GebrMG Gebrauchsmuster Anmeldestrategie

pat_carlsen

Schreiber
Hallo zusammen,

mich würde mal interessieren, was Ihr von folgender Anmeldestrategie haltet.

Zunächst wird ein deutsches Gebrauchsmuster angemeldet. Inhaltlich wird das Gebrauchsmuster ziemlich aufgebläht. Der Schriftsatz ist dann sehr umfangreich und umfasst beispielsweise 70 Ansprüche. Zusätzlich wird ein Antrag auf Aussetzung der Eintragung gestellt.

Ausgehend davon werden dann DE- oder EP-Patente nachangemeldet.

In welchen Fällen ist das sinnvoll und welche Nachteile können dabei entstehen?

Ich kannte bisher nur den Weg, mit einem Patent zu starten und dann ggf. ein Gebrauchsmuster abzuzweigen. Ich bin bei einer Strategieanalyse darauf gestoßen und habe mich gefragt, warum man so eine Anmeldestrategie wählt.

Danke schonmal für die Antworten.
 

der_markus

*** KT-HERO ***
Meiner Meinung nach spricht grundsätzlich nichts gegen eine GebrM-Erstanmeldung. Das kann bei technisch sehr einfachen Erfindungen ausreichend sein, oder wenn die Schutzfähigkeit der Erfindung nicht ganz eindeutig ist und man den Wettbewerb darüber bewusst im Unklaren lassen möchte. Ein Nachteil besteht im Recherchebericht ohne sachliche Stellungnahme des Amtes.

In dem von dir beschriebenen Fall dient die GebrM-Anmeldung meiner Auffassung nach nur der Sicherung einer Priorität. Soweit kein Problem. Allerdings halte ich es nicht für sinnvoll, 70 Ansprüche zu verfassen, da die GebrM-Stelle höchstwahrscheinlich ohnehin nur zu dem oder zu den Hauptanspruch/-sprüchen recherchiert und man dann alle Dokumente auch noch selber sichten darf. Man bestraft sich damit also nur selber. Wenn die Erfindung so komplex ist, dass sie 70 Ansprüche erfordert, hätte zumindest ich persönlich gerne noch die Stellungnahme zum Rechercheergebnis nach PatG.

Ein Nachteil einer GebrM-Anmeldung mit Aussetzung der Eintragung könnte darin bestehen, dass eine solche für eine jüngere (deutsche) Patentanmeldung kein nachveröffentlichter Stand der Technik i.S.v. § 3 II PatG ist und erst mit Eintragung zu vollwertigem Stand der Technik wird. Aus diesem Umstand könnten sich Schlupflöcher für Wettbewerber, die frühzeitig Wind von der Erfindung bekommen haben, ergeben.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
In der Tat, in der Zeit bis zum Tag der Eintragung ist die Gebrauchsmusteranmeldung kein Stand der Technik in Analogie zu § 3 (2) PatG und bietet daher keinen Schutz gegen eine jüngere konkurrierende Patentanmeldung.

Noch riskanter:
Meines Wissens gibt es im GbmG keine Aussetzung in Analogie zu § 49 (2) PatG. Jedenfalls ist mir eine solche Aussetzung noch nicht begegnet. Und die Eintragung des Gebrauchsmusters erfolgt gewöhnlich bereits, bevor das Prioritätsjahr abgelaufen ist. Wenn dann die Offenbarung in der Gebrauchsmusteranmeldung und in der (jeweiligen) Nachanmeldung nicht übereinstimmt, derart, dass die Priorität für den (in der Nachanmeldung) beanspruchten Gegenstand nicht hält, dann stellt das Gebrauchsmuster vorveröffentlichten Stand der Technik dar. Der ist zwar nicht neuheitsschädlich (denn sonst wäre die Priorität ja wirksam), aber die verbleibenden Unterschiede können recht marginal sein. Dann kann schon durch Kombination mit einem einfachen Fachbuch als zweiter Schrift leicht die erfinderische Tätigkeit in Frage gestellt sein.

Wenn ich mich recht erinnere, hat jemand in einem solchen Zusammenhang mal versucht, beim BGH eine Teilpriorität geltend zu machen, um sein Patent zu retten, ist aber gescheitert.

Solche Risiken würde ich mit der vorgeschlagenen "Sammel-Gebrauchsmusteranmeldung" nicht eingehen.
 

der_markus

*** KT-HERO ***
Meines Wissens gibt es im GbmG keine Aussetzung in Analogie zu § 49 (2) PatG. Jedenfalls ist mir eine solche Aussetzung noch nicht begegnet.

