mitglied
Hallo

grundsätzlich wäre ich vorsichtig damit was irgendwelche Leute bei Wikipedia veröffentlichen. Dieser Kommentar stammt aus 2008 und seitdem hat sich einiges getan. Um genau zu sein wurde die Hilmer Doctrine mit dem AIA (America invents act) aus der Welt geschafft. Hier ist eine ganz gute Zusammenfassung:

http://www.pharmapatentsblog.com/20...he-disharmonious-loss-of-the-hilmer-doctrine/

Anmeldungen mit ausländischen Prios hatten auch PRE-AIA das Priodatum als frühestes Datum und intervening prior art galt nicht als neuheitsschädlich. Allerdings konnten diese Anmeldungen nicht selbst als neuheitsschädlich ab Priodatum zitiert werden. Etwas schwachsinnig, aber irgendwie auch typisch amerikanisch.

Hat sich jetzt mit AIA aber dahingehend geändert, dass ausländische Prios vollumfassend anerkannt werden.

VG
 

Armin

GOLD - Mitglied
Hallo zusammen,

[...] Um genau zu sein wurde die Hilmer Doctrine mit dem AIA (America invents act) aus der Welt geschafft.[...]
Hat sich jetzt mit AIA [...] dahingehend geändert, dass ausländische Prios vollumfassend anerkannt werden.

Nur kurze Rückfrage zu dem obigen klaren Schlusswort von philkopter:

Trifft es zu, dass eine deutsche Patentanmeldung oder ein deutsches Gebrauchsmuster oder eine deutsche provisorische Anmeldung (ohne Bezahlung der Anmeldegebühr nur zur Prioritätssicherung) seit AIA uneingeschränkt zur Sicherung der Priorität auch von US-Nachanmeldungen herangezogen werden kann?

Danke und Gruß
Armin
 

Armin

GOLD - Mitglied
[Dieser einzelnen Beitrag hat sich erledigt, kann gelöscht werden]
 
Zuletzt bearbeitet:

Armin

GOLD - Mitglied
Ähm nein, nur mein zwischenzeitlicher Rant zum Post-AIA 35 U.S.C. 102 hatte sich erledigt.

Die Frage:
Trifft es zu, dass eine deutsche Patentanmeldung oder ein deutsches Gebrauchsmuster oder eine deutsche provisorische Anmeldung (ohne Bezahlung der Anmeldegebühr nur zur Prioritätssicherung) seit AIA uneingeschränkt zur Sicherung der Priorität auch von US-Nachanmeldungen herangezogen werden kann?
...ist für mich weiterhin offen!
 

philkopter

GOLD - Mitglied
also ich sehe keinen Grund wieso das nicht so gehen sollte gemäß Paris Convention. Bei einem Gebrauchsmuster möchte ich mich allerdings nicht festlegen, damit habe ich 0,0 Erfahrung.

Es ist übrigens sogar so, dass seit AIA und der Anerkennung ausländischer Prioritätsdaten zwischenveröffentlicher Stand der Technik nicht nur für Neuheit relevant sein kann (analog zu A54(3) EPÜ) sondern für Neuheit und erf. Tätigkeit.
 

Armin

GOLD - Mitglied
Ok danke Dir,

die englische Wikipedia schreibt zur vorläufigen Anmeldung in USA sinngemäß:

Der Anmeldetag der vorläufigen Patentanmeldung kann auch als ausländischer Prioritätstag für Anmeldungen in anderen Ländern als den Vereinigten Staaten und für eine internationale Anmeldung (nicht aber für ein Geschmacksmuster) verwendet werden. Die Einreichung einer vorläufigen Anmeldung löst eine Überprüfungsfrist für die US-Lizenz [???] aus, die für die nachfolgenden ausländischen oder internationalen Anmeldungen erforderlich ist. Obwohl die "vorläufige" Anmeldung nicht in englischer Sprache eingereicht werden muss, ist eine Übersetzung erforderlich, wenn eine nicht vorläufige Anmeldung die Priorität der vorläufigen Anmeldung beansprucht.

