EPÜ "Poisonous divisionals"

Fip

*** KT-HERO ***
Ich habe mir mal die Mühe gemacht, die Argumentation der Beschwerdekammer in diesem Fall auf den Beispielfall umzuschreiben:

"Nach der Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer des EPA bedeutet das in Artikel 87 (1) EPÜ für die Inanspruchnahme einer Priorität genannte Erfordernis "derselben Erfindung", dass die Priorität einer früheren Anmeldung für einen Anspruch in einer europäischen Patentanmeldung gemäß Artikel 88 EPÜ nur dann anzuerkennen ist, wenn der Fachmann den Gegenstand des Anspruchs unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens unmittelbar und eindeutig der früheren Anmeldung als Ganzes entnehmen kann (G 2/98, ABI. EPA 2001, 413).

Die Kammer hält diese Voraussetzung … nicht schon deshalb für gegeben, weil die beanspruchten Zusammensetzungen, einschließlich des Disclaimers, nicht über den Gesamtinhalt des Prioritätsdokuments hinausgingen. Eine Beschränkung als solche ist nämlich nicht ausreichend, um das Prioritätsrecht anzuerkennen, wenn der eingeschränkte Gegenstand nicht unmittelbar und eindeutig der Prioritätsanmeldung entnommen werden kann.

Dem Prioritätsdokument kann der Fachmann also entnehmen, dass Komponente C ein Bestandteil der beanspruchten Zusammensetzung sein kann. Hingegen ist Komponente C nach dem Wortlaut des Anspruchs 1 der Teilanmeldung als Bestandteil des beanspruchten Gegenstandes ausdrücklich ausgeschlossen.

Für die Kammer steht daher außer Zweifel, dass das Prioritätsdokument gegenüber der Erfindung gemäß Streitpatent eine unterschiedliche Lehre offenbart, da die Anwesenheit der Komponente C in den im Prioritätsdokument beschriebenen Zusammensetzungen nicht ausgeschlossen, sondern sogar explizit vorgesehen ist. Der Fachmann kann daher, auch bei der Heranziehung seines allgemeinen Fachwissens, den Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatens als Ganzes nicht eindeutig und unmittelbar aus dem Prioritätsdokument entnehmen.

Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents einerseits und derjenige der Prioritätsanmeldung andererseits nicht dieselbe Erfindung im Sinne von Artikel 87 (1) EPÜ betrifft. Aus diesem Grund kann die für das Streitpatent beanspruchte Priorität der Prioritätsanmeldung nicht anerkannt werden."
 

Fip

*** KT-HERO ***
Wenn du ernsthaft der Ansicht bist, dass das Priodokument grundsätzlich eine andere Erfindung ist

Bin ich.

... dann kann auch das ABDEF aus der Prio nicht neuheitsschädlich für EP1 sein. Oder das ABDEF der EP2 kann keine Priorität in der ABDEF der Prio genießen.

Ob ABDEF aus der Prio neuheitsschädlich für EP1 ist, hängt davon ab, ob es eine EP-Anmeldung ist (dann kann es als 54(3) Dokument neuheitsschädlich sein) oder z.B. ein deutsches Gebrauchsmuster ist (dann kann es nur neuheitsschädlich sein, wenn es schon im Priointervall veröffentlicht war.

Und natürlich kann EP2 die Prio genießen, weil der Gegenstand ABDEF genau so eindeutig und unmittelbar in der Prio offenbart ist. EP2 beansprucht ja gerade nicht das Weglassen von C als Erfindung, sondern das Stoffgemisch ABDEF.

Du kannst nicht einerseits sagen, eine "Erfindung" bestehe nicht nur aus ihren Merkmalen, sondern der Idee dahinter, und andererseits einem Anspruch rein auf Grund von Merkmalen die Neuheit absprechen, obwohl die "Idee" nicht offenbart wurde.

Doch, genau das kann ich. Denn "dieselbe Erfindung" und "Neuheit" ist nicht zwingend dasselbe.

Welche "Philosophie" das EPA vertritt, sollte bekannt sein. "Dieselbe Erfindung" liegt vor, wenn die Merkmale übereinstimmen. Mit Ideen brauchst du denen nicht kommen.

Die unten angeführte Entscheidung der Beschwerdekammer spricht eine andere Sprache. Ich möchte betonen, dass ich nicht für mich beanspruche, absolut im Recht zu sein. Mir ist schon klar, dass das Grenzfälle sind und man das so oder so sehen kann. Aber das das EPA nur die eine Philosophie vertritt, ist nicht korrekt, wie die zitierte Entscheidung deutlich zeigt.

Im Übrigen - das als Ergänzung - wurde bei der Beschwerdekammerentscheidung das Streitpatent wegen der Neuheitsschädlichkeit des Priodokuments widerrufen, also nicht wegen "Selbstkollision" mit einer Teilanmeldung. Ich hatte den Fall etwas umgestaltet, weil es ja hier um Teilanmeldungen ging.
 

