US Unzulässige rückschauende Betrachtungsweise (in Kenntnis der Erfindung)

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
Hallo Forum,

folgender Fall im Prüfungsverfahren vor dem USPTO:

Erfindungsgebiet: Herstellung von bunten Stecknadelköpfen durch Eintunken der (erhitzten) Stecknadelköpfe in eine Wanne mit farbigem Kunststoffpulver

Erfindungsaufgabe: noch mehr Stecknadelköpfe gleichzeitig in das Kunststoffpulver eintauchen, ohne dass benachbarte Stecknadelköpfe an den Rändern zusammenkleben

Erfindung: Vorrichtung für AB, gekennzeichnet durch C
A: viele Stecknadelköpfe gleichzeitig in farbiges Kunststoffpulver eintunken
B: enge Beabstandung der Stecknadelköpfe
C: Kühlvorrichtung zur aktiven Kühlung des Kunststoffpulvers

Beschreibungseinleitung der Erfindung erwähnt als "bekanntes Problem", dass eng beabstandete Stecknadelköpfe bei der Kunststoffbeschichtung an den Rändern zusammenkleben können.

Prüfungsbescheid:
D1: Vorrichtung für A
D2: kühlbare Wanne für heißes Maschinenöl

Prüferargumentation:
1. Der Fachmann wisse, dass eng beabstandete Stecknadelköpfe beim Eintunken zusammenkleben können. Beweis: Beschreibungseinleitung der Erfindung

2. Es sei dem Fachmann klar, dass die Stecknadelköpfe wegen des verflüssigten Kunststoffs an den Rändern zusammenkleben.

3. Es sei daher naheliegend [?!] dass Kühlung des Kunststoffpulvers (= Erfindungskern!) verhindern würde, dass die Stecknadelköpfe an den Rändern zusammenkleben.

Der Fachmann, vor die Erfindungsaufgabe gestellt, würde daher D1 mit der kühlbaren Wanne aus D2 kombinieren, und so zum Gegenstand der Erfindung gelangen.

Ist das noch vertretbar, oder schon klar 'improper hindsight'?
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Wenn das tatsächlich so in der Beschreibungseinleitung steht, wäre das zumindest ein Angriff, den ich auch in einem Einspruch fahren würde.

Wobei allerdings die unterschiedliche Behandlung von Applicant Admitted Prior Art in den USA und Europa zu beachten ist ... wenn Du außer der Beschreibungseinleitung keinen Beleg für die Vorbekanntheit hast, wird das in einem Europäischen Einspruch eher nicht zum Erfolg führen.
 

PK_Schach.Matt

*** KT-HERO ***
Wobei allerdings die unterschiedliche Behandlung von Applicant Admitted Prior Art in den USA und Europa zu beachten ist ... wenn Du außer der Beschreibungseinleitung keinen Beleg für die Vorbekanntheit hast, wird das in einem Europäischen Einspruch eher nicht zum Erfolg führen.
Das ist wahr, aber vor allem vor dem EPA gilt derzeit der berühmtberüchtigte Satz: Vor Gericht und auf hoher See, ist man in Gottes Hand, der Mandant ist sein Schäfchen und der Anwalt sein Apostel ...
 

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
Sorry für die späte Antwort -- bin aus irgendeinem Grund vom Forum nicht benachrichtigt worden.

Prüferargumentation:
1. Der Fachmann wisse, dass eng beabstandete Stecknadelköpfe beim Eintunken zusammenkleben können. Beweis: Beschreibungseinleitung der Erfindung
Das sei ja noch zugestanden.

Aber der Schritt zur dann angeblich schon "naheliegenden" Idee der Kühlung der Wanne (mit dem Kunststoffpulver darin) ist doch klar rückschauend in Kenntnis der Erfindung?
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Aus praktischer Sicht ist die Diskussion hier weitgehend überflüssig, denn keiner von uns ist dein US-Prüfer.

Meiner Erfahrung nach sind US-Prüfbescheide noch viel mehr von Willkür geprägt als die des EPA. Wenn der Prüfer sich in den Kopf gesetzt hat, dass du etwas nicht kriegst, dann kriegst du es nicht, da kannst du noch so lang hindsight schreien. Andererseits wiederum bekomme ich immer wieder Ansprüche erteilt, die hat mir das EPA mit 5 neuheitsschädlichen Dokumenten in der Luft zerrissen. Der US-Prüfer kennt die auch. Ist ihm egal. Alles ist möglich!

Kurz und gut: Probier es halt aus. Vielleicht lässt sich der Prüfer überzeugen, vielleicht auch nicht. Mit dem, was die materiell richtige Entscheidung wäre, wird das ohnehin nicht viel zu tun haben.
 

Lurchi

SILBER - Mitglied
Ein Bekannter (US Patent Agent und Europäischer Patentanwalt, lebt und arbeitet in Deutschland) hat mir mal erzählt, dass die Jobs im US-Patentamt nicht gerade beliebt sind, vor allem aufgrund der relativ schlechten Bezahlung. Daher haben die meisten Prüfer gar kein Interesse besonders gute Arbeit zu machen, da sie eigentlich möglichst schnell woanders hin wechseln möchten.
 
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