Eine vorläufige Anmeldung als solche wird nie vom USPTO geprüft und wird daher nie zu einem eigenständigen Patent werden (es sei denn, die vorläufige Patentanmeldung wird später vom Anmelder in eine nicht-vorläufige Patentanmeldung umgewandelt, woraufhin die Anmeldung als nicht-vorläufige Anmeldung geprüft wird). Die vorläufige Anmeldung wird auch nicht "veröffentlicht", wird aber Teil jeder späteren nicht vorläufigen Anmeldungsakte, die auf sie verweist, und wird so mit der Erteilung eines Patents, das ihre Priorität beansprucht, "öffentlich".

Hierzu vollständigkeitshalber: die Tatsache, dass beispielsweise bei der Beanspruchung einer inneren Priorität vor dem DPMA auch die deutsche Voranmeldung üblicherweise nicht veröffentlicht wird, ist doch ebenfalls unschädlich für die Prioritätsbeanspruchung in USA?

Mit anderen Worten: es genügt, dass die (für sich genommen) unveröffentlichte Voranmeldung Teil der Anmeldeakte der Nachanmeldung wird, damit die Priorität der Voranmeldung auch für USA wirksam in Anspruch genommen werden kann?
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Mit anderen Worten: es genügt, dass die (für sich genommen) unveröffentlichte Voranmeldung Teil der Anmeldeakte der Nachanmeldung wird, damit die Priorität der Voranmeldung auch für USA wirksam in Anspruch genommen werden kann?

Die USA sind ein Unterzeichnerstaat der Pariser Verbandsübereinkunft. Diese ist damit unmittelbar in den USA geltendes Recht (das folgt aus Art. 6 der US-Verfassung).

Die Pariser Verbandsübereinkunft sagt in ihrem Art. 4A:
(1) Wer in einem der Verbandsländer die Anmeldung für ein Erfindungspatent, ein Gebrauchsmuster, ein gewerbliches Muster oder Modell, eine Fabrik- oder Handelsmarke vorschriftsmäßig hinterlegt hat, oder sein Rechtsnachfolger genießt für die Hinterlegung in den anderen Ländern während der unten bestimmten Fristen ein Prioritätsrecht.
(2) Als prioritätsbegründend wird jede Hinterlegung anerkannt, der nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften jedes Verbandslandes oder nach den zwischen Verbandsländern abgeschlossenen zwei- oder mehrseitigen Verträgen die Bedeutung einer vorschriftsmäßigen nationalen Hinterlegung zukommt.
(3) Unter vorschriftsmäßiger nationaler Hinterlegung ist jede Hinterlegung zu verstehen, die zur Festlegung des Zeitpunkts ausreicht, an dem die Anmeldung in dem betreffenden Land hinterlegt worden ist, wobei das spätere Schicksal der Anmeldung ohne Bedeutung ist.


Hervorhebungen sind von mir.

Wie gesagt, das ist (auch) unmittelbar geltendes US-Bundesrecht.
 

Armin

GOLD - Mitglied
Ja Asdevi, aber die PVÜ galt ja auch schon pre-AIA in USA -- man war wegen Hilmer allerdings schlecht beraten, sich darauf zu verlassen.

Denn es konnte ja "schon immer" für eine US-Anmeldung die Priorität einer ausländischen Anmeldung beansprucht werden. Nur war dieses Prioritätsrecht in USA nur halbwegs zu gebrauchen, da man das Prioritätsdatum nur zur Verteidigung seiner Anmeldung oder seines Patents heranziehen konnte, nicht aber dafür, um US-Anmeldungen (mit späteren Zeitrang) anzugreifen.

Von daher bin ich noch nicht ganz sicher, ob es nicht wieder (oder immer noch) irgendwelche Schlupflöcher gibt, die einen in USA mit einer US-ausländischen Priorität schlechter dastehen lassen als mit einer US-inländischen Priorität?
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Interessant, in der Tat. Aber auch der Autor des Artikels steht ja der Entscheidung skeptisch gegenüber und meint, dass wohl der Federal Circuit etwas speziell zur Interpretation von §102(d) post-AIA sagen müsste (ob das inzwischen geschehen ist, weiss ich nicht, ich habe nichts dergleichen gehört, aber das muss nichts heißen).



Und anscheinend kann man dem Problem entkommen, wenn die Nachanmeldung bzw. das darauf erteilte Patent mindestens einen Anspruch enthält, der in der Prioanmeldung offenbart ist (sinnvollerweise achtet man darauf ohnehin ..).
 
Oben