EPÜ Regel 43(2) EPÜ Verfahren und Verwendung zur Herstellung abgelehnt

Wilhelm

Schreiber
Ich habe hier eine Reihe von Fällen, die von derselben Prüferin behandelt werden. Ursprünglich eingereicht wurden jeweils Ansprüche auf eine Zusammensetzung und Ansprüche auf ein Verfahren zur Behandlung von Halbleitern mittels dieser Zusammensetzung. Die Zusammensetzungen waren schon bekannt und die auf die Zusammensetzungen gerichteten Ansprüche wurden geändert zu Ansprüchen gerichtet auf die Verwendung der Zusammensetzung zur Behandlung von Halbleitern. Nun beanstanted die Prüferin gemäß Regel 43(2) EPÜ und behauptet, mit einem unabhängigen Anspruch auf das Verfahren und einem unabhängigen Anspruch auf die Verwendung wäre Regel 43(2) verletzt. Sie verweist auf die RiLi F-IV.3.1. Sie argumentiert mit G 6/88, es gäbe nur zwei Arten von Ansprüchen, nämlich solche die auf Gegenstände gerichtet sind und solche, die auf Tätigkeiten gerichtet sind. Daher geghörten die Verfahrens- und Verwendungsansprüche zur selben Kategorie.

Ich habe argumentiert, dass Regel 43(2) "Kategorien" betrifft und nicht "Arten" von Ansprüchen" und dass Regel 43(2) eindeutig Verfahren und Verwendung als verschiedene Kategorien auflistet. Die Prüferin bleibt aber bei Ihrem Einwand und verweist noch auf die Beispiele für erlaubte Kombinationen in F-IV.3.1. Sie will wohl implizit sagen, dass nur diese drei Kombinationen erlaubt sind.

Ich habe nach Informationen und Präzedenzfällen gesucht, aber nichts gefunden.

Hat jemand Erfahrung damit? Kann jemand weiterhelfen?

Beste Grüße
 
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Hans35

*** KT-HERO ***
Natürlich ist eine Verwendung ein Sonderfall eines Verfahren, was denn sonst.

Sind nun deine beiden beanspruchten Verfahren (die Verwendung und das "eigentliche" Verfahren) wirklich "Alternativlösungen für eine bestimmte Aufgabe", wie es 43 (2) fordert? Oder geht es nur um denselben Sachverhalt, der nur unterschiedlich beschrieben wird?

Ich vermute letzteres: In beiden Fällen wird der fragliche Stoff in gleicher Weise auf den Halbleiter aufgetragen (oder so ähnlich), und hat dann auch dieselbe Wirkung. Dann hätte die Prüferin Recht. Von der Sache her solle dir dann aber auch einer der beiden Ansprüche ausreichen.

Aber vielleicht ist es auch anders, dafür müsste man die Ansprüche schon genauer betrachten.
 

PatFragen

*** KT-HERO ***
Hallo Wilhelm,

Vielleicht hilft es dir zum Verständnis auch etwas, das ganze einfach logisch zu betrachten. Wozu ist Regel 43(2) (ob sinnvoll oder nicht völlig anheim gestellt) da. Es geht darum mehrere nebengeordnete Ansprüche, die den gleichen Gegenstand haben, zu vermeiden. Dazu sind in der Regel (und ja auch in der Richtlinie) verschiedene Kategorien angegeben, welche einen grundsätzlich unterschiedlichen Gegenstand betreffen und deshalb (völlig unabhängig davon, ob sie alternative Lösungen betreffen oder nicht) grundsätzlich zuläassig sind.
Dabei musst du beachten, dass es zwei Varianten von "Verfahrensansprüchen" gibt. Die eine ist ein Herstellverfahren ("Verfahren") und die andere ist eine Verwendung des hergestellten Produkts/Erzeugnis. Implizit geht die Regel 43(2) und die Richtlinie davon aus, dass ein "Verfahren" im Sinne der R43(2) ein Herstellverfahren ist und eine "Verwendung" gerade die Verwendung des fertigen Produkts/Erzeugnis ist. Das sind gerade die beiden grundsätzlich unterschiedlichen Gegenstände, die die Regel 43(2) ausdrücklich, ohne Rücksicht auf die Frage, ob es Alternativlösungen sind, zulässt.

