Ich habe auch oft mitbekommen, dass es massive Vorbehalte gegenüber der Einstellung von nicht IP-erfahrenen Mitarbeitern fortgeschrittenen Alters gibt. Der Punkt zu hohe Gehaltsvorstellung spielte bei den Bedenken nichteinmal die Hauptrolle - dieser Punkt ließe sich auch in Verhandlungen und eventuell einem der Bewerbung vorangehenden Telefonat klären. Auch der Punkt "Partnerschaft" war nicht das Hauptproblem (Partner werden wollen idR genug... schwieriger ist es da schon gute angestellte Anwälte zu finden, die brav angestellt bleiben wollen. Grade in Großkanzleien wird eh nur jeder x. Partner).
Hauptprobleme waren:
1) Stressresistenz
Grade beim in die IP-Branche ist eine hohe Stressresistenz absolut notwendig. Ich war in einer sehr sehr freundlichen Kanzlei, die wirklich gut mit ihren Kandidaten umgeht. Trotzdem war der Zeitberich zwischen 6 Monaten Anstellungsdauer (Ende Welpenschutz, der Schreibtisch füllt sich) bis 2 Jahren Anstellungsdauer (deutliche Fortschritte in sachen Zeitmanagement und deutlich zunehmende Bearbeitungsgeschwindigkeit und vor allem bessere Fähigkeiten darin einzuschätzen bei welchen Fristen sich etwas machen lässt, und wo es wirklich darauf ankommt) massiver Stress - und als angestellter PI hatte ich nichtmal das Hagen-Studium. Dieses kommt bei Kandidaten am Feierabend noch oben drauf. Die Quote der Leute, die in diesem Zeitbereich stressbedingte Ausfallerscheinungen zeigen ist alles andere als gering.
Stressbedingte gesundheitliche Probleme treten bei älteren Leuten deutlich leichter auf, als bei der Altersgruppe U30. Ich selbst habe erlebt, wie ein Ü40-IP-Anfänger nach mehrwöchigem Krankenhausaufenthalt auf Grund einer vermutlich stressbedingten Erkrankung die IP-Branche wieder verlassen hat. Und auch der war in einer der freundlicheren Kanzleien. Wie Berufseinsteiger in Durchschnittskanzleien oder gar in richtigen Sauläden verschlissen werden kann und will ich garnicht beurteilen.
2) Mangelnde Formbarkeit
Im Alter Ü40 werden komplette Richtungswechsel in der Karriere grundsätzlich mit einem gewissen Misstrauen betrachtet, egal ob es nun in die IP-Welt oder sonst wo hin geht. Kann sich derjenige an eine komplett neue Arbeitsweise gewöhnen, die wenig oder nichts mit seiner bisherigen Arbeit zu tun hat? Kommt derjenige mit der komplett anderen Denkweise, die für den Beruf nötig ist, zurecht? Patentanwälte denken schon sehr anders als Entwicklungsingenieure...
3) Mangelnde Kritikfähigkeit
Ü40er sind idR schon einen gewissen Respekt von der Umgebung gewohnt. Die Rot-Quote in der Anfangszeit als Kandidat ist ca 50%, d.h. die Korrekturen des Anwalts sind genauso lang wie der ursprüngliche Text. Im Laufe der Kandidatenausbildung nimmt der Rotanteil zwar ab, aber man kommt sich schon recht lange vor wie ein Schuljunge...
Man kriegt Tag ein Tag aus gesagt, was man alles falsch macht, und zwar von wirklich JEDEM Mitarbeiter der Kanzlei. Die Sachbearbeiter biegen einen bei, bei welchem Mandanten das Schieben von Fristen ein No-Go ist, die Schreibkräfte informieren einen darüber, ob man schneller, langsamer, deutlicher, mit mehr Absätzen, mit mitdiktierten Kommata diktieren soll, die Anwälte kritisieren die Sprachlichen formulierungen, die Ansprüche, die Argumente etc.
Wenn man in einer Kandidatenfreundlichen Kanzlei ist, wird man dies alles freundlich und höflich mitgeteilt bekommen (war bei mir so). Auch hat das nichts mit boshaftigkeit zu tun, sondern man muss das einfach alles noch lernen. Die Kritik hilft auch wirklich. Trotzdem glaube ich nicht, dass ich mich mit 40 nochmal so sehr wie ein Schuljunge fühlen möchte - und ich bin diesbezüglich wirklich eher strapazierfähig.
Ich vermute, die Vorbehalte sind in einer Patentabteilung der Industrie weniger Stark ausgeprägt.