EPÜ Schrödingers Erste Anmeldung

Hans35

*** KT-HERO ***
Wenn eine Anmeldung (EP1) kurz nach dem AT zurückgenommen wird, dann kann man trotzdem aus ihr die Priorität (in EP3) in Anspruch nehmen; das lernt jeder Kandidat in den ersten Monaten. Aber wer hat schon davon gehört, dass das eine Falle ist, wenn derselbe Anmelder in einer anderen Anmeldung (EP2) von dieser Erfindung als Stand der Technik ausgeht, weil das zu Folge hat, dass er in EP3 ohne wirksame Priorität dasteht? (Weil angeblich nur noch EP2 Erstanmeldung ist?)

Welche "umfangreichen und spezifischen" Voraussetzungen sollen das denn sein, von denen wenigstens eine am AT von EP2 nicht erfüllt sein darf, um die Falle zu verhindern? Bisher keine Priorität aus EP1 in Anspruch genommen? Nicht veröffentlicht? Keine sonstigen "bleibenden Rechte"? Das ist doch im Normalfall alles gegeben. Also müsste in jedem Lehrbuch stehen, das die Zurücknahme von EP1 "Mist" ist. (Wie oft zahlt der Anmelder einfach die Anmeldegebühr für EP1 nicht, und gut ist's.)

Ich weiß, mein Argument ist gegen deine Schlussfolgerungen etwas schwach. Aber zumindest überrascht darf ich doch sein? Ich denke, da halte ich es besser doch mit Asdevi in Beitrag #53.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Aber wer hat schon davon gehört, dass das eine Falle ist, wenn derselbe Anmelder in einer anderen Anmeldung (EP2) von dieser Erfindung als Stand der Technik ausgeht, weil das zu Folge hat, dass er in EP3 ohne wirksame Priorität dasteht? (Weil angeblich nur noch EP2 Erstanmeldung ist?)

Dass das eine Falle sein soll, habe ich tatsächlich noch nie gehört. (Ich habe es immer nur als den Vorteil für den Anmelder gesehen, mit dem diese Änderung in der Lissabonner Fassung der PVÜ begründet wurde.)

Aber ich hatte auch noch nie daran Zweifel. Vielleicht lag es daran, dass ich es im CEIPI-Basiskurs so gehört habe (ist zu lange her). Wahrscheinlicher hat sich aber in der nicht nur für die EQE-Vorbereitung europaweit äußerst beliebten (und für diesen Zweck vom EPA als erste Wahl empfohlenen) Visser's Annotated European Patent Convention die betreffende Passage zu Art. 87 (4) EPÜ über die Jahre nicht geändert.
 
Zuletzt bearbeitet:

Fip

*** KT-HERO ***
Welche "umfangreichen und spezifischen" Voraussetzungen sollen das denn sein, von denen wenigstens eine am AT von EP2 nicht erfüllt sein darf, um die Falle zu verhindern? Bisher keine Priorität aus EP1 in Anspruch genommen? Nicht veröffentlicht? Keine sonstigen "bleibenden Rechte"? Das ist doch im Normalfall alles gegeben. Also müsste in jedem Lehrbuch stehen, das die Zurücknahme von EP1 "Mist" ist. (Wie oft zahlt der Anmelder einfach die Anmeldegebühr für EP1 nicht, und gut ist's.)

Es ist doch nicht der "Normalfall", dass ein und derselbe Anmelder im selben Staat für dieselbe Erfindung ein zweite Anmeldung einreicht, wenn die erste schon untergegangen ist, ohne bei der zweiten Anmeldung die Priorität der ersten in Anspruch zu nehmen. Wozu genau soll das gut sein? Und wenn er es doch tut und damit die Wirkung von Art.87(4) herbeiführt, dann doch wohl am ehesten genau mit dem Ziel, diese Wirkung auch erreichen zu wollen.
 

Alfred

*** KT-HERO ***
In Artikel 4D(1) PVÜ wird den einzelnen Staaten aber eingeräumt die Erklärung, also die Beanspruchung, der Priorität nach Einreichung der Nachanmeldung hinzuzufügen.

