Allg. Deutscher Patentanwalt + EPA vs. NUR European Patent Attorney

Christian98

Schreiber
Hallo zusammen,

ich habe vor kurzem meinen Master in organischer Chemie abgeschlossen (nicht in Deutschland) und erwäge eine Karriere im Patentrecht. Ich weiß, dass in Deutschland die Ausbildung zum deutschen Patentanwalt und European Patent Attorney in der Regel gleichzeitig absolviert wird. Eine Firma bot mir eine Stelle für die Ausbildung zum EPA an, da mir ein Jahr "praktischer Erfahrung" fehlt, das, wie Sie wissen, für die deutsche Ausbildung erforderlich ist. Mir wurde gesagt, dass das nicht üblich ist, aber es gibt Leute, die nur den europäischen Weg einschlagen.

Ich bin hin- und hergerissen, ob ich dieses Angebot annehmen soll, um meinen beruflichen Aufstieg nicht zu verzögern, oder ob ich ein Jahr praktische Erfahrung sammeln soll, um die deutschen Qualifikationsanforderungen zu erfüllen.
  • Gibt es einen signifikanten Unterschied bei den Karriereaussichten, insbesondere beim Gehalt, zwischen denjenigen, die beide Qualifikationen besitzen, und denjenigen, die nur den EPA-Abschluss haben?
  • Wie sieht die Nachfrage nach deutschen Patentanwälten im Vergleich zu europäischen aus? Würde sich die Beschränkung auf die europäische Qualifikation auf meine Jobchancen in Deutschland auswirken?
  • Ist es in Anbetracht der Möglichkeit, in Zukunft außerhalb Deutschlands zu arbeiten, gerechtfertigt, die deutsche Qualifikation zu umgehen, um ein Jahr zu sparen?
Vielen Dank im Voraus!
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Die unmittelbare Auswirkung ist zunächst, dass man in deutschen Verfahren vor dem DPMA und dem Bundespatentgericht ohne deutsche Zulassung nicht vertreten kann. Ob das viel ausmacht, hängt vom Technikgebiet ab. Gerade im Maschinenbau gibt es viele deutsche Mittelständler, die direkt deutsche Anmeldungen beim DPMA einreichen. In deinem Gebiet (Chemie) dürfte das Arbeitsaufkommen vor dem EPA konzentriert sein, so dass ein Fehlen der deutschen Zulassung für die tägliche Arbeit wohl wenig Unterschied macht.

Für die "Karriere" ist hingegen bedeutender, dass man ohne deutsche Zulassung kein Mitglied der Patentanwaltskammer wird, und damit auch kein Partner in einer Kanzlei werden kann. Man hat eine gläserne Decke über sich. Außerdem ist einem der Weg in die Rentenversicherung der Rechts- und Patentanwälte verschlossen, die deutlich besser zahlt als die gesetzliche.

An deiner Stelle würde ich dazu tendieren, das praktisch-technische Jahr zu absolvieren. Ob du dann gleich die deutsche Ausbildung machst oder nur die EP-Ausbildung, ist eine andere Sache. Aber du hättest zumindest die Möglichkeit, jederzeit die deutsche Ausbildung zu beginnen. Wenn du das Jahr nicht hast, geht das nicht, und wenn man schon ein paar Jahre in einer Kanzlei gearbeitet hat, ist es nicht mehr unbedingt einfach, einen "technischen" Job zu bekommen, mit dem man das Jahr nachholen kann.
 

silvio_h

GOLD - Mitglied
Als Chemiker promoviert man doch üblicherweise, gerade in organischer Chemie. Viele Naturwissenschaftler haben ihre praktische Erfahrung per Labortätigkeit während der Promotion erworben und nicht per Arbeit in einem Unternehmen.

Kleines AddOn: Die Fähigkeiten, welche für das Anfertigen der Dissertation erforderlich sind, helfen dir auch im Patentwesen später.
 

Schorschi

Vielschreiber
Wenn Du, so wie ich, in der Patentabteilung einer Firma arbeitest, kannst Du mit einer Angestelltenvollmacht vor DPMA, BPatG und EPA für diese Firma handeln. Also auch ohne eine Zulassung als deutscher Patentanwalt oder als Vertreter vor dem EPA. Allerdings natürlich nur für diese Firma bzw. deren Töchter.

Bei uns gab es jedoch nach bestandener EQE und Zulassung als Vertreter vor dem EPA einen deutlichen Gehaltssprung. Nach meiner späteren Zulassung als deutscher Patentanwalt nicht mehr, da wir fast ausschließlich international tätig sind.

