"...insbesondere ... " im Patentanspruch.

Hans35

*** KT-HERO ***
Eigentlich war ich ja der Meinung, ein Anspruchsmerkmal, das mit "insbesondere" eingeleitet wird, ist ein fakultatives Merkmal. D.h. es beschränkt den Anspruchsgegenstand nicht, es könnte auch weggelassen werden.

Heute lese ich nun in der Entscheidung des BGH X ZR 84/17, dass das Merkmal

" ... wobei während der Produktherstellung dem Produkt eine Kommunikationsvorrichtung
nach einer oder mehreren der Ausführungsformen 1 bis 9 insbesondere räumlich zugeordnet wird ..."


durchaus den Anspruchsgegenstand beschränkt. Denn in den Absätzen 93/94 steht:

Zu Unrecht hat das Patentgericht hingegen angenommen, dass das Merkmalselement der räumlichen Zuordnung in Merkmal 1 infolge des Adverbs "insbesondere" fakultativ sei und den Anspruch nicht beschränke. Der Ausdruck "insbesondere" ist im Kontext des Anspruchs im Sinne von
"jedenfalls" oder "zumindest" zu verstehen. Gemeint ist, dass die Kommunikationsvorrichtung dem herzustellenden Produkt gegenständlich in räumlicher Nähe zugeordnet ist, und zwar in der Weise, dass es dessen eventuelle Bewegungen oder dessen Transport mitvollzieht.


Das ist genau das Gegenteil von dem, was üblicher Weise unter "insbesondere" verstanden wird, wie hier auch vom BPatG.

Also: Vorsicht mit "insbesondere", ein ganz heißes Eisen. In jedem Fall ist es besser, auf das Insbesondere-Merkmal einen Unteranspruch zu richten, auch wenn das den Mandanten ein paar Euros kostet.
 

pak

*** KT-HERO ***
Ich fand diese Formulierung im Anspruch schon immer grenzwertig. Das gehört dort nicht hin, allenfalls in die Beschreibung oder in einen Unteranspruch.


Ich kenne die Formulierung aber in der Regel auch nur in Verbindung mit einer speziellen Ausführungsform einer Vorrichtung im Sinne von "Vorrichtung zur Zubereitung von Heißgetränken, insbesondere Kaffeemaschine". In diesem FAll würde ich nicht von einer Einschränkung wie in dem von Dir genannten Fall ausgehen.


Aber wie bereits gesagt, "insbesondere" gehört nicht in den Anspruch, höchstens "vorzugsweise".


Gruß


pak
 

Fip

*** KT-HERO ***
Ich halte das nicht "genau das Gegenteil von dem, was üblicher Weise unter "insbesondere" verstanden wird", sondern schlicht für die Anwendung des Grundsatzes, dass die Bedeutung eines Merkmals bzw. die die eines Wortes innerhalb des Anspruchs immer vor dem Hintergrund seines technischen Sinngehalts anhand der Gesamtoffenbarung und seiner technischen Bedeutung für den Anspruch im Ganzen auszulegen ist. Und wenn man diesen Grundsatz beherzigt, dann kommt man eben zu dem richtigen Auslegungergebnis.


Deswegen ist das Wort "insbesondere" kein "heißes Eisen", sondern ein Wort wie jedes andere, über dessen Bedeutung innerhalb des Anspruchs man sich im Klaren sein sollte, wenn man den Anspruch formuliert. Es wird halt mal auf die eine Art und mal auf die andere Art verwendet.



Eine Kartoffelsuppe enthält als Zutat insbesondere Kartoffeln. Sie kann außerdem andere Zutaten, insbesondere Lauch enthalten.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
@Fip

Schön, dass du noch so ein Beispiel parat hast.

M.E. ist es wichtig und vielleicht nicht jedem klar, dass es (zumindest manchmal) nicht recht vorhersehbar ist, ob der Leser "insbesondere" fakultativ verstehen wird (wie das BPatG) oder nicht (wie der BGH). Mich hat diese Doppeldeutigkeit jedenfalls überrascht.

Oder ist nach deiner Meinung der Anspruch (und die Bedeutung von "insbesondere" auch sonst immer) eindeutig, nur hat das BPatG einen handwerklichen Fehler gemacht und nicht richtig gelesen?

