Trägheit

Hans35

*** KT-HERO ***
@Lysios

Schade, wenn du nicht weiter diskutieren möchtest, denn die Frage der Beweisanzeichen interessiert mich wirklich. Vor allem, wie das auf der Ebene des Erteilungsverfahrens wirklich gehandhabt wird, wo ja jeder etwas unterschiedliche Erfahrungen gemacht haben könnte, die man auch nirgends nachlesen kann.

Im Übrigen möchte ich zum Thema "Erfinderische Tätigkeit" auf den Aufsatz von Jestaedt (ein BGH-Richter) aus dem Jahre 2001 hinweisen, dem ich in allen Punkten zustimme und der auch hinsichtlich der "Beweisanzeichen" genau das zum Ausdruck bringt, was ich sagen will (Jestaedt: Die erfinderische Tätigkeit in der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, GRUR 2001, 939). Nach meiner Beobachtung hat sich die Rechtsprechung des BGH in den 17 Jahren danach in dieser Hinsicht nur gefestigt, aber nicht mehr geändert. Das gilt insbesondere auch für das Thema "Hinweise" beim Beurteilen des Naheliegens.

Fraglich könnte aber sein, ob die in dem Aufsatz besprochene BGH-Rechtsprechung von manchen Prüfern noch heute nicht in jeder Hinsicht akzeptiert wird. (Das ist es, was ich mit "Trägheit" bezeichnen wollte.)

Ob es unter dem Gesichtspunkt der Haftung unproblematisch ist, die Beweisanzeichen für Erfindungshöhe nicht vorzutragen, ist eine ganz andere Frage. Dass es evtl. schwierig sein könnte zu beweisen, dass es nichts gebracht hätte auf "Beweisanzeichen" hinzuweisen, sieht man ja schon an unserer Diskussion. Aus demselben Grund werden in Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren nicht selten 40 oder noch mehr Schriften in das Verfahren eingeführt (die nur die Prüfer bzw. Richter verschrecken), obwohl für eine erfolgreiche Argumentation mit "Nahelegen" sehr oft zwei Schriften genügen.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Im Übrigen möchte ich zum Thema "Erfinderische Tätigkeit" auf den Aufsatz von Jestaedt (ein BGH-Richter) aus dem Jahre 2001 hinweisen, dem ich in allen Punkten zustimme und der auch hinsichtlich der "Beweisanzeichen" genau das zum Ausdruck bringt, was ich sagen will (Jestaedt: Die erfinderische Tätigkeit in der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, GRUR 2001, 939).

Na bitte, dann hast Du ja Fortschritte gemacht. Dort steht nämlich:

"Die so genannten Beweisanzeichen gehören zwar zu den vom Gericht stets abzuwägenden positiven Anhaltspunkten, die einen Hinweis auf das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit liefern können, allein aber keine verbindliche Aussage darüber rechtfertigen."

Leider fällst Du aber bei der Diskussion zum Thema Haftung wieder in Dein altes Muster zurück und widersprichst Dir damit selbst, indem Du einerseits diesen Satz von Jestadet voll zustimmst, anderseits aber genau diesen Satz wieder in Frage stellst, indem Du die grundsätzliche Haftungsproblematik in Frage stellst.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Warum ignorierst du die nächsten Sätze in diesem Aufsatz, von denen du doch sicher annehmen kannst, dass sie genau das ausdrücken, worum es mir geht?

... Sie (die Beweisanzeichen) wurden von den Patentinhabern in den Verfahren der Jahre 1998 bis 2000 auch regelmäßig ins Feld geführt. Von streitentscheidender Bedeutung waren sie nicht. Die Beweisanzeichen blieben aus unterschiedlichen Gründen erfolglos, entweder weil sie nicht nachzuweisen oder nicht unter Beweis gestellt worden waren oder weil die Erfindung bereits aus anderen Gründen zweifelsfrei nicht nahe gelegt war. Soweit sie in die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit einbezogen wurden, hatten sie nur Hilfsfunktion, um ein bereits auf Grund anderer Überlegungen gewonnenes Ergebnis zusätzlich abzustützen.

