Bezüglich 123(2) vs. 54 siehe hier: https://www.epo.org/law-practice/legal-texts/html/caselaw/2019/d/clr_ii_e_1_3_7.htmIch nehme an, der eigentliche Fall ist nicht so einfach wie das Beispiel.
Ich nehme ferner an, dass der Stand der Technik, der den Stuhl offenbart, der vier Beine und eine Sitzfläche umfasst, kein konkretes Beispiel nennt mit eben nur genau vier Beinen uns einer Sitzfläche, sondern fünf.
Argumentieren würde ich dann, dass dieser Stand der Technik eine allgemeine Lehre mit 4 oder mehr Beinen offenbart (Generische Offenbarung). Die "spezielle Auswahl" auf genau 4 ist dann neu, da auch kein Beispiel legiglich vier Beine gezeigt ist.
Unterstützung meine ich aus der T 759/10 ableiten zu können, in der dargeleget ist, dass aus der Offenbarung von "umfassen" keine unmittelbare und eindeutige (explizite oder implizite) Offenbarung für "bestehen" aus abzuleiten ist. Da die Maßstäbe bei 123(2) und 54 ja an und für sich gleich sind (Gold-Standard) (Rechtsprechung hierzu hab ich vergessen, aber es wurde vor kurzem dies auch nochmal bei Auswahl hervorgehoben, dass es eigentlich eben nicht auf die Kriterien a) und b) der G‑VI, 8 ii ankommt), scheint diese Argumentationslinie nicht vollkommen aus der Luft gegriffen. Interessant wird natürlich, ob diese "Auswahl" erfinderisch ist.
Bezüglich 123(2) vs. 54 siehe hier: https://www.epo.org/law-practice/legal-texts/html/caselaw/2019/d/clr_ii_e_1_3_7.htm
Grundsätzlich muss bei einer Einschränkung der neue, eingeschränkte Gegenstand unmittelbar und eindeutig aus der ursprünglichen Anmeldung hervorgehen, sonst wäre er neu bzw. eine unzulässige Erweiterung.
Im Vorliegenden Fall kommt es sicher auf den gennauen Wortlaut an.
Nach meinem Sprachverständnis, und so habe ich es auch in der Ausbildung gelernt, kennzeichnet "bestehend aus" eine abschließende Aufzählung. Der Gegenstand hat also ausschließlich die aufgezählten Bauteile/Merkmale und darüber hinaus keine zusätzlichen Bauteile/Merkmale. In obigem Beispiel hätte der Stuhl also nur vier Beine und eine Sitzfläche und darüber hinaus keine Bauteile, wie eine Lehne, Armauflagen o.ä..
Umfassend kennzeichnet dagegen eine nicht abschließende Aufzählung, mit der nicht ausgeschlossen wird, dass der Gegenstand weitere Merkmale oder Bauteile aufweist. Es werden also die "Mindestanforderungen" beschrieben. Darüber hinaus wird offen gelassen, ob weitere Merkmale vorhanden sind.
Insofern wäre aber mit "umfassend vier Beine und eine Sitzfläche" auch ein Stuhl mit eben nur vier Beinen und einer Sitzfläche offenbart. Es ist nur nicht näher beschrieben, ob der Stuhl weitere Bestandteile hat.
Es kommt aber sicher auf den genauen Wortlaut und den Zusammenhang an, in dem die Begriffe verwendet werden.
Hallo Matthias,
Hallo B_2020,Genau so sehe ich es auch, es kommt darauf an.
Wenn zwar die Lehre offenbart ist, dass der Stuhl vier Beine und eine Sitzfläche umfasst, gleichwohl aber immer nur konkrete Offenbarungen eines Bürostühls mit fünf Beinen, Sitzfläche und Lehne hat, kann es eben sein, dass es einer Offenbarung der "speziellen Auswahl" von Stühlen mit genau vier Beinen und nur einer Sitzfläche, aber eben ohne fünftes Bein und ohne Lehne.
Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass sich aus der allgemeinen Lehre eines Stuhls (zumindest) vier Beine und eine Sitzfläche aufweisen, nicht eben auch genau so ein Stuhl mit (nur) vier Beinen und einer Sitzfläche ergibt, aber da ist auf das konkrete Dokument abzustellen.
Bin mir nun nicht ganz sicher, ob ich dieses Satz aus dem Zusammenhang gerissen habe bzw. falsch verstehe. Denn so pauschal würde ich dies ("NICHTS") nicht sehen (Offenbarung eines Gegenstandes vs. Offenbarung einer Lehre vs. Offenbarung eines Effekts vs. Offenbarung eines techn. Gebiets bzw. Zwecks....).Irgendwie geht es mit den Begriffen ein wenig durcheinander.
Auf der einen Seite gibt es einen Patentanspruch. In dem wird eine Lehre beschrieben, bei der es von Bedeutung ist, ob der Anspruchsgegenstand im gegebene Zusammenhang über die genannten Merkmale hinaus weitere Merkmale aufweist, oder nicht nicht. Entsprechend wird der Begriff "umfassend ... " oder der Begriff "bestehend aus ..." verwendet.
Ein solcher Patentanspruch offenbart gar nichts.
