Erst european patent attorney, dann deutschen Patentanwalt (Kanzlei)

_plan2

Schreiber
Ich lese schon eine ganze Weile in diesem Forum mit, und schreibe heute zum ersten Mal.
Über die Zeit, beim Scrollen durch alte Beiträge, habe ich gemeint, hier ein etwas schwankendes Meinungsbild bezüglich der Berufsperspektive herauszulesen, und darüber, ob, und für wen es sich lohnt, den doch langwierigen Ausbildungsweg einzuschlagen. Daher würde ich mich über eine aktuelle, ehrliche Einschätzung zu meinen Überlegungen freuen.

Ich habe diesen Monat mehrere Bewerbungsgespräche in Patentanwaltskanzleien.

Profil:
- Master in "was physikalischem", aber interdisziplinär ausgerichtet
- Promotion
- Auch neben dem Studium längere Zeit in Laboren gearbeitet (an der Uni) >15h/Woche
- Kurs zu gewerblichem Rechtsschutz mit viel Spaß und sehr guten Ergebnissen (ich wollte gucken, ob mir das Thema wirklich liegt)

mit Ü30 nicht mehr blutjung
Gründe für das Alter:
- 2 Kinder, eins relativ früh im Studium, eins während der Promotion bekommen. Weiblich, das schreibe ich deshalb dazu, weil man als Frau das Kind nunmal auch austragen muss, was trotz allen Gleichberechtigungsbestrebungen in der Kindererziehung, nunmal im Regelfall mit insgesamt höheren zeitlichen Einbußen einhergeht. Aber ich habe einen Mann zu den Kindern, der seine Rolle tatsächlich als gleichberechtigt und entsprechend auch mit den gleichen Pflichten behaftet ansieht, sich komplett einbringt, und mich bei meinem Vorhaben voll unterstützt.
- während dem Studium konstante Jobs an und außerhalb der Uni, mal fachlich passend, mal weniger, da ich das Studium ohne Bafög selbst finanzieren musste u.a. daher keine Regelstudienzeit geschafft
- Promotion
- in der Jugend/jungen Erwachsenenzeit ein längerer gesundheitlicher (aus)Fall von "das Leben ist eben nicht fair - Krönchen richten, und weiter machen".

Meine Überlegungen gehen jetzt in die Richtung, den European Patent Attorney zuerst anzugehen (die Durchfallquoten sind mir bekannt...), und dann mit der entsprechenden Berufserfahrung den Patentanwalt später und dafür ohne Amtsjahr zu machen.
Der Weg ist ja in der Industrie deutlich üblicher, als in Kanzleien. Ich wohne nicht in München (auch nicht in der Nähe). Das Amtsjahr ist also tatsächlich so ein Punkt, wo ich mich mit Kindern bei der Vorstellung der konkreten Ausgestaltung ein wenig schwer tue. Nicht, dass es unmöglich ist. Wenn das in den Kanzleien der einzige gewünschte Weg ist, dann machen mein Mann und ich das gemeinsam irgendwie möglich.
Dennoch die Frage: Wie realistisch ist es, dass eine Kanzlei den oben angedachten Weg mit geht? In den Kanzleien, wo ich die Bewerbungsgespräche habe, scheinen auch durchaus Leute zu arbeiten, die "nur" European Patent Attoney sind, daher meine Hoffnung, dass die dortige Zusammensetzung des Arbeitsaufkommens eventuell auch meinen Gedanken möglich machen könnte.

Ist meine Überlegung also eventuell ein denkbarer Weg? Oder katapultiere ich mich mit der Frage gleich hochkant aus dem Bewerbungsgespräch?

Es ist ein Gedanke, der mir immer mal wieder kam bei dem Gedanken ans Amtsjahr mit Kindern. Und nun, da es konkret wird, mit den Bewerbungsgesprächen, stelle ich mir die Frage, ob ich mich mit der Sache (Amtsjahr) "einfach" abfinden und dafür vorplanen soll, oder ob es sich lohnen könnte, die obige Alternative im Gespräch vorsichtig anzusprechen (Ausschreibungen waren formuliert mit "Ausbildung zum... und/oder ..." und eins war eine Initiativbewerbung).
Ich hätte gern eine Einschätzug dazu, da ich mir mit der Frage nicht selbst die Chancen nehmen möchte. Wenn es ein unrealistischer Gedanke ist, der mir die Chance zerschießt, dann kriegen wir auch das Amtsjahr organisiert, und ich stelle die Frage im Gespräch gar nicht erst, sondern plane gleich mit Amtsjahr, sind schließlich auch nur 8 Monate. Aber schön wäre eben anders.

Ich bedanke mich im Voraus für eine Einschätzung hierzu.
 

DMX

BRONZE - Mitglied
Zum einen kann ich mir nicht vorstellen, dass die Frage schlecht ankommt, zumal es von dir ja nur eine Frage und keine Forderung sein wird. Zudem ist es auch in Kanzleien nichts außergewöhnliches, nur die europäische Qualifikation zu haben, insbesondere aber nicht nur bei ausländischen Kandidaten. Da würde ich mir wirklich keine Sorgen machen.

Zum anderen ist das Amtsjahr auch nicht mehr das, was es mal war, und ist heutzutage durchaus ohne acht Monate in München machbar - siehe hier und hier. Gerade bei ersterem Thread müsste der Threadersteller aktuell im Amtsjahr sein und hat eine äußerst ähnliche Ausgangslage wie du sie haben wirst. Es schadet also sicher nicht, dich nach seinen Erfahrungen zu erkundigen. So wie das Amtsjahr aktuell stattfindet, lohnt es sich mMn nicht, die deutsche Ausbildung extra deswegen hinauszuzögern.

