Kanzleiwechsel erschwert

S

Schlaumeier

Guest
@sichfragender

Natürlich bezieht sich dieselbe Rechtssache nur auf den konkreten Fall. Nur dann hat auch der Mandant ein schutzwürdiges Interesse, daß der Anwalt, den er mit Hintergrundinformationen zu einem bestimmten Streitfall versorgt hat, nicht plötzlich für die Gegenseite arbeitet und dann dort die Hintergrundinformationen verwenden kann.

Daher ist der Passus für kleine bis mittlere Kanzleien kaum ein Problem. Etwas anders liegt der Fall bei den Großkanzleien mit Dutzenden von Anwälten. Jeder Streitfall (Einspruch, Nichtigkeitsklage, Verletzungsklage), der von einem der Anwälte betreut hat, hat auf der Gegenseite ein anderes Anwaltsbüro. Wechselt ein Anwalt von der Großkanzlei in das andere Anwaltsbüro, muß in der Regel das andere Anwaltsbüro diesen einen Streitfall (nicht etwa den ganzen Mandanten) abgeben. Natürlich könnte der Mandant dies nicht gut finden und sich dann auch insgesamt bei den Wettbewerbern beraten lassen.
 
S

sichfragender

Guest
@schlaumeier

So sehe ich das auch. Und bei der Auslegung kann ich beim besten Willen kein verfassungsrechtliches Problem erkennen. Und auch das "Infizieren" in der Breite, wie es hier diskutiert wurde, existiert bei dieser Auslegung gerade nicht.
 
B

Breiteninfezierer

Guest
sichfragender schrieb:
Und auch das "Infizieren" in der Breite, wie es hier diskutiert wurde, existiert bei dieser Auslegung gerade nicht.
Zur "Breiteninfektion" (falls wir das gleiche meinen):
Wie oben bereits gesagt, der Wechsler "infiziert" die aufnehmende Kanzlei auch mit Akten, mit denen er nicht selbst befasst war.

Wiederholung des o.g. Zitats aus der Begründung, a.a.O.:
"Abs. 3 regelt durch Verweis auf Absatz 1 und Absatz 2 den Fall des Wechsels eines Berufsträgers in eine andere Berufsausübungsgesellschaft, kurz Kanzleiwechsel genannt. Berät oder vertritt die abgebende Kanzlei den Gegner eines Mandanten der aufnehmenden Kanzlei, so "infiziert" der Kanzleiwechsler die aufnehmende Kanzlei mit der Folge eines Tätigkeitsverbots, so dass die aufnehmende Kanzlei ihr Mandat grundsätzlich zu beenden hat.
...
Vorstehendes gilt sowohl für den Kanzleiwechsler, der in dem die Interessenkollision auslösenden Mandat in der abgebenden Kanzlei selbst beraten oder vertreten hat, als auch für den nach Absatz 2 Satz 1 bloß mitverpflichteten Kanzleiwechsler, der das Mandat in der abgebenden Kanzlei nicht bearbeitet hat."
 
S

sichfragender

Guest
@breiteninfEzierer:

Bitte den gesamten Thread lesen, dann wird auch klar was gemeint ist.

M. E. ist es auch wenig hiflreich immer wieder einen Paragraphen zu zitieren, ohne sich Gedanken darüber zu machen wie die einzelnen Tatbestandsmerkmale aufzufassen bzw. auszulegen sind. Sollte man eigentlich schon in Hagen gelernt haben.

Es ist natürlich unstreitig, dass auch Mandate eines anderen Sozius oder sonstwie verbundenen PAs kritisch hinsichtlich der Infektion sein können. Das macht ja auch Sinn.

Nur - wie schon so oft hier von mir geschrieben - kann man die Dimension (Breite) der Infektion nur dann einschätzen, wenn man weiß wann

ein widerstreitendes Interesse in derselben Rechtssache

Vorliegt.

Aber dazu gab es bisher keine "schlauen" Aussagen - auch nicht von Schlaumeier. Denn der "konkrete Fall" ist wenig erhellend:

Bsp.: PA hat für A eine Neuanmeldung geschrieben -> Kanzleiwechsel -> PA macht Einspruch/Nichtigkeitsklage für B gegen die ehemalige Neuanmeldung - jetzt Patent - des A :
ist das dieselbe Rechtssache? Ist es immer noch dieselbe Rechtssache, wenn PA direkt nach dem Fertigsstellen der Anmeldung (d.h. lange bevor diese zum Patent wurde!) die Kanzlei gewechselt hat?
 
