US US-Recht: Mehrere unabhängige Ansprüche in der gleichen Anspruchskategorie

Kratos

*** KT-HERO ***
Hallo,

in US-Anspruchsfassungen sind ja fast immer mehrere unabhängige Ansprüche enthalten, die der gleichen Anspruchskategorie angehören. Wenn man gezwungen ist, sich mit diesen Anspruchsfassungen im Rahmen einer nationalen oder europäischen Nachanmeldung zu befassen, braucht es ewig, bis man herausgefunden hat, welche Unterschiede eigentlich zwischen den unabhängigen Ansprüchen in der gleichen Anspruchskategorie bestehen. Meistens sind es dann nur einzelne Begriffe, die ausgetauscht/geändert wurden. Anschließend ist man gezwungen zu ergründen, welcher der Ansprüche denn nun weiter gefasst ist oder ob man beide vielleicht unter einen Hut bringen kann.

Mir wurde mal erklärt, dass diese Unsitte, im Grunde gleiche oder stark ähnliche unabhängige Ansprüche der gleichen Anspruchskategorie zu verfassen, ihren Grund in dem US-Verfahren hat. Genau verstanden habe ich dies jedoch nicht. Kann mir jemand auf die Sprünge helfen?

Danke

Kratos
 

Karl

*** KT-HERO ***
Da ich noch nicht so viel US Erfahrung habe, kann ich da leider nur vermutungen beitragen.

Vor der eigendlichen Verhandlung bei US-Verletzungsprozessen findet ein sogenanntes "Markman hearing" statt. In diesem wird die Bedeutung der in den Ansprüchen verwendeten Begriffe festgelegt, wobei hierüber der Richter und keine Jury entscheidet. Grade in US wird, soweit ich dies mitbekommen habe, die Beschreibung auch als Lexikon für die Bedeutung der Begriffe verstanden. Es könnte also relativ leicht passieren, dass man einem Begriff eine andere Bedeutung gibt als eigendlich gewollt.

Hat man mehrere unabhängige Ansprüche mit einzelnen ausgetauschten Wörtern könnte dies von Vorteil sein, da jedes der Wörter geringfügig verschieden ausgelegt werden könnte.
 

Kratos

*** KT-HERO ***
Vor der eigendlichen Verhandlung bei US-Verletzungsprozessen findet ein sogenanntes "Markman hearing" statt. In diesem wird die Bedeutung der in den Ansprüchen verwendeten Begriffe festgelegt, wobei hierüber der Richter und keine Jury entscheidet. Grade in US wird, soweit ich dies mitbekommen habe, die Beschreibung auch als Lexikon für die Bedeutung der Begriffe verstanden. Es könnte also relativ leicht passieren, dass man einem Begriff eine andere Bedeutung gibt als eigendlich gewollt.

Hat man mehrere unabhängige Ansprüche mit einzelnen ausgetauschten Wörtern könnte dies von Vorteil sein, da jedes der Wörter geringfügig verschieden ausgelegt werden könnte.

Das würde die Vorgehensweise bei der Abfassung der Patentansprüche tatsächlich erklären. Danke für den Hinweis! Das von Dir erwähnte "Markman hearing" ist übrigens auch hier nochmals beschrieben:

http://en.wikipedia.org/wiki/Markman_hearing

Zusatzfrage:

Wie handhabt Ihr derartige Ansprüche, wenn diese beanstandet werden? Den US-Kollegen fragen, welcher Anspruch derselben Anspruchskategorie weiterverfolgt werden soll? Versuchen, die Ansprüche aus derselben Anspruchskategorie in einem Anspruch zusammenfassen, der alle zuvor einzeln beanspruchten Ausführungsvarianten umfasst?

Kratos
 
Zuletzt bearbeitet:

Asdevi

*** KT-HERO ***
Wie handhabt Ihr derartige Ansprüche, wenn diese beanstandet werden? Den US-Kollegen fragen, welcher Anspruch derselben Anspruchskategorie weiterverfolgt werden soll? Versuchen, die Ansprüche aus derselben Anspruchskategorie in einem Anspruch zusammenfassen, der alle zuvor einzeln beanspruchten Ausführungsvarianten umfasst?
Prinzipiell so viel retten wie möglich. Selten hat man das Glück, dass ein Anspruch den Gegenstand von allen anderen umfasst, dann wird das natürlich der unabhängige und die anderen davon abhängig. Das passiert aber nur, wenn der Schreiber des Patents einen Fehler gemacht hat, denn eigentlich ist das wohl nicht beabsichtigt.

