EPÜ Prio - erste Anmeldung

Ah-No Nym

*** KT-HERO ***
Hallo...


Folgender Fall:


Erfinder A meldet Anmeldung P0 an.
Erfinder A meldet Anmeldung P1 an, die die Prio von P0 in Anspruch nimmt (selbe Erfindung).
Erfinder A überträgt sein Patent auf Firma B (mit dem Priorechten etc.).
Firma B meldet eine PCT an und beansprucht die Prio von P1 (selbe Erfindung).


Frage: Hält die Prio ?


M.E. nein, da es sich nicht um die erste Anmeldung handelt, aber ich habe keine Rechtsprechung dazu gefunden. Gründe:


Das Problem der ersten Anmeldung tritt ja auf, wenn Erfindungsidentität und Anmelderidentität (oder Rechtsnachfolger) gegeben ist. Erfindungsidentität sei vorausgesetzt.


Hätte A nicht übertragen sondern serlber die PCT angemeldet, wäre der Fall klar. Firma B ist durch die Übertragung Rechtsnachfolger von A, so dass auch für Frma B die P0 und nicht die P1 die erste Anmeldung ist.



Es kann doch nicht sein, dass ich durch eine einfache Konstruktion mit einer Übertragung hier das Recht aushebele, oder ???


Hat hier jemand was parat ?? :)


Beste Grüße
Ah-No Nym
 

pak

*** KT-HERO ***
Vielleicht stehe ich gerde aui dem Schlauch, aber wenn tatsächlich nur die Prio der P1 in Anspruch genommen wird, ist diese dann nicht in jedem Fall unwirksam, egal ob A oder B anmeldet, weil nicht "erste Anmeldung" (erste Anmeldung P0)?


Gruß


pak
 

Ah-No Nym

*** KT-HERO ***
Vielleicht stehe ich gerde aui dem Schlauch, aber wenn tatsächlich nur die Prio der P1 in Anspruch genommen wird, ist diese dann nicht in jedem Fall unwirksam, egal ob A oder B anmeldet, weil nicht "erste Anmeldung" (erste Anmeldung P0)?


Gruß


pak

Damit eine Anmeldung als die "erste Anmeldung" gilt, muss Anmelderidentität vorliegen... und P0 und die PCT haben ja nicht dieselben Anmelder. Das ist ja gerade das Problem... ist die P0 auch für B eine "erste Anmeldung" ?
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Also mal ganz langsam:

Wenn jemand was erfunden hat, meldet er es irgendwo zum ersten Mal an (bei dir: P0) . Dieser Anmelder gilt als berechtigt, egal ob er die Erfindung selbst gemacht hat, ob der Erfinder sie ihm übertragen hat, oder ob sie geklaut wurde.

Wenn er später (idR in einem anderen Land) dieselbe Erfindung auch anmelden will, kann er die Priorität dieser Erstanmeldung in Anspruch nehmen. Dann gelten die Erstanmeldung (und auch sonstige Veröffentlichungen aus dem Prioritätsintervall) für die Nachanmeldung nicht als Stand der Technik.

Wenn ein anderer nach dem Anmeldetag von P0 dieselbe Erfindung macht und anmeldet, soll aber P0 sehr wohl als Stand der Technik entgegenstehen. Diese beiden Fälle müssen für eine Patenterteilung klar unterscheidbar sein, ohne dass das jeweilige Amt klären muss, wer der "wahre" Berechtigte an der Anmeldung ist.

Das Unterscheidungskriterium ist die Anmelderidentität: wenn die Anmelder identisch sind, dann kann dieser eine Anmelder die Priorität in Anspruch nehmen, ein anderer Anmelder kann das nicht. Vielmehr wird fingiert, dass dessen Anmeldung unabhängig von der Erstanmeldung gemacht wurde. Wer der wahre Berechtigte an der Erfindung ist, spielt keine Rolle. Das soll das Amt keinesfalls prüfen müssen.

