EPÜ In der Prioanmeldung vorhandene Bezugszeichen fehlen in der Nachanmeldung

pluto

Schreiber
Bei einer vom Inhalt her identischen Nachanmeldung (EP) wird aus irgendeinem Grund vergessen, einen Teil der in der Prioanmeldung (DE) angegebenen Bezugszeichen in den Zeichnungen einzufügen. In der Beschreibung und in den Ansprüchen sind noch alle Bezugsziffern enthalten.

M.E. kann dieser Fehler nach R 56 (3) innerhalb von zwei Monaten nach AT der Nachanmeldung durch Nachreichen der Zeichnungen unter Hinweis auf die Prio behoben werden.

1. Was ist aber, wenn die Frist verstreicht? Gibt es dann keine Möglichkeit mehr, die fehlenden Bezugsziffern aus der Prioanmeldung in die Nachanmeldung zu holen?

2. Hilft es, wenn die Figurenbeschreibung sehr präzise ist und einem Fachmann quasi klar ist, welche Bezugsziffer an welches Element der Zeichnung gehört? Könnte man so eine Hinzunahme von Bezugsziffern rechtfertigen?

Beispiel: "In Fig.1 ist Vorrichtung 1 zu sehen mit einem würfelförmigen Gehäuse 2 und einem darunter angeordnetem Standbein 3. Das Gehäuse weist eine Antenne 4 auf..." und Fig.1 besteht aus einem Viereck mit einem Strich darüber und einem trapezförmigen Sockel darunter.
 

Gerd

*** KT-HERO ***
Wenn der Fachmann die Informationen unmittelbar und eindeutig aus der Anmeldung wie eingereicht entnehmen kann, sehe ich da kein Problem.

Jede Änderung an den die Offenbarung betreffenden Teilen einer europäischen Patentanmeldung oder eines europäischen Patents (der Beschreibung, der Patentansprüche und der Zeichnungen) unterliegt dem in Art. 123 (2) EPÜ statuierten zwingenden Erweiterungsverbot und darf daher unabhängig vom Kontext der vorgenommenen Änderung nur im Rahmen dessen erfolgen, was der Fachmann der Gesamtheit dieser Unterlagen in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens – objektiv und bezogen auf den Anmeldetag – unmittelbar und eindeutig entnehmen kann (G 3/89, ABl. 1993,117; G 11/91, ABl. 1993, 125).


Falls das Viereck in Fig. 1 einigermaßen quadratisch ist, sollte das passen.
 

pak

*** KT-HERO ***
Wenn die Beschreibung ohnehin derart eindeutig ist, würde ich sowohl das Hinzufügen der Bezugszeichen in die Figuren als auch das Löschen der Bezugszeichen aus der Beschreibung als unproblematisch ansehen. Insofern sehe ich auf den ersten Blick gar kein Problem.


Gruß


pak
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Ich sehe keine Notwendigkeit, die Bezugszeichen in die Zeichnung einzufügen. Die Offenbarung kann ohnehin nicht nachgebessert werden, es entsteht allenfalls die Gefahr, dass da jemand eine unzulässige Erweiterung sieht, gegen die man sich wehren muss.

Falls durch die fehlenden Bezugszeichen in der Zeichnung irgend etwas unklar wird oder irgendeine wichtige technische Information nicht offenbart ist, dann kommt man eher zu bestandskräftigen Ansprüchen, wenn man sich nicht von den ergänzten Zeichnungen leiten lässt.

Die Vorteile des Nachbesserns sind ausschließlich ästhetischer Art.
 

PatFragen

*** KT-HERO ***
Hallo Hans35,
ich dachte immer bei einer Europäischen Anmeldung kann es zu "Erweiterungen" schon rein rechtlich erst nach der Patenterteilung kommen und geht das im Zusammenhang mit Bezugszeichen überhaupt ;-) ?
 