Meist sehen die Ansprüche ja irgendwie so aus:
1. Merkmale ABCDEFGH
2. Merkmale ABDEFGHI
3. Merkmale BCDEFGHI

Jetzt kann man versuchen, einen eigenen, breiteren Anspruch zu kreieren, der alle abdeckt (also BDEFGH). Problem dürfte meistens 123(2) sein, da die Beschreibung in den seltensten Fällen eine Offenbarung dazu beinhalten wird.

Wenn es nicht anders geht, sucht man sich dann den Anspruch mit dem weitesten Schutzbereich, macht die anderen abhängig, indem man die zusätzlichen Merkmale einfügt, und hofft, dass das/die Merkmal/e, das nur im ersten genannt ist, auch für die weiteren schon irgendwie mitoffenbart war und durchgeht.

Wenn das nicht klappt, bleibt nur, den Mandanten aussuchen zu lassen (der dann regelmäßig erstaunt, verzweifelt, wütend oder pissig wird).
 

grond

*** KT-HERO ***
Die ganze Problematik dürfte immer weniger praxisrelevant sein, weil auch die Amis ihre Anmelder zu weniger Ansprüchen zwingen (Begrenzung der Anzahl von unabhängigen Ansprüchen für die ganze Patentfamilie und ähnlicher Quatsch) und die enormen EPA-Anspruchsgebühren schon frühzeitig zum Eindampfen der Anspruchssätze zwingen.

Das beste Mittel ist, schon vor der Einreichung auf die Problematik hinzuweisen und anzubieten, die Anmeldung vor Einreichung zu überarbeiten.
 

Kratos

*** KT-HERO ***
Jetzt kann man versuchen, einen eigenen, breiteren Anspruch zu kreieren, der alle abdeckt (also BDEFGH). Problem dürfte meistens 123(2) sein, da die Beschreibung in den seltensten Fällen eine Offenbarung dazu beinhalten wird.

Wenn es nicht anders geht, sucht man sich dann den Anspruch mit dem weitesten Schutzbereich, macht die anderen abhängig, indem man die zusätzlichen Merkmale einfügt, und hofft, dass das/die Merkmal/e, das nur im ersten genannt ist, auch für die weiteren schon irgendwie mitoffenbart war und durchgeht.

Das ist gerade der mühsame und gefährliche Weg, ...

Wenn das nicht klappt, bleibt nur, den Mandanten aussuchen zu lassen (der dann regelmäßig erstaunt, verzweifelt, wütend oder pissig wird).

weshalb ich in der Regel dazu tendiere. Leider hat man dann die "Auseinandersetzung" zwischen Kollegen und nicht mit dem Amt :(

Das beste Mittel ist, schon vor der Einreichung auf die Problematik hinzuweisen und anzubieten, die Anmeldung vor Einreichung zu überarbeiten.

Wir gehen auch dazu über. In manchen Fällen greifen Mandanten jedoch auf "professionelle Dienstleister" zurück, die - aufgrund fehlender Kenntnisse - die Anmeldungen ungefiltert anmelden/regionalisieren/nationalisieren. In diesen Fällen muss man sich wieder mit den Tücken derartiger Anmeldungen auseinandersetzen, was letztlich wieder zu höheren Kosten führt, die der Mandant durch Einschalten des "professionellen Dienstleisters" eigentlich einsparen wollte. Aber das ist eine andere Geschichte ;)

Danke für Eure Ansichten ...

Kratos
 

Kratos

*** KT-HERO ***
Wieso soll das gefährlich sein? Im schlimmsten Fall lässt sich der Prüfer nicht überzeugen und man muss die Ansprüche halt doch streichen.

Hierauf hat Pat-Ente bereits treffend geantwortet:

Gefährlich wird es gerade, wenn sich der Prüfer überzeugen lässt: Wird dann nämlich Einspruch eingelegt, kann das ganz böse ausgehen.

Ergänzendes Stichwort: Art. 123(2+3) EPÜ

Und Mühe, nun ja. Die ist genau das, wofür ich bezahlt werde.

Ich scheue die Mühe nicht, jedoch gibt es angenehmere Arbeiten, zumal man danach noch die "Mühe" hat, dem Anmelder zu erklären, warum man "zu viel" abrechnet, was insbesondere bei US-Anmeldern die Regel ist.

Gruß

Kratos
 
Zuletzt bearbeitet:

Asdevi

*** KT-HERO ***
Gefährlich wird es gerade, wenn sich der Prüfer überzeugen lässt: Wird dann nämlich Einspruch eingelegt, kann das ganz böse ausgehen.
Offensichtlich reden wir hier über unterschiedliche Dinge.