Letztlich geht es also doch immer nur darum, ob die Erfindung durch den Stand der Technik nahegelegt ist.

Bei der "gewissen Ausnahme" im letzten Absatz geht es darum, ob der ins Verfahren eingeführte Stand der Technik trotz des großen zeitlichen Abstands und der erheblichen Verbesserung (also trotz des großen sachlichen Abstands) zwischen Entgegenhaltung und Anmeldung die Erfindung nahelegen kann. Hier ging es also nur um Beweisanzeichen für das Nicht-Nahelegen angesichts einer konkreten Entgegenhaltung, nicht aber um Beweisanzeichen für die erfinderische Tätigkeit als solche.

Von solchen Beweisanzeichen für das Nicht-Nahelegen (im Sinne der Erheblichkeit einer in das Verfahren eingeführten Entgegenhaltung) hatte ich keineswegs behauptet, dass sie unbedeutend und damit anachronistisch geworden seien.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Warum ignorierst du die nächsten Sätze in diesem Aufsatz, von denen du doch sicher annehmen kannst, dass sie genau das ausdrücken, worum es mir geht?

Weil diese doch nur eine Momentaufnahme der genannten Jahre sind und schon der Titel das klarstellt. Die grundsätzliche Aussage des von mir zitierten Satzes bleibt aber erhalten.
 

PatFragen

*** KT-HERO ***
Hallo Hans,
auch wenn du mir ja ungern antwortest, muss ich doch noch kurz zusätzlich zu Lysios drauf reagieren, weil ich mich etwas für die allgemeine Logik verantwortlich fühle :).
Aber einleitend muss ich mein Verständnis nochmal kurz überprüfen. Du ziehst also als Stützung deiner Meinung einen Übersichtsartikel über die Rechtsprechung der Jahre 1998 bis 2000 heran, der von einem Honorarprofessor der Uni Gießen geschrieben wurde? Ich dachte Professoren sind für sowas nicht geeignet, weil die die Informationen immer nur aus zweiter Hand haben :). Nein etwas ernsthafter, ein Übersichtsartikel über die Entscheidungen zweier Jahre bedingen für dich also eine abgeschlossene Regel/Definition? Interessant.
Aber lass uns mal die vier Aussagen zu den Beweisanzeichen betrachten.
1. erfolglos, weil nicht nachzuweisen; und
2. erfolglos, weil nicht unter Beweis gestellt.
Also das Beweisanzeichen, die nicht bewiesen sind, nicht als entscheidend in der Begründung auftauchen (zumindest nicht offen) halte ich für relativ einsichtig. Das sähe irgendwie lustig aus. „Basierend auf Beweisanzeichen XY, das zwar nicht bewiesen wurde, sehen wir die erfinderische Tätigkeit als gegeben an.“ Irgendwie liest sich das für mich wie ein ziemlich schwerer Begründungsfehler :). Das sagt aber nichts darüber aus, wie sie zu beurteilen wären, wenn sie bewiesen worden wären (wie dies auch immer möglich ist).
3. hinfällig, weil bereits aus anderen Gründen zweifelsfrei nicht nahegelegt.
Auch hier logisch kein Hinweis darauf, was mit diesen geschehen wäre, wenn die anderen Gründe nicht gegeben wären, nur dass das Gericht womöglich schreibfaul war (und sich wohl auch nicht mit dem Beweismaß beschäftigen wollte). Schlimmer ist aber, dass diese Aussage, sofern nicht die Einschränkung auf den vorgelegten Stand der Technik vorgenommen wird, nach meiner Logik, ein eklatanter Widerspruch in sich ist (mit dem Autor würde ich gerne mal über Logik und Sprache diskutieren :) ). Es soll da etwas positiv bewiesen worden sein, das gar nicht zu beweisen geht :). Irgendwie halte ich das logisch auch für einen Begründungfehler :). Grundsätzlich ginge das nur, wenn es eine Definition/Fiktion gäbe, die positiv festlegen würde, wann etwas nicht nahegelegt ist (weil dann über die Fiktion des §4 das „erfinderisch“ §1 gegeben wäre). Die kenne ich aber nicht. Bitte klärt mich auf, wenn ihr diese Definition/Fiktion kennt. Ich kenne nur Kriterien/Definitionen, wann etwas nahegelegt ist (es gab Hinweise für den Fachmann). Noch interessanter ist aber, dass genau diese Definition/Fiktion, wenn sie denn vorhanden wäre, logisch ein Beweisanzeichen wäre ;-). Wenn "A" dann erfinderische Tätigkeit bewiesen. Was ist dann das "A" anderes als ein Beweisanzeichen ;-) ? Was der Autor womöglich meinte, war, dass anhand des vorgelegten Standes der Technik bereits nicht nachgewiesen werden konnte, dass die Erfindung nahegelegt wäre. Das ist aber logisch mal wieder was völlig Anderes (vor allem im Zusammenspiel mit "zweifelsfrei") und hat womöglich auch etwas mit der Beweislast zu tun ;-). Aber man darf von BGH-Richtern vielleicht in Bezug auf Logik bzw. exakte Ausdrucksweise nicht allzu viel erwarten :).
4. zwar hinfällig, aber trotzdem als Stütze erwähnt
Logisch die gleiche Aussage wie 3. Nur, dass die Richter in diesem Fall wohl eher nicht schreibfaul waren, vielleicht weil die Richter meinten, wenn der Vortragende schon ausreichend vorgetragen hat, um das Beweismaß hinzubekommen, soll er das auch honoriert bekommen :).