So wie sich jetzt der Sachverhalt deiner Frage liest, ist der "Verwendungsanspruch" aber keine eigentliche Verwendung sondern einfach nur ein weiteres Herstellverfahren, wo halt einfach das Wort "Verwendung" anstatt "Verfahren genutzt wird. Das liest sich irgendwie etwas nach Augenwischerein ;-). Also schau dir einfach an, ob es bei dir wirklich zwei verschiedene Kategorien sind (Herstellung und Verwendung) oder nur beides mal ein Herstellverfahren. Wenn es das letztere ist, dann müsstest du halt schauen, ob es unter die Ausnahmen der Regel 43(2) fällt oder nicht.
 
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Wilhelm

Schreiber
Hallo KT-Hero,

was Du schreibst hört sich ganz vernünftig an, aber auch Du belegst Deine Meinung nicht mit einerEntscheidung oder einer Literaturstelle. Ich habe die T 433/99 gefunden, die unter Punkt 4 der Entscheidungsgründe sagt, dass die "Augenwischerei" erlaubt ist. Und natürlich ist ein Verfahrensanspruch vor dem "Verwendung" steht etwas anderes als ein Verfahren. Er braucht keine Verfahrensschritte zu beinhalten und ist daher breiter. Ferner schützt er das Verfahrensprodukt nicht.

Beste Grüße
 

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PatFragen

*** KT-HERO ***
Hallo Wilhelm,

nein besser ich habe die Regel 43(2) als Quelle ;-). Da steht es halt drin.

Mich nach Entscheidungen zu fragen, ist vergebliche Liebesmüh. Ich bin strikter Vertreter des Civil Law Systems und nicht des Common Law Systems ;-). Lesen tue ich in Höchstfall G-Entscheidungen (die leider, ähnlich wie BVerfG-Entscheidungen, "Quasi-Gesetzescharakter" haben) und dann wenn mir die Gegenseite eine T-Entscheidung um die "Ohren haut", um denen dann nicht selten zu sagen, dass sie "leider" die Entscheiung völlig falsch verstanden haben bzw. zitieren :).
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Hallo Wilhelm,

nein besser ich habe die Regel 43(2) als Quelle ;-). Da steht es halt drin.
Nun, dort steht es halt gerade nicht, denn "Verwendung" und "Verfahren" sind explizit als zwei verschiedene Kategorien aufgeführt. Nach seinem Wortlaut bietet R. 43(2) also keine Grundlage, einen Anspruchssatz mit einem Verwendungs- und einem Verfahrensanspruch zu bemängeln.

Deshalb hast du ja auch argumentiert, dass die Regel "implizit" von zwei unterschiedlichen Typen Verfahrensanspruch ausgehe und nur eine davon meine. Warum das so sein soll, ist allerdings nicht ganz klar, vor allem ohne Rechtsprechung zu dem Thema.

Ich habe da auf die Schnelle auch nichts gefunden. T433/99 ist insofern schwach, als die Kammer feststellt, dass im vorliegenden Fall die Ansprüche verschiedenen Umfang haben, und nur als obiter dictum ("Moreover") hinterherschiebt, dass das vielleicht auch grundsätzlich seine Berechtigung habe.

Es ist aber immer noch besser als nichts. Mir ist jedenfalls keine Entscheidung bekannt, die klar feststellt, dass für die Zwecke von R. 43(2) ein Verfahrensanspruch, der die Verwendung eines Produkts beschreibt, als Verwendungsanspruch zu betrachten sei. Gerne lasse ich mich aber durch eine entsprechende Entscheidung vom Gegenteil überzeugen.
 

PatFragen

*** KT-HERO ***
Hallo Asdevi,

doch das steht da ;-). Immer an die notwendige Auslegung von "Gesetzestexten" denken. Stichwort "Teleologische Auslegung" :). Etwas anderes ist natürlich, ob du die als große Ausnahme mal tatsächlich eine BK erwischt, die etwas von Auslegung Normenauslegung versteht ;-). Die Grundfrage bei Wilhelms Frage ist quasi sowas wie, ob du als leicht abgeänderten Grundsatz sowas wie "Falsa demonstratio non utilium est" akzeptieren würdest (was ich vorher leicht salopp als "Augenwischerei" bezeichnet hatte) oder nicht ;-)."

