EPÜ Einspruchsverfahren beschleunigen

Fip

*** KT-HERO ***
Folgender Fall (ich schildere die Umstände im Detail, weil ich hoffe, dass sich daraus vielleicht ein hilfreicher Hinweis ergibt):



Gegen die Erteilung eines Stammpatents (angemeldet 2006), dass einen Gegenstand mit A+B+C schützt, wurde Einspruch eingelegt. Das Patent wurde, nachdem sich das Prüfungsverfahren elendig lange hingezogen hatte, Ende 2015 erteilt. Im Einspruchsverfahren wurde das Patent Ende 2017 erstinstanzlich widerrufen. Vorsitzender der Prüfungsabteilung und Mitglied der Einspruchsabteilung war Herr X. Die Beschwerde des Patentinhabers ist anhängig. Beschwerdebegründung und Beschwerdeerwiderung wurden im Jahr 2018 "ausgetauscht". Wir warten darauf, dass die Beschwerdekammer endlich zur Tat schreitet.



Kurz vor der Erteilung des Stammpatents reichte der Patentanmelder eine Teilanmeldung auf den Gegenstand A+B ein. C ist nun Teil eines Unteranspruchs. Wir reichten Einwendungen Dritter mit Argumenten gegen die Patentfähigkeit ein und baten die Prüfungsabteilung, der wiederum Herr X vorsteht, die Entscheidung im parallelen Einspruchsverfahren zur Stammanmeldung mit zu berücksichtigen. Wir weisen ferner darauf hin, welche Unruhe der Anmelder am Markt mit dem Stammpatent gestiftet hat (Abnehmerabmahnungen, etc.).



Die Prüfungsabteilung läd zur mündlichen Verhandlung die Teilanmeldung betreffend, die Ende 2018 stattfinden soll, weil sie den Gegenstand A+B nicht für erfinderisch hält. Kurz vorher reicht der Patentanmelder Anlagen zu allgemeinem Fachwissen ein und macht seitenweise Ausführungen mit irgendwelchen fadenscheinigen Argumenten. Insgesamt umfasst die Eingabe etwa 400 Seiten. Dies ist dasselbe Vorgehen, das er auch schon bei der Stammanmeldung angewandt hatte.



Daraufhin setzt die Prüfungsabteilung die mündliche Verhandlung kurzerhand ab und erteilt das Patent in dem Umfang A+B, den sie noch in der Ladung zur mündlichen Verhandlung als nicht patentfähig angesehen hatte. Herr X, dessen Unterschrift unter dem Widerrufsbeschluss zur Stammanmeldung zu finden ist, die A+B+C geschützt hatte, unterschreibt diesen Erteilungsbeschluss. Die Einspruchsfrist läuft Ende 2019 aus.


Mein Mandant schäumt. Er wartet seit Jahren darauf, dieses ziemlich offensichtlich vom Stand der Technik nahegelegte Produkt endlich am Markt verkaufen zu können, traut sich aber ob der natürlich noch bestehenden Restunsicherheit nicht so recht. Erste Kunden springen ab und kaufen beim Patentinhaber. Im Jahr 2019, also 13 Jahre nach Erstanmeldung, steht jetzt wieder ein mehrere Jahre dauerndes Einspruchsverfahren mit sich anschließender Beschwerde an.



Das Ziel des Patentinhabers erscheint auch klar: Er will letztlich nur die durch die Patente zu seinem Vorteil beeinflusste Wettbewerbslage so lange wie möglich aufrecht erhalten. Er erzählt auch fleißig am Markt, dass er diese Patent hat (stimmt ja auch) und man besser bei ihm kaufen solle, wenn man keine Probleme will.


Nun zur Frage: Kennt jemand - abgesehen von den üblichen in den Prüfungsrichtlinien erwähnten und ja eher wenig wirksamen Möglichkeiten, eine Beschleunigung des Einspruchsverfahrens zu bewirken - Wege, das Einspruchsverfahren zügig in die Gänge zu bringen? Was passiert eigentlich, wenn unter Schilderung des Sachverhalts schon 8 Monate vor Ablauf der Einspruchsfrist Einspruch einlegt? Sonst irgendwelche kreativen Ideen?
 

Blood für PMZ

*** KT-HERO ***
Hallo Fip,

der Fall kommt mir irgendwie bekannt vor, vertrete ich vielleicht den Konkurrenten Deines Mandanten?