Außerdem hat der Anmelder der Erstanmeldung noch die Möglichkeit, das Prioritätsrecht an einen anderen zu Übertragen, und zwar zusammen mit der Anmeldung P0, oder auch ohne P0. Wenn derjenige, der durch diese "Übertragung des Prioritätsrechts" begünstigt wird, ebenfalls eine Anmeldung tätigt, dann ist auch für diese Anmeldng P0 nicht Stand der Technik.

Die Übertragung des "Prioritätsrechts" ist quasi nur die Übertragung der "Identität als Anmelder" auf den Begünstigten. Jedenfalls geht es ausschließlich darum, dass das Amt sicher sein kann, dass die Nachanmeldung nicht auf einer unabhängigen Erfindung beruht und daher insbes. P0 Stand der Technik sein muss. Und das erkennt es an der Identität der Anmelder und allenfalls an der Übertragung des Prioritätsrechts.

Wer der wahre Berechtigte an der Erfindung ist, wer wem wann welche Rechte an der Erfindung übertragen hat, oder wann die Erfindung von wem geklaut wurde - das alles spielt keine Rolle; die Patentämter befassen sich damit nicht, - oder jedenfalls nicht vor der Patenterteilung. Denn der jeweiligen Anmelder gilt immer als berechtigt.

Bei der Inanspruchnahme der Priorität geht es ausschließlich darum, ob Schriften aus dem Prioritätsinterwall (und damit z.B. auch P0) als Stand der Technik gelten, oder nicht.

Zu deinem Beispiel:
Die Priorität von P1 kann nie in Anspruch genommen werden, da P1 nicht Erstanmeldung ist. (Denn P1 nimmt ja die Priorität von P0 in Anspruch). Es kommt nur darauf an, ob der Anmelder von P0 das Prioritätsrecht auf den Anmelder der PCT übertragen hat und letzterer insofern dessen Rechtsnachfolger geworden ist.
 

Fip

*** KT-HERO ***
Meiner Ansicht nach steckt schon in der Aufgabenstellung im Eingangsthread der entscheidende Fehler. Die Aufgabenstellung lautet (Hervorhebung diesseits):


Erfinder A meldet Anmeldung P0 an.
Erfinder A meldet Anmeldung P1 an, die die Prio von P0 in Anspruch nimmt (selbe Erfindung).
Erfinder A überträgt sein Patent auf Firma B (mit dem Priorechten etc.).
Firma B meldet eine PCT an und beansprucht die Prio von P1 (selbe Erfindung).



Entscheidend zu berücksichtigen ist hier (beispielhaft Bezug nehmend auf Art.87 (1) EPÜ, Hervorhebungen diesseits): Jedermann ... genießt für die Anmeldung derselben Erfindung zum europäischen Patent während einer Frist von zwölf Monaten nach dem Anmeldetag der ersten Anmeldung ein Prioritätsrecht.

Erfinder A konnte Firma B damit gar kein Prioritätsrecht übertragen, das sich auf die Anmeldung P1 bezieht bzw. durch deren Hinterlegung entstanden ist, weil bei der Anmeldung P1 nie ein Prioritätsrecht generiert wurde bzw. Erfinder A für die Hinterlegung P1 nie in den "Genuss" eines Prioritätsrechts gekommen ist (außer für ggf. inhaltlich über die Anmeldung P0 hinausgehende Merkmale). Ein Recht, dass es nicht gibt, kann auch nicht übertragen werden.
 

Sousse

BRONZE - Mitglied
Damit eine Anmeldung als die "erste Anmeldung" gilt, muss Anmelderidentität vorliegen... und P0 und die PCT haben ja nicht dieselben Anmelder. Das ist ja gerade das Problem... ist die P0 auch für B eine "erste Anmeldung" ?