Zum genaueren "Auseinanderklabüstern" müsste ich genauer wissen, ob du zugestehst, dass ein Verfahren zum Herstellen eines Halbleiters und ein "Verfahren" zum Benutzen des Halbleiters einen anderen Gegenstand betreffen oder nicht? Das ist mir bei deinem Beitrag nicht ganz klar. Bzw. ob du bestreitest, dass der Zweck der Regel 43(2) die Verhinderung des Schutzes des gleichen Gegenstandes durch zwei nebengeordnete Ansprüche ist.

Das "implizit" bezog sich nur darauf, dass du natürlich jeden Verwendungsanspruch auch als Verfahrensanspruch bezeichnen kannst. Mit der Aufzählung in der Klammer macht die Regel aber unmissverständlich klar, was sie meint. Die Aufzählung ergäbe sonst doch keinerlei Sinn ;-). Deshalb "implizit" auch wenn sie es nicht ausdrücklich schreibt, dass.(natürlich) beides "Verfahrensansprüche" sind aber beide nebeneinander zulässig sind. Und was ist denn bei dir eine "Verwendung", wenn nicht die "Verwendung eines Produkts/Erzeugnisses"? Was willst du denn sonst verwenden?
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Hallo Asdevi,

doch das steht da ;-). Immer an die notwendige Auslegung von "Gesetzestexten" denken. Stichwort "Teleologische Auslegung" :).
Also steht es nicht da, sondern man muss erst durch Auslegung dorthin gelangen. Hierzu sind die Beschwerdekammern berufen, und wie die das auslegen (würden), wissen wir nicht, denn es gibt keine Entscheidungen dazu.

Wie du das auslegst, weiß ich jetzt, interessiert mich aber nicht, da du nicht darüber zu entscheiden hast.
 

PatFragen

*** KT-HERO ***
Hallo Asdevi,

da haben wir jetzt womöglich leichte sprachliche/logische Probleme miteinander, wie es aussieht.

Ausnahmslos JEDE Aussage/Norm/Information MUSST du auslegen. Es gibt keinerlei Kommunikation zwischen Menschen, bei der du keine Auslegung vornehmen musst. Manchmal ist die Auslegung "leicht" und manchmal muss man "genauer überlegen", was damit gemeint/bezweckt ist. Das ist genau die teleologische Auslegung, die grundsätzlich im Zweifelsfall den Ausschlag gibt, d.h. die "einfachere" sprachliche Auslegenung, die du womöglich mit "drinstehen" meinst, "überstimmt". Aber eine Auslegung ist die sprachliche Auslegung auch. Und eine Auslegung bringt ja auch nichts neues hinzu, sondern bringt, so wie man sagt "nur den Text selbst zum Sprechen".

Also kommst du immer erst mittels Auslegung zu einem Verständnis eines Textes/Norm.

Aber ich gebe dir natürlich Recht, dass meine Auslegung nicht die entscheidende ist. Aber gerade wenn du keine andere findest, solltest du nicht schreiben, dass dich meine nicht interessiert, weil ich ja immerhin erklärt habe, wieso Regel 43(2) so auszulegen ist ;-). Und natürlich solltest du auch meine Auslegung nicht blind übernehmen, sondern darüber selber nachdenken. Da führt nunmal kein Weg dran vorbei, wenn du (als womöglicher Common Law Anhänger) keine Entscheidung findest. Aber dann beantworte mir doch bitte einfach mal, was für dich der Unterschied zwischen Verfahren und Verwendung (process/use, procédé/utilisation) ist, schliesslich steht beides in der gleichen Regel in einer Aufzählung, bzw. was anderes außer einem Produkt/Erzeugnis du verwenden willst, bzw. ob für dich Herstelllverfahren und Verwendung des damit Hergestellten einen unterschiedlichen oder den gleichen Gegenstand darstellen?
 

PatFragen

*** KT-HERO ***
Nachtrag, nachdem ich jetzt gerade noch die Entscheidung durchgelesen, nachdem ich es in meiner Dusseligkeit erst jetzt gesehen habe, dass Wilhelm die ja netterweise angehangen hat.
Wenn man sich die durchliest, dann komme ich bei der Entscheidung recht schnell in Auslegungsprobleme der Entscheidung :).