Im Visser steht es tatsächlich so, der sich auf Bodenhausen bezieht. Allerdings stellt sich die Frage, ob Bodenhausen es tatsächlich irgendwo implizit oder explizit ausgedrückt hat.

In der Literatur finden sich wie hier die eine oder andere Meinung.
 

Alfred

*** KT-HERO ***
Hallo Lysios,

hast du evtl. noch Unterlagen vom CEIPI Basiskurs?

Die meisten Aufgaben, soweit ich mich noch erinnern kann, umschiffen das hier besprochene Problem.

In den Aufgabe wird die Priorität der jüngeren Anmeldung bereits bei Einreichung beansprucht.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Hallo Lysios,

hast du evtl. noch Unterlagen vom CEIPI Basiskurs?

Also ich habe coronabedingt nur Zugriff auf die Kindle-Version des Visser und die gibt es nur für die 2018 Version. Dort steht zu Art. 87 (4) EPÜ:

"The previous application may not have served as a basis for claiming a right of priority before the filing date of the subsequent application. After the filing date of the subsequent application, the previous application may not serve either as a basis for claiming a right of priority. The last sentence of Art.87(4) is an implementation of the requirement in the same provision that the previous application does not leave any rights outstanding. After the replacement of a previous application by a subsequent application, priority on the basis of the previous application may no longer be recognized (Paris Convention, G.H.C. Bodenhausen (BIRPI 1968), commentary on the identical sentence in Art.4C(4) PC)."
 

Hans35

*** KT-HERO ***
@Fip

Wer EP1 als Prioanmeldung einreicht, wird schon deshalb eine EP3 nachreichen wollen, um Jahresgebühren zu sparen (die werden in EP3 immer erst ein Jahr später fällig, als wenn er gleich EP1 durchzieht) und um die Laufzeit des Patent (ab AT der EP1 gerechnet) um ein Jahr zu verlängern; es sei denn er braucht sein EP-Patent wirklich ein Jahr schneller als Patente in allen anderen Ländern. Und er wird sich auch die Anmeldegebühr für die EP1 sparen, so dass diese als zurückgenommen gilt.

Wenn er dann nach Rechtskraft der Rücknahmefiktion von EP1 (und vor dem AT von EP3 und damit vor Inanspruchnahme einer Priorität aus EP1) eine zweite Erfindung EP2 einreicht, die von EP1 als Stand der Technik ausgeht (und den Offenbarungsumfang von EP1 umfasst), dann wäre es schon passiert ... (Natürlich wird er in EP2 nicht die Priorität aus EP1 beanspruchen, sonst verkürzt er sich ja sein Prioritätsjahr.)

In DE gibt es extra für diese Strategie den § 40 PatG, der die Rücknahmefiktion sogar erzwingt, wenn für die erste Anmeldung (überflüssiger Weise) die Anmeldegebühr bezahlt wurde.

Ich halte das alles für ziemlich "normal" und für nicht fehlerbehaftet.

Ergänzung:
In der EP3 hat der Anmelder m.E. wirklich die Wahl, ob er die Priorität aus der EP1 beansprucht (z.B. weil er inzwischen einen Stand der Technik aus dem Intervall zwischen den ATen von EP1 und EP2 aufgefunden hat) oder ob er die EP1 völlig fallen lässt und dem Vergessen anheim gibt, also keinerlei Rechte aus ihr geltend macht, und dann in der EP3 die Priorität aus der EP2-Offenbarung in Anspruch nimmt, so dass er die EP3 noch ein halbes Jahr hinausschieben kann, um so die Laufzeit weiter zu verlängern.
 
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Lysios

*** KT-HERO ***
In DE gibt es extra für diese Strategie den § 40 PatG, der die Rücknahmefiktion sogar erzwingt, wenn für die erste Anmeldung (überflüssiger Weise) die Anmeldegebühr bezahlt wurde.

