EPÜ "Poisonous divisionals"

Asdevi

*** KT-HERO ***
Hi,



das ist aber auch eine nette Situation bezüglich der Argumente, die man dann vorbringt.

Das ist mit allen Argumenten so. Man kann immer in einem anderen Verfahren später mal in die Situation kommen, für die gegenteilige Position argumentieren zu müssen. Wer sich daran stört, sollte Prüfer werden und nicht Anwalt.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Die Entscheidung G1/15 ist da. Die Große Beschwerdekammer schließt sich der Ansicht von T1222/11 an und erkennt eine Teilpriorität auch für Anspruchsgegenstände an, die nicht explizit als Alternativen im Anspruch formuliert sind. Damit sind die "poisonous divisionals" vom Tisch.
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
In der Tat. Aber leider drückt sich die Entscheidung um einige für die Praxis wichtige Fragen herum, z.B. wie man konkret in einem "generic OR-claim" den Teil, der Priorität geniesst, identifiziert. Das wird etwa dann relevant, wenn man eine Zwischenveröffentlichung hat, die nicht aus der eigenen (Prio- oder Teil-)Anmeldung besteht.
 

Fip

*** KT-HERO ***
Mir ist folgendes nicht ganz klar: Wie gehe ich eigentlich mit dem Teil des Anspruchs um, dem die Priorität nicht zukommt, wenn dieser neuheitsschädlich getroffen ist und sich der generische Ausdruck, dem nur zum Teil die Prio zukommt, nicht zerlegen lässt? Ist das Patent dann trotzdem in Gänze nichtig zu erklären bzw. zu widerrufen, oder muss bzw. kann ich mit Disclaimern arbeiten, ... ?
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Mir ist folgendes nicht ganz klar: Wie gehe ich eigentlich mit dem Teil des Anspruchs um, dem die Priorität nicht zukommt, wenn dieser neuheitsschädlich getroffen ist und sich der generische Ausdruck, dem nur zum Teil die Prio zukommt, nicht zerlegen lässt?
Der generische Ausdruck lässt sich immer zerlegen. Das ist die Quintessenz der Entscheidung. Lies dir einfach die Entscheidungsgründe von Anfang bis Ende durch.
 

Fip

*** KT-HERO ***
Der generische Ausdruck lässt sich immer zerlegen. Das ist die Quintessenz der Entscheidung. Lies dir einfach die Entscheidungsgründe von Anfang bis Ende durch.

Das hatte ich schon vor meinem obigen Beitrag getan und dann nochmal. Trotzdem kann ich nicht erkennen, welche Hilfestellung diese Entscheidung für den Umgang mit dem Teil des generischen Ausdrucks liefert, dem die Prio nicht zukommt, wenn (nur) dieser Teil widerrufsfähig ist.

Und die von Dir identifizierte "Quintessenz der Entscheidung" kann ich ebenfalls so nicht erkennen. Die Quintessenz der Entscheidung ist, dass für die Anerkennung einer Teilpriorität eines generischen Begriffs (für eine (Zwischen-)Verallgemeinerung, Aufweitung oder Verschiebung) keine zusätzlichen Bedingungen oder Beschränkungen aufgestellt werden dürfen, insbesondere auch nicht diejenigen, die in G 2/98 angeführt waren (insoweit deutliche Abkehr von G 2/98). In diesem Zusammenhang begründet die Große Beschwerdekammer lediglich, dass es für Dritte zumutbar ist, festzustellen, welchem Teil der des generischen Begriffs die Prio zukommt.

Insofern hast Du mit dem "Zerlegen" natürlich recht. Aber "Zerlegen" bedeutet ja notgedrungen, dass wenigstens zwei Teile entstehen. Ein Teil, dem die Prio zukommt, und ein Teil, dem die Prio nicht zukommt.

Nochmal: Wie geht man mit dem generischen Begriff und mit der Anmeldung insgesamt um, wenn der die Prio nicht wirksam beanspruchende Teil des generischen Begriffs widerrufsfähig ist und das Patent daher mit dem generischen Begriff keinen Bestand haben kann. Disclaimer wie in G 1/03? Oder wie sonst?

Wenn das so eindeutig in der Enscheidung steht, kannst Du mir ja vielleicht auf die Sprünge helfen?
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Nochmal: Wie geht man mit dem generischen Begriff und mit der Anmeldung insgesamt um, wenn der die Prio nicht wirksam beanspruchende Teil des generischen Begriffs widerrufsfähig ist und das Patent daher mit dem generischen Begriff keinen Bestand haben kann. Disclaimer wie in G 1/03? Oder wie sonst?