Die BK schreibt unter Punkt 4:
"
"In the method claim the emphasis is on the method for protecting a living system from the adverse effect of a radiation field,
whereas in the use claim the emphasis is on the use of changes in a field to inhibit their potential adverse effects, which is independent of whether or not a living system is present.
"

Das liest sich irgendwie für mich danach, dass in Anspruch 54 (der nebengeordnete Use-Claim) nichts von "living system" stehen würde. Wenn man dann aber mal den Anspruch 1 und den Anspruch 54 anschaut, dann steht da in der B-Schrift

"1. A method of inhibiting the adverse effect on a living system..."

"54. The use of changes in at least one characteristic parameter of an ambient time varying field for inhibiting its adverse effect on a living system..."

Irgendwie steht da doch beidesmal die "Zweckangabe" "on a living system" drin, oder ? Was will die BK damit ausdrücken, dass in dem 54. " which is independent of whether or not a living system is present" gegeben wäre;-) ? Ich wäre sehr verbunden, wenn mir das jemand erklären könnte, wo die BK da einen Unterschied sieht, bzw. warum die Zweckangabe im Use-Claim nicht vorhanden/einschränkend wäre.

Und was ist das für eine BK, die sich auf Verwaltungsvorschriften beruft ("This view is supported by the Guidelines for Examination..."). Ich dachte immer, dass die sich als unabhängige Richter ansehen würden?
 
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Asdevi

*** KT-HERO ***
Siehst du, da hast du's. Obwohl du keinen Unterschied erkennen kannst, sagt die Beschwerdekammer, es ist ok. Offensichtlich teilt sie deine Auslegung nicht.

Damit ist mein Interesse an deiner Auslegung auch schon beendet. Denn eine Auslegung, die in der Beschwerde flöten geht, brauche ich nicht.

Übrigens ist die teleologische "Auslegung" gar keine, die den "Text zum sprechen bringt," sondern eine Rechtsfortbildung. Deshalb ist sie im deutschen Strafrecht z.B. verboten. Etwas, was der Gesetzgeber nicht explizit als Straftat benannt hat, ist keine. Auch dann nicht, wenn sie es "teleologisch" sein sollte. Das wäre grundgesetzwidrig. Nur im Zivilrecht ist das erlaubt.

Eine teleologische Auslegung liest also nicht aus dem Text, was schon drin steht, sondern modifiziert ihn "im Sinne des Erfinders." Das kann ein Spruchkörper machen. Aber diesen Schritt locker flockig ohne Belege in der Rechtsprechung zu gehen, ist mir zu sportlich.
 
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PatFragen

*** KT-HERO ***
Ist dir schonmal die Idee gekommen, dass BKs auch durchaus mal nicht gerade sinnvoll entscheiden ;-) ? Es gibt bei dir also keine falschen Entscheidungen durch BKs? Es gibt ja durchaus auch den Fall, dass unterschiedliche BKs unterschiedlich entscheiden.

Es steht halt nun mal beides mal "on a living system" drin. Dass da die BK "auslegt", dass es im zweiten Fall unabhängig von der Anwesenheit eines living systems ist, ist interessant :).
Hast du dir mal das Patent angesehen? Oder glaubst du einfach erstmal alles was eine BK zusammenschreibt, ohne dir den Fall mal angeschaut zu haben ;-)?

Da komt in Anspruch 1 auch noch der (einzige) Verfahrensschritt:

"the method comprises the steps of changing at least one of the characteristic parameters of said field to which the living system is exposed by introducing changes at time intervals between changes of approximately ten seconds or less"

und im Anspruch 54 der (einzige) "Verwendungsschritt":

"the use comprises the steps of changing at least one of the characteristic parameters of said field to which the living system is exposed by introducing changes at time intervals between changes of approximately ten seconds or less."

vor :). Ist ein "Verwendungsschritt" für dich nicht einschränkend ;-) ? Dann bitte ich dich, mir bitte wirklich zu erläutern, was der Unterschied ist. Ich lerne gerne neues hinzu, auch wenn es nicht von einer BK kommt.