Also ich lese aus Art. 4B(4) PVÜ nicht heraus, dass zwischen der älteren (untergegangenen) Voranmeldung und der jüngeren priobegründenden Anmeldung irgendein Anmelderzusammenhang bestehen muss:
"Als erste Anmeldung, von denen Hinterlegungezeitpunkt an die Prioritätsfrist läuft, wird auch eine jüngere Anmeldung angesehen, die denselben Gegenstand betrifft wie eine erste ältere im Sinn des Absatzes (2) in demselben Verbandsland eingereichte Anmeldung, sofern diese ältere Anmeldung bis zum Zeitpunkt der Hinterlegung der jüngeren Anmeldung zurückgezogen, fallengelassen oder zurückgewiesen worden ist, und zwar bevor sie öffentlich ausgelegt worden ist und ohne dass Rechte bestehen geblieben sind"

Du gehst offensichtlich davon aus, dass die P1 wirksam die Prio der P0 in Anspruch nimmt. Wenn Rechte aus der P0 bestehen bleiben (hier das Priorecht), dann kann die P1 meines Verständnisses der PVÜ nach keine prioritätsbegründende Anmeldung mehr sein, unabhängig von den Patentanmeldern und/oder -inhabern.

Interessant wäre die Frage aus meiner Sicht nur, wenn die P0 nicht veröffentlicht worden wäre und die Prio der P1 gerichtlich ex tunc für ungültig erklärt würde. Ein Verzicht auf die Prio dürfte hier nichts bringen, denn der ist IMHO nur ex nunc möglich.

Ich halte den Fall aber für äußerst theoretisch und konstruiert. Im Einspruch oder Nichtigkeitsverfahren würde ich als Angreifer einen Teufel tun, und die Prio der P1 angreifen, um damit das eigentliche totzuschlagende Patent aus der PCT zu retten. Und ob der Patentinhaber in einem solchen Verfahren wirksam seine eigene Prio angreifen kann, wage ich zu bezweifeln.
 

Fip

*** KT-HERO ***
@Sousse: Der Fall ist nicht so theoretisch und konstruiert, wie man auf den ersten Blick annehmen könnte. Ich habe das schon mehrfach erlebt zum Glück immer auf der Seite des späteren Einsprechenden.



Mehrere Male hatte ich die Konstellation, dass ein US Anmelder zunächst eine US provisional (US0) einreicht, dann eine US1 folgen lässt, die "claims the benefits of US0", um dann ein Jahr nach Einreichung von US1 eine EP1 nachzuschieben, die die Prio von US1 in Anspruch nimmt. Dies geschieht oft in der Annahme, dass eine US Provisional nicht als erste Hinterlegung gilt, was aber bekanntlich ein Irrglauben ist. Dass dabei EP1 auf den Rechtsnachfolger (z.B. eine europäische Tochter des US Anmelders) angemeldet wird, ist ebenfalls nicht auszuschließen.



Welche Konsequenz das hat, wenn die US1 vor Anmeldung von EP1 veröffentlicht wird, dürfte klar sein.


Du schreibst außerdem: "Im Einspruch oder Nichtigkeitsverfahren würde ich als Angreifer einen Teufel tun, und die Prio der P1 angreifen, um damit das eigentliche totzuschlagende Patent aus der PCT zu retten."

Ich muss gestehen, dass ich diese Aussage nicht verstehe, auch nicht vor dem Hintergrund der weiteren Aussagen Deines vorangegangenen Beitrags. Warum sollte der Angriff auf die Prio von P1 dazu führen können, dass eigentlich anzugreifenden Patent aus der PCT zu retten?
 

Sousse

BRONZE - Mitglied
Mehrere Male hatte ich die Konstellation, dass ein US Anmelder zunächst eine US provisional (US0) einreicht, dann eine US1 folgen lässt, die "claims the benefits of US0", um dann ein Jahr nach Einreichung von US1 eine EP1 nachzuschieben, die die Prio von US1 in Anspruch nimmt. Dies geschieht oft in der Annahme, dass eine US Provisional nicht als erste Hinterlegung gilt, was aber bekanntlich ein Irrglauben ist. Dass dabei EP1 auf den Rechtsnachfolger (z.B. eine europäische Tochter des US Anmelders) angemeldet wird, ist ebenfalls nicht auszuschließen.