Viel Erfolg bei der Stellensuche und der anschließenden Ausbildung!
 

abc123

Schreiber
Hallo,

Ich arbeite in einer Kanzlei und habe es so wie von Dir geschildert gemacht. Also erst nach etwa drei Jahren die EPA Zulassung und dann nochmal fünf Jahre später die Deutsche. Die Gründe waren ähnlich. Ich habe Kinder und unsere Kanzlei ist abseits jeglicher Großstädte, insbesondere München. Bei uns in der Kanzlei ist das sogar der wesentlich üblichere Weg.

Abgesehen davon, dass ich vor dem DPMA nicht alleine vertreten darf sind mir noch keine Nachteile aufgefallen. Da es bei uns quasi ab sofort eine Umsatzbeteiligung gibt (vorausgesetzt man überschreitet einen Mindestumsatz), finde ich, dass es finanziell sogar vorteilhaft war und ist. Es wird sowieso fast nur vor dem EPA gestritten. Aus Erzählungen habe ich sogar eher den Eindruck, dass die Kandidatenzeit bis zum Amtsjahr von manchen Kanzleien als eine Art verlängerte Probezeit gesehen und verwendet wird. Es ist zum Beispiel häufig der Fall sein, dass Kanzlerin die Bezahlung von der Zulassung abhängig machen und nicht von der Leistung.

Es gibt also auf jeden Fall Kanzleien, die deine Überlegung sinnvoll und nachvollziehbar finden.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Wir haben/hatten auch Kandidaten aus dem EU-Ausland, die auch wegen mangelnder Deutschkenntnisse nur die europäische Ausbildung gemacht haben. Wenn die Kanzlei genug EPA-Geschäft hat, ist das grundsätzlich kein Problem.

Die mangelnde deutsche Zulassung beißt einen aber irgendwann. Erstens kann man nur mit deutscher Zulassung im Versorgungswerk Mitglied werden, dessen Altersvorsorge die gesetzliche doch um einiges übertrifft. Außerdem kann man nicht Partner werden, wenn man die deutsche Zulassung nicht hat. Für das tägliche Leben am Anfang ist das wenig relevant, aber mit den Jahren entwickelt man sich beruflich ja weiter.
 

Dokument42

BRONZE - Mitglied
Ich bin zwar selbst Industriekandidat, weiß aber von einem Kollegen, der seine Ausbildung in der Kanzlei gemacht hat, dass er von Anfang an nur die europäische Ausbildung machen wollte. Das hat sein damaliger Chef auch akzeptiert.

Ich selber mache auch aktuell nur die europäische Ausbildung und habe dann im Anschluss vor die deutsche ohne Amtsjahr nachzuholen. In meinem Unternehmen absolut üblich. Als Physikerin hast du ohnehin eine gute Ausgangslage, da dieser Bereich aktuell sehr gefragt ist. Die Kanzlei muss sich also fragen, ob diese Bedingung wirklich rechtfertigt, deine Bewerbung abzulehnen.
 

_plan2

Schreiber
Sorry, fast vergessen. Aber es ist ja immer doof wenn jemand eine Frage stellt, Antworten bekommt, und dann im Nirvana verschwindet. Daher wollte ich kurz rückmelden, dass ich gefunden habe was ich gesucht habe.

Ich danke euch für euren Input, der war sehr hilfreich.

Ich habe jetzt einen Vertrag in dem die europäische Ausbildung festgehalten ist. Ob/wann/auf welchem Weg ich die deutsche dann auch noch machen möchte kann ich jederzeit entscheiden, oder es ganz lassen. Brauchen würde ich sie dort nicht.

Ich fühle mich damit jetzt erstmal sehr wohl und freue mich schon sehr auf meinen ersten Tag.
 
Zuletzt bearbeitet:

patachon

GOLD - Mitglied
Wir haben/hatten auch Kandidaten aus dem EU-Ausland, die auch wegen mangelnder Deutschkenntnisse nur die europäische Ausbildung gemacht haben. Wenn die Kanzlei genug EPA-Geschäft hat, ist das grundsätzlich kein Problem.

Die mangelnde deutsche Zulassung beißt einen aber irgendwann. Erstens kann man nur mit deutscher Zulassung im Versorgungswerk Mitglied werden, dessen Altersvorsorge die gesetzliche doch um einiges übertrifft. Außerdem kann man nicht Partner werden, wenn man die deutsche Zulassung nicht hat. Für das tägliche Leben am Anfang ist das wenig relevant, aber mit den Jahren entwickelt man sich beruflich ja weiter.
Das stimmt nicht mehr - seit der Änderung der PAO können auch European Patent Attorneys Partner werden. Das wurde in der Gesetzgebung sogar explizit als einer der Gründe für die Änderung angeführt.
 

_plan2

Schreiber
Das stimmt nicht mehr - seit der Änderung der PAO können auch European Patent Attorneys Partner werden. Das wurde in der Gesetzgebung sogar explizit als einer der Gründe für die Änderung angeführt.
Ja, dass mitlerweile auch european patent attorneys Partner werden können ist auch die Information, die mir gegeben wurde. Und tatsächlich gibt es die Konstellation in der Kanzlei wo ich anfangen werde auch.
 
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