Allg. Kandidatenalter

gast2014

Schreiber
Liebe Leute,

ich habe eine Frage zu dem Thema Alter. Ich bin eine Ingenieurin Maschinenbau und möchte gern ein Patentanwalt werden. Diese Jahr bin ich 40 Jahre alt geworden. Spielt mein Alter dabei eine Rolle? Ist das bereits zu spät damit anzufangen? Ich weiss, die Ausbildung dauert nun mal 3 Jahre. Für mich ist es aber kein Problem, aber für die Kanzlei? Nach einigen Telefonaten habe ich so einen Eindruck bekommen. Bin etwas verzweifelt. Gibt es hier welche, die mit dem Thema konfrontiert wurden? Freue mich auf jegliche Info.

Mit freundlichen Grüßen
 

silvio_h

GOLD - Mitglied
Hallo, ich bin seit einem knappen Jahr in der Ausbildung und schildere einfach mal mein Umfeld an Kollegen, die ich in Hagen getroffen habe:

Etwa ein Drittel bis die Hälfte ist zu Beginn - wie ich auch - noch keine 30, da viele nach dem Studium oder der Promotion beginnen.

Ein weiteres Drittel hat schon vorher gearbeitet - als Ingenieur in der Entwicklung, als Patentingenieur, teils sind auch schon einige EPAs dabei - und ist zwischen 30 und 40.

Dann bleiben noch ca. 5-10%, die bereits über 40 sind und entweder nach sehr langer Zeit als Patentingenieur nun auch auch Patentanwalt werden wollen, oder aber die sich nach entsprechend längerer erster Karriere entscheiden, etwas anderes zu tun, nämlich PA zu werden. Das waren in meinem Durchgang in Hagen 1 oder 2 Fälle. So klingt das auch bei dir.

Also siehst du, dass es durchaus Kanzleien gibt, die auch schon sehr berufserfahrene Kandidaten für die Ausbildung zum Patentanwalt einstellen. Es kann natürlich gewisse Berührungsängste bei manchen Kanzleien geben, von wegen dortiger Vorstellungen, dass jemand mit so langer Berufserfahrung evtl. auch ein anderes Gehalt will als jemand, der von der Uni kommt. Da kann man bei mehreren guten Bewerbern evtl. mal durch das Raster fallen, ohne zu einem Gespräch gekommen zu sein.

Such doch einfach mal auf http://www.kandidatentreff.com/index.php?option=com_sobi2&catid=4&Itemid=54&lang=de nach Angeboten, die fachlich und lokal zu dir passen und bewirb dich. Wenn du gleich im Anschreiben deine Motivation gut darlegst und zeigst, dass du auch mit den üblichen Einstiegsgehältern klar kommst, sollte das ja nicht zwingend ein Ausschlussgrund sein.
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Ich stimme Silvio zu. Eine Möglichkeit für Dich könnte eine Ausbildung in einer Industriepatentabteilung sein, vorzugsweise bei Deinem jetzigen Arbeitgeber oder zumindest in der gleichen Branche. Dort kannst Du Deine technische Erfahrung optimal einbringen, so dass das Alter weniger problematisch ist.

Freilich ist der Weg in der Industrie etwas anders als in der Kanzlei, z.B. erwirbt man dort in der Regel zunächst die Zulassung als Europäischer Patentanwalt. Die Frage ist, ob Du unbedingt freiberufliche Patentanwältin werden willst oder ob Du auch eine Tätigkeit in einer Industriepatentabteilung in Betracht ziehst.
 

Gonzo

*** KT-HERO ***
Hallo gast2014,

es gibt bei Kanzleien meiner Erfahrung nach nicht viele, die einen Kandidaten / eine Kandidatin Deines Alters einstellen und ausbilden wollen. Mag es geben, viele sind es aber vermutlich nicht.
Sorry dass ich Dir da nicht so viel Mut mache. Probieren kannst Du es natürlich aber.

Du solltest dazu aber vielleicht auch wissen, dass unterschiedliche Kanzleien auch ganz unterschiedliche "Karrierewege" anbieten. Dabei ist es häufig so, dass vom Nachwuchs erwartet wird, sich anzustrengen, um später Partner zu werden. Die Altvorderen wollen dann eben diesem Nachwuchs ihre Anteile am Unternehmen verkaufen (müssen sie auch, der Verkauf der eigenen Anteile spielt bei der eigenen Finanzplanung eine nicht unerhebliche Rolle).

Wenn Du dann aber erst "spät" einsteigst, dann wird es immer unwahrscheinlicher, dass Du ein Partner werden kannst.

Das bedeutet für die Kanzlei, dass sie anders mit Dir planen muss und für Dich, dass Du Dir klar machen musst, wahrscheinlich nicht Partner werden zu können.
Du wirst jetzt vielleicht reflexartig meinen, dass Du das sowieso nicht willst. Erfahrungsgemäss ist es aber häufig so, dass dieser Reflex im Laufe der Zeit abnimmt und der Nachwuchs halt eben doch Anteile am Unternehmen halten will. Das könnte dann dazu führen, dass Du später einmal frustriert sein würdest.