PatFragen

*** KT-HERO ***
Hallo Hans35,
echt, in deinem EPÜ steht im Art. 123(2) etwas von "Erweiterung"?. Also bei mir steht im Art. 123(2) EPÜ, sowas wie "... dass ihr Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht." Da steht nichts von "unzulässiger Erweiterung" ;-). Da kommt kein Wort mit dem Wortstamm "erweitern" drin vor ;-). Etwas von Erweiterung steht bei mir erst im Art.123(3) EPÜ, d.h. bei einem erteilten Patent ;-).
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
PatFragen, Du hast schon recht, dass Art. 123(2) EPÜ nicht explizit von "Erweiterung" spricht. Gleichwohl wird für diese Problematik - auch amtsseitig, und auch in offiziellen Schulungen - der Begriff der "unzulässigen Erweiterung" benutzt. Das ist auch sachgerecht, denn Art. 123(2) betrifft Erweiterungen des Inhalts (nicht des Schutzbereiches!) über das ursprünglich Offenbarte hinaus. Und das kann sowohl die Ansprüche als auch Beschreibung und Zeichnungen betreffen.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
@PatFtragen
Mir ist noch nicht begegnet, dass jemand, der auf 132 (2) Bezug nehmen will, von einem "unzulässigen Hinausgehen" spricht. Was wäre denn deine Wortwahl?
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
... und in der englischen Fassung heisst es ja bekanntlich "... subject-matter which extends beyond the content of the application as filed ...", wobei in den Absätzen (2) und (3) derselbe Begriff ("extend") benutzt wird. Deshalb spricht man zu Recht bei Art. 123(2) von "inadmissible extension", zu Deutsch "unzulässige Erweiterung".

Aber vielleicht wollte PatFragen hier auch nur ein paar Trollhaare spalten, und wir sind prompt darauf hereingefallen ...
 

PatFragen

*** KT-HERO ***
Hallo Hans35,
dann hast du offensichtlich noch keinen Schriftsatz von mir zu Gesicht bekommen ;-).
Aber wenn du es kürzer haben willst, dann nimm doch einfach auf das Verb des Hauptsatzes, bzw. die Überschrift Bezug. Also einfach bei Art.123(2) "unzulässige Änderungen" und bei Art.123 (3) "unzulässige Erweiterung". Das ist zumindest mit dem Wortlaut des EPÜ in Übereinstimmung und erscheint wesentlich logischer als, nur weil einem die korrekte Verwendung/Konstruktion mit "hinausgehen" für Art. 123(2) zu lang ist, auf den Begriff "erweitern" des Art.123(3) zurückzugreifen ;-).


@ Pat-Ente
Nein es geht mir nicht um Trollhaare spalten sondern um klare Ausdrucksweise :).
Wenn du deinen Schriftsatz auf englisch einreichst, "kannst" du natürlich gerne von "inadmissible extension" sprechen, aber die Begründung bei einem deutschen Schriftsatz, dass in der englischen Fassung "extend" steht und ich das übersetzt habe, wo die deutsche Version direkt nebendran steht, ist etwas unlogisch für mich ;-). Und dass so viele deutsche Patentanwälte im Zusammenhang vom Art.123(2) immer von "unzulässigen Erweiterungen" sprechen, dürfte wohl eher am § 38 PatG als an der englischen Fassung des EPÜ liegen ;-). Aber PatG und EPÜ sind nunmal doch zwei verschiedene Rechtstexte.

Und von was "man" spricht, davon habe ich keine Ahnung, weil ich "man" noch nie begegnet bin ;-). Und du wahrscheinlich auch noch nie, also ist deine Aussage nur von Hörensagen ;-). Oder etwas klarer ausgedrückt: dein Sample von "man" dürfte sich deutlich von meinem Sample von "man" unterscheiden und ich wüsste nicht, dass was dein Sample zum Allgemeingültigen machen sollte ;-). Und was "amtseitig" oder in "Schulungen" verwendet wird, definiert auch nicht wirklich das allgemeingültige "man" oder ist "richtig". Oder bist du etwa der Meinung, dass das, was amtsseitig in Bescheiden geschrieben wird, immer richtig ist ;-) ?
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Hallo PatFragen,

deine Symbole [ ;-) ] lassen eher darauf schließen, dass hier jemand vertrollt werden soll. Aber ich will dich doch mal ernst nehmen.