Auch hier gehe ich nicht ganz mit. Denn zunächst kommt es nur auf die Ansprüche darauf an, die Teil der Anmeldeunterlagen sein können. Hier finde ich die -aus meiner Sicht- Richtigstellung, die zuletzt die BK 3.3.06 vorgenommen hat, sehr gut (T0169/20). Der massenhafte Rückgriff auf die Anmeldeunterlagen bei der Definition des beanspruchten Gegenstandes wird dort nochmal etwas genauer beleuchtet. Dort wird auch genauer zur Definition des Gegenstandes des Anspruches etc. ausgeführt. Ob bzw. wann die deutsche Rechtsprechung den entsprechenden Weg geht....Beim Unterschied zwischen "umfassend" und "bestehend aus ..." geht es (wie auch sonst) einerseits darum, was das Beanspruchte im Zusammenhang der Anmeldungsunterlagen bedeuten soll (Frage der Offenbarung)
Da muss ich mal genauer drüber nachdenken. Ich wollte nur nicht grundsätzlich ausschließen, dass den Begriffen in einem bestimmten Zusammenhang eine andere Bedeutung zukommen kann, vor allem, wenn man nicht den genauen Wortlaut kennt, um den es in der Eingangsfrage geht. Oder geht es am Ende doch um einen Stuhl?Hallo Matthias,
wie könnte sich der Fall verändern im Hinblick "auf den genauen Wortlaut und Zusammenhang", "in dem die Begriffe verwendet werden."
Auch der Patentanspruch ist Teil eines Dokuments und kann eine Offenbarung bilden. Wenn diese einen Gegenstand ausreichend genau beschreiben, benötige ich als Offenbarung aus meiner Sicht nicht zwingend zusätzlich die Beschreibung. (Nebenbei ist aus der Fragestellung nicht klar, ob das "umfasst" im Anspruch steht oder in der Beschreibung.Irgendwie geht es mit den Begriffen ein wenig durcheinander.
Auf der einen Seite gibt es einen Patentanspruch. In dem wird eine Lehre beschrieben, bei der es von Bedeutung ist, ob der Anspruchsgegenstand im gegebene Zusammenhang über die genannten Merkmale hinaus weitere Merkmale aufweist, oder nicht nicht. Entsprechend wird der Begriff "umfassend ... " oder der Begriff "bestehend aus ..." verwendet.
Ein solcher Patentanspruch offenbart gar nichts. Bei der Offenbarung geht es immer um ein Dokument, von dem zu untersuchen ist, was es offenbart. Das mag (bzgl. der Frage der Neuheit) ein Dokument aus dem SdT sein, oder (für die Frage der unzulässigen Erweiterung) die Unterlagen vom Anmeldetag, oder (für Fragen der Priorität) das Prioritätsdokument.
Beim Vergleich zwischen Anspruch und Dokument muss untersucht werden, ob ein Gegenstand mit bzw. ohne die "weiteren Merkmale" vom Offenbarungsumfang des gesamten Dokuments umfasst ist, oder nicht. Dem entsprechend ist dann der Anspruch als neu (usw.) zu beurteilen.
Das stimmt nur in dem Ausnahmefall, wo der Anmelder am AT seinem Erteilungsantrag nur Ansprüche, aber keine Beschreibung und keine Zeichnung beigefügt hat. (Das soll es tatsächlich schon mal gegeben haben.)Auch der Patentanspruch ist Teil eines Dokuments und kann eine Offenbarung bilden. Wenn diese einen Gegenstand ausreichend genau beschreiben, benötige ich als Offenbarung aus meiner Sicht nicht zwingend zusätzlich die Beschreibung.
Wieso soll ein Anspruch allein keine Offenbarung bilden können? Wenn der Patentanspruch für sich allein einen Gegenstand ausreichend genau beschreibt, dass dieser aus sich heraus verständlich ist, also ohne dass die Beschreibung und/oder die Zeichnungen hinzugezogen werden müssen, wieso soll dieser Patentanspruch keine Offenbarung darstellen?Das stimmt nur in dem Ausnahmefall, wo der Anmelder am AT seinem Erteilungsantrag nur Ansprüche, aber keine Beschreibung und keine Zeichnung beigefügt hat. (Das soll es tatsächlich schon mal gegeben haben.)
Im "Normalfall" ist aber ein Patentanspruch nach dem Gesetz dafür da anzugeben, was (aus dem Offenbarungsumfang am AT) als patentfähig unter Schutz gestellt werden soll. (Das Wort "muss" ist im Zusammenhang mit dem Patentanspruch fehl am Platz: Der Anmelder kann selbst bestimmen, welche Erfindung ihm geschützt werden soll.) Was aus dem Offenbarungsumfang im Patentanspruch weggelassen wird, das ist dem Anmelder eben unwichtig. Das hat nichts mit "minimal" oder "maximal" zu tun.
Wenn mit "umfassend" beschrieben ist, dass der Stuhl vier Beine und eine Sitzfläche hat, aber weitere Bestandteile haben kann, habe ich dennoch erstmal einen Stuhl beschrieben, der "nur" vier Beine und eine Sitzfläche hat, außer, ich habe in der Beschreibung in irgendeiner Weise beschrieben, dass weitere Bauteile zwingend erforderlich sind, da der Stuhl sonst nicht funktionieren kann. In diesem Fall wäre aus meiner Sicht tatsächlich keine Offenbarung für "besteht aus" vorhanden.Auf unsere Frage bezogen: Wenn dem Anmelder wichtig ist, dass der beanspruchte Gegenstand "nur" aus den Komponenten X und Y besteht und aus sonst aus nichts, dann muss er (1) genau dies im Anspruch zum Ausdruck bringen, mit welchen Worten auch immer. Und es muss (2) überprüfbar sein, dass ein solcher Gegenstand in den Unterlagen vom AT als Erfindung so offenbart wurde, dass ein Fachmann dessen technischen Vorteile erkennen und er sie beim Nacharbeiten dieses Gegenstands für sich nutzen kann.
Das wird dann auch für ein Sitzmöbel gelten, das "nur" aus vier Beinen und einer Sitzfläche besteht, ...