Aus keinen dieser vier Aussagen kann ich irgendwie einen Grund für mich sehen, warum es ein Zeichen von Trägheit wäre, Beweisanzeichen weiterhin reinzuschreiben, wenn die denn schlüssig darzulegen sind. Für mich ist schlüssig ausreichend, weil für mich das „Wirkungsschema“ der Beweisanzeichen ja ein anderes ist, als tatsächlich als Beweis zu gelten. Für mich wirken die, wie schon geschrieben, vor allem „indirekt“. D.h. auch ich erwarte nicht unbedingt, dass die in Entscheidungen als Grund auftauchen, sondern, dass sie bei der Meinungsbildung wirken, z.B. dass sie sich auf die Schwelle „ausreichende/nicht-ausreichende Hinweise“ auswirken. Auch basierend darauf, wie sich für mich ein „guter Richter“ verhalten sollte. Nach meiner Meinung, wird sich ein „guter Richter“ immer an das Recht halten, aber er wird innerhalb des Rechts versuchen, nicht nur Recht sondern auch Gerechtigkeit zu sprechen. Natürlich würde für mich ein „guter Richter“ nie entscheiden, etwas ist erfinderisch, wenn in dem einen Dokument sowas drinsteht wie „wenn du die Wirkung haben willst, dann mach das“. Aber in Grenzfällen (und die „Hinweise“ gibt es ja in allen Abstufungen) würde ich einen Gedankengang wie „kaum hat der eine jetzt die Lehre in dem Patent veröffentlich, machen ihn das alle nach, wo die doch auch die Möglichkeit gehabt hätten, die „Hinweise“ aus dem Stand der Technik heranzuziehen und das selber schon vor Jahrzehnten so zu machen“ durchaus die Möglichkeit geben, dass die einen Prüfer/Richter durch den Kopf gehen. Wie schon gesagt, ist es eine ganz andere Frage, ob die das in die Entscheidungen schreiben, oder ob es nicht wahrscheinlicher ist, dass die so eine Variante wie oben unter 3. oder 4. wählen. Aber handele einfach so wie du meinst und sei ganz beruhigt, denn solange der Wirkungsweg nur so wie beschrieben „indirekt“ ist, begibst du dich wohl auch nicht in ein mögliches Haftungsrisiko ;-). Aber zu sagen, dass die anderen, die nicht deiner Meinung folgen (und damit auch ich ;-) ), „träge“ wären, ist etwas anders, finde ich ;-).
 