Wenn das so eindeutig in der Enscheidung steht, kannst Du mir ja vielleicht auf die Sprünge helfen?

Auf Grund der Teilanmeldung kann der die Prio nicht wirksam beanspruchende Teil aber nicht widerrufsfähig sein, weil er von dem Teil mit Prio nicht neuheitsschädlich getroffen werden kann. Der Teil mit Prio (der also ein früheres Datum hat) muss denklogisch von dem Teil ohne Prio verschieden sein, so dass er ihn nicht vorwegnehmen kann.

Allenfalls wäre es vorstellbar, dass es ein weiteres Dokument aus dem Priointervall gibt, das den Teil ohne Prio neuheitsschädlich trifft. Nun, was wird man da wohl tun? Die Ansprüche auf den Gegenstand einschränken, der Prio hat. Was sonst?
 

Fip

*** KT-HERO ***
Auf Grund der Teilanmeldung kann der die Prio nicht wirksam beanspruchende Teil aber nicht widerrufsfähig sein, weil er von dem Teil mit Prio nicht neuheitsschädlich getroffen werden kann. Der Teil mit Prio (der also ein früheres Datum hat) muss denklogisch von dem Teil ohne Prio verschieden sein, so dass er ihn nicht vorwegnehmen kann.

Schon klar ...

Allenfalls wäre es vorstellbar, dass es ein weiteres Dokument aus dem Priointervall gibt, das den Teil ohne Prio neuheitsschädlich trifft.

... zum Beispiel

Allenfalls wäre es vorstellbar, dass es ein weiteres Dokument aus dem Priointervall gibt, das den Teil ohne Prio neuheitsschädlich trifft. Nun, was wird man da wohl tun? Die Ansprüche auf den Gegenstand einschränken, der Prio hat. Was sonst?

Zunächst würde ich als Anmelder oder Patentinhaber sagen, dass ich doch gerne den Teil des generischen Begriffs (bzw. dem hierdruch begründeten Schutzumfang), dem die Prio nicht zukommt, der aber gleichwohl einen bedeutenden Teil meiner gegenüber der Prioanmeldung weiterentwickelnten Erfindung ausmacht und außerdem nicht neuheitsschädlich getroffen ist, gerne behalten möchte.

Außerdem stellt sich die Frage (zugegebener Maßen unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen), was passiert, wenn ich den unter den generischen OR-claim fallenden Spezialfall, aufgrund dessen dem generischen OR-claim zumindest eine Teilprio zukommt, in der Nachanmeldung nicht offenbart habe.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Zunächst würde ich als Anmelder oder Patentinhaber sagen, dass ich doch gerne den Teil des generischen Begriffs (bzw. dem hierdruch begründeten Schutzumfang), dem die Prio nicht zukommt, der aber gleichwohl einen bedeutenden Teil meiner gegenüber der Prioanmeldung weiterentwickelnten Erfindung ausmacht und außerdem nicht neuheitsschädlich getroffen ist, gerne behalten möchte.

Ja, mach mal. Mal sehen, was die unter 123(2) dazu sagen.

Außerdem stellt sich die Frage (zugegebener Maßen unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen), was passiert, wenn ich den unter den generischen OR-claim fallenden Spezialfall, aufgrund dessen dem generischen OR-claim zumindest eine Teilprio zukommt, in der Nachanmeldung nicht offenbart habe.

Dann passiert genau das, was mit jedem anderen Anspruch auch passiert, der neuheitsschädlich getroffen ist und wo keine Offenbarung vorhanden ist, ihn geeignet einzuschränken.
 
Zuletzt bearbeitet:

Fip

*** KT-HERO ***
Ja, mach mal. Mal sehen, was die unter 123(2) dazu sagen.

Daher meine Frage nach der Möglichkeit eines Disclaimers.

Dann passiert genau das, was mit jedem anderen Anspruch auch passiert, der neuheitsschädlich getroffen ist und wo keine Offenbarung vorhanden ist, ihn geeignet einzuschränken.

Das verstehe ich schon. Aber bisher war es so, dass einem generischen Oberbegriff entweder ganz oder gar nicht die Prio zukam, eben wegen der Anforderungen, die G2/98 an die Teilprio gestellt hat. Deshalb war der generische Oberbegriff bisher immer entweder ganz oder gar nicht widerrufsfähig. Jetzt ist aber ein Teil widerrufsfähig. Mein Gedanke war schlicht, ob sich daraus vielleicht etwas ableiten lässt, wie man den nicht widerrufsfähigen Teil retten kann.