Es ist ja zu begüßen, wenn du dir Gedanken über sprachliche Ungenaugkeiten machst. Vielleicht sind die sogar für einen Aufsatz in den "Mittelungen" gut. Soche Überlegungen sind für Leute, die es mit Patenten zu tun haben, durchaus typisch, nur leider wird das schon mal übertrieben und kann bis zum Ehekrach führen, wenn gewisse Grenzen der Verständnisbereitschaft nicht beachtet werden.

Für den normalen Umgang miteinander muss aber im Vordergrund stehen, dass der Gesprächspartner weiß, was gemeint ist, egal, welche historisch gewachsene sprachliche Kinke man dabei mitmacht.

Zum konkreten Fall: Jeder (Deutschsprachige), der es mit Patenten zu tun hat, hat in seiner Ausbildung gelernt, dass mit "unzulässiger Erweiterung" der § 123 (2) EPÜ (bzw. § 38 PatG) gemeint ist, und mit einer "Schutzbereichserweiterung" (ohne "unzulässig", weil sie immer unzulässig ist) der § 123 (3) EPÜ (bzw. § 22 PatG). Ich denke, das wirst du kaum ändern, und wenn du im Zusammenhang von § 123 (3) EPÜ von "unzulässiger Erweiterung" sprichst, stiftest du nur Verwirrung und erntest im besten Fall Kopfschütteln. Falls du dieses Steckenpferd sogar in deinen Schriftsätzen mit dem EPA reitest, hast du wohl nur Glück gehabt, dass deine Mandanten noch keinen Schaden davon hatten.

PS
Wenn du Zeit und Lust hast, kannst du ja mal nach dem Sprachgebrauch des BGH in diesem Zusammenhang recherchieren; das Ergebnis würde mich schon interessieren.
 
Zuletzt bearbeitet:

PatFragen

*** KT-HERO ***
Hallo Hans35,
also meine Smileys mit „;“ bedeuten immer, dass man vielleicht genau über den Satz, den ich mit dem Smiley versehe bzw. worauf sich der Satz bezieht, nachdenken sollte. Das kann von Ironie, über einen nicht gleich verständlichen Witz/Komik, bis hin zum Hinweis auf widersprüchliche Aussagen bzw. Unlogik reichen. Ein Trollen (zumindest wenn du darunter grob etwas gemäß der „Definition“ verstehst, wie sie beispielweise bei Wikipedia gegeben wird) ist daran auf keinen Fall zu erkennen bzw. ableitbar und was ein „vertrollen“ ist, weiß ich nicht wirklich.

Ich wusste nicht, dass du das Forum hier als Familie ansiehst, sondern bin einfach davon ausgegangen, dass auch du das hier als Austausch zwischen Fachleuten ansiehst, die es gewohnt sich sachlich, klar, korrekt und vielleicht in Fachsprache aber nicht unbedingt im „Laborjargon“ auszutauschen ;-).

Wir hatten es glaube ich schonmal, dass ich nicht weiß wie lange du schon als Patentanwalt unterwegs bist (du dich aber wohl etwas dagegen gewehrt hast, aus deinem Datum der Registrierung hier diesen Zeitraum zu vermuten), aber ich habe eigentlich noch nie erlebt, dass eine exakte/klare Ausdrucksweise das Verständnis bei einem anderen Patentanwalt bzw. beim Amt/Gericht verschlechtert hat, d.h. ich habe den Eindruck mein Gegenüber versteht mich im Allgemeinen ganz gut. Etwas Anderes ist, ob es sinnvoll ist, andere als Selbstzweck zu „korrigieren“, wenn sie „Laborjargon“ verwenden ;-).