Hans35

*** KT-HERO ***
@PatFragen

In der Tat antworte ich dir ungern, weil ich das Gefühl habe, du liest nur das aus meinen Beiträgen heraus, was dir genehm ist und du ignorierst den Rest. Als Anwalt macht man das ja vielleicht so, aber auch hier in einem Forum?

Es geht schon mit dem "Honorarprofessor" los. Das ist jemand, der unentgeltlich (honoris = Ehre) an einer Uni einige Vorlesungen hält. Hauptberuflich war Prof. Jestaedt BGH-Richter, das kann man in Wikipedia nachlesen.

Der Übersichtsartikel aus dem Jahr 2000 gibt m.E. den damaligen Stand der Rechtsprechung zu unserer Frage recht gut wieder. Du ignorierst meine ergänzende Aussage, dass sich danach die Rechtsprechung nach meiner Beobachtung nicht geändert, sondern nur gefestigt hat. (Jestaedt hat wohl kaum die Zeit danach als Hellseher besprechen wollen.) Auf meine Frage, ob jemand dazu Entscheidungen nennen kann, aus denen man etwas anderes schließen kann, gab es nur zwei Zitate von Lysios, zu denen ich schon etwas geschrieben habe.

Der nächste Teil deines Posts befasst sich damit, dass der BGH im Vortrag zu den Beweisanzeichen handwerkliche Fehler gesehen hat; das ist aber nicht unser Thema.

Dann der Kern der Sache, dein Punkt 3. Wenn Jestaedt schreibt, die Beweisanzeichen seien nicht von streitentscheidender Bedeutung, weil die Erfindung bereits aus anderen Gründen zweifelsfrei nicht nahegelegt war, so räumt er der Angabe "zweifelsfrei nicht nahgelegt" den absoluten Vorrang ein. Aber "zweifelsfrei nicht nahegelegt" bedeutet nur, dass der Stand der Technik, der vorgetragen wurde, nicht gezogen hat. Also liegt bereits dann erfinderische Tätigkeit vor, wenn kein nahelegender Stand der Technik da ist; auf Beweisanzeichen kommt es nicht mehr an. Nichts anderes ist die ganze Zeit über meine These gewesen. Deine Unterstellung, Jestaedt bzw. der BGH wollen auch spekulativ etwas über ungenannten Stand der Technik aussagen, halte ich für absurd. Mit deiner Erkenntnis über die "Beweislast", nämlich, dass Prüfer, Einsprechender oder Nichtigkeitskläger Stand der Technik beibringen müssen, um die Erteilung bzw. die Aufrechterhaltung des Patents wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit zu verhindern, liegst du schon richtiger.

Na ja, für die Beweisanzeichen bleibt dann nichts Entscheidungserhebliches mehr übrig. Dass man sie trotzdem abhandeln will/muss, liegt dann wohl nur noch daran, dass ein Begründungsmangel sicher verhindert werden soll.

Dem BGH oder sonst einem Gericht zu unterstellen, es sei in irgendeinem Zusammenhang "schreibfaul", finde ich schon arg. Kennst du auch nur einen Fall, wo die Begründung der nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde nach § 100 PatG mit einer "fehlenden Begründung" erfolgreich war, der auf "Faulheit" schließen lässt? Oder gar eine Verfassungsbeschwerde gegen den BGH?

Deine abschließenden Äußerungen zum "guten Richter" sind schon etwas quer, denn du verlangst letztlich, er solle "Gerechtigkeit" (warum dann nicht gleich auch das "gesunde Volksempfinden"?) zumindest in "Zweifelsfällen" berücksichtigen. Die Welt ist nicht gerecht, daran wirst auch du nichts ändern können, und auch kein Richter. Ein Richter muss nur über die richtige Anwendung von Gesetzen befinden und in Zweifelsfällen muss er die Absicht des Gesetzgebers aufklären und berücksichtigen. Wenn er dabei seine persönlichen Vorstellungen von "Gerechtigkeit" durchsetzt, so führt das nur zu Ungleichbehandlungen, weil der nächste Richter da vielleicht andere Vorstellungen hat.