Ich ging davon aus, dass ich vorher unabhängige Ansprüche "mit Gewalt" irgendwie unter einen anderen presse. Wenn's klappt, schön. Wenn nicht, schmeiß ich sie halt raus. Zur Not schmeiß ich sie im Einspruchsverfahren raus.

Seit wann ist es denn bitte ein Problem, einen Anspruch zu streichen? Wo liegt das Risiko? Ich raff's nicht.
 

Kratos

*** KT-HERO ***
Offensichtlich reden wir hier über unterschiedliche Dinge.

Ich ging davon aus, dass ich vorher unabhängige Ansprüche "mit Gewalt" irgendwie unter einen anderen presse. Wenn's klappt, schön. Wenn nicht, schmeiß ich sie halt raus. Zur Not schmeiß ich sie im Einspruchsverfahren raus.

Seit wann ist es denn bitte ein Problem, einen Anspruch zu streichen? Wo liegt das Risiko? Ich raff's nicht.

Problematisch wird es, wenn man durch den neu aus den ursprünglich unabhängigen Ansprüchen konstruierten Anspruch über den Offenbarungsgehalt der Anmeldeunterlagen hinausgeht und es zur Erteilung kommt. Man kann im Einspruchsverfahren dann nicht einfach mal Merkmale aus dem geltenden Hauptanspruch streichen, um dem Einwand der unzulässigen Erweiterung zu begegnen, da hierdurch der Schutzbereich des Patents erweitert werden könnte (Art. 123(3)EPÜ).

Kratos
 

Kugelblitz

GOLD - Mitglied
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die US-Kollegen bereits einen der unabhängigen Ansprüche favorisieren, während die anderen unabhängigen Ansprüche nur für das Markmanverfahren erstellt wurden. Eine kurze Anfrage hat die Angelegenheit - zumindest in unseren Fällen - meist recht schnell geklärt. Hängt aber auch vom jeweiligen Kollegen ab.

kugelblitz
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Problematisch wird es, wenn man durch den neu aus den ursprünglich unabhängigen Ansprüchen konstruierten Anspruch über den Offenbarungsgehalt der Anmeldeunterlagen hinausgeht und es zur Erteilung kommt. Man kann im Einspruchsverfahren dann nicht einfach mal Merkmale aus dem geltenden Hauptanspruch streichen, um dem Einwand der unzulässigen Erweiterung zu begegnen, da hierdurch der Schutzbereich des Patents erweitert werden könnte (Art. 123(3)EPÜ).
Nein, dann muss man natürlich den selbstkreierten Dachanspruch ganz streichen und sich auf einen der ursprünglichen unabhängigen zurückziehen. Wobei man genau dort landet, wo man wäre, wenn man von Anfang an alle bis auf diesen gestrichen hätte.

Ich sehe noch immer kein Problem.
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Ich sage ja auch nicht, dass das zwingend untergeht - aber es kann doch gravierende Probleme ergeben.

Ein Beispiel zur Verdeutlichung:

Urspr. Anmeldung enthält die unabh. Ansprüche

1. ABC
2. ABD
3. BCE


Für EP werden diese umgeschrieben.

Szenario 1 ("breiter Dachanspruch"):

1. B
2. 1 + AC
3. 1 + AD
4. 1 + CE

Das wird höchstwahrscheinlich nicht erteilt, weil Anspruch 1 nicht offenbart ist, und möglw. ohnehin so breit, dass er nicht neu ist. Im Einspruch wäre aber immerhin Rückzug auf Ansprüche 2, 3, 4 (dann nebengeordnet) möglich.

Szenario 2 ("wichtigster Anspruch vorne")

1. ABC
2. 1 + D
2. 1 + E

Wird vermutlich erteilt, weil ABC offenbart ist und die Unteransprüche "durchrutschen". Nehmen wir aber an, dass sich im Einspruch ABC als nicht neu oder nicht erfinderisch erweist, dann sind Ansprüche 2 und 3 nicht als Rückzugspositionen tauglich, da nicht offenbart. Rückkehr zu den urspr. Ansprüchen 2 und 3 ist nicht möglich wg. Art. 123 (3) (Schutzbereichsverschiebung). Also vollständiger Widerruf ...

Na gut, man hat ja noch die Beschreibung - aber es ist oft nicht so einfach, auf deren Grundlage zu argumentieren (Stichwort "eindeutige und unmittelbare Offenbarung"); und sobald man Merkmale aus der Beschreibung in den Anspruch aufnimmt, nimmt erfahrungsgemäß auch die Dichte des Minenfeldes zu (weiteres Stichwort Klarheit).