Spaß bei Seite, die Konstellation kommt ja in entsprechend modifizierter Form häufiger vor. Mal vertritt man den Inhaber der beiden Patente, mal den Gegner. Natürlich pro Vorgang nur einen davon.

Wenn Du den Einspruch sofort nach einem Monat einlegst, passiert nichts. Das EPA wird abwarten, ob weitere Einsprüche eingelegt werden, und dann erst mit den üblichen Schritten starten. Die Einspruchsabteilung hat keine Lust, schon Schriftsätze auszutauschen oder gar zu mündlichen Verhandlungen zu laden, wenn die Beteiligten am Verfahren noch gar nicht feststehen. Selbst Begriffe wie "verspätetes Vorbringen" müssten dann neu durchdacht werden und wären für die unterschiedlichen Einsprechenden vielleicht verschieden.

Die verfahrene Situation lässt sich im üblichen Rahmen nicht auflösen. Imho geht es nur mit kreativen Lösungen neben den Schienen, und da muss Dein Mandant bereit sein, sich ein paar provozierende Fragen von Dir anzuhören, etwa:

1. Das böse Patent ist von 2006. Wieso ist Deinem Mandanten seit 2006 keine bessere und zugleich von dem Patent unstreitig keinen Gebrauch machende Lösung eingefallen?

2. Was würde es denn in Ingenieurstunden kosten, eine solche bessere Lösung zu entwickeln und wäre das vielleicht schneller und sogar kostengünstiger als jedes streitige Verfahren?

3. Das Patent läuft 2026 ab. Der Gegner weiß das auch. Dann bricht auch der Preisvorteil weg. Vielleicht lässt sich das Geld für die Restjahre in eine Lizenz investieren?

4. Man könnte die entsprechenden Erzeugnisse alternativ einfach als Zukaufteile vom Patentinhaber beziehen und in die eigenen Geräte einbauen.

5. Oder man kauft den offenbar geschickt agierenden Gegner einfach mal komplett auf, samt Patent?

Dem Mandanten wird das alles nicht so gefallen und als Patentanwalt würde man auch spannende streitige Verhandlungen bevorzugen. Egal. Zumindest erfährt man mit solchen Fragen vom Mandanten mitunter interessante Argumente, die man dann im tatsächlichen Verfahren nutzen kann.

Frohes Schaffen
Blood für PMZ
 
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Asdevi

*** KT-HERO ***
Nun zur Frage: Kennt jemand - abgesehen von den üblichen in den Prüfungsrichtlinien erwähnten und ja eher wenig wirksamen Möglichkeiten, eine Beschleunigung des Einspruchsverfahrens zu bewirken - Wege, das Einspruchsverfahren zügig in die Gänge zu bringen? Was passiert eigentlich, wenn unter Schilderung des Sachverhalts schon 8 Monate vor Ablauf der Einspruchsfrist Einspruch einlegt? Sonst irgendwelche kreativen Ideen?

Das Einspruchsverfahren ist schon sehr schnell. Siehe Stammpatent: Ende 2015 erteilt, Ende 2017 widerrufen. Dazwischen liegen 9 Monate Einspruchsfrist und mindestens ein halbes Jahr zwischen Ladung und mündlicher Verhandlung (schon organisatorisch notwendig wegen Räumen und Ausschluss von Terminkollisionen). Schneller als 2 Jahre ist ein Einspruchsverfahren kaum zu führen, mit den bestehenden Regelungen des EPÜ.

Helfen würde dir am ehesten die Beschleunigung der Beschwerde des Stammpatents. Und hier sind Abnehmerabmahnungen durchaus ein relevanter Faktor, den man in einem Beschleunigungsantrag anbringen kann.
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Je nachdem in welchen Ländern das Patent validiert wurde und wo die relevanten Märkte sind, könnte auch über eine Nichtigkeitsklage z.B. in Großbritannien nachgedacht werden. In GB gibt es den Ausschluss bei anhängigem Einspruch nicht, und der Patents Court ist relativ schnell. Natürlich wird das teuer ...
 

Fip

*** KT-HERO ***
Danke für die Rückmeldungen. Meine Hoffnung, einen Tipp zu bekommen, der ganz neue Perspektiven eröffnet, war ohnehin gering.