Das gibt es; auf Antrag (siehe GebrM-Anmeldeformular, Abschnitt 7 "Sonstige Anträge") kann die Eintragung (und Veröffentlichung) gem. § 8 I S3 GebrMG (nicht S2, wie es auf dem DPMA-Formular steht :D ) i.V.m. 49 II PatG um bis zu 15 Monate ausgesetzt werden.
Nur taugt das halt nur bedingt zur Geheimhaltung, da wegen Aussetzung der Eintragung nicht veröffentlichte GebrM nicht wie in § 3 II PatG als Stand der Technik "rückdatiert" werden. Im angenommenen Fall, dass ein GebrM-Anmelder, der die Aussetzung der Eintragung beantragt hat und im Glauben eine Priorität gesichert zu haben mit dem GebrM beim Wettbewerb hausieren geht, ein Wettbewerber kriegt das spitz und schiebt vor der Eintragung des GebrM eine identische eigene Patentanmeldung nach, ist die GebrM-Anmeldung kein Stand der Technik für die Patentanmeldung.

Eine Aussetzung der Eintragung taugt eigentlich nur, wenn man noch vor hat die GebrM-Anmeldeunterlagen zu ändern. Denn das ist nach der Eintragung nicht mehr möglich, ein Beschränkungsverfahren wie im PatG gibt es für ein GebrM nicht. Ein einmal eingetragenes GebrM kann nicht mehr geändert werden.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
...im Glauben eine Priorität gesichert zu haben mit dem GebrM beim Wettbewerb hausieren geht, ... ist die GebrM-Anmeldung kein Stand der Technik für die Patentanmeldung.
Das Gbm selbst wird kein Stand der Technik, aber eine Patent-Nachanmeldung, die die innerer Prio nach § 40 PatG beansprucht, bekommt den Zeitrang der Gbm-Anmeldung und ist damit Stand der Technik nach § 3 (2) S. 2 PatG, sogar, wenn das Gbm gar nicht eingetragen, sondern (z.B. mangels Zahlung der Anmeldegebühr) fallen gelassen wird. Da gibt es wohl keinen Unterschied zwischen Patent und Gbm.

Sinn macht m.E. eine Gbm-Anmeldung wohl nur, wenn man den Vorteil des Gbms mutzen will, dass es vorhersehbar schnell (und dafür ohne Prüfung und mit vollem Risiko) zu Rechten führt, die ein Patent erst nach der Erteilung bietet.
 

der_markus

*** KT-HERO ***
Stimme in beiden Punkten zu.

Der Stand-der-Technik-Makel einer GebrM-Anmeldung kann nur durch eine Patent-Nachanmeldung geheilt werden.

Gebrauchsmusteranmeldung sollte eigentlich nur erfolgen, wenn man die Vorteile nutzen möchte, sprich schneller Schutz durch Eintragung und nicht zu vergessen die Neuheitsschonfrist.
 

kronion

GOLD - Mitglied
Das Gbm ist natürlich auch erstmal billig, führt aber zu einem richtigen Schutzrecht.

Wenn sich der Mandant also seine Rechte sichern will, er aber die Kosten einer Patentanmeldung (oder mehrerer Patentanmeldungen) nicht tragen will oder kann, ist eine Erstanmeldung als Gbm eine Option. Im Unterschied zur Patentanmeldung ohne Gebührenzahlung (kann er natürlich parallel mit den gleichen Unterlagen machen) hat er dann auch schon ein Schutzrecht in der Hand.

Im Prioritätsjahr muss er so weniger Angst haben, dass ihm in Gesprächen mit potentiellen Geldgebern seine Idee geklaut wird, gleichzeitig hat er ein gewisses Drohpotential gegenüber Wettbewerbern.
 

SwissPatEng

SILBER - Mitglied
Das Gbm ist natürlich auch erstmal billig, führt aber zu einem richtigen Schutzrecht.

Wenn sich der Mandant also seine Rechte sichern will, er aber die Kosten einer Patentanmeldung (oder mehrerer Patentanmeldungen) nicht tragen will oder kann, ist eine Erstanmeldung als Gbm eine Option.