Ich dachte eigentlich, dass sei der Grund dafür: Benkard PatG/Schäfers, 11. Aufl. 2015, PatG § 40 Rn. 17

"Der BGH hat im Übrigen auch zutreffend festgestellt, dass wesentlicher Zweck der Vorschrift nicht die Vermeidung von Doppelpatentierungen sein könne, sondern dass es darum gehe, eine mehrfache Prüfung von im wesentlichen gleichen Anmeldungen durch das Patentamt zu vermeiden. Bezogen auf prioritätsbegründende Patentanmeldungen sei die Rücknahmefiktion sinnvoll und geboten. Sie führe zu einer Entlastung der Prüfungstätigkeit des Patentamts und bewahre andererseits den Anmelder vor doppelten Gebühren und bringe ihm keinerlei Nachteile, da er seine durch die erste Patentanmeldung erlangte Rechtsposition voll in die Nachanmeldung einbringen kann, BGHZ 105, 222, 227 ff. – Wassermischarmatur. "
 

Hans35

*** KT-HERO ***
@Lysios

Das ist die (in meinen Augen auch völlig zutreffende) Begründung für § Abs. 5 PatG, also für die Rücknahmefiktion.

Dass es überhaupt den § 40 PatG gibt, hat aber den Sinn, dass der Anmelder, der seine Prio-Anmeldung in DE einreicht (und dann den Erstbescheid in der 8-Monatsfrist bekommt) nicht schlechter gestellt sein soll, als wenn er die Prio-Anmeldung woanders eingereicht hätte. Das betrifft insbesondere das 21. Laufzeitjahr ab Prio-Tag, das ja insbesondere für Arzneimittel ganz besondere Bedeutung hat.
 

Fip

*** KT-HERO ***
Wer EP1 als Prioanmeldung einreicht, wird schon deshalb eine EP3 nachreichen wollen, um Jahresgebühren zu sparen (die werden in EP3 immer erst ein Jahr später fällig, als wenn er gleich EP1 durchzieht) und um die Laufzeit des Patent (ab AT der EP1 gerechnet) um ein Jahr zu verlängern; es sei denn er braucht sein EP-Patent wirklich ein Jahr schneller als Patente in allen anderen Ländern. Und er wird sich auch die Anmeldegebühr für die EP1 sparen, so dass diese als zurückgenommen gilt.

Geschenkt

Wenn er dann nach Rechtskraft der Rücknahmefiktion von EP1 (und vor dem AT von EP3 und damit vor Inanspruchnahme einer Priorität aus EP1) eine zweite Erfindung EP2 einreicht, die von EP1 als Stand der Technik ausgeht (und den Offenbarungsumfang von EP1 umfasst), dann wäre es schon passiert ... (Natürlich wird er in EP2 nicht die Priorität aus EP1 beanspruchen, sonst verkürzt er sich ja sein Prioritätsjahr.)

Moment! Du redest hier von einer "zweiten Erfindung EP2". Eine zweite Erfindung ist nicht dieselbe Erfindung bzw. derselbe Gegenstand wie die erste Erfindung bzw. der erste Gegenstand.

Warum sollte man in einer Anmeldung EP2, die im Vergleich zu EP1 eine zweite Erfindung beschreibt, den Offenbarungsgehalt von EP1 würdigen. Du willst aber auch partout einen Fall konstruieren, in dem Deine Argumente irgendwie Sinn ergeben ...


Ergänzung:
In der EP3 hat der Anmelder m.E. wirklich die Wahl, ob er die Priorität aus der EP1 beansprucht …

Diese Aussage ist ganz klar contra legem zu Art.87(4) letzter Satz. Bring das in Einklang mit dem Gesetzeswortlaut und wir reden weiter.

Es sei denn, Du meinst mit "beansprucht" nur die Abgabe der Prioritätserklärung, die dann aber sinnlos wäre, weil sie nicht zur Wirkung von Art.89 EPÜ führen würde.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Dass es überhaupt den § 40 PatG gibt, hat aber den Sinn, dass der Anmelder, der seine Prio-Anmeldung in DE einreicht (und dann den Erstbescheid in der 8-Monatsfrist bekommt) nicht schlechter gestellt sein soll, als wenn er die Prio-Anmeldung woanders eingereicht hätte.