M

Meier

Guest
sichfragender schrieb:
Bsp.: PA hat für A eine Neuanmeldung geschrieben -> Kanzleiwechsel -> PA macht Einspruch/Nichtigkeitsklage für B gegen die ehemalige Neuanmeldung - jetzt Patent - des A :
ist das dieselbe Rechtssache? Ist es immer noch dieselbe Rechtssache, wenn PA direkt nach dem Fertigsstellen der Anmeldung (d.h. lange bevor diese zum Patent wurde!) die Kanzlei gewechselt hat?
Das ist ja wohl nicht ernst gemeint. Noch eindeutiger geht es ja wohl kaum. Selbstverständlich handelt es sich da um dieselbe Rechtssache - ist doch der gleiche Lebenssachverhalt:

In beiden Verfahren geht es um die Patentfähigkeit, insbs. Neuheit und erfinderische Tätigkeit, die sich PA wohl doppelt überlegt haben dürfte, nämlich einmal bei der Ausarbeitung und ein zweites Mal beim Angriff auf das selbe Patent.

Es mag sicher Grenzfälle geben. Dieses Beispiel gehört ganz sicher nicht dazu.
 
P

ppa

Guest
Meier schrieb:
sichfragender schrieb:
Bsp.: PA hat für A eine Neuanmeldung geschrieben -> Kanzleiwechsel -> PA macht Einspruch/Nichtigkeitsklage für B gegen die ehemalige Neuanmeldung - jetzt Patent - des A :
ist das dieselbe Rechtssache? Ist es immer noch dieselbe Rechtssache, wenn PA direkt nach dem Fertigsstellen der Anmeldung (d.h. lange bevor diese zum Patent wurde!) die Kanzlei gewechselt hat?
Das ist ja wohl nicht ernst gemeint. Noch eindeutiger geht es ja wohl kaum. Selbstverständlich handelt es sich da um dieselbe Rechtssache - ist doch der gleiche Lebenssachverhalt:

In beiden Verfahren geht es um die Patentfähigkeit, insbs. Neuheit und erfinderische Tätigkeit, die sich PA wohl doppelt überlegt haben dürfte, nämlich einmal bei der Ausarbeitung und ein zweites Mal beim Angriff auf das selbe Patent.

Es mag sicher Grenzfälle geben. Dieses Beispiel gehört ganz sicher nicht dazu.
Mensch Meier, da hast Du natürlich Recht.

Ein Einspruch gegen ein Patent ist sicher dieselbe Rechtssache im widerstreitenden Interesse; aber dass die neue Kanzlei einen Einspruch gegen ein Patent der alten Kanzlei einlegen soll, kommt doch nur selten vor. Ggf muss der Auftrag für den Einspruch halt abgelehnt werden, was zwar ärgerlich, aber eigentlich nicht der Weltuntergang ist. Kollisionen gab es schon immer, insb. bei Mandanten auf angrenzenden Gebieten oder Zulieferern und Herstellern.


Die Frage ist, was sonst noch

" in derselben Rechtssache im widerstreitenden Interesse bereits beraten oder vertreten hat oder mit dieser Rechtssache in sonstiger Weise ... befasst war" bedeutet.

Eine einfache Recherche in Schutzrechten eines Mandanten der früheren Kanzlei kann dazu kaum gehören; wo soll da bereits das widerstreitende Interesse liegen?

Und die hier genannte "Bewertung der Schutzrechte der alten Kanzlei" kommt mir ein bisschen weit hergeholt vor;
wir recherchieren zwar manchmal (oder lassen recherchieren), aber was soll die "Bewertung" sein? da muss schon eine mögliche Kollision vorliegen, damit der Schutzumfang bewertet wird.

Ich hatte früher in der Patentabteilung der KfZ-Industrie gearbeitet; wenn derartige PAss-Tätigkeiten mitzählen sollten ("in sonstiger Weise vorher befasst"), dürfte ich demnach später in kaum einer Kanzlei mehr arbeiten, da praktisch alle Kanzleien KfZ-Unternehmen oder KfZ-Zulieferer betreuen oder vertreten.

Im übrigen wird nichts so heiß gegessen wie es ...
 
G

GAST_DELETE

Guest
Mein Vorredner sprichts aus, im Grunde soll besagter §4 der BOPA lediglich eine rechtliche Grauzone ausfüllen, hat aber in der Praxis keinerlei Bedeutung (außer in bestimmten Threads im Kandidatentreff oder für den mündlichen Teil der Patentanwaltsprüfung).

Sollte es im richtigen Leben wirklich zu einer Situation kommen, die auch nur in den Randbereich des §4 hineinreichen würden, dann sind auf beiden Seiten immer noch vernünfige Leute, die das unter sich einvernehmlich regeln.