Sicher sind die obigen Szenarien stark vereinfacht und es gibt da viele mögliche Schattierungen; genauso gibt es dann eben noch Schattierungen der potentiellen Probleme.
 

Kratos

*** KT-HERO ***
Hallo Asdevi,

Wobei man genau dort landet, wo man wäre, wenn man von Anfang an alle bis auf diesen gestrichen hätte.

Man landet eben nicht dort, wo man am Anfang - sprich: im Anmeldeverfahren - war, da mittlerweile ein Patent erteilt wurde. Die Patenterteilung hat eine Zäsurwirkung, zumal Dritte durch die Patenterteilung erstmals den Schutzbereich des Patents aufgezeigt bekommen haben, der zu respektieren ist.

Nein, dann muss man natürlich den selbstkreierten Dachanspruch ganz streichen und sich auf einen der ursprünglichen unabhängigen zurückziehen.

Sicher kann man dies tun und bei einem entsprechend formulierten Dachanspruch, dessen Streichen und Ersetzen durch einen der ursprünglichen Ansprüche nicht zu einer Erweiterung des Schutzbereichs führen würde, sehe ich auch keine Probleme. Allerdings kann dies bei drei oder mehr ursprünglichen Ansprüchen äußerst knifflig sein, insbesondere wenn der Stand der Technik nicht ohne weiteres einen einfachen Dachanspruch zulässt, unter den die ursprünglichen Ansprüche fallen können. Letztlich hängt es natürtlich immer vom konkreten Fall ab.

Kratos
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Szenario 2 ("wichtigster Anspruch vorne")

1. ABC
2. 1 + D
2. 1 + E

Wird vermutlich erteilt, weil ABC offenbart ist und die Unteransprüche "durchrutschen". Nehmen wir aber an, dass sich im Einspruch ABC als nicht neu oder nicht erfinderisch erweist, dann sind Ansprüche 2 und 3 nicht als Rückzugspositionen tauglich, da nicht offenbart. Rückkehr zu den urspr. Ansprüchen 2 und 3 ist nicht möglich wg. Art. 123 (3) (Schutzbereichsverschiebung). Also vollständiger Widerruf ...

Genau dieses Beispiel meinte ich, und das Problem ist klar. Nur - was ist die Alternative?

Wenn ich den Mandanten am Anfang frage, welcher unabhängige Anspruch ihm am wichtigsten ist, wird er "ABC" sagen. Wenn ich jetzt alle anderen (ABD, BDE) wie hier vorgeschlagen streiche, und das Patent wird erteilt, dann ist es erst recht tot, sollte ABC nicht neu sein. Dann habe ich null Rückzugspositionen mehr. Das Risiko, dass die Erfindung nicht neu ist und das Patent verreckt, besteht ja bei jeder Anmeldung, egal wie ich die Ansprüche gestalte.

Ich fahre mit dem Versuch, Ansprüche 2 und 3 als Unteransprüche durchzukriegen, also noch immer besser, als wenn ich sie von vornherein streiche.
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Da hast Du natürlich recht. Vielleicht habe ich Dich auch weiter oben missverstanden, ich wollte nur vor Sorglosigkeit warnen und darauf hinweisen, wo die Fallstricke liegen.

Einig sind wir uns also sicher darin, dass man am besten beim Ausarbeiten der Anmeldung auf eine ordentliche Offenbarungsbasis achtet. Wenn man auf Grundlage einer bereits vorhandenen Anmeldung arbeitet (was ja für den EP-Anwalt beim Vertreten der regionalen Phase einer aus US stammenden Anmeldung der typische Fall ist), kann man oft nur noch Risikominimierung betreiben. Aber der Mandant/Korrespondenzanwalt muss natürlich auf die Risiken bei jeder Vorgehensweise hingewiesen werden.
 

Gerd

*** KT-HERO ***
Hi,

Urspr. Anmeldung enthält die unabh. Ansprüche

1. ABC
2. ABD
3. BCE

wie wäre es mit:

1. B und zwei weitere Merkmale ausgewählt aus der Gruppe A, C, D und E

Wenn ABE und ACD und ADE in der Offenbarung überhaupt nicht auch nur implizit herauslesbar sind, oder schon St.D.T, ggf. noch einen entsprechenden Disclaimer dazu?

Nur so ein Gedanke...

Gruß
Gerd
 
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