OK, das war dann für mich etwas missverständlich.

Siehe dazu aber: BeckOK PatR/Gleiter/Fischer, 15. Ed. 15.1.2020, PatG § 40 Rn. 2

"Erst nach Inkrafttreten des GPatG konnte neben der Inanspruchnahme der Priorität aus einer ausländischen Erstanmeldung – die sog. äußere Priorität – auch aus einer früher in Deutschland eingereichten Anmeldung ein Prioritätsanspruch hergeleitet werden. Hierdurch sollten Nachanmeldungen von Weiterentwicklungen eines bereits in Deutschland zum Patent oder Gebrauchsmuster angemeldeten Gegenstandes möglich werden, sodass der Weg, eine Weiterentwicklung in Deutschland über eine ausländische Erstanmeldung anzumelden, nicht mehr notwendig erschien. Nach heutigem Verständnis der Priorität ist diese Begründung überholt. Kommt es bei der Erteilung nämlich auf ein erst in der Nachanmeldung hinzugefügtes Merkmal eines Anspruchsgegenstandes an, so verliert dieser Anspruch den Zeitrang der Voranmeldung."
 

Hans35

*** KT-HERO ***
... Du redest hier von einer "zweiten Erfindung EP2". Eine zweite Erfindung ist nicht dieselbe Erfindung bzw. derselbe Gegenstand wie die erste Erfindung bzw. der erste Gegenstand.
Warum sollte man in einer Anmeldung EP2, die im Vergleich zu EP1 eine zweite Erfindung beschreibt, den Offenbarungsgehalt von EP1 würdigen?
Einfach deshalb, weil es für mich ein "Normalfall" ist, dass man nach einer Anmeldung eine weitere einreicht, die von derjenigen, die zuvor angemeldet wurde, als Stand der Technik ausgeht.

Du willst aber auch partout einen Fall konstruieren, in dem Deine Argumente irgendwie Sinn ergeben ...
Du erwartest hoffentlich nicht, dass ich Beispiele bringe, die nicht passen.

Diese Aussage ist ganz klar contra legem zu Art.87(4) letzter Satz.
Na ja, das wissen wir ja jetzt. Wenn sich deine Auffassung durchsetzt (was ich noch nicht sehe), dann ist das nichts anderes als eine Falle.

Ergänzung:
Vielleicht hast du nur in 87 (4) EPÜ das 13. Wort "auch" übersehen. Könnte das nicht bedeuten, dass beide Anmeldungen als Erstanmeldung in Betracht kommen, und dass das Wort "auch" auf das Wahlrecht des Anmelders hinweist?
 
Zuletzt bearbeitet:

Fip

*** KT-HERO ***
Du erwartest hoffentlich nicht, dass ich Beispiele bringe, die nicht passen.

Das nicht, aber auch keine, die herbeikonstruiert sind.

Ergänzung:
Vielleicht hast du nur in 87 (4) EPÜ das 13. Wort "auch" übersehen. Könnte das nicht bedeuten, dass beide Anmeldungen als Erstanmeldung in Betracht kommen, und dass das Wort "auch" auf das Wahlrecht des Anmelders hinweist?

Nein, das habe ich nicht.

Der ganze A.87(4) ist so formuliert, dass die jüngere Anmeldung an die Stelle der älteren tritt und diese hinsichtlich des Prioritätsrechts als erste Anmeldung im Sinne von A.87(1) ersetzt. Die ältere Anmeldung, die zunächst die erste i.S.v. A.87(1) war, muss zurückgenommen bzw. fallen gelassen sein, darf nicht veröffentlicht worden sein, darf nicht in einem bereits beanspruchten Priorecht weiterleben, darf nicht mehr als Grundlage für ein Priorecht dienen. Mit anderen Worten: die jüngere Anmeldung wird dann und nur dann erste Anmeldung, wenn die ältere sozusagen spurlos verschwunden bzw. endgültig und ein für allemal tot ist.