Welche Konsequenz das hat, wenn die US1 vor Anmeldung von EP1 veröffentlicht wird, dürfte klar sein.

Meinem Verständnis nach kommt es auf die Veröffentlichung der US0 an, oder?

Ausgangsfall ist, dass die US0 niemals veröffentlicht wurde. Damit ich die Prio der EP1 zerstöre, muss ich als Angreifer zunächst nachweisen, dass die US1 die Prio der US0 in Anspruch genommen hat, so dass rein formal Rechte aus der US0 übrig geblieben sein könnten und die US1 nicht die erste Anmeldung ist. Ob die US1 wirklich die Prio der US0 in Anspruch nimmt ist aber eine materiellrechtliche Frage, die im Rahmen eines Einspruches oder Nichtigkeitsverfahren vom Einsprechenden einzuwenden ist. Das führt zu einer aus meiner Sicht abstrusen Situation, dass der Einsprechende zuerst behauptet, die Prio der EP1 hält formal nicht, weil die US1 nicht die erste Anmeldung ist und dann behauptet, sie hält doch, weil der Prioanspruch der US1 aus der US0 von Anfang an materiellrechtlich unwirksam war.

Fraglich ist, ob der Patentinhaber seinen eigenen Prioanspruch angreifen oder das Amt im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes hier prüfen darf.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Ich muss gestehen, dass ich diese Aussage nicht verstehe, auch nicht vor dem Hintergrund der weiteren Aussagen Deines vorangegangenen Beitrags. Warum sollte der Angriff auf die Prio von P1 dazu führen können, dass eigentlich anzugreifenden Patent aus der PCT zu retten?

Na ja, ist doch klar: Wenn P1 die Prio von P0 (aus welchem Grund auch immer) nicht gültig beansprucht, dann ist P1 die "erste Anmeldung" im Sinne von Art. 87, und die Prio der PCT wäre gültig. Als Einsprechender muss man im Gegenteil argumentieren, dass bereits zwischen P0 und P1 eine gültige Prioritätsbeanspruchung vorliegt und deshalb keine weitere mehr zwischen P1 und PCT möglich ist.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Wenn P0 und P1 nicht wortgleich identisch sind (was in der ursprünglichen Frage offen war), dann gibt es aus P1 ein Prioritätsrecht für den "Überschuss", den die PCT in Anspruch nehmen kann. Für eine erstmals in P1 offenbarte Erfindung ist P1 dann Erstanmeldung. Das Kriterium ist, ob die in der PCT beanspruchte Erfindung zwar der P1, aber nicht der P0 entnehmbar ist. ("Entnehmbar" immer nach den Kriterien der Neuheitsschädlichkeit.) Dass P1 formal die Priorität aus P0 zu Recht in Anspruch nimmt (und in P1 vielleicht auch nur etwas beansprucht wird, was bereits in P0 offenbart wurde), genügt nicht, um zu bewirken, dass in der PCT die Priorität aus P1 zu Unrecht in Anspruch genommen wird. In P1 wird die Erfindungsidentität mit P0 ja nur geprüft, falls sich Stand der Technik aus dem Intervall P0-P1 findet, und dabei geht es auch nur darum, was in Zuge des Prüfungsverfahrens in P1 gerade beansprucht wird. Für die PCT ist das Ergebnis erst mal offen.
 

Fip

*** KT-HERO ***
Also, mal ehrlich ... Die Aufgabenstellung lautete (Hervorhebung diesseits):


Erfinder A meldet Anmeldung P0 an.
Erfinder A meldet Anmeldung P1 an, die die Prio von P0 in Anspruch nimmt (selbe Erfindung).
Erfinder A überträgt sein Patent auf Firma B (mit dem Priorechten etc.).
Firma B meldet eine PCT an und beansprucht die Prio von P1 (selbe Erfindung).