Und was machst du denn in dem Fall, dass du in deinem nächsten Fall, den Mandanten vertreten müsstest, für dessen Position es eine ältere ungünstige BK-Entscheidung gibt? Sagst du da dann auch "eine Auslegung, die in der Beschwerde flöten geht, brauche ich nicht." und sagst ihm folgerichtig,, in dem Fall vertrete ich Sie nicht, weil da gab es von der BK XY schonmal eine Entscheidung, die gegen ihre Position spricht? Ich persönlich (aber das ist natürlich eine persönliche Sache) finde die Auslegungen, die etwas anderem (durchaus auch der h.M.) widerprechen viel interessanter und auch wichtiger, sie zu kennen. Man weiß nie, wan man die braucht ;-). Man sollte den Mandanten dann natürlich durchaus darauf hinweisen, dass eine/mehrere BK-Entscheidungen anders/ungünstig ausgefallen sind, aber wissen, wo die "Schwachstellen" der BK-Entscheidungen sind, ist viel interessanter ;-)

Und wo hast du denn die Information her, dass im Strafrecht die teleologische Auslegung verboten wäre? Das habe ich so in den Strafrechtsvorlesungen nicht gelernt. Kann es sein, dass du Analogie und (teleologische) Auslegung etwas durcheinanderbringst? Eine Analogie ist eine Rechstfortbildung, eine (teleologische) Auslegung ist "den Text zum Sprechen bringen". Im Strafrecht gibt es den Grundsatz Nulla poena, sine lege, was häufig etwas verkürzt als "Analogieverbot" im Strafrecht bezeichnet wird. Das ist aber kein Auslegungsverbot (auch bezüglich der teleologischen Auslegung) sondern drückt nur aus, dass die Auslegung nicht über den Wortlaut hinausgehen darf, d.h. der Sachverhalt muss noch unter den (ausgelegten) Wortlaut des Tatbstandes fallen, d.h. (für den Angeklagten ungünstige) Analogien sind im Strafrecht verboten.
 

PatFragen

*** KT-HERO ***
Hallo Asdevi,

leider hast du mir ja noch nicht meine Fragen beantwortet. Aber ich gehe mal davon aus, dass es an deinem wohlverdienten Wochenende lag :).
Dann schiebe ich den nächsten Punkt jetzt doch gleich hinterher. Hast du daran gedacht und wirst du es für die Frage, wie relevant bzw. ausschlaggebend die Entscheidung 433/99 für die Auslegung der jetzigen Regel 43(2) für dich ist, bedenken, wie denn die damals zum Entscheidsungszeitpunkt Nov. 2000 geltende entsprechende Regel 29(2) ausgesehen hat, und ob die vielleicht doch noch etwas anders lautete als die jetzige 43(2) aussah? Und vielleicht auch berücksichtigen, was hat der "Gesetzgeber" mit der Änderung der entsprechenden Regel denn bezweckt bzw. erreichen wollen?
 

patachon

GOLD - Mitglied
Grundsätzlich sehe ich auch kein Problem mit einer Verwendung und einem Verfahren parallel und würde ebenfalls argumentieren, dass sogar die zitierte Stelle in den Guidelines einmal von Kategorien und einmal von Arten spricht, also offensichtlich nicht dasselbe meint. Eine Verwendung der Zusammensetzung und ein Herstellungsverfahren für die Zusammensetzung wären beispielsweise unproblematisch, denke ich - da geht es um zwei verschiedene Aspekte.

In Deinem Fall sehe ich das Problem aber darin, dass es praktisch identische Ansprüche sind.
Du beanspruchst einmal ein "Verfahren zur Behandlung von Halbleitern mit einer Zusammensetzung X" und einmal eine "Verwendung einer Zusammensetzung X zur Behandlung von Halbleitern".
Dazu wiederum sind die Guidelines und die Rechtsprechung sehr klar: das ist dasselbe.