In diesem Sinne, es darf weiter rumunkelt und spekuliert werden.
 
@

@Gast

Guest
Gast schrieb:
Mein Vorredner sprichts aus, im Grunde soll besagter §4 der BOPA lediglich eine rechtliche Grauzone ausfüllen, hat aber in der Praxis keinerlei Bedeutung ....

Sollte es im richtigen Leben wirklich zu einer Situation kommen, die auch nur in den Randbereich des §4 hineinreichen würden, dann sind auf beiden Seiten immer noch vernünfige Leute, die das unter sich einvernehmlich regeln.
Diese Situationen sind doch bei jedem Kanzleiwechsel vorprogrammiert. Ich habe in unseren Akten wie gegenerische Kanzleinamen gelesen und kenne nur einen Bruchteil der Akten.

Wenn Sie aber über einschlägige Erfahrungen verfügen, würde mich das interessieren.

Trotzdem frage ich mich, wozu man eine offenbar verfassungswidrige Neufassung beschließen möchte, wenn man die Vorschrift ohnehin nicht brauchen sollte - wie Sie meinen.

Mich beängstigt, dass bei einem Kanzleiwechsel mir die potentiell neue Kanzlei eine Liste der von meiner alten Kanzlei vertretenen Akten abverlangen wird bzw. muss (wenn sie ihre eigenen Mandanten und sich selbst vor Schadensersatzforderungen schützen möchte). Eine derartige Forderung muss man, meine ich, ablehnen wegen Vertraulichkeitspflichten.

Wenn dann aber zweiseitige Verfahren zwischen diesen beiden Kanzleien geführt werden, muss ja meine neue Kanzlei niederlegen. Wer zahlt dann am Ende den Schaden, insbesondere wenn ich trotz Aufforderung der neuen Kanzlei nicht über mögliche konfligierende Mandate aufgeklärt habe?

PS: Irgendwie werde ich den Eindruck nicht los, dass sich hier im Forum immer mehr Anwälte statt Kandidaten herumtreiben, die Kanzleiinhaber-Interessen vertreten. Ich kann mir nämlich einfach nicht vorstellen, dass ansonsten Kandidaten so blauäugig in ihre Zukunft sehen. Oder haben hier alle Kandidaten schon einen Partnerschaftsvertrag unterschrieben - und nur ich nicht?
 
M

Meier

Guest
ppa schrieb:
Ich hatte früher in der Patentabteilung der KfZ-Industrie gearbeitet; wenn derartige PAss-Tätigkeiten mitzählen sollten ("in sonstiger Weise vorher befasst"), dürfte ich demnach später in kaum einer Kanzlei mehr arbeiten, da praktisch alle Kanzleien KfZ-Unternehmen oder KfZ-Zulieferer betreuen oder vertreten.
Solange sich die neue Kanzlei darüber bewusst ist, ggf. einzelne Mandate gegen Ihren früheren Arbeitgeber niederzulegen, ist doch alles in Ordnung.

Für Sie als ehem. PAss in einer Patentabteilung ist das Problem ohnehin gering, da Sie ja sozusagen nur für einen Mandanten, nämlich Arbeitgeber, gearbeitet haben.

Anders aber wenn Sie als PAss oder PA oder in einer sonstigen Weise, z.B. Kandidat in einer Kanzlei gearbeitet haben. Nach der o.g. Infektionslehre gemäß Neufassung von § 4 BOPA fallen Sie und Ihre neuen Kollegen einer neuen Kanzlei unter das Tätigkeitsverbot. Da die alte Kanzlei je nach Größe hunderte Mandanten (z.B. 500) haben düfte, darf Ihre neue Kanzlei nicht gegen diese Mandanten arbeiten, sofern die entsprechenden Vorgänge von Ihrer alten Kanzlei betreut worden sind - ...von wem auch immer!

Das Problem ist somit um einen Faktor größer, der etwa der Anzahl der Mandanten entspricht (im o.g. Beispiel 500x größer).
 
S

Schlaumeier

Guest
Natürlich muß der wechselwillige Anwalt keine Mandantenliste des vorherigen Büros vorlegen. Wohl aber muß er den Namen des vorherigen Büros (oder der vorherigen Büros) mitteilen.
Hat er beispielsweise vorher bei Witwe & Bolte gearbeitet und wechselt nun zu Max & Moritz, so muß Max & Moritz alle Streitfälle abgeben, bei denen auf der Gegenseite Witwe & Bolte tätig ist.

So einfach ist das.
 
S

sichfragender

Guest
Toll, dass das alles so einfach ist - jetzt haben wir endlich Klarheit.