Damit ist für den Fall doch klar festgeschrieben, dass Erfindung P0 = Erfindung P1 und Erfindung PCT = Erfindung P1 ist, woraus folgt, dass Erfindung PCT = Erfindung P0 ist.



Davon, dass in einer Anmeldung irgendetwas nicht offenbart wäre, was in der folgenden enthalten ist, steht da doch gar nichts. Klar, wenn ich das dazudichte und mich nicht an die Aufgabenstellung halte, dann können andere Konstellationen herauskommen. Nicht aber bei dem hier (eigentlich) zur Diskussion gestellten Fall.


@asdevi: Du schreibst: "Wenn P1 die Prio von P0 (aus welchem Grund auch immer) nicht gültig beansprucht, dann ist P1 die "erste Anmeldung" im Sinne von Art. 87, und die Prio der PCT wäre gültig."

Diese Aussage halte ich schlicht für falsch. Ob etwas die erste Hinterlegung ist oder nicht, hängt nicht davon ab, ob eine Prio wirksam beansprucht oder gültig oder überhaupt beansprucht ist. Eine erste Hinterlegung ist die Hinterlegung, in der ein Anmelder etwas zum ersten Mal hinterlegt. Nur diese erste Hinterlegung begründet überhaupt ein Recht auf Inanspruchnahme einer Priorität. Mit Ausnahme dessen, was in Art. 87 (4) geregelt ist, kann eine spätere Anmeldung nie mehr erste Hinterlegung für diesen Anmelder (oder seinen Rechtsnachfolger) sein, egal ob irgendwelche Prios beansprucht wurden oder nicht. Damit kann P1 für die "selbe Erfindung" (siehe Aufgabenstellung) erst gar kein Prioritätsrecht, dass von irgendwem in Anspruch genommen werden könnte, generieren. Selbst wenn in dem Ausgangsfall in P1 die Prio von P0 nie beansprucht worden wäre, wäre P1 immer noch nicht die erste Hinterlegung (Ausnahme, wie gesagt, Art. 87 (4) EPÜ oder vergleichbare Regelungen in der PVÜ, aber das ist nach Aufgabenstellung ausgeschlossen).

Das Priorecht entsteht mit bzw. für eine erste Hinterlegung, nicht aber mit bzw. für eine zweite.

@sousse: Die P0 (US Provisional) wird meines Wissens nach nicht "offiziell" bzw. amtsseitig veröffentlicht (z.B. als A-Schrift), sondern wird als Bestandteil der Akte von P1 öffentlich. Es kommt also auf die VÖ von P1 an.
 
Zuletzt bearbeitet:

Fip

*** KT-HERO ***
@sousse: Du schreibst (Anmerkung: die reguläre Zitierfunktion funktioniert in meinem Browser irgendwie nicht): "Ausgangsfall ist, dass die US0 niemals veröffentlicht wurde. Damit ich die Prio der EP1 zerstöre, muss ich als Angreifer zunächst nachweisen, dass die US1 die Prio der US0 in Anspruch genommen hat, so dass rein formal Rechte aus der US0 übrig geblieben sein könnten und die US1 nicht die erste Anmeldung ist. Ob die US1 wirklich die Prio der US0 in Anspruch nimmt ist aber eine materiellrechtliche Frage, die im Rahmen eines Einspruches oder Nichtigkeitsverfahren vom Einsprechenden einzuwenden ist. Das führt zu einer aus meiner Sicht abstrusen Situation, dass der Einsprechende zuerst behauptet, die Prio der EP1 hält formal nicht, weil die US1 nicht die erste Anmeldung ist und dann behauptet, sie hält doch, weil der Prioanspruch der US1 aus der US0 von Anfang an materiellrechtlich unwirksam war."

Ich verstehe diese Einlassung nicht.