Für das eigene Ego, das "Ansehen" und Auftreten innerhalb der Firma und mögliche spätere Berufschancen war und ist die Zulassung als deutscher Patentanwalt aber sehr vorteilhaft. Ich würde sogar soweit gehen und behaupten: unverzichtbar.
 

der_markus

*** KT-HERO ***
Was die praktisch-technische Zeit angeht lohnt es sich auch mal zurückzuschauen wieviel praktische Arbeit eventuell zusätzlich zum Studium - also unabhängig von Studienleistungen, wie Pflichtpraktika und Masterarbeit - geleistet wurde, z.B. durch HiWi-Job, Arbeit in den Semesterferien, zusätzliche Praktika, die nicht in direktem Zusammenhang zum Studium stehen. Dann reduziert sich u.U. die noch abzuleistende Zeit für das praktische Jahr. Ich musste z.B. nach dem Studium keinen Extra-Tätigkeiten mehr nachgehen, da ich im Studium und den Ferien viel als HiWi gearbeitet hatte.

Zu einer möglichen Promotion kann ich nicht viel sagen; ich habe zwar gehört, dass eine solche in der Chemiebranche eher üblich ist als in anderen Branchen, aber ob man das eher für den Titel macht oder ob man es in der täglichen Arbeit braucht ist die Frage.

Zur Kernfrage: Abhängig von der Branche und vom Unternehmen kann man durchaus auch ohne DE-Zulassung erfolgreich sein, je nachdem ob die Branche bzw. das Unternehmen eher auf europäische Patente setzt oder auf deutsche. Könnte mir vorstellen, dass in der Chemie der Schwerpunkt beim EPA liegt. Außerdem werden auch bei größeren Unternehmen die schutzrechtliche Kernarbeit gerne an externe Kanzleien outgesourced und die Inhouse-PAs haben überwiegend beratende Funktion. Wenn man allerdings KMUs betreut bzw. betreuen möchte, wird man um eine deutsche Zulassung nicht umhinkommen.

Wenn du dir offenhalten möchtest später auch die deutsche Zulassung zu erlangen, würde ich zumindest sicherstellen, dass du das praktische Jahr beisammen hast. Dann kannst du entweder den regulären Ausbildungsweg gehen oder auch dich durch 10 Jahren "Sachbearbeitertätigkeit" für die Prüfungsteilnahme qualifizieren (glaube sogar wenn man die EPA-Zulassung hat sind es nur 8 Jahre...).
 

patachon

GOLD - Mitglied
Für die "Karriere" ist hingegen bedeutender, dass man ohne deutsche Zulassung kein Mitglied der Patentanwaltskammer wird, und damit auch kein Partner in einer Kanzlei werden kann. Man hat eine gläserne Decke über sich. Außerdem ist einem der Weg in die Rentenversicherung der Rechts- und Patentanwälte verschlossen, die deutlich besser zahlt als die gesetzliche.
Kleine Korrektur: zwar wird man kein Kammermitglied (dafür eben EPI-Mitglied) und kann nicht ins Versorgungswerk, aber man kann seit der neuesten Änderung der PAO sehr wohl Partner werden - Partnerschaften dürfen nämlich jetzt mit praktisch allen freien Berufen geschlossen werden. Da wurden im Gesetzgebungsverfahren die European Patent Attorneys ausdrücklich genannt.
 

patachon

GOLD - Mitglied
Zur generellen Frage: ich bin so jemand (nur EPA, keine DE-Zulassung, in Kanzlei). Als ich vor fast 20 Jahren anfing, wusste ich wenig von dem Beruf, mir wurde der nur-EPA-Weg angeboten und es klang spannend, ich hatte kein volles praktisches Jahr und auch keinen großen Anreiz, mir extra noch einen Job in die Richtung zu suchen, den ich dann sowieso wieder kündigen möchte. Promovieren wollte ich nicht (maximal halbe Stelle, BAFöG-Schulden im Nacken, es war Zeit, mal Geld zu verdienen..). Es war aber für mich auch nie so als großes Karriereziel klar, dass ich wirklich Patentanwalt sein will, ich bin einfach kopfüber in dieses Berufsfeld gehüpft und wollte mal sehen, wie es da ist.

Für mich hat es definitiv keine Gehaltseinbußen bedeutet.

Meine Arbeit war lange zu 70% EPA, weil unsere Mandantenstruktur so war (Physik/E-Technik/...). Ich habe aber auch immer vor dem DPMA und dem BPatG Verfahren "geführt", ich durfte nur nicht offiziell vertreten, also war eben immer ein Partner da fürs "Offizielle" und die Unterschrift - aber so häufig sind Verhandlungen ja nun auch nicht. Das Amt hat sich aber nie daran gestört, dass praktisch nur ich geredet habe. Die Gegenseite manchmal, aber dann hat das Amt mit den Schultern gezuckt und fertig. Vor ordentlichen Gerichten in Verletzungsverfahren (kommt für die meisten eh selten vor) darf sowieso nur ein Volljurist vertreten und der deutsche Patentanwalt hat dieselbe unterstützende Rolle dort wie der EPA.