Dazu passt das Wort "auch" dann, wenn man es im Sinne von "alternativ zu" bzw. "anstelle von" versteht, nicht i.S.v. "außerdem" oder "zusätzlich zu" oder "neben". Nur so ergibt die Gesamtheit aus A.87(1) und A.87(4) einen sinnvollen und widerspruchsfreien Gesamtregelungsgehalt.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Einfach deshalb, weil es für mich ein "Normalfall" ist, dass man nach einer Anmeldung eine weitere einreicht, die von derjenigen, die zuvor angemeldet wurde, als Stand der Technik ausgeht.

Für diese Aussage würde Dich die Kollegen in USA wohl steinigen.

Siehe dazu etwa:
https://www.ipwatchdog.com/2018/08/11/how-to-write-a-patent-application/id=97223/
There are many pitfalls associated with the Background of the Invention. In fact, the biggest one may be actually following the USPTO recommendation of identifying and discussing the state of the prior art and including specific examples. That is not something an experienced patent practitioner would do because once you admit something is prior art it become prior art, period.

Diese Praxis solltest Du daher besser überdenken, falls Du jemals auch in USA Patentschutz haben willst.
 

Fip

*** KT-HERO ***
Einfach deshalb, weil es für mich ein "Normalfall" ist, dass man nach einer Anmeldung eine weitere einreicht, die von derjenigen, die zuvor angemeldet wurde, als Stand der Technik ausgeht.

Merkst Du eigentlich nicht, wie widersprüchlich Deine Argumentation ist. Wir reden davon, dass EP2 erste Anmeldung anstelle von EP1 wird. Bedingung hierfür ist, dass EP1 bei Einreichung von EP2 zurückgenommen ist, nicht veröffentlicht ist, usw. Außerdem stammen EP1 und EP2 definitionsgemäß vom selben Anmelder (oder dessen Rechtsnachfolger).

EP1 ist also unter keinen Umständen bei Einreichung von EP2 Stand der Technik für irgendwas, was in EP2 steht. EP1 ist mangels Anhängigkeit und Veröffentlichung nicht einmal ein 54(3) Dokument, das für die Neuheit von EP2 relevant werden könnte. Und das alles weiß der Anmelder von EP2 bei deren Einreichung auch, denn es ist schließlich derselbe Anmelder, der auch EP1 eingereicht hat (oder dessen Rechtsnachfolger). Warum also sollte ich EP1 in EP2 als Stand der Technik würdigen?
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Leitest du und der Visser eure Annahmen aus S.46, A4C(4) PVÜ, Punkt (d) (Bodenhausen) ab?

Also ich kann nicht für das Visser Team sprechen. Aber ich lese den folgenden Satz als eigenständige Interpretation im Visser (der ich mich natürlich anschließe):
"The last sentence of Art.87(4) is an implementation of the requirement in the same provision that the previous application does not leave any rights outstanding."

Nur dieser Satz bezieht sich auf den Punkt (f) auf S. 46 im Bodenhausen, der fast genauso lautet:
"After the replacement of a previous application by a subsequent application, priority on the basis of the previous application may no longer be recognized (Paris Convention, G.H.C. Bodenhausen (BIRPI 1968), commentary on the identical sentence in Art.4C(4) PC)."
 

Hans35

*** KT-HERO ***
@Lysios (zu #74)

Das Beispiel sollte nur zum Ausdruck bringen, dass in EP1 und EP3 ein Gegenstand mit den Merkmalen A+B beansprucht wird und in EP2 eine andere Erfindung mit den Merkmalen A+B+C, so dass in EP2 auch der Gegenstand A+B offenbart ist. Nur in diesem Sinne geht die Erfindung in der EP2 von der EP1 aus. In der EP2 (A+B+C) wird also eine "ganz normale" Weiterentwicklung von EP1 (A+B) beansprucht.

Das hat nichts damit zu tun, ob in der EP2 bereits am AT die Anmeldung EP1 erwähnt und als Stand der Technik bezeichnet wird. Das würde in der Tat niemand tun, zumal wenn der Anmelder dann bereits weiß, dass EP1 zurückgenommen ist, dass sie also nie offengelegt wird.