Ich war jedenfalls (wie vermutlich auch das BPatG) bisher davon ausgegangen, dass jemand, der "insbesondere" in einem Patentanspruch benutzt, die fakultative Lesart gewollt hat, nämlich, um sich einen Unteranspruch zu sparen, und dass er nicht ein unabdingbares, besonders wichtiges Merkmal durch dieses Wort betonen will (was in einem Patentanspruch auch ziemlich überflüssig wäre). Das dürfte jetzt vorbei sein. Wäre die zitierte Entscheidung nicht vor den BGH gekommen, so wäre die zu Grunde liegende BPatG-Entscheidung vielleicht sogar in dem Sinne in die Ausbildung eingegangen, dass "insbesondere" im Patentanspruch regelmäßig fakultativ zu verstehen ist, auch wenn eine andere Lesart möglich ist. (Bier, enthaltend insbesondere Alkohol, dadurch gekennzeichnet ...).
 
Zuletzt bearbeitet:

Fip

*** KT-HERO ***
Meiner Meinung nach muss man sich schlicht von der Vorstellung verabschieden, dass die Bedeutung eines bestimmten Wortes (hier nur beispielhaft: "insbesondere") notwendiger Weise immer dieselbe ist.



Wenn man dem Anmelder pauschal unterstellt, er habe eine bestimmte Bedeutung eines Wortes offensichtlich "gewollt", weil eine allgemeine Übung anderer Anmelder darin besteht, dieses Wort so zu benutzen, dann begeht man einen Kardinalfehler. Die richtige Bedeutung eines Worts bzw. eines Merkmals in einem Patentanspruch ergibt sich durch Auslegungsarbeit (und nur hierdurch). Gerade das ist ja die Kunst. Es gibt so viele Beispiele, in denen Wörter bzw. Merkmale unterschiedlich interpretiert werden könnten. Die (richtige) Auslegung (Gesamtoffenbarung, technischer Sinngehalt des Einzelmerkmals, dessen Bedeutung vor dem Hintergrund der Merkmalsgesamtheit, etc.) ergibt dann aber eine bestimmte (richtige) Bedeutung. Auslegungsarbeit kann mühsam sein, ist aber unerlässlich und letztlich die einzig zulässige Methode.



Dass das BPatG hier einen "Fehler" gemacht hat, steht ja nun mal fest, weil der BGH nun mal die Deutungshoheit hat und festgestellt hat, dass die Auslegung durch das BPatG nicht korrekt war. Ob der Fehler als "handwerklich" zu bezeichnen ist, lasse ich mal dahingestellt. Ich sträube mich allerdings auch ein wenig gegen den Begriff "Fehler". Die Auslegung eines Patentanspruchs ist ja nicht mit dem Lösen einer mathematischen Gleichung gleichzusetzen, die nur eine einzige vertretbare Lösung hat. Richtig gelesen hat das BPatG bestimmt, aber der Senat hat vielleicht das, was er gelesen hat, also Aspekte, die für die eine oder für die andere Auslegung sprechen, nur anders gewichtet. Das BPatG ist schlicht zu einem Ergebnis gekommen, dem sich der BGH nicht anschließen wollte. Ein "handwerklicher Fehler" des BPatG läge meiner Meinung nach nur dann vor, wenn die Ansicht des BPatG nicht das Ergebnis eigener Auslegungsarbeit gewesen sein sollte, sondern beispielsweise das Ergebnis der eingangs genannten "Unterstellung". Ich habe die Entscheidung aber nicht im Detail gelesen.



Was ich allerdings schon glaube ist, dass in echten Grenzfällen, in denen man auch nach sorgfältigster und "fehlerfreier" Auslegung nicht sagen kann, welche Bedeutung man einem Begriff geben muss, das Argument zum Tragen kommen kann, dass dem Begriff in Patentansprüchen nach allgemeiner Übung üblicherweise eine bestimmte Bedeutung zukommt, und diese allgemeine Übung dann den letztlichen Ausschlag gibt. Im Zweifel (aber auch nur dann) fällt die Entscheidung mit Blick auf eine allgemeine Übung.
 

Silber

GOLD - Mitglied
Wo wir gerade hierzu beisammen sind, was ist von folgenden wundervollen Anspruchsformulierungen zu halten (verwürfelt for privacy):

  • Arnscpuh 5: XYZ ncah dem Orebibegfrf von Arnscpuh 1 oder ncah eienm der vorehgrehenedn Apnsrüche

  • Arnspcuh 10: XYZ ncah Apncrsuh 2 und ggf. ncah eeinm der Aspnrüche 3 bis 9
...insbesondere, wenn es in die schönen weltweiten Nachanmeldungen und Prüfungsverfahren geht
 
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