Das Kostenargument für das Gebrauchmuster geistert - für mich unerklärlich - seit Jahrzehnten durch die IP-Welt. Aktuelle Gebühren beim DPMA:
- Anmeldegebühr Patent (elektronisch): 40EUR
- Anmeldegebühr Gbm (elektronisch): 30EUR
Ergibt eine sagenhafte Differenz von 10EUR, was selbst bei einer extrem einfachen und günstigen Anmeldeschrift deutlich weniger als 0.5% der Gesamtkosten für Ausarbeitung und Einreichung (Anmeldepauschale+Amtsgebühren) ausmachen würde.

Es gibt durchaus Argumente für ein Gebrauchsmuster, die Kosten gehören definitiv nicht dazu.
 

der_markus

*** KT-HERO ***
Naja. Auch wenn ich persönlich das Kostenargument auch nicht als das schlagenste ansehe, sollte man nicht nur die Anmeldegebühren, sondern auch die weiteren Gebühren nicht außer Acht lassen.

Um für 10 Jahre Schutz zu erlangen müssen mindestens folgende Gebühren bezahlt werden:
Patent: Anmelde-, Prüfungsantrags-, und Aufrechterhaltungsgebühren für die Jahre 3-10. Gebührensumme: 1.810 Euro
GebrM: Anmelde- Aufrechterhaltungsgebühren für das 4.-6., 7+8. und 9.+10. Schutzjahr: 1.120 Euro.

Ob einen der Gebührenhub von 690 Euro, der auch noch über 10 Jahre gestreckt ist, juckt, muss jeder für sich entscheiden. Jedenfalls gewerbliche Anmelder dürfte das nicht interessieren. Es soll jedoch insbesondere Privatanmelder geben, die auf jeden Euro achten. ;)

Das ist natürlich nur eine reine Gebührenbetrachtung. Wenn man jetzt noch die Kosten für die ordnungsgemäße Ausarbeitung einer Anmeldung durch einen PA berücksichtigt, ist der Gebührenhub relativ zu den Gesamtkosten natürlich geringer. Wobei ein PA auch bei einem GebrM mit Sicherheit noch einen Rechercheantrag stellen würde, sodass der Gebührenhub nur noch 450 Euro beträgt.

Wie gesagt, für Privatanmelder mag das Gebührenargument ziehen, für gewerbliche Anmelder halte ich es für wenig relevant.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Naja. Auch wenn ich persönlich das Kostenargument auch nicht als das schlagenste ansehe, sollte man nicht nur die Anmeldegebühren, sondern auch die weiteren Gebühren nicht außer Acht lassen.

Um für 10 Jahre Schutz zu erlangen müssen mindestens folgende Gebühren bezahlt werden:
Patent: Anmelde-, Prüfungsantrags-, und Aufrechterhaltungsgebühren für die Jahre 3-10. Gebührensumme: 1.810 Euro
GebrM: Anmelde- Aufrechterhaltungsgebühren für das 4.-6., 7+8. und 9.+10. Schutzjahr: 1.120 Euro.

Ob einen der Gebührenhub von 690 Euro, der auch noch über 10 Jahre gestreckt ist, juckt, muss jeder für sich entscheiden. Jedenfalls gewerbliche Anmelder dürfte das nicht interessieren. Es soll jedoch insbesondere Privatanmelder geben, die auf jeden Euro achten. ;)

Das ist natürlich nur eine reine Gebührenbetrachtung. Wenn man jetzt noch die Kosten für die ordnungsgemäße Ausarbeitung einer Anmeldung durch einen PA berücksichtigt, ist der Gebührenhub relativ zu den Gesamtkosten natürlich geringer. Wobei ein PA auch bei einem GebrM mit Sicherheit noch einen Rechercheantrag stellen würde, sodass der Gebührenhub nur noch 450 Euro beträgt.

Wie gesagt, für Privatanmelder mag das Gebührenargument ziehen, für gewerbliche Anmelder halte ich es für wenig relevant.

Beim Patent kommen auch noch die Anwaltskosten für die Beantwortung der Prüfbescheide hinzu. Wenn man ein eingetragenes Schutzrecht will, muss man die zahlen. Beim Gebrauchsmuster kann man sich die sparen, ebenso wie den Rechercheantrag.
 

der_markus

*** KT-HERO ***
Das stimmt natürlich, ich war vom günstigen Fall einer Instant-Erteilung ausgegangen.

OT: Ich bin mal gespannt, ob sich der Themen-Ersteller hier nochmal zu Wort meldet. Wir fachsimpeln hier fleißig seit zwei Wochen, nur der ursprünglich Fragende hat noch nichts beigetragen. :)
 
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