Ich habe nach wie vor Zweifel, ob in diesem Fall in EP3 die Inanspruchnahme der Priorität aus der zurückgenommenen EP1 (für die Erfindung A+B) nicht wirksam ist, weil dafür ja jetzt (für mich noch immer überraschend) nur noch die EP2 Erstanmeldung wäre. Bleibt es in der EP3 bei der beabsichtigten Inanspruchnahme der Priorität aus EP1, dann würde ja die EP2, wenn sie später offengelegt wird, für die EP3 zum neuheitsschädlichen Stand der Technik nach Art. 54(3), und das bezeichne ich als "Falle".

Was wäre also zu tun, um die Falle zu vermeiden, wenn EP1 bereits zurückgenommen ist und der Anmelder nun EP2 anmelden will?

Wenn ich GBK-Richter wäre, würde ich mich jedenfalls dafür einsetzen, dass sich diese Auslegung von Art. 87(4) nicht durchsetzt, auch wenn sie dem Wortlaut eher entsprechen mag, weil das zu unerwünschten Konsequenzen führt. So gewollt hat das der Gesetzgeber bestimmt nicht.
 
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Alfred

*** KT-HERO ***
Also ich kann nicht für das Visser Team sprechen. Aber ich lese den folgenden Satz als eigenständige Interpretation im Visser (der ich mich natürlich anschließe):
"The last sentence of Art.87(4) is an implementation of the requirement in the same provision that the previous application does not leave any rights outstanding."

Nur dieser Satz bezieht sich auf den Punkt (f) auf S. 46 im Bodenhausen, der fast genauso lautet:
"After the replacement of a previous application by a subsequent application, priority on the basis of the previous application may no longer be recognized (Paris Convention, G.H.C. Bodenhausen (BIRPI 1968), commentary on the identical sentence in Art.4C(4) PC)."

Das Problem an diesem Satz ist, dass dieser nicht angibt, wann etwas als ersetzt gilt, sondern nur die Folge.

Punkt (d) auf S.46 im Bodenhausen würde die Ersetzung besser zum Ausdruck bringen.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Das Problem an diesem Satz ist, dass dieser nicht angibt, wann etwas als ersetzt gilt, sondern nur die Folge.

Punkt (d) auf S.46 im Bodenhausen würde die Ersetzung besser zum Ausdruck bringen.

Der Begriff "replacement" wird im Bodenhausen auf S. 46 im letzten Absatz von (e) unmittelbar vor (f) eingeführt.

Aber die Basisidee ist nun mal, dass die jüngere Anmeldung die ältere ersetzt. Das wird im Visser m.E. als offensichtlich vorausgesetzt, weshalb dort auf eine genauere Erläuterung des Begriffs "replacement" verzichtet werden konnte. Aber der Hinweis auf den Bodenhausen ist natürlich auch so zu verstehen, dort unbedingt selbst nachzulesen, zumal die WIPO das Buch schon seit Ewigkeiten frei im Internet verfügbar hält. Und ich habe den Bodenhausen schon während meiner Ausbildung für das Verständnis vieler weiterer Artikel der PVÜ als sehr hilfreich erachtet.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Punkt (f) gibt lediglich das "Replacement" an, aber nicht unter welchen Bedingungen es eintritt.

Natürlich ist mir die Bedeutung der Erläuterung von (d) klar und ich widerspreche Dir darin doch gar nicht. Und der letzte Satz auf S. 45 ist natürlich auch wichtig, da dort schon von "to replace" die Rede ist. Zu beachten ist auch, dass sich die Erläuterungen unter (b) bis (f) immer auf bestimmte Passagen in Art. 4C(4) bezieht, die im Text des Artikelabschnitts mit (b) bis (f) markiert sind.

Aber das muss eben alles in der Gesamtheit und nicht isoliert betrachtet werden. Und der Visser ist eben eigenständig und übernimmt fast wörtlich nur die Erläuterungen zur mit (f) markierten Passage aus dem Bodenhausen und macht diese Übernahme entsprechend kenntlich (mit dem Hintergedanken, dass er sich mit seiner Auffassung insgesamt in Übereinstimmung mit dem Bodenhausen in guter Gesellschaft befindet).
 
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