Überlege es Dir also gut.

Grüsse,

G

PS warum möchtest Du eigentlich PA werden?
 

silvio_h

GOLD - Mitglied
Was Gonzo anspricht, ist natürlich für große Kanzleien ebenfalls noch ein wesentlicher Aspekt.

Da ich in einer kleinen Kanzlei bin (ein PA, eine RAin), sind mir diese Aspekte nicht so vordergründig vertraut.

Daher die weitere Einschränkung: von den Leuten, über die ich sprach, welche bereits eine längere Karriere außerhalb des Patentwesens hinter sich haben (Mitte 30 bis Mitte 40), ist keiner in einer Groß-Kanzlei, sondern diejenigen sind ebenfalls in überschaubaren Kanzleien mit maximal 4 Anwälten zur Ausbildung.

PS: Ich bin ebenfalls neugierig bezüglich der Motivation ;) Vielleicht können dir ja hier noch Illusionen über den Berufsalltag eines PAs genommen werden :)
 

Karl

*** KT-HERO ***
Ich habe auch oft mitbekommen, dass es massive Vorbehalte gegenüber der Einstellung von nicht IP-erfahrenen Mitarbeitern fortgeschrittenen Alters gibt. Der Punkt zu hohe Gehaltsvorstellung spielte bei den Bedenken nichteinmal die Hauptrolle - dieser Punkt ließe sich auch in Verhandlungen und eventuell einem der Bewerbung vorangehenden Telefonat klären. Auch der Punkt "Partnerschaft" war nicht das Hauptproblem (Partner werden wollen idR genug... schwieriger ist es da schon gute angestellte Anwälte zu finden, die brav angestellt bleiben wollen. Grade in Großkanzleien wird eh nur jeder x. Partner).

Hauptprobleme waren:

1) Stressresistenz

Grade beim in die IP-Branche ist eine hohe Stressresistenz absolut notwendig. Ich war in einer sehr sehr freundlichen Kanzlei, die wirklich gut mit ihren Kandidaten umgeht. Trotzdem war der Zeitberich zwischen 6 Monaten Anstellungsdauer (Ende Welpenschutz, der Schreibtisch füllt sich) bis 2 Jahren Anstellungsdauer (deutliche Fortschritte in sachen Zeitmanagement und deutlich zunehmende Bearbeitungsgeschwindigkeit und vor allem bessere Fähigkeiten darin einzuschätzen bei welchen Fristen sich etwas machen lässt, und wo es wirklich darauf ankommt) massiver Stress - und als angestellter PI hatte ich nichtmal das Hagen-Studium. Dieses kommt bei Kandidaten am Feierabend noch oben drauf. Die Quote der Leute, die in diesem Zeitbereich stressbedingte Ausfallerscheinungen zeigen ist alles andere als gering.

Stressbedingte gesundheitliche Probleme treten bei älteren Leuten deutlich leichter auf, als bei der Altersgruppe U30. Ich selbst habe erlebt, wie ein Ü40-IP-Anfänger nach mehrwöchigem Krankenhausaufenthalt auf Grund einer vermutlich stressbedingten Erkrankung die IP-Branche wieder verlassen hat. Und auch der war in einer der freundlicheren Kanzleien. Wie Berufseinsteiger in Durchschnittskanzleien oder gar in richtigen Sauläden verschlissen werden kann und will ich garnicht beurteilen.

2) Mangelnde Formbarkeit

Im Alter Ü40 werden komplette Richtungswechsel in der Karriere grundsätzlich mit einem gewissen Misstrauen betrachtet, egal ob es nun in die IP-Welt oder sonst wo hin geht. Kann sich derjenige an eine komplett neue Arbeitsweise gewöhnen, die wenig oder nichts mit seiner bisherigen Arbeit zu tun hat? Kommt derjenige mit der komplett anderen Denkweise, die für den Beruf nötig ist, zurecht? Patentanwälte denken schon sehr anders als Entwicklungsingenieure...

3) Mangelnde Kritikfähigkeit

Ü40er sind idR schon einen gewissen Respekt von der Umgebung gewohnt. Die Rot-Quote in der Anfangszeit als Kandidat ist ca 50%, d.h. die Korrekturen des Anwalts sind genauso lang wie der ursprüngliche Text. Im Laufe der Kandidatenausbildung nimmt der Rotanteil zwar ab, aber man kommt sich schon recht lange vor wie ein Schuljunge...