Es stellen sich ja auch weitere Probleme, oder sagen wir mal besser: Herausforderungen. Man denke etwa an den Fall, in dem ein Verletzer (vielleicht) ein Vorbenutzungsrecht hat, weil er im Priojahr die Benutzung der Erfindung aufgenommen hat. Dann muss man im Verletzungsverfahren bewerten, ob er das Vorbenutzungsrecht für den Teil des Oberbegriffs erworben hat, dem die Prio zukommt, oder für den anderen Teil, dem die Prio nicht zukommt. Und dann muss man sich noch fragen, ob er vielleicht den Teil des Oberbegriffs, dem die Prio zukommt und der den älteren Zeitrang hat, vielleicht trotzdem äquivalent verletzt. Also sozusagen ein Vorbenutzungsrecht, das gegen eine wortsinngemäße Verletzung des prioritätsjüngeren Teils des generischen Begriffs hilft, aber nicht gegen eine äquivalente Verletzung des prioritätsälteren Teils. Das kann interessant werden. Warten wir es ab.
 

Fip

*** KT-HERO ***
Vielleicht stehe ich auf dem Schlauch, aber ich kann mir da momentan nichts vorstellen - kannst Du mal ein Beispiel bringen?

Das kann dann passieren, wenn man nicht nur einen generischen Oberbegriff verwendet, sondern ein neues Merkmal, dass in der Prioanmeldung offenbarten Merkmale einerseits umfasst, gleichzeitig aber insgesamt eine andere Erfindung darstellt.

Beispiel (an realem Fall orientiert)

Prioanmeldung: Stoffgemisch mit Komponente A und B ist super zur Lösung von Problem X. Noch besser funktioniert das, wenn A und B noch Komponenten D und/oder E und/oder F zugegeben wird. Hauptsache aber, A und B sind vorhanden. Diese beiden Komponenten zusammen machen die Erfindung aus.

EP 54(3) SdT: Stoffgemisch mit A und B sowie mit C ist offenbart zur Lösung von Problem X.

Nachanmeldung EP1: Anmelder entwickelt die Erfindung weiter (ist ja Sinn und Zweck von Prio, wie in G1/15 zu lesen), und erkennt, dass Gegenwart von C zwar die Lösung von Problem X nicht verhindert, aber irgendwie ungünstig ist. Mit C funktioniert das Ganze deutlich schlechter. Er erkennt, dass erst das Weglassen von Komponente C der eigentliche Clou ist. Er beansprucht jetzt: Stoffgemisch A und B, dadurch gekennzeichnet, dass auf C verzichtet ist.

Teilanmeldung EP2 (von EP1): Beansprucht wird ABDEF

EP1 kann Prio von US1 nicht beanspruchen, weil die Erkenntnis, dass die Erfindung dadurch gekennzeichnet, ist, dass C weggelassen wird, in US1, die dies und auch Komponente C an keiner Stelle erwähnt, nicht drin steht. EP1 beansprucht insgesamt eine andere Erfindung. EP2 kann Prio hingegen beanspruchen und ist neuheitsschädlich für EP1.

Jetzt kann man sich natürlich darüber streiten, ob das nicht immer noch ein "generic OR-claim" ist. Ich meine nein, den so was ist keine Verallgemeinerung ein und desselben Erfidungsgedankens, sondern schlicht eine andere Erfindung (hat jedenfalls die Beschwerdekammer auch so gesehen).
 

Fip

*** KT-HERO ***
Ergänzung: Noch deutlicher wird der Beispielfall vielleicht, wenn Komponente C im Priodokument (zum Beispiel beiläufig in einer Aufzählung) als eine mögliche Ergänzung des Stoffgemischs AB erwähnt wäre.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Jetzt kann man sich natürlich darüber streiten, ob das nicht immer noch ein "generic OR-claim" ist. Ich meine nein, den so was ist keine Verallgemeinerung ein und desselben Erfidungsgedankens, sondern schlicht eine andere Erfindung (hat jedenfalls die Beschwerdekammer auch so gesehen).
Klar ist es ein generic OR claim. Der Anspruch in EP1 muss gedanklich aufgespalten werden in die Ausführungsform "ABDEF", die Prio hat, und den restlichen Bereich "AB ohne C mit Ausnahme von ABDEF".
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Daher meine Frage nach der Möglichkeit eines Disclaimers.