Fip

*** KT-HERO ***
In obigem Beitrag muss in dem Beschwerdekammer-Zitat

... Hingegen ist Komponente C nach dem Wortlaut des Anspruchs 1 der Teilanmeldung als Bestandteil des beanspruchten Gegenstandes ausdrücklich ausgeschlossen.

statt "Teilanmeldung" das Wort "Streitpatent" stehen. Sorry.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Im Übrigen - das als Ergänzung - wurde bei der Beschwerdekammerentscheidung das Streitpatent wegen der Neuheitsschädlichkeit des Priodokuments widerrufen, also nicht wegen "Selbstkollision" mit einer Teilanmeldung. Ich hatte den Fall etwas umgestaltet, weil es ja hier um Teilanmeldungen ging.
Von welcher Beschwerdekammerentscheidung redest du eigentlich die ganze Zeit? Im vorliegenden Fall wurde überhaupt nichts widerrufen, sondern der Großen Beschwerdekammer vorgelegt.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Und natürlich kann EP2 die Prio genießen, weil der Gegenstand ABDEF genau so eindeutig und unmittelbar in der Prio offenbart ist. EP2 beansprucht ja gerade nicht das Weglassen von C als Erfindung, sondern das Stoffgemisch ABDEF.
Wenn das ABDEF aus EP2, das dem Anspruch in EP1 die Neuheit rauben soll, eine Ausführungsform von "AB ohne C" ist, ist es auch dieselbe Erfindung wie "AB ohne C". Also kann der Anspruch "AB ohne C" aus EP1 für diesen Teilbereich (ABDEF) eine frühere Prio beanspruchen, für den gedanklich übrig bleibenden restlichen Teilbereich bleibt der Anmeldetag. Das sagt G1/15.

Für mich ist die Sache damit geregelt.
 

Fip

*** KT-HERO ***
Wenn das ABDEF aus EP2, das dem Anspruch in EP1 die Neuheit rauben soll, eine Ausführungsform von "AB ohne C" ist, ist es auch dieselbe Erfindung wie "AB ohne C". Also kann der Anspruch "AB ohne C" aus EP1 für diesen Teilbereich (ABDEF) eine frühere Prio beanspruchen, für den gedanklich übrig bleibenden restlichen Teilbereich bleibt der Anmeldetag. Das sagt G1/15.

Für mich ist die Sache damit geregelt.

Die Kammer sagt: Das Streitpatent geht, einschließlich des Diclaimers, nicht über den Gesamtinhalt des Streitpatents hinaus. Trotzdem ist es nicht dieselbe Erfindung, weil der Fachmann den Gegenstand des Streitpatents als Ganzen nicht dem Prioritätsdokument entnehmen kann.

Ich halte diesen Ansatz für richtig und nachvollziehbar, Du nicht. Lassen wir es dabei.
 

Fip

*** KT-HERO ***
Korrektur:
Die Kammer sagt: Das Streitpatent geht, einschließlich des Diclaimers, nicht über den Gesamtinhalt des Priodokuments hinaus. Trotzdem ist es nicht dieselbe Erfindung, weil der Fachmann den Gegenstand des Streitpatents als Ganzes nicht dem Prioritätsdokument entnehmen kann.

(Heute ist meine Tastatur-Legastenie besonders schlimm. Ich bitte vielmals um Entschuldigung.)
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Das kann dann passieren, wenn man nicht nur einen generischen Oberbegriff verwendet, sondern ein neues Merkmal, dass in der Prioanmeldung offenbarten Merkmale einerseits umfasst, gleichzeitig aber insgesamt eine andere Erfindung darstellt.

[...]
EP1 kann Prio von US1 nicht beanspruchen, weil die Erkenntnis, dass die Erfindung dadurch gekennzeichnet, ist, dass C weggelassen wird, in US1, die dies und auch Komponente C an keiner Stelle erwähnt, nicht drin steht. EP1 beansprucht insgesamt eine andere Erfindung. EP2 kann Prio hingegen beanspruchen und ist neuheitsschädlich für EP1.

Ich bin aber der Meinung, dass EP2 hierfür auch nicht SdT ist. Selbst wenn in EP2 offenbart wird, dass AB ohne C vorteilhaft ist, hat EP2 für genau diese Offenbarung keine Priorität, d.h. der Zeitrang für diese Offenbarung ist wieder der Anmeldetag von EP1.
 

Fip

*** KT-HERO ***
Ich bin aber der Meinung, dass EP2 hierfür auch nicht SdT ist. Selbst wenn in EP2 offenbart wird, dass AB ohne C vorteilhaft ist, hat EP2 für genau diese Offenbarung keine Priorität, d.h. der Zeitrang für diese Offenbarung ist wieder der Anmeldetag von EP1.

Lassen wir mal die ganze Diskussion um die richtige Philosophie zum Thema "dieselbe Erfindung", "Teilpriorität", etc. beiseite.

Unter welchem Gesichtspunkt ist "Stoffgemisch bestehend aus ABDEF" nicht neuheitsschädlich für "Stoffgemisch mit AB aber ohne C"?
 

maroubra

*** KT-HERO ***
Unter welchem Gesichtspunkt ist "Stoffgemisch bestehend aus ABDEF" nicht neuheitsschädlich für "Stoffgemisch mit AB aber ohne C"?


Das Stoffgemisch "AB aber ohne C" hat notwendigerweise andere Mengen an A und B als das Stoffgemisch ABDEF, da beide ja insgesamt 100% erreichen müssen.


Beim Stoffgemisch ABDEF muss ja noch "Raum" für D, E und F auf Kosten von A und B bleiben.
 
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