Zusätzlich unterstellst du, dass ein Richter andere Gründe für seine Entscheidungen haben kann als die, die er in seine Entscheidungsbegründung schreibt. (Vielleicht zum Schluss sogar seine Beförderung? Oder ein Anruf aus Berlin?) Das würde ich "sachfremde Erwägungen" nennen, da bleibt mir die Luft weg. Da habe ich von unserem Rechtssystem eine bessere Meinung - zumindest in Patentangelegenheiten, bei denen ich damit etwas mehr Berührungspunkte habe, als auf anderen Rechtsgebieten. Aber ich weiß natürlich, dass es durchaus auch die gegenteilige Meinung gibt, also dass "sachfremde Erwägungen" eine Rolle spielen; bei Anwälten findet man allerdings diese Meinung eher selten, wie ich wohl hoffen darf.

Abschließend noch mal meine Ausgangsfrage, etwas anders formuliert: Es würde mich interessieren, ob es Prüfer gibt, die vom Anmelder (im Sinne eines Hinweises nach § 139 ZPO) verlangen, dass er die erfinderische Tätigkeit beweisen soll, weil die Anmeldung sonst, also bei unveränderter Beurteilung des vorliegenden Stands der Technik, zurückgewiesen wird. Und vielleicht geht aus dem Fall ja sogar hervor, ob die Beschwerdeinstanz dem dann gefolgt ist. Vielleicht gibt es ja Prüfer hier im Forum, die dazu etwas sagen können. Dass es Patentanwälte damit von sich aus versuchen, das dürfte wohl so sein. Da käme es dann darauf an, mit welchem Erfolg.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Abschließend noch mal meine Ausgangsfrage, etwas anders formuliert: Es würde mich interessieren, ob es Prüfer gibt, die vom Anmelder (im Sinne eines Hinweises nach § 139 ZPO) verlangen, dass er die erfinderische Tätigkeit beweisen soll, weil die Anmeldung sonst, also bei unveränderter Beurteilung des vorliegenden Stands der Technik, zurückgewiesen wird.

Das kann kein Prüfer verlangen, weil er selber die Beweislast hat, dass die Erfindung nahegelegt ist. Das dürfte allgemein bekannt sein und es erscheint mir daher völlig abwegig, dass ein Prüfer so agieren würde.
 

PatFragen

*** KT-HERO ***
Hallo Hans,

Na dann fühl dich in guter Gesellschaft, weil auch ich kann mich des Gefühls bei dir nicht erwehren ;-). Was ich hier im Forum als wichtig ansehe, ist dass man sich möglichst klar ausdrücken soll. Schon allein zur Schulung der Exaktheit für die Schriftsätze. Ob die klare Ausdruckweise gut fürs tägliche Leben zuhause ist, ist ja eine ganz andere Sache :).

Also hast du hattest geschrieben, dass Professoren (ohne Einschränkung auf ordentliche Professoren) Informationen immer nur aus 2. Hand hätten. Dies ist einfach nur eine Falschaussage, da es viele Profs gibt, die erstmal in der „freien Welt“ draußen unterwegs waren. Ob als Anwälte oder als Richter. Einen hatte ich dir schon genannt. Ein anderer meiner Profs ist zum Beispiel immer noch regelmäßig als Anwalt vor dem Bundesverfassungsgericht tätig (das ist übrigens derjenige der die Besonderheit des Art.45d des GG „verursacht“ hat :) ). Über die jetzt zu sagen, sie hätten alle „Informationen“ nur aus 2. Hand finde ich mutig von dir :). Um dir deinen Mut, den du damit zeigst, klar zu machen, hatte ich halt den Anknüpfungspunkt des Honorarprofessors gebracht, weil er so schön gepasst hat. Stell dir vor, ich weiß, dass er auch BGH Richter a.D. ist :).