Es ist echt frustrierend, wenn man schon im Verfahren der Stammanmeldung eigentlich alles "richtig" gemacht hat, damit kein Patent erteilt wird bzw. dieses widerrufen wird, um dann zusehen zu müssen, wie im Rahmen einer Teilanmeldung entgegen einer bereits ergangenen Widerrufsentscheidung erneut ein Patent mit einem sogar noch breiteren Schutzumfang erteilt wird. Ich frage mich, was genau sich der Prüfer bzw. die Prüfungsabteilung dabei denkt. Und dem Mandanten bekommt man das auch nicht wirklich vermittelt. Ganz im Gegenteil hinterfragt der, wie das passieren kann, und stellt die Kompetenz seines Patentanwalts in Frage.



Ich würde mich ja gerne mal beim EPA Präsidenten über so etwas beschweren, aber man will ja auch den Prüfer bzw. die Einspruchsabteilung, mit der man es ja noch zu tun haben wird, nicht gegen sich aufbringen.


Trotzdem frage ich mich manchmal, ob beim Amt noch ein Bewußtsein dafür vorhanden ist, dass jede Patentanmeldung zwei entgegengesetzte Interessen berührt, nämlich die des Anmelders auf der einen und die der Öffentlichkeit bzw. des Wettbewerbs auf der anderen Seite, und das Amt eine Patentanmeldung neutral und objektiv zu prüfen hat. Manchmal gewinnt man den Eindruck, dass Amt handelt zunehmend nach dem Motto, der Anmelder ist Kunde und der Kunde ist König.
 

Groucho

*** KT-HERO ***
[FONT=&quot]Hallo Fip,[/FONT]

[FONT=&quot]das EPA hat ja eine Direktion Unterstützung für das Qualitätsmanagement, an die man sich durchaus wenden kann und um Aufklärung wegen der einander anscheinend widersprechenden Entscheidungen bitten kann. [/FONT]

[FONT=&quot]Die Gefahr, die Einspruchsabteilung gegen dich aufzubringen, sehe ich nicht dramatisch – sie steht ja nach der letzten Erteilung inhaltlich offenbar ohnehin nicht auf deiner Seite und sie wird sich sicherlich um eine objektive Entscheidung bemühen, wenn die Mitglieder wissen, dass ihre Entscheidung gegebenenfalls von oben kritisch begutachtet wird. Und nicht zu vergessen, dein Mandant sieht, dass du für ihn alle Hebel in Bewegung setzt … [/FONT]​
 
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Asdevi

*** KT-HERO ***
Ich würde mich ja gerne mal beim EPA Präsidenten über so etwas beschweren, aber man will ja auch den Prüfer bzw. die Einspruchsabteilung, mit der man es ja noch zu tun haben wird, nicht gegen sich aufbringen.

Dann schick doch jemand anderen vor und lass es einen befreundeten Kollegen machen. Der kann unerwünschte Rechtsunsicherheit für seinen fiktiven Mandanten vorgeben oder so. Dann fällt es nicht auf dich zurück.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Zitat von Fip:
Manchmal gewinnt man den Eindruck, dass Amt handelt zunehmend nach dem Motto, der Anmelder ist Kunde und der Kunde ist König.
Der Unfug, dass Anmelder als "Kunden" zu behandeln sind, wird offenbar von "oben" in die Prüferschaft getragen, weil dies gerade modern ist. Und zwar nicht nur im EPA sondern auch im DPMA.

Meine Erfahrung ist allerdings, dass solche "Vorgaben" an fast allen Prüfern wirkungslos abprallen. Es mag natürlich einige geben, die sich davon Vorteile versprechen, wenn sie die entsprechenden "Sprüche" nachplappern. Auf das tatsächliche Verhalten und auf inhaltliche Entscheidungen dürfte das aber nur sehr selten Einfluss haben.

- - - -

Wenn A+B+C im Einspruch widerrufen wird, aber gleichzeitig vom selben Prüfer in einer Teilanmeldung A+B erteilt wird, dann ist das schon sehr merkwürdig. Ziemlich unwahrscheinlich dürfte es ja sein, dass dieser Prüfer bereits das Merkmal B für erfinderisch hält, er aber im Einspruch überstimmt wurde. Aber etwas anderes fällt mir dazu auch nicht ein.
 
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