  1. Dass US0 nie veröffentlicht wurde, steht nirgendwo. Darauf kommt es auch nicht an. Egal ob US0 veröffentlicht wird oder nicht, US0 bleibt die erste Hinterlegung und US1 kann nicht erste Hinterlegung sein oder nachträglich noch werden (Ausnahme Art. 87(4) EPÜ, der hier aber nicht einschlägig sein kann, denn die Fallschilderung sagt ja, dass US1 "claims the benefits of US0").
  2. Ich muss als Angreifer zwar streng genommen nachweisen, dass Rechte aus US0 in US1 übrig geblieben sind, aber wenn die US1 nach Fallschilderung "claims benefits from US0", dann ist das doch de facto so. Da gibt es nicht viel nachzuweisen, da reicht schon ein Drauf-Hinweisen. Das ist schließlich der Akte zu entnehmen und steht auf einer VÖ von US1 drauf.
  3. Für Frage, ob die EP1 die Prio der US1 wirksam in Anspruch nimmt, ist die Frage, ob die US1 die Prio der US0 materiallrechtlich wirksam in Anspruch nimmt, in dem Fall, dass es sich jeweils um dieselbe Erfindung handelt (davon ist nach Aufgabenstellung und Fallschilderung auszugehen gewesen), irrelevant. Egal ob die Beanspruchung der Priorität von US0 in US1 formell wirksam war oder nicht, solange kein Fall von Art. 87 (4) vorliegt, hat die US1 bzgl. derselben Erfindung kein Prioritätsrecht entstehen lassen, in dessen Genuss der Anmelder hätte kommen können und das er für die EP1 hätte beanspruchen können. Die EP1 kann daher die Prio der US1 nicht in Anspruch nehmen, weil die US1 nie ein Prioritätsrecht hat entstehen lassen (immer dran denken: es geht bei allen Hinterlegungen um dieselbe Erfindung).
 
Zuletzt bearbeitet:

Asdevi

*** KT-HERO ***
Diese Aussage halte ich schlicht für falsch. Ob etwas die erste Hinterlegung ist oder nicht, hängt nicht davon ab, ob eine Prio wirksam beansprucht oder gültig oder überhaupt beansprucht ist. Eine erste Hinterlegung ist die Hinterlegung, in der ein Anmelder etwas zum ersten Mal hinterlegt. Nur diese erste Hinterlegung begründet überhaupt ein Recht auf Inanspruchnahme einer Priorität. Mit Ausnahme dessen, was in Art. 87 (4) geregelt ist, kann eine spätere Anmeldung nie mehr erste Hinterlegung für diesen Anmelder (oder seinen Rechtsnachfolger) sein, egal ob irgendwelche Prios beansprucht wurden oder nicht. Damit kann P1 für die "selbe Erfindung" (siehe Aufgabenstellung) erst gar kein Prioritätsrecht, dass von irgendwem in Anspruch genommen werden könnte, generieren. Selbst wenn in dem Ausgangsfall in P1 die Prio von P0 nie beansprucht worden wäre, wäre P1 immer noch nicht die erste Hinterlegung (Ausnahme, wie gesagt, Art. 87 (4) EPÜ oder vergleichbare Regelungen in der PVÜ, aber das ist nach Aufgabenstellung ausgeschlossen).

Da hast du natürlich recht, mein "aus welchem Grund auch immer" war zu flapsig formuliert.

Ich ging von der Aufgabenstellung aus, nach der zumindest eine formale Beanspruchung der Prio vorliegt. Der Fall, dass die Prio von P0 nie beansprucht wurde, ist daher ausgeschlossen.

Die Frage ist lediglich, ob diese Beanspruchung wirksam ist oder aus irgendeinem Grund scheitert. Hier gibt es in der Praxis zwei häufige Gründe: 1. Der Anmelder von P1 hat nicht das Recht, die Prio von P0 in Anspruch zu nehmen; 2. Es handelt sich nicht um dieselbe Erfindung. Mein Punkt war, dass ich als Einsprechender gegen diese beiden Möglichkeiten argumentieren muss. Denn wenn entweder 1. oder 2. zutrifft, dann ist die Prio der PCT auf P1 gültig.