"Bei der Prüfung wird ein "Verwendungs"-Anspruch etwa für die "Verwendung des Stoffs X als Insektenvernichtungsmittel" einem "Verfahrens"-Anspruch für "ein Verfahren zur Vernichtung von Insekten unter Verwendung des Stoffs X" gleichgestellt. So ist ein Patentanspruch der angegebenen Form nicht dahin gehend auszulegen, dass er auf den Stoff X gerichtet ist, bei dem erkennbar ist (beispielsweise durch weitere Zusätze), dass er zur Verwendung als Insektenvernichtungsmittel bestimmt ist. Ebenso kommt ein Patentanspruch für "die Verwendung eines Transistors in einer Verstärkerschaltung" einem Verfahrensanspruch für ein Verfahren der Verstärkung unter Verwendung einer Schaltung, in die der Transistor eingebaut ist, gleich und ist nicht dahin gehend auszulegen, dass er auf "eine Verstärkerschaltung, bei der der Transistor verwendet wird", oder auf "ein Verfahren der Verwendung des Transistors beim Aufbau einer solchen Schaltung" gerichtet ist. Jedoch kommt ein auf die Verwendung eines Verfahrens zu einem bestimmten Zweck gerichteter Anspruch einem auf dieses Verfahren gerichteten Anspruch gleich (siehe T 684/02)."
 

Wilhelm

Schreiber
Vielen Dank an alle für die Teilnahme an der Diskussion. Auch wenn es keine goldene Lösung für das Problem zu geben scheint, habe ich doch einiges gelernt und werde dies zur Anwendung bringen. Patachon hat gestern noch eine Entscheidung eingebracht (T 684/02), die ein paar interessante Aspekte zu der Auslegung von Verfahrensansprüchen bestrifft (siehe 5.3.1 bis 5.7 der Entscheidungsgründe). Es wird hier unter anderem der Unterschied zwischen einem Anspruch auf die Verwendung eines Verfahrens für einen bestimmten Zweck und einem Anspruch auf die Verwendung einer Sache für einen bestimmten Zweck beleuchtet. Ein Anspruch auf die Verwendung eines Verfahrens wir als identisch zu dem Verfahren selbst angesehen. Ein Anspruch auf die Verwendung einer Sache für einen bestimmten Zweck (meine Anspruchsform) wird nicht als identisch zu einem entsprechenden Herstellungsverfahren angesehen. Danke auch für dieses Dokument. Ich muss das jetzt erstmal alles verarbeiten.
 

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Asdevi

*** KT-HERO ***
Hallo Asdevi,

leider hast du mir ja noch nicht meine Fragen beantwortet. Aber ich gehe mal davon aus, dass es an deinem wohlverdienten Wochenende lag :).
Nein, es liegt daran, dass ich die Diskussion sinnlos finde. Deshalb beantworte ich deine Fragen auch jetzt nicht.

Dann schiebe ich den nächsten Punkt jetzt doch gleich hinterher. Hast du daran gedacht und wirst du es für die Frage, wie relevant bzw. ausschlaggebend die Entscheidung 433/99 für die Auslegung der jetzigen Regel 43(2) für dich ist, bedenken, wie denn die damals zum Entscheidsungszeitpunkt Nov. 2000 geltende entsprechende Regel 29(2) ausgesehen hat, und ob die vielleicht doch noch etwas anders lautete als die jetzige 43(2) aussah? Und vielleicht auch berücksichtigen, was hat der "Gesetzgeber" mit der Änderung der entsprechenden Regel denn bezweckt bzw. erreichen wollen?
Auf diesen Punkt möchte ich allerdings eingehen. Ich war ja der Ansicht, R. 29(2) 1973 sei unverändert in R. 43(2) 2000 überführt worden. Ich habe es jetzt aber überprüft, und siehe da, es gab Änderungen:

1. Es wurde ein Bindestrich gestrichen: statt "inter-related" heißt es jetzt "interrelated".
2. Statt "not appropriate" heißt es jetzt "inappropriate".

Die Wirkungen dieser Änderungen sind meiner Meinung nach: genau gar keine.
 