Natürlich bekommt man immer als Erfindungsmeldung gleich den relevanten Stand der Technik mitgeliefert, sodass man bei der Ausfertigung der Neuanmeldung gleich den ersten Bescheid des Patentamtes mit einarbeitet. Und natürlich wird bei jeder Ausarbeitung einer Neuanmeldung Neuheit und erfinderische Tätigkeit gegenüber dem noch zu recherechierenden Standes der Technik diskutiert und von dem PA genaustens analysiert(vor allem gleich gegenüber demjenigen SdT, der in einem Einspruch oder Nichtigkeitsverfahren relevant wird). Selbstverständlich bekommt man dies alles auch gleich als Geheiminformation vom Mandanten mitgeliefert.

Mal ehrlich, man kann doch nur in widerstreitendes Interesse geraten, wenn man Informationen bekommen hat (oder theoretische zu solchen Informationen Zugang hätte haben können), die jetzt in derselben Rechtssache für die Gegenseite (nach dem Kanzleiwechsel) verwertbar sind. Dies kann bei Ausarbeitung einer Neuanmeldung der Fall sein, muss aber nicht zwangsläufig.

Genauso selbstveständlich ist klar, in welchen Fällen auf der Gegenseite Witwe & Bolte tätig ist - und vor allem seit wann Witwe & Bolte auf der Gegenseite in den "Streitfällen" tätig ist. Deswegen sollte Max & Moritz in vorauseilendem Gehorsam sofort das Mandat niederlegen, sobald "irgendwo und sowieso" der Name Witwe & Bolte erwähnt wird.

Schön, dass die Welt so einfach ist - jetzt kann ich endlich wieder beruhigt schlafen.

P.S.: Wer Ironie gefunden hat, darf sie genauso wie gefundene Rechtschreibfehler behalten.
 
M

Müller

Guest
Schlaumeier schrieb:
Natürlich muß der wechselwillige Anwalt keine Mandantenliste des vorherigen Büros vorlegen. Wohl aber muß er den Namen des vorherigen Büros (oder der vorherigen Büros) mitteilen.
Hat er beispielsweise vorher bei Witwe & Bolte gearbeitet und wechselt nun zu Max & Moritz, so muß Max & Moritz alle Streitfälle abgeben, bei denen auf der Gegenseite Witwe & Bolte tätig ist.

So einfach ist das.
Genau. So sehe ich das auch.

Jedoch können weitere Fälle hinzutreten, nämlich solche die sich erst später bei Max & Moritz ergeben und bei denen auf der Gegenseite Witwe & Bolte tätig ist. Also z.B. Patenteinspruch (von Max & Moritz vertreten) gegen ein von Witwe & Bolte vertretenes Patent, das schon zu einer Zeit von W & B vertreten wurde, als der Kanzleiwechsler noch bei W & B war.
 
G

gast2000

Guest
Einige Kommentatoren scheinen in der DIskussion "Mandant" und "Mandat" gleichzusetzen. Mein Verständnis war bisher, dass man von einem Mandanten auch mehrere Mandate haben kann, die dann einzeln auf ihre Konfliktträchtigkeit zu untersuchen wären...
 
I

Interessierter

Guest
Junganwalt schrieb:
Am 14.11.06 soll während der nächsten Kammerversammlung § 4 "Widerstreitende Interessen, Versagung der Berufstätigkeit" der Berufsordnung der Patentanwälte (BOPA) geändert werden.
Ist die Änderung durchgekommen?
 
0

0815

Guest
Nach Ende meiner Ausbildung plane ich nun einen Kanzleiwechsel, der natürlich in meiner jetztigen Kanzlei noch nicht bekannt ist. Nun wurde ich jedoch von der neuen Kanzlei um Mitteilung gebeten, ob und ggf. welche Kollisionsfälle bestehen oder zu erwarten sind.

Ich habe zwar eine Liste der hier vertetenen Akten. Jedoch bin ich mir nicht sicher, ob ich sie übergeben soll.

Ich habe daher zunächst meine neue Kanzlei um eine Aktenliste gebeten und vorgeschlagen, dass ich etwaige Problemakten markieren werde. Dies soll nun kurzfristig geschehen. Ist das eigentlich zulässig? Wen kann man fragen? Gibt es berufrechtlich spezialisierte Rechtsanwälte? Oder die Patentanwaltskammer? Ich befürchte nur, dass wenn ich bei der Kammer anfrage, dass dann meine jetzige Kanzlei davon erfährt. Deswegen habe ich recht wenig Lust dazu.

Gibt es hier im Forum erste Erfahrungen zu diesem offenbar neuerem Thema?
 
Oben