Aber es gibt noch andere Gründe, aus denen die Prio der P1 scheitern kann, und deshalb ist "aus welchem Grund auch immer" falsch: Z. B. wenn P1 mehr als 12 Monate nach P0 angemeldet wurde, hat die P1 auch keine Prio, aber P0 ist trotzdem die erste Hinterlegung und die Prio der PCT wird nicht "gerettet".
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Bei der Frage, ob "dieselbe Erfindung" betroffen ist und welche Anmeldung die Erstanmeldung dieser Erfindung ist (also P0 oder P1), ist immer von den aktuellen Patentansprüchen auszugehen, also von den Ansprüchen in der PCT (Bezeichnungen entspr. der ursprüngl. Aufgabe). Wenn diese "PCT-Erfindung" sowohl aus P0 als auch aus P1 hervorgeht, dann ist - bei Anmelderidentität oder, wie hier, bei Übertragung der Prioritätsrechte - ganz ohne Zweifel P0 die Erstanmeldung. Ob P1 die Priorität aus P0 beansprucht oder nicht, ist dafür egal. Und es ist auch egal, was sonst in P0 oder P1 steht.

Dazu gibt es die Ausnahme, dass P1 dann Erstanmeldung ist, wenn P0 zurückgenommen wurde und keine Rechte aus ihr hervorgehen. Davon, dass das der Fall sein soll, steht aber nichts in der Aufgabe.

Im Gegenteil, diese Ausnahme dürfte bereits dann nicht vorliegen, wenn in P1 formal die Priorität aus P0 in Anspruch genommen wird, sofern dabei eine Abschrift von P0 zur Akte gereicht wird, sodass in P1 eben diese "PCT-Erfindung" beansprucht werden könnte. Es kommt aber nicht darauf an, ob in P1 letztlich doch etwas ganz anderes beansprucht wird.

Wenn also in der PCT nicht die Priorität aus der Erstanmeldung P0 beansprucht wird, sondern nur die aus P1, dann gehören P0 und auch P1 für die PCT unter denselben Voraussetzungen zum Stand der Technik, wie wenn sie von einem Dritten angemeldet worden wären, und auch sonstige Schriften aus den Intervallen P0/P1 und P1/PCT gehören zum Stand der Technik.

Allerdings frage ich mich bei dieser Konstellation, was für einen vernünftigen Grund es geben könnte, in der PCT die Priorität aus P1 statt die aus P0 zu beanspruchen.
 
Zuletzt bearbeitet:

Hans35

*** KT-HERO ***
Ich verstehe das jetzt so:

Falls absichtlich nur die Prioritätsrechte aus P1 und nicht die aus P0 an den PCT-Anmelder übertragen wurden, so ist erst mal offen, ob P0 immer Erstanmeldung ist, oder - entsprechend der "Ausnahme" erst in dem Moment Erstanmeldung wird, zu dem in P1 formal die Priorität aus P0 beansprucht wird. Und das kann ja durchaus erst nach der Rechteübertragung an den PCT-Anmelder passiert sein (!), auch wenn zu diesem Zeitpunkt P0 bereits zurückgenommen worden war.

Grundsätzlich soll dem Erstanmelder eine Frist von einem Jahr bleiben, um die Anmeldung international zu tätigen. Wenn das durch die Inanspruchnahme von P1 statt P0 (für die PCT) "ausgehebelt" und die Jahresfrist verlängert wird, dann entspricht das aber dem Sinn und Zweck der "Ausnahme". Denn diese Ausnahme zielt ja darauf, dass die ursprüngliche Erstanmeldung P0 dem "Vergessen" anheim gegeben werden soll, indem auf alle Rechte aus ihr verzichtet werden. Wenn wirklich keine Rechte aus P0 bleiben, dann nimmt die PCT die Priorität aus P1 zu Recht in Anspruch.