PatFragen

*** KT-HERO ***
Hallo Asdevi,

jetzt hatte ich doch glatt gehofft, du hättest vielleicht doch noch in deinen alten Strafrechstskripten (und sonstigen Juraskripten) nachgeschaut und festgestellt, dass du vielleicht Probleme mit der Unterscheidung (teleologische) Auslegung und Analogien hast. Aber OK, für dich scheint also die Ausräumung von Fehlern im "Wissen", "sinnlos" zu sein ;-). Schließlich hattest du den doch irgendwie etwas überraschenden (und für das EPÜ völlig irrelevanten) Hinweis auf ein angebliches Verbot der teleologischen Auslegung im deutschen Strafrecht aufgebracht. Wenn meine Strafrechtsprofs nur schon etwas von dem "Verbot" gewusst hätten, dann hätte ich jetzt womöglich nicht solche "verqueren" Erinnerungen daran ;-). Und ich persönlich finde es auch wirklich unheimlich schade, dass du mir nicht den Unterschied zwischen einem "Verwendungsschritt" und einem "Verfahrensschritt" und die Frage, inweiweit die unterschiedlich einschränkend sind, erklärst. Weil das könnte für meine weitere Tätigkeit als Patentanwalt durchaus wichtig sein.

Zu dem Punkt Regel 29(2) zum Zeitpunkt der Entscheidung vom 24. November 2000 muss man vielleicht genau hinschauen (oder sich erinnern) ;-).
Was hast du denn für eine Quelle verlinkt? Wenn du dir deine Quelle (und damit Stand) genau anschaust, dann steht da ganz oben, dass da die "Änderungen" vom 29. November 2000 (und auch noch vom 27. Oktober 2005) drin sind. D.h. dein Link enthält die "letzte" Version des EPÜ 1973. Schon der 29. November 2000 (d.h. "the act revising") ist aber bereits 5 Tage nach der Entscheidung. Wenn man dann mal hier (https://www.epo.org/de/legal/epc/archive) die 10. Auflage vom Januar 2000 und die 11. Auflage vom Juli 2002 anschaut, dann sieht man, dass sich da die Regel 29(2) von:

"Vorbehaltlich Artikel 82 können in einer europäischen Patentanmeldung zwei oder mehr unabhängige Patentansprüche der gleichen Kategorie (Erzeugnis, Verfahren, Vorrichtung oder Verwendung) enthalten sein, sofern es mit Rücksicht auf den Gegenstand der Anmeldung nicht zweckmäßig ist, diesen in einem einzigen Anspruch wiederzugeben."

in:

"Unbeschadet Artikel 82 darf eine europäische Patentanmeldung nur dann mehr als einen unabhängigen Patentanspruch in der gleichen Kategorie (Erzeugnis, Verfahren, Vorrichtung oder Verwendung) enthalten, wenn sich der Gegenstand der Anmeldung auf einen der folgenden Sachverhalte bezieht:..."

geändert hat, D.h. es fand faktisch gerade eíne Umkehrung der "Defaulteinstellung" von "erlaubt, außer.." zu "nicht erlaubt, außer...". Das deckt sich auch hervorragend mit meiner Erinnerung, dass ich nämlich noch gelernt hatte, dass man gegen Regel 29(2) einfach argumentiert, dass es "nicht zweckmäßig" sei ;-). Irgendwie sieht es für mich so aus, als ob dein verlinkter Stand, bereits die Änderungen auf dem Weg zum EPÜ 2000 drin hätte. Aber hälst du die Änderungen des "act revising" vom 29. November 2000 bereits am 24. November 2000 für anwendbar? Mir erscheint das nicht gänzlich sinnvoll.

Das würde dann auch wieder durchaus mit der "Begründung" der BK unter Punkt 4 der 433/99 und dem Absatz beginnend mit "Moreover..." zusammen passen. Da (auch unter Punkt 4) führt die BK nämlich nach meinem Verständnis gerade aus, warum es nicht zweckmäßig wäre, die beiden nebengeordneten Ansprüche zusammenzufassen. D.h. der Punkt 4 scheint irgendwie nicht, wie von dir aufgebracht, ein "Obiter Dictum", sondern das genaue Gegenteil, nämlich eine "Ratio Decidendi" zu sein.

Jetzt bin ich gespannt, ob die Frage, welche Version der Regel 29(2) für die Entscheidung relevant war und die Auswirkung auf deren Relevanz für dich, immer noch mit "genau keine" beantwortest, d.h. mir dann bitte erklärst, warum du welche Version du als einschlägig betrachtest?
 
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