Jetzt ist meine Arbeit praktisch nur deutsche Verfahren, das Vorgehen dasselbe. Die Inhalte habe ich mir über die Jahre selbst beigebracht. Es ist sowieso ein Beruf, in dem Du Dir sehr viel selbst beibringen wirst.

Bis vor kurzem war eine Partnerschaft als nur EPA nicht möglich. Das hat sich aber geändert und ist jetzt auch kein Problem mehr.
Letztendlich ist es eine Frage, die sehr von Deinem zukünftigen Arbeitgeber abhängt. Manche mögen viel Wert auf die deutsche Zulassung legen, den anderen ist es komplett egal, so lange Du was kannst. Reine EPAs sind deutlich in der Minderheit, Stellen außerhalb der Industrie meist für Leute mit deutscher Zulassung ausgeschrieben, so dass man im Zweifelsfall etwas Überzeugungsarbeit leisten muss (aber auch das geht) oder eben eine Kanzlei suchen muss, die nicht auf reine Abschlüsse schaut. Und ja, ich bin abhängiger, da ich mich praktisch nicht ganz selbständig machen kann, weil ich für das deutsche Recht nicht beraten und vertreten darf. Ich brauche also immer eine Kanzlei (oder zumindest einen deutschen Patentanwalt) hinter mir; ganz ohne deutsches Recht ist die Arbeit nie.

Versorgungswerk ist auf jeden Fall ein Vorteil, wenn Du noch jung bist. Dem EPA bleibt das Versorgungswerk versperrt. Wenn Du schon lange in die gesetzliche Rente eingezahlt hast und daher nur noch wenig ins Versorgungswerk zahlen würdest (z.B. bei ganz später Nachqualifikation), dann ist das schon nicht mehr so klar (hat Auswirkungen darauf, in welche Versicherung man als Rentner kommt, etc pp, langes Thema).

Wenn ich am Anfang der Karriere stehen würde und die Möglichkeit hätte, würde ich das eine Jahr wohl machen und die deutsche Ausbildung von Anfang an mitnehmen - eben weil es viele Leute gibt, die Wert darauf legen, und Dich unabhängiger macht. Schau mal, ob Du vielleicht schon Nebenjobs hast, die Du anrechnen kannst.

tl;dr Mir hat die fehlende Zulassung nie geschadet, ich kann aber nicht garantieren, dass das immer so läuft und tendiere daher dazu, sie zu machen.
 

patachon

GOLD - Mitglied
Wenn du dir offenhalten möchtest später auch die deutsche Zulassung zu erlangen, würde ich zumindest sicherstellen, dass du das praktische Jahr beisammen hast. Dann kannst du entweder den regulären Ausbildungsweg gehen oder auch dich durch 10 Jahren "Sachbearbeitertätigkeit" für die Prüfungsteilnahme qualifizieren (glaube sogar wenn man die EPA-Zulassung hat sind es nur 8 Jahre...).
Wenn man den "langen Weg" geht, dann braucht man auch das eine Jahr praktische Tätigkeit nicht. Man macht dann Hagen und die Patentanwaltsprüfung ohne Amtsjahr. Ja, mit EPA-Zulassung 8 Jahre, wobei man mit Hagen dann schon früher anfangen darf, die 8 Jahre müssen bei der Prüfung erfüllt sein.
 

Dr. Obvious

Vielschreiber
Patachon hat ja schon einige Sachen der Vorredner korrigiert, aber ich würde gerne noch etwas ergänzen.

Ich selbst bin reiner EPA in der Industrie, wobei ich die Ausbildung in einer Kanzlei gemacht habe.

Der Standesdünkel ist bei manchen Personen in Kanzleien noch extrem ausgeprägt ( §1 der PAO kennen diese Leute in und auswendig, und werden nicht müde sie zu zitieren), daher wäre es schon leichter mit beiden Zulassungen, weil sie nur jemanden mit deutscher Zulassung als Partner haben wollen. Aber die Wichtigkeit beider hängt extrem vom Fachbereich ab. In Chemie und Bio Bereich ist die deutsche Zulassung für das alltägliche Geschäft als PA unwichtig. Ein Partner mit dem ich gearbeitet hatte, hat seit 20 Jahren nichts mehr mit dem DPMA zu tun gehabt, also quasi seit Ende seiner Ausbildung. Da braucht man die deutsche Zulassung nur für Nichtigkeitsklagen vor dem BPatG und das voraussichtlich auch nur noch für fünf Jahre, sobald das UPC für alle europäischen Patente mit Wirkung für DE zuständig sein wird. Da dürfen nur EPAs vertreten und deutsche PAs nicht. Das reine EPAs den deutschen PAs in deutschrn Verletzungsverfahren gleichgestellt sind, hat sogar mal das OLG Düsseldorf in mehreren Urteilen festgehalten.

Interessant ist höchstens die Frage, ob es Haftungsprobleme bei FTOs gibt. Da ja nur Volljutisten in Verletzungsverfahren vertreten dürfen, haben sie extra eine Ausnahme in § 3 Abs. 3 PAO eingebaut, dass auch ein deutscher PA ein entsprechendes Gutachten abgeben darf. Für reine EPAs ist es zumindest für deutsche Verletzungsverfahren ein Graubereich. Unstrittig dürfte es für EPAs mit Zulassung vorm Upc sein, dass sie zumindest für diese eines machen dürfen.

Im Ingenieursbereich sieht es anders aus, weil es da noch einiges an KMUs gibt, für die nur DE interessant ist.

Partner werden kann man mindestens seit dem Apothekerurteil vom BGH von 2016, seit der Änderung des Berufrechts vor zwei Jahren nun auch ganz hochoffiziell. In Ergänzung zu dem was Patachon gesagt hat: Auch darfst du als reiner EPA dich selbstständig machen (Art. 134 (6) EPÜ), aber du hast halt keinen Zugang zu allen Mandanten, weil du nicht vorm DPMA vertreten darfst. Aber es gibt auch mindestens eine Kanzlei, die nur aus EPAs besteht.

Um auch einmal die Wichtigkeit beider Zulassungen im Verhältnis zu sehen: Es gibt deutlich mehr reine EPAs als es reine deutsche PAs gibt. Ich kenne ca. 20 erstere und nur zwei letztere, wobei der eine die europäische Prüfung nicht bestanden und aufgegeben hat, und der andere es auf später, sprich nach seiner Ausbildung, verschoben hat. Daher es geht auch ohne europäische Zulassung im Alltag, aber durch die Wichtigkeit des europäischen Patentamts ist es deutlich schwieriger ohne, weil du für wirklich alles jemand anderen brauchst, der unterschreibt. Andersherum geht es schon eher.
 

Matthias75

SILBER - Mitglied
Ich würde hier noch weitere Aspekt einwerfen, die mit Blick auf deine Karriere vielleicht nicht ganz unerheblich sind:

1. Ich würde mich nochmal eingehender mit den Inhalten der deutschen und der europäischen Prüfung und auch mit dem Berufsbild des Patentanwaltes beschäftigen. Dann würde ich mir nochmal überlegen, wo du beruflich hin willst. Unternehmen? Kanzlei? Selbstständigkeit? Die europäische Ausbildung ist z.B. aus meiner Sicht sehr auf die Patentsacharbeit und die Vertretung vor dem EPA ausgerichtet, während die deutsche Ausbildung doch deutlich umfangreicher ist.

2. Wie gut und umfangreich ist die Ausbildung zum EPA in der Firma? Hat das Unternehmen Interesse, die in allen Belangen auszubilden oder suchen sie lediglich einen Sacharbeiter, der nebenbei auch die EQE machen kann? Reicht das, was du in diesem Unternehmen patentrechtlich lernen kannst, für deine spätere berufliche Laufbahn bzw. deine Ziele aus?

Die Bandbreite der möglichen Tätigkeiten und somit der Ausbildung ist in einem Unternehmen vermutlich deutlich kleiner als in einer Kanzlei und wird sich im Extremfall auf die reine Patentsacharbeit beziehen. Die deutsche Ausbildung ist deutlich umfangreicher und umfasst auch viele Bereiche, mit denen du im Unternehmen nicht direkt in Kontakt gelangst. Wenn du einen guten Ausbilder hast, wirst du mit der "klassische" Kandidatenausbildung deutlich umfangreicher ausgebildet, was deine späteren Berufs- und Karrierechancen mit Sicherheit nicht reduziert. Natürlich kann man sich das alles auch selbst und während der beruflichen Tätigkeit drauf schaffen. Das ist aber ungleich aufwändiger.

2. Wie oben geschrieben, kann du die deutsche Ausbildung zwar auch später nachholen. Die Frage ist: Hast du später auch noch Zeit dafür? Zu einem späteren Zeitpunkt, wenn du beruflich und vielleicht auch familiär eingebunden bist, ist es ungleich schwieriger, die Energie aufzubringen und sich die benötigte Zeit freizuschaufeln, als zu Beginn deiner beruflichen Laufbahn, vor allem, wenn eben genau diese Ausbildung eine deiner Aufgaben ist. Falls die deutsche Ausbildung eine Option ist, würde ich also lieber jetzt das eine Jahr praktische Tätigkeit einschieben.

M.
 
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