Man kriegt Tag ein Tag aus gesagt, was man alles falsch macht, und zwar von wirklich JEDEM Mitarbeiter der Kanzlei. Die Sachbearbeiter biegen einen bei, bei welchem Mandanten das Schieben von Fristen ein No-Go ist, die Schreibkräfte informieren einen darüber, ob man schneller, langsamer, deutlicher, mit mehr Absätzen, mit mitdiktierten Kommata diktieren soll, die Anwälte kritisieren die Sprachlichen formulierungen, die Ansprüche, die Argumente etc.

Wenn man in einer Kandidatenfreundlichen Kanzlei ist, wird man dies alles freundlich und höflich mitgeteilt bekommen (war bei mir so). Auch hat das nichts mit boshaftigkeit zu tun, sondern man muss das einfach alles noch lernen. Die Kritik hilft auch wirklich. Trotzdem glaube ich nicht, dass ich mich mit 40 nochmal so sehr wie ein Schuljunge fühlen möchte - und ich bin diesbezüglich wirklich eher strapazierfähig.

Ich vermute, die Vorbehalte sind in einer Patentabteilung der Industrie weniger Stark ausgeprägt.
 

Gonzo

*** KT-HERO ***
Stressbedingte gesundheitliche Probleme treten bei älteren Leuten deutlich leichter auf, als bei der Altersgruppe U30.

Also ich muss doch sehr bitten! Ich bin auch deutlich Ü40 und stressresistent... :)

2) Mangelnde Formbarkeit


3) Mangelnde Kritikfähigkeit

Das stimmt natürlich schon irgendwie. Allerdings lässt sich das ja vielleicht in einem Gespräch klären. Ausserdem geht die vielleicht angehende Kandidatin ja selber ein grosses Risiko ein, wenn sie den Karrierewechsel so dringend anstrebt (daher bin ich ja auch so neugierig auf die Beweggründe). Und wenn man sich wirklich dazu durchringt, eine - ich vermute mal - vernünftige Ingenieursstelle aufzugeben, um nochmals 4-5 Jahre zu lernen (dt. PA und EPA), dann sollte man meinen, dass sie das mit 2) und 3) schon hin bekommt.
Und schlussendlich muss man auch mal sagen, dass nicht nur PAs stressige Arbeit machen, sondern dass es so etwas auch bei "normalen" Ingenieuren gibt. Von daher sollte jemand, der sich 10+ Jahre bereits im Beruf befindet (ich vermute wieder), das auch aushalten können.

Aber das kann man so, ohne die Dame zu kennen, nicht wirklich beurteilen.

Gruss,

G
 

Karl

*** KT-HERO ***
Ich glaube auch, dass ein Wechsel bei guten Gründen sinn machen kann. Aber grade Punkt 1) wird viele Kanzleien abschrecken. Natürlich, viele sind trotz des Alters Stressresistent, und ebenso eingeräumt, auch viele Ingenieurjobs sind stressig.

Trotzdem muss ich sagen, dass gerade die Kandidatenzeit (bzw. die ersten 1-2 Jahre als PI) besonders stressig ist, da man halt so viel dazulernen muss (und mit Rechtsfragen vorher meist noch nichts zu tun hatte). Mittlerweile schaffe ich sicherlich deutlich mehr weg als nach 1-2 Jahren, bin aber trotzdem deutlich entspannter. Die gleiche Stressbelastung hat man sicherlich auch, wenn man ein duales Studium zum Ingenieur macht. Ich halte also das Patentwesen nicht zwingend für stressiger als Ingenieursjobs - beides sind sicherlich nicht die entspanntesten Tätigkeitsfelder - aber komplette berufliche Neuorientierungen im fortgeschrittenen Alter und in allgemein stressigen Tätigkeitsfelder sind nunmal potentiell mit zu hohen Stressbelastungen verbunden.

Das bedeutet nicht, dass ich jemanden automatisch von einem solchen Wechsel abraten würde. Aber Kanzleien könnten diesen Punkt als (deutlichen) Risikofaktor bewerten.
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Um mal etwas ermutigendes beizutragen: Ich kenne durchaus Personen, sowohl in der Industrie als auch in der Kanzlei, die auch mit 45-50 noch die Ausbildung zum Patentanwalt begonnen haben und dabei durchaus erfolgreich waren/sind. Erforderlich ist aber jedenfalls eine gewisse Frustrationstoleranz und die Fähigkeit, seine Rolle als "Lehrling" zu akzeptieren (und zwar in einer Kanzlei mehr als in einem Unternehmen). Dann muss man "nur" noch den potentiellen Ausbilder davon überzeugen und ihm einen gewissen Mehrwert gegenüber einem Frischling von der Uni/nach der Promotion bieten ...
 

Fabio Castello

SILBER - Mitglied
Hallo,


für unsere Kanzlei wäre das leider schon zu alt. Wir hatten einen in der Ausbildung mit 40+, der wurde dann nach der Ausbildung aber nicht mehr übernommen, bekam also keine Aufträge mehr von uns. Als möglicher Partner wäre er zudem schon viel zu alt gewesen.

VG
 
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