Ich verneige mich tief vor deiner Allwissenheit, im Bezug darauf, was jeder (deutschsprachige), der es mit Patenten zu tun hat, in der Ausbildung gelernt hat ;-). Gilt das auch für deutschsprachige, die nicht das PatG sondern nur das EPÜ lernen ;-)? Hast du dir schonmal die §§ 48 bzw. 102 des österreichischen Patentrechts angesehen. Es könnte sein, dass die dich erstmal umhauen, wenn du dir das österreichische Patentrecht noch nicht durchgelesen hast. Da fehlt nämlich augenscheinlich ein dir aus dem PatG und EPÜ bekannter Einspruchs/Nichtigkeitsgrund. Diese deine Aussage zeugt von einer gesunden Selbsteinschätzung bei dir, finde ich ;-). Aber selbst wenn jeder deutschsprachige das so gelernt hätte, würde es doch immer noch nicht heißen, dass er nicht die (für mich korrektere) Ausdrucksweise nach dem EPÜ verstehen würde, wenn es um einen europäischen Fall geht. Oder meinst du, die können alle nicht mehr den Gesetzestext lesen ;-)? Also wen sollte ich damit verwirren? Ein solcher „Unterschied“ in der Ausdruckweise, kann nach meinem Verständnis doch auch nur im Zusammenhang mit einem zweiseitigen Verfahren auftauchen, und wenn ich den Gegner mit der Formulierung nach dem EPÜ verwirre, ist es doch eher positiv als negativ, weil er aus dem Konzept gebracht wird ;-). Aber dann augenscheinlich auch noch davon auszugehen, dass eine korrekte Ausdrucksweise schlecht für den Mandanten sein sollte und im Höchstfall mit Glück nicht dazu führt, dass der Mandant einen Schaden erleidet, führt nur zur extremen Verwunderung bei mir. Willst du damit wirklich sagen, dass dir schon Fälle untergekommen sind, wo das Amt/Gericht eine Ausdrucksweise nach dem EPÜ „krumm genommen“ hat und deshalb gegen dich entschieden hat ;-)?

Ich glaube, wir können uns aber darauf einigen, dass ich den „Laborjargon“ der anderen „Fachleute“ meistens verstehe, mich diesem aber in Schriftsätzen grundsätzlich nicht selber bediene. Insbesondere ist meine Erfahrung eher derart, dass die Fachleute, die sich (in den meisten Fällen wohl unbewusst) eines „Laborjargons“ bedienen, oft auch an anderen Stellen ungenau/schlampig sind, was mir meine Arbeit im Allgemeinen eher erleichtert als erschwert, wenn es denn nicht solche Ausmaße wie in einem Schriftsatz letztens annimmt, in dem der gegnerische Anwalt wirklich einen Verstoß gegen §123(3)EPÜ gesehen hat, weil im Einspruch nur Teile eines abhängigen Anspruchs in den unabhängigen Anspruch aufgenommen wurden ;-). Die Erfahrung geht ein bisschen in die Richtung wie bei einem Juraprof. von mir, der in der Vorlesung immer wieder gesagt hat, dass er immer gleich wüsste, welch Geistes Kind im gegenübersteht, wenn er im Schriftsatz etwas von „Rechtssprechung“ anstatt von „Rechtsprechung“ lesen würde. (Bis ich mir dann doch mal den Spaß gemacht habe, ihm das in einer Mail sachlich auseinanderzusetzen und er sich daraufhin in der nächsten Vorlesung für die Mail bedankt hat und kräftig zurückgerudert ist, auch wenn er meinte er würde weiterhin "Rechtsprechung" verwenden :).)

Zu deinem PS noch. Wenn es dich interessiert, dann schlage ich vor, schau doch einfach nach :). Für mich ist die Rechtsprechung des BGH nicht unbedingt die entscheidende Instanz für die Auslegung des EPÜ. Da sind die Beschwerdekammern bzw. die Große Beschwerdekammer doch etwas wichtiger für mich :). Und auch da würde ich eigentlich jede Wette eingehen, dass die (aber auch der BGH) wohl noch nie einem Anwalt die nach dem Gesetz korrekte Ausdrucksweise, bzw. das Nicht-Verwenden von „Laborjargon“ krumm genommen haben ;-).
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Ich denke, damit ist zu diesem Thema wohl alles gesagt.
Höchstens das vielleicht noch:

Sie (nach einem netten Abend): Wie wär's, wenn du jetzt den Lichtschalter betätigst?
Er (statt es zu tun): Wir haben keine Lichtschalter, nur Schalter für elektrischen Strom.
 
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