Wenn aber in P1, und sei es auch nur formal, die Priorität von P0 in Anspruch genommen wird (und dafür muss Anmelderidentität gegeben sein), wie in der Aufgabenstellung angegeben, so ist es nichts mehr mit dem "Vergessen" von P0. Dann ist P1 nicht mehr Erstanmeldung und in der PCT hätte ebenfalls die Priorität aus P0 in Anspruch genommen werden müssen. Wurde stattdessen die Priorität aus P1 in Anspruch genommen, so ist diese unwirksam, weil P1 nicht Erstanmeldung ist, und daher gehört alles vor dem Anmeldetag der PCT für diese zum Stand der Technik.
 

Fip

*** KT-HERO ***
Hans35 hat da meines Erachtens alles in allem grundsätzlich Recht. Man muss sich halt immer klarmachen, dass es immer nur eine einzige bestimmte Anmeldung sein kann, aus der sich ein Priorecht für eine bestimmte Erfindung für einen bestimmten Anmelder herleiten lässt (wenn man mal Fälle von Anmeldungen, die derselbe Anmelder am selben Tag vornimmt, außer Acht lässt).

Dehalb heißt es in Art 87 (4) auch: "...; ebenso wenig darf diese ältere Anmeldung schon Grundlage für die Inanspruchnahme des Prioritätsrechts gewesen sein. Die ältere Anmeldung kann in diesem Fall nicht mehr als Grundlage für die Inanspruchnahme des Prioritätsrechts dienen."

Auch diese Ausnahmeregelung sorgt also dafür, dass hinsichtlich derselben Erfindung niemals P0 und P1 Grundlage eines Prioritätsrechts für dieselbe Erfindung sein können.

Im Ausgangsfall heißt es:

Erfinder A meldet Anmeldung P0 an.
Erfinder A meldet Anmeldung P1 an, die die Prio von P0 in Anspruch nimmt (selbe Erfindung).


Damit legt die Aufgabestellung eindeutig fest, dass nur P0 die Anmeldung sein kann, aus der sich überhaupt ein Priorecht bzgl. der in Rede stehenden Erfindung herleiten lässt. Wenn Firma B später die Prio aus P1 für diese Erfindung beansprucht, dann beansprucht Firma B also etwas, dass es nie gegeben hat.
 
Zuletzt bearbeitet:

Ah-No Nym

*** KT-HERO ***
Vielen lieben Dank für diese außerordentlich interessante und hilfreiche Diskussion ... in der EPÜ Rechtsprechung findet sich hierzu nichts einschlägiges, obwohl dort immer sehr genau aus "denselben Anmelden" geachtet wird. Deshalb die Frage ...

Ein Punkt noch, um das ganze Abzurunden: Die PCT hatte auch die Priorität der P0 beansprucht, diese wurde jedoch mangels Übertragung der Priorechte von A an B nicht anerkannt...

und ja, es handelt sich nicht nur um theoretische Fälle ;-)

Beste Grüße

Ah-No Nymphen
 

Kurt

*** KT-HERO ***
Folgender Fall:
Erfinder A meldet Anmeldung P0 an.
Erfinder A meldet Anmeldung P1 an, die die Prio von P0 in Anspruch nimmt (selbe Erfindung).
Erfinder A überträgt sein Patent auf Firma B (mit den Priorechten etc.).
Firma B meldet eine PCT an und beansprucht die Prio von P1 (selbe Erfindung).

Ein Punkt noch, um das ganze Abzurunden: Die PCT hatte auch die Priorität der P0 beansprucht, diese wurde jedoch mangels Übertragung der Priorechte von A an B nicht anerkannt...
Versteh ich nicht. Diese Begründung (mangelnde Prioübertragung) widerspricht sich doch mit dem Sachverhalt lt. Aufgabenstellung.
 

Ah-No Nym

*** KT-HERO ***
Versteh ich nicht. Diese Begründung (mangelnde Prioübertragung) widerspricht sich doch mit dem Sachverhalt lt. Aufgabenstellung.

A hat die P1 auf die B übertragen und auch die Priorechte an der P1. Die P0 blieb aussen vor, wurde nie auf die B übertragen ... soweit zur Klarstellung...
 
Oben