Das hat doch nichts mehr mit dem Thema zu tun. Es geht jetzt um ein stinknormales fremdes Dokument aus dem Stand der Technik. Jeder Anmelder möchte, wenn sein Anspruch neuheitsschädlich getroffen wird, möglichst viel vom Schutzumfang behalten. Am liebsten würde auch jeder immer einen Disclaimer einbauen und nur den gerade entgegengehaltenen Stand der Technik disclaimen. Wann man das darf und wann nicht, ist geregelt. Wenn man es nicht darf, muss man sich halt auf der Basis der eigenen Offenbarung einschränken. Ich sehe nicht, warum ein Anspruch mit Teilpriorität hier bevorzugt behandelt werden müsste oder sollte.
 

Fip

*** KT-HERO ***
Das hat doch nichts mehr mit dem Thema zu tun. Es geht jetzt um ein stinknormales fremdes Dokument aus dem Stand der Technik. Jeder Anmelder möchte, wenn sein Anspruch neuheitsschädlich getroffen wird, möglichst viel vom Schutzumfang behalten. Am liebsten würde auch jeder immer einen Disclaimer einbauen und nur den gerade entgegengehaltenen Stand der Technik disclaimen. Wann man das darf und wann nicht, ist geregelt. Wenn man es nicht darf, muss man sich halt auf der Basis der eigenen Offenbarung einschränken. Ich sehe nicht, warum ein Anspruch mit Teilpriorität hier bevorzugt behandelt werden müsste oder sollte.

Sehe ich ein. Ist vielleicht (noch) etwas befremdlich, ein und denselben Begriff unterschiedliche Prioritäten zuordnen zu wollen.
 

Fip

*** KT-HERO ***
Klar ist es ein generic OR claim. Der Anspruch in EP1 muss gedanklich aufgespalten werden in die Ausführungsform "ABDEF", die Prio hat, und den restlichen Bereich "AB ohne C mit Ausnahme von ABDEF".

Klarer Widerspruch. Das ist eine Änderung der Erfindung. Eine "Erfindung" erschöpft sich nicht in einer bloßen Merkmalsagglomeration, sondern ihr liegt ein Erkenntnisgewinn zugrunde, aus dem sich eine Anweisung zum technischen Handeln ableitet.

Wenn das Priodokument offenbart, AB machts, ggf. mit C und/oder D und/oder E und/oder F, und ich hinterher sage, AB machts, wenn ich C weglasse, liegt Letzterem eine Erkenntnis zugrunde, die sich Ersterem unter keinen Umständen entnehmen lässt. Also: andere Erfindung, keine Prio, auf nicht für Varianten in der Prioanmeldung, bei denen C nicht vorkommt.

Ich weiß aber, dass es unterschiedliche Philosphien zur Frage des Erfindungsbegriffs gibt. Das wird sich hier nicht lösen lassen.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Klarer Widerspruch. Das ist eine Änderung der Erfindung. Eine "Erfindung" erschöpft sich nicht in einer bloßen Merkmalsagglomeration, sondern ihr liegt ein Erkenntnisgewinn zugrunde, aus dem sich eine Anweisung zum technischen Handeln ableitet.

Wenn das Priodokument offenbart, AB machts, ggf. mit C und/oder D und/oder E und/oder F, und ich hinterher sage, AB machts, wenn ich C weglasse, liegt Letzterem eine Erkenntnis zugrunde, die sich Ersterem unter keinen Umständen entnehmen lässt. Also: andere Erfindung, keine Prio, auf nicht für Varianten in der Prioanmeldung, bei denen C nicht vorkommt.

Ich weiß aber, dass es unterschiedliche Philosphien zur Frage des Erfindungsbegriffs gibt. Das wird sich hier nicht lösen lassen.
Mal ganz unabhängig von "unterschiedlichen Philosophien": Du kannst nicht beides haben.

Wenn du ernsthaft der Ansicht bist, dass das Priodokument grundsätzlich eine andere Erfindung ist, dann kann auch das ABDEF aus der Prio nicht neuheitsschädlich für EP1 sein. Oder das ABDEF der EP2 kann keine Priorität in der ABDEF der Prio genießen. Weil es eben eine "andere Erfindung" ist. Es kann nicht für die Zwecke der Prio eine "andere Erfindung" sein, für die Zwecke der Neuheit aber dieselbe.

Du kannst nicht einerseits sagen, eine "Erfindung" bestehe nicht nur aus ihren Merkmalen, sondern der Idee dahinter, und andererseits einem Anspruch rein auf Grund von Merkmalen die Neuheit absprechen, obwohl die "Idee" nicht offenbart wurde.

Welche "Philosophie" das EPA vertritt, sollte bekannt sein. "Dieselbe Erfindung" liegt vor, wenn die Merkmale übereinstimmen. Mit Ideen brauchst du denen nicht kommen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Oben