Der Artikel spiegelt erstmal die Entscheidungen von drei Jahren wider. Darauf aufbauend kann man versuchen einen „Stand“ abzuleiten, sollte sich aber bewusst sein, dass es fast alle Entscheidungen erstmal Entscheidungen für den Einzelfall sind und man eine Abstraktion mit den damit verbundenen Fehlermöglichkeiten macht. Wenn du jetzt diesen „Stand“ daraufhin „festschreiben“ willst, sollte erstmal klar sein, was denn davon wirklich als (damals) allgemeingültiger Stand abzuleiten war. Ich gestehe, dass ich nicht alle BGH-Entscheidungen gelesen habe, sondern mich zur Ableitung des „Standes“ auf dein Zitat berufe. Was daraus logisch ableitbar ist, habe ich dir aufgezählt, nicht mehr und nicht weniger. Zu den Zitaten von Lysios werde ich nichts sagen, weil das ist seine Sache :), die er ja auch schon wahrgenommen hat. Ich merke nur an, dass bisher, soviel ich mitbekommen habe, noch keiner deinen „Stand“ unterstützt hat :).

Die „handwerklichen Fehler“ sind sehr wohl von Relevanz, wenn du den „Stand“ ableiten willst. Weil logisch gesehen, kannst du alleine bei der Begründung „Beweisprobleme“ ohne die zusätzliche Urteilsbegründung „im Übrigen hätten diese auch nicht gezogen, wenn der Beweisgrad ausreichend belegt gewesen wäre“ nichts darüber ableiten, was wäre wenn. Und diese Ableitung machst du, in deiner absoluten Aussage. Und nicht nur das, sondern schreibst das auch noch für die Zukunft fest :).

Ich weiß im Allgemeinen nicht, was andere meinen, ich kann nur interpretieren was sie sagen. Ich bin kein Hellseher. Und zum Interpretieren berufe ich mich auf das Geschriebene. Und das was in deinem Zitat von Jestaedt steht, ist nun einmal logisch sehr interessant. Wenn er was Anderes sagen wollte, als er sagt, dann ist das in meinen Augen erstmal seine Aufgabe (insbesondere als Richter) sich exakt und klar auszudrücken :). Und mit seiner Formulierung wollte er vielleicht nichts über ungenannten Stand der Technik sagen, hat es aber ;-). Und dafür kann ich nichts :). Aber natürlich kann ich schon vermuten, was er eigentlich sagen wollte, aber ich halte mich immer auch etwas daran, so exakt wie man sich ausdrückt, denkt man oft auch ;-). Was Punkt 3 sagt, ist nichts Anderes, wie das „nicht-naheliegen“ ein hinreichendes Kriterium für das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit ist. Das hatte ich schon lange zugestanden und geschrieben. Weil das ist ja nichts Anderes als die Fiktion des Gesetzes. Wer bin ich, dass ich gegen das Gesetz antreten würde :). Dein ursprünglicher Post liest sich aber nicht wie, dass ein „nicht-naheliegen“ ein hinreichendes Kriterium ist, sondern dass es das einzige Kriterium ist, anhand dessen über die erfinderische Tätigkeit geurteilt werden kann. „Dann und nur dann!“ ist keine Formulierung für ein hinreichendes Kriterium. Und gegen diese Aussage und den daraus von dir gezogenen Schluss, dass es nur Trägheit ist, dass in Kommentaren immer noch Beweisanzeichen aufgeführt werden, argumentiere ich (und nach meinem Verständnis auch die anderen). Ich (und nach meinem Verständnis auch kein anderer) habe nie behauptet, dass die „Beweisanzeichen“ ein notwendiges (das wäre ja schon gegen das Gesetz ;-) ) noch nicht mal, dass diese ein hinreichendes Kriterium sind. Wie diese wirken hatte ich (und nicht nur ich) ja schon geschrieben. Während du mir immer noch nicht auf die Frage nach einem der wichtigsten Voraussetzungen für deine Schlüsse, nämlich die verbindliche Ordnungsvorschrift für den Grad der Hinweise, geantwortet hast :). Nett übrigens, dass du zumindest irgendetwas („Beweislast“) von mir nicht als völlig falsch ansiehst ;-).

Warum ich, wenn es denn schlüssig möglich ist, die Beweisanzeichen aufführen werde, ist nicht ein möglicher „Begründungsmangel“/Haftung, sondern weil ich versuche das zu tun, was meine Aufgabe ist, nämlich das Beste für den Mandanten zu erreichen.

Nö, aber „schreibfaul“ heißt auch nicht falsch ;-). Es ist per Gesetz immer ausreichend begründet, wenn sie ein hinreichendes Kriterium ausreichend begründen. D.h., dann brauchen sie nicht (weil hinreichend), dürften aber noch etwas, über andere Gründe schreiben. Woher ziehst du aber das anscheinende Wissen, dass Richter immer alles ins Urteil reinschreiben, was sie zu der und nicht der anderen Entscheidung geführt hat?

Du hast schon gesehen, dass ich „immer an das Recht halten“ und „wird innerhalb des Rechts versuchen“ geschrieben hatte, oder ;-)? Dein „gesundes Volksempfinden“ (außer dass der Begriff halt sehr negativ besetzt ist) wäre inhaltlich eigentlich nur eine andere Formulierung für „gute Sitten“ ;-). Noch klarer wird das, wenn du die „Definition“ „der Begriff umfasst das Gerechtigkeits- und Anstandsgefühl aller moralisch und gerecht Denkenden (Erwachsenen) in der Gesellschaft“ betrachtest :). Die stehen sogar im Gesetz drin, du solltest dich also nicht zu sehr dagegen wehren :). Aber du hast Recht, die Welt ist nicht gerecht, und ein Richter kann das nicht ändern, d.h. aber nicht, dass er nicht auch (nochmal) im Rahmen des Gesetzes Gerechtigkeit sprechen kann und nach meiner Ansicht (auch aufgefordert durch das Gesetz) auch sollte.

Insgesamt liest sich für mich deine Vorstellung über Recht, Entscheidungen, Richter sehr naturwissenschaftlich und auch durch das Civil Law System Deutschlands geprägt. Es gibt ein richtiges Urteil und der Richter muss es nur finden. Wenn dem so ist, dann wäre es für dich vielleicht einmal interessant, sich etwas intensiver mit einem Common Law System zu beschäftigen. Das Gesetz, die Bewertung der Tatsachen und vieles mehr, sind immer „auszulegen“ und dem Wandel unterworfen und da gibt es (meist) kein eindeutig richtig und falsch. Ich gehe sogar einen Schritt weiter. Ich behaupte nicht nur, dass Richter nicht immer alle Erwägungsgründe ins Urteil schreiben dürften, sondern dass sie sich selber oft nicht aller ihrer „Erwägungsgründe“ bewusst sind. Es sind Menschen!!! Ich hoffe, dass sie nicht willkürlich oder aus eigennützigen Gründen urteilen, aber dass sie immer die „richtige“ Entscheidung treffen, davon kann man nicht ausgehen. Wieso sollten sonst Urteile aufgehoben werden? Oder sind erst die höchsten Richter „fehlerfrei“ und die Richter untergeordneter Gerichte noch nicht? Und geht die „Perfektion“ dann automatisch zur Ernennung zum Richter der letzten Instanz, so wie die päpstliche Unfehlbarkeit? Also wenn du die Richter von solchen Dingen freisprichst, dann setzt du sie unter erheblichen Druck.



Wenn du deine „Umformulierung“ der Frage als inhaltlich auch nur halbwegs identisch zu deiner ursprünglichen „Aussage“ siehst, dann muss ich dir leider sagen, dass die beiden nicht wirklich viel miteinander zu tun haben. Die sind logisch etwas völlig Anderes. Deine ursprüngliche Aussage war, dass aus §4 ein „dann und nur dann!“, (d.h. nicht nur ein hinreichendes Kriterium, sondern du schreibst das einzige Kriterium fest) abzuleiten wäre (und deshalb wäre das „Festhalten“ an Beweisanzeichen träge) und jetzt fragst du nach, ob es Prüfer gibt, die die gesetzliche Fiktion des §4 missachten. Die beiden Fragen sind inhaltlich völlig verschieden!!!!

Hättest du gleich die Frage gestellt, dann hätte es von meiner Seite aus keine große Diskussion gegeben ;-). Da hätte es weder einen falschen logischen Schluss noch eine "herabsetzende Äußerung" von dir gegeben.
 
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