Allg. Wie kann man die persönliche Eignung abschätzen?

Hallo zusammen,

ich beschäftige mich schon lange mit der Entscheidung, die PA-Laufbahn einzuschlagen und sammle viele Informationen - vor allem auch als stiller Leser in diesem Forum. Allerdings tue ich mich nach wie vor schwer, den Schritt tatsächlich zu wagen, auch wenn sich soweit alles ganz gut und inhaltlich interessant anhört. Der Grund dafür ist, dass ich zwar viel Freude am wissenschaftlichen Arbeiten/Schreiben, dem Einarbeiten in verschiedenste Themenbereiche sowie auch Interesse an juristischen Fragestellungen habe, jedoch nicht abschätzen kann, in wie weit ich tatsächlich für die juristische Arbeit geeignet bin.

Wie seid ihr mit diesem Sprung ins kalte Wasser umgegangen bzw. was hat euch geholfen, eure persönliche Eignung abzuschätzen?

Immerhin ist es ja doch ein gewisses Risiko, die Ausbildung zu beginnen und im schlimmsten Fall dann mit einem recht unschönen "Knick" im Lebenslauf und fehlender Erfahrung dann in das eigentliche Fachgebiet zurückzukehren.
Eine meiner Herangehensweisen war, mir Materialien aus Hagen (Studieninhalte, Übungsaufgaben und Klausuren soweit verfügbar) anzusehen. Ich fand auch hier die Fragestellungen sehr interessant, saß aber insgesamt natürlich relativ ratlos davor.
 

pak

*** KT-HERO ***
Hallo Interessent135,

bei mir waren es im Wesentlichen zwei berufsentscheidende Gründe.

Zum einen der Spaß daran, mit Sprache und Worten zu arbeiten, insbesondere Begriffe auf deren Bedeutung abzuklopfen, zuweilen auch als Korinthenkackerei bezeichnet 😁. Ich rede hier aber nicht von der Verwendung einer schönen Sprache, dann wärest Du eher falsch abgebogen, zumal die in unserem Beruf verwendete Sprache - unter Abfärbung auch auf den privaten Bereich - eher zweckmäßig denn schön ist.

Zum anderen der Wunsch, technische Sachverhalte einerseits genau, auch in Details, zu verstehen und dann auf deren Kern herunterzubrechen, um diesen abschließend beschreiben bzw. erklären zu können.

Dass ich dabei "wissenschaftlich" arbeite, möchte ich nicht unbedingt behaupten, ich würde eher von einem Handwerk sprechen. Insofern würde ich eine ausgeprägte wissenschaftliche Arbeit in diesem Beruf eher nicht sehen.

Gruß

pak
 

B_2020

GOLD - Mitglied
Ich denke, @pak hat es schon gut zusammengefasst.
In der Tat sollte man sich von der "Illusion" befreien, man würde wissenschaftlich arbeiten.

Obgleich man sicherlich hin und wieder eher theoretische Abhandlungen schreibt und liest (ich denke da insb. an Abhandlungen, was der Fachmann alles kann oder nicht kann, je nachdem auf welcher Seite man gerade ist und ob es um die Ausführbarkeit oder das Naheliegen geht), ist es in der Regel nicht die Aufgabe eines Patentanwalts, die Erfindung wissenschaftlich zu analyisieren, sondern vielmehr diese technisch zu verstehen und hiterfragen, um dann daraus das wesentliche herauszufiltern.
Die zu filternde Information muss man dann noch in die Patentsprache "übersetzten". Dies stellt dann insbesondere den handwerklichen Aspekt der Arbeit aber auch den Aspekt der Arbeit dar , den der ein oder andere als "Korinthenkackerei bezeichnet.

Am meisten wird es dir, @interessent135 wohl helfen, wenn du ein paar Tage oder Wochen ein Praktikum in einer Kanzlei machst.
Denn dadurch wirst du mit der alltäglichen Realität konfronitiert.
 

Userin

Vielschreiber
Mir hat damals auch ein Praktikum geholfen die endgültige Entscheidung zu treffen.
Ich persönlich hätte es aber auch nicht als Weltuntergang gesehen, die Entscheidung nach einigen Monaten nochmal zu revidieren. Absolute Gewissheit kann man nie haben.
Außerdem denke ich, dass wenn einen die Thematik interessiert, man nach einem naturwissenschaftlichen Studium auch in der Lage ist, sich die juristischen Sachverhalte anzueignen. Das du jetzt aber noch ratlos bei den Aufgaben bist, ist auch sicherlich ganz normal :)
 

DMX

BRONZE - Mitglied
Immerhin ist es ja doch ein gewisses Risiko, die Ausbildung zu beginnen und im schlimmsten Fall dann mit einem recht unschönen "Knick" im Lebenslauf und fehlender Erfahrung dann in das eigentliche Fachgebiet zurückzukehren.

Ich würde es genau umgekehrt sehen - klar ist es ein Risiko, den bisherigen Job zu kündigen, aber der Knick als solcher ist alles andere als unschön. Solltest du doch völlig ungeeignet sein (was mMn extrem unwahrscheinlich ist), werden das du und dein Ausbilder sehr schnell merken, ziemlich sicher noch in der Probezeit. Bei einem späteren Vorstellungsgespräch ist dann der paarmonatige Knick im Lebenslauf:
A) nicht schwer zu begründen - "es ist ein ganz anderes Feld, in welches ich hineinschnuppern wollte, letztlich hat es aber meine Erwartungen nicht erfüllt und ich wollte zurück zu meinem Fachgebiet bevor ich den Anschluss verpasse". Ich denke "zu textlastig" oder insbesondere "mir hat die Arbeit im Team gefehlt" wird keiner hinterfragen, eher positiv sehen;
B) sehr praktisch, weil du eine der Fragen kennst, die auf dich zukommt ;) ; und
C) für viele Personaler sicher interessant und eher positiv, weil du deinen Horizont erweitern wolltest und auch rechtzeitig gegengesteuert hast.

In meinem Fall war die Überlegung genau andersherum. Es war ohnehin Zeit, den Job zu wechseln, und ob mir dieser Beruf auch in der Realität so sehr zusagt wie auf dem Papier, wusste ich nicht. Aber die paar Monate im vergleichbar bezahlten Job zu verbringen und ggf. dann weiter zu suchen, fand ich kein Risiko, sondern im worst case eine bereichernde Erfahrung.

Daher schließe ich mich B_2020 an mit dem Vorschlag, es mit einem Praktikum auf dem Gebiet zu versuchen. 1-2 Wochen wird man denke ich notfalls als Urlaub vom bestehenden Job kaschieren können.

Eine Sache möchte ich noch anmerken: die Denk- und Arbeitsweise ändert sich grundlegend. Nach einem halben Jahr konnte ich es mir kaum, nach einem schon gar nicht mehr vorstellen, in den Ingenieurberuf zurückzukehren. Wenn man also den Absprung (Rücksprung?) überlegt, sollte man es lieber früher als später auch durchziehen. Aber auch das wirst du erst sehen, wenn du in der Situation bist.
 

Kandidat1985

Schreiber
Ich finde, dass man sich das juristische Werkzeug mit der Zeit und mit Erfahrung erarbeitet . Dass du gerade am Anfang von den Hagen-Unterlagen und den Einsendeaufgaben und Klausuren keine Ahnung hast, ist ganz normal und sollte dich nicht abschrecken. Da erging es mir nicht anders als dir. Und noch immer habe ich so mit den Paragraphen und dem juristischen Umfang meine Schwierigkeiten; das Gute ist dass wir hier in der Kanzlei einige Rechtsanwälte hat, die man immer um Rat fragen kann.

Den Knick in der Karriere oder im Lebenslauf sehe ich nicht kritisch. Wenn dir ein Job nicht passt und gefällt, warum sollte man dann weitermachen? Die Personaler nehmen das sicher nicht tragisch, mittlerweile sind Jobwechsel doch gang und gäbe; schau dir doch mal die LinkedIN-Lebensläufe an.

Wenn du unverbindlich wissen willst, wie die Arbeit als Patentanwalt abläuft, ist ein (Schnupper-)Praktikum sicher eine gute Idee.

Alles Gute und lass dich von dem juristischen Aspekt nicht abschrecken. Du schaffst das!
 

Matthias75

SILBER - Mitglied
Immerhin ist es ja doch ein gewisses Risiko, die Ausbildung zu beginnen und im schlimmsten Fall dann mit einem recht unschönen "Knick" im Lebenslauf und fehlender Erfahrung dann in das eigentliche Fachgebiet zurückzukehren.
Wie DMX schon schrieb, wirst du relativ schnell herausfinden, ob dir die patentanwaltliche Arbeit liegt. Du wirst in deiner Ausbildung relativ schnell an realen Fällen und Akten arbeiten, diese mit deinem Ausbilder diskutieren und geg. auch deinen Ausbilder bei der Beratung von Mandanten oder bei mündlichen Verhandlungen begleiten. Besser und schneller kannst du gar nicht herausfinden, ob dir diese Arbeit liegt.

Es ist also nicht so, dass du erst dein Rechtsstudium beenden musst und dann auf konkrete Fälle und Akten losgelassen wirst. Die rechtlichen Aspekte, die du zum Verständnis der Arbeit benötigst, werden nebenbei gelernt, der Rest kommt dann erst später.

Zu den rechtlichen Aspekten noch eine Anmerkung: Du schriebst:
Eine meiner Herangehensweisen war, mir Materialien aus Hagen (Studieninhalte, Übungsaufgaben und Klausuren soweit verfügbar) anzusehen. Ich fand auch hier die Fragestellungen sehr interessant, saß aber insgesamt natürlich relativ ratlos davor.
Dazu sollte erwähnt werden, dass im Hagen-Studium viel allgemeines Recht (BGB, ZPO etc.) gelehrt wird und weniger patentrechtliche Themen.

Wenn du dich in patentrechtliche Arbeitsweisen und Tätigkeiten einlesen willst, würde ich mir eher die Inhalte der Patentanwaltsprüfung oder der Europäischen Eignungsprüfung (EQE) anschauen. Die sind für dich vermutlich teilweise ähnlich kryptisch, geben dir aber aus meiner Sicht einen besseren Einblick, was dich bei der Arbeit als Patentanwalt erwartet.

Ansonsten ist, wie schon von anderen geschrieben, ein Praktikum sicher eine gute Möglichkeit, um einen ersten Einblick zu erhalten. Idealerweise lassen ich darüber auch erste Kontakte zu einer möglichen Ausbildungskanzlei oder anderen Kandidaten knüpfen.

Ein weiterer Tipp könnte das Buch "Perspektive Patentanwalt" von